Freies Wissen statt freier Liebe
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Freies Wissen statt freier Liebe
Show des freien Wissens Freies Wissen statt freier Liebe Was hat freie Software mit Pesto zu tun? Werde ich verfolgt von CyberHippies? Ist Lionel Richie eine Spaßbremse? Diese und andere Fragen klärte die „Show des freien Wissens“ Von Stefanie Büther Am Anfang war das Tomatenpesto, dachten sich die Macher der Show des freien Wissens, und deshalb wird auf der Bühne erstmal gekocht. Moderator Helge Haas und Matthias Kirschner von der Free Software Foundation Europe stehen also zusammen vorm Mixer – „wir haben da mal was vorbereitet“ – und machen anschaulich, was freie Software bedeutet. Die Analogie liegt nicht nahe, aber sie funktioniert erstaunlich gut: Mit dem Rezept (alias Quellcode) darf man machen, was man will – lesen, verändern, weitergeben. Und das ist völlig legal. Bei freier Software ist das genauso; bloß ist Software eben meistens nicht frei. Der Quellcode wird nicht veröffentlicht, und verändern darf man ihn schon gar nicht, obwohl doch manche Programme mit ein bisschen Basilikum viel besser laufen würden. Der gewollt naive Blickwinkel auf ein komplexes Thema erinnert nicht von ungefähr an die „Sendung mit der Maus“. Die Initiatoren der Show haben sich vorgenommen, verständlich und unterhaltsam zu erklären, was freies Wissen alles sein kann. Mit einer charmanten Mischung aus „Wetten Dass“ und „Pleiten, Pech und Pannen“ führen sie ihr Publikum durch unbekannte Welten – von freier Musik über die OnlineEnzyklopädie Wikipedia bis zu Netzpolitik und freien Lizenzen. Freie Software zumindest hätten sie nicht besser erklären können, obwohl ein kleiner Unterschied zum Kochen bestehen bleibt: Mit Kochbüchern kann man gutes Geld verdienen, freie Software dagegen wird oft von Usern selbst weiterentwickelt, ohne dass sie dafür ein Gehalt kassieren. So wird Geld zum großen Thema, wenn es um den unkommerziellen Vertrieb freier Inhalte geht. Die Idee von freiem Wissen klingt gut, aber warum sollte jemand seine Freizeit opfern, um für andere ohne Bezahlung die Welt zu verbessern? Bei der SpieleEntwicklerin Annette Pohlke, die im „richtigen Leben“ Lateinunterricht gibt, waren es ganz pragmatische Gründe: „Ich war von Anfang an begeisterte Spielerin von Star Wars Combine, bis plötzlich eine neue Version rauskam, die auf meinem Mac nicht lief. Das hat mich so geärgert, dass ich dem Team kurzerhand vorgeschlagen habe, selber eine Mac-Version zu bauen, obwohl ich seit fünf Jahren nicht mehr programmiert hatte.“ Seitdem gehört Annette zu den Administratoren beim freien Online-Rollenspiel Star Wars Combine und verbringt gut 20 Stunden jede Woche mit dem Spiel, ohne selbst zu spielen. Und ohne Bezahlung. Sieht so die neue Gattung von Idealisten aus: Cyber-Hippies des 21. Jahrhunderts, die freies Wissen statt freier Liebe propagieren? Ist das Produzieren von freien Inhalten letztlich nicht mehr als ein zeitaufwendiges Hobby unverbesserlicher Idealisten? Nicht ganz. Moritz Sauer, Macher von Phlow.net, beobachtet seit Jahren die freie Musikszene im Netz und beschreibt das Internet als Aufmerksamkeitsökonomie. Die Währung sind Klicks und Links, es geht anfangs nicht um Geld, sondern erst einmal darum, bekannt zu werden. 1 Hat man das geschafft, stellt sich das Geld ganz von alleine ein – über Bookings und Merchandising. „Die meisten Musiker leben sowieso nicht von der GEMA, sondern von ihren Auftritten“, erklärt DJ Shir Khan. Demnach wäre es für die Musiker nicht nur billiger, ihre Stücke bei Netlabels zu veröffentlichen, sondern auch effizienter. Ganz in diesem Sinne argumentiert Meike Richter, wenn es um freie Filme geht: „Das Internet ist für junge Filmemacher einfach ein riesiger Kinosaal.“ Bestes Beispiel ist „Cedric“, eine skurrile Animation über den Neffen von Gevatter Tod und seine florierende After-Life-Company. Der Film wurde inzwischen über 100.000 Mal runtergeladen und hat damit ein Publikum erreicht, von dem andere Abschlussarbeiten von Filmstudenten nur träumen können. Und wieder ist Popularität die Währung, aus der irgendwann Geld werden soll: „Solche Filme sind Visitenkarten – ein Sprungbrett ins nächste Projekt.“ Sieht aus, als würden von freiem Wissen alle profitieren: Zufriedene Künstler, begeisterte User. Gefahren lauern eigentlich nur noch im Copyright. Ursprünglich ging es dabei um die Absicherung der Künstler und ihres Lebensunterhalts; in der Remix-Kultur des 21. Jahrhunderts aber ist das Copyright längst zum restriktiven Instrument geworden, an dem in erster Linie die Vertreiber von Kunst verdienen. Der Juraprofessor Lawrence Lessig hat als Alternative die Creative-Commons-Lizenzen entwickelt, mit denen Künstler ihre Werke frei, rechtlich abgesichert und legal veröffentlichen können. Sie bestimmen selber, was damit gemacht werden darf – die freieste aller CC-Lizenzen erlaubt nicht nur die unkommerzielle Weiterverbreitung, sondern lädt sogar ausdrücklich zum Remixen ein. „Die Werkzeuge der Kreativität wurden demokratisiert; heute kann jeder Musik und Filme machen.“ Mit CC-Lizenzen ist es dann auch legal, auf Werke anderer Künstler zurückzugreifen. Das beste Beispiel für einen gelungenen Remix hat Lessig mitgebracht: Die Videomontage „Read my Lips“, in der Tony Blair und George Bush ein zärtliches Gesangsduett von Lionel Richie vortragen. Die rechtliche Situation dieses Clips ist völlig unklar; Richie jedenfalls hält eine Veröffentlichung für illegal. Begründung, er fand den Clip nicht lustig. Wahrscheinlich steht er mit dieser Meinung allein da, der Saal jedenfalls brüllte vor Lachen. Quelle: http://zuender.zeit.de/2006/38/show-des-freien-wissens-reportage 18. September 2006 2