Entdeckendes Lernen erlernen
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Entdeckendes Lernen erlernen
Entdeckendes Lernen erlernen „Darf ich dich mit PUSHY bekannt machen? PUSHY wartet darauf, dass du ihn durch das Labyrinth nach Hause bringst. Am Anfang musst du ihm bloß den Weg zeigen, doch später müssen Kisten aus dem Weg geräumt oder farbige Kugeln in passende Löcher versenkt werden. Dabei muss PUSHY diese Punkte beachten: 1. Er kann Gegenstände nur schieben, nicht ziehen. Daher kommt nämlich auch sein Name, der vom englischen Wort „to push – schieben, drücken“ abgeleitet ist. Er kann also eine Kugel nicht wieder aus einer Ecke heraus ziehen, sonst müsste er nämlich PULLY heißen ... 2. Lässt sich immer nur ein Gegenstand bewegen; PUSHY kann also nicht zwei Kisten auf einmal beiseite schieben. 3. Warten noch einige knifflige Level mit ganz schön haarigen Problemen auf dich. Um den richtigen Weg nach Hause zu finden, entpuppt PUSHY sich als „Meister der Umwege“; ohne Fehler „geht da gar nix!“. Du solltest dich also nicht gleich entmutigen lassen; probiere lieber einiges aus, um dann Schritt für Schritt einen passenden Weg zu finden. Erst aus einer falschen Spur, erst aus einer Sackgasse heraus entsteht oft die Idee, wie es besser klappen könnte. Also sei froh über die Erkenntnisse, die du aus den Fehlern gewinnen kannst. Dafür brauchst du dann aber auch eine Riesenportion Geduld, Ausdauer und Selbstvertrauen ...“ Für die einen ist bloß ein Pausenspiel, für die anderen aber ist PUSHY erstklassiges Hirnleistungstraining. Ein Kind gebrauchte einmal den Begriff „Kopftraining“ und meinte damit die Förderung von Logik, Strategiebildung und reflexivem Arbeiten. All das und mehr lässt sich mit dem vorgelegten Programm diagnostizieren und vor allem auch trainieren. Nun muss man, was die Möglichkeiten eines Tranfer betrifft, sicher vorsichtig sein. Untersuchungen weisen aus, dass die Entwicklung von Strategiebildung ebenso wie die Förderung von Wahrnehmungsleistung in der Regel sehr spezifisch erfolgt. Aber man gewinnt einen gewissen sekundären Transfereffekt bzw. Ansatzpunkt für weitere Reflexionen über erfolgreiche Bewältigung in einem Bereich. Und genau dies ist die Chance des Programms, das eine Reihe von Lernanlässen auf unterschiedlichen Ebenen bietet und damit ein heraus ragendes Beispiel für PC-gestütztes Lernen und Spielen ist. Für die Kinder steht im Vordergrund sicher der spielerische Aufforderungscharakter mit seinen sportlichen Implikationen. Also stellt sich eine so genannte intrinsische Motivation direkt aus dem Spiel heraus ein. Geschickte didaktische Kommentierung ermöglicht aber darüber hinaus die Fokussierung auf eher verdeckt ablaufende Prozesse: • • Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn sich nicht sofort eine Lösung abzeichnet? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn ich (wieder einmal) zu schnell oder zu sorglos vorgegangen bin? • • • • • • Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn mir zum x-ten Mal der gleiche Fehler unterlaufen ist? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn PUSHY nicht so schnell ist, wie ich das gerne in meiner Ungeduld hätte? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn ich erst mal gar nicht weiter weiß und erst mal überlegen, probieren oder auch einfach nur abwarten muss? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn ich auf dem Weg zur Lösung um die Ecke denken muss? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn andere schon weiter sind als ich? Lernziel: Wie gehe ich damit um, wenn wir die Lösung kooperativ angehen? Diese und viele andere Fragen liegen im Verlauf des Trainings offensichtlich auf der Hand, sodass ich sie nur noch aufgreifen und pädagogisch nutzen kann. Dabei ist es förderlich, eine eigene offene Haltung im Denken zu bewahren und zu benennen. Denn es gibt in der Regel immer mehrere Wege zum Ziel, also sollte ich eigene Ideen und Eigenständigkeit in der Lösungsfindung positiv konnotieren. Ebenso wie die Stärken der einzelnen, die sich dem teilnehmenden Beobachter direkt präsentieren. Damit steht PUSHY in maximalem Kontrast zu klassischem Schul- / Schülerdenken: Umwege, Fehler, Pleiten, Pech und Pannen sind kein Drama, sondern ein Fenster zur Lösung. Und es ist fast schon eine Ehre, bei PUSHY einmal gescheitert zu sein. Hierfür Geduld und Augenmaß aufzubringen ist nicht nur eine Stärke der spielenden Kinder sondern auch der beteiligten Pädagogen. Denn sie haben spätestens ab Level 40 (hier hörte PUSHY in der ersten Version auf) oft selbst keine Idee, wie eine Lösung aussehen könnte. Damit trägt PUSHY ebenfalls zur Umkehr des klassischen Lerngefälles bei. Anwenden von Lernstrategien ist Teil eines selbst gesteuerten Lernens (SGL); hierzu gehören: • sich BEWUSST machen, WIE ich lerne, • zu WISSEN, WAS beim Lernen passiert, • den Lernprozess zu ÜBERWACHEN und • darüber ins NACHDENKEN zu kommen, um • verschiedene WEGE zu erproben und so • das eigene Lernen zu OPTIMIEREN. Wenn ich positive Ansätze wahrnehmen und sie positiv konnotieren kann, sind sie Anlass genug, Ausschau danach zu halten, „wie du deine Stärken auch für die Rechtschreibung (oder andere defizitäre Bereiche) nutzen kannst. Lass uns mal gemeinsam überlegen.“ Hier ist also das in der Lerntherapie bestens bekannte Prinzip „Mit Hilfe der Stärken die Schwächen managen“ bestens umgesetzt. Und für einen genauen Beobachter sind die Stärken der Kinder hier immer zu finden – garantiert! Wer nach einem positiv besetzten Anker Ausschau hält, wird im Sport fündig, wie das folgende Gespräch deutlich macht. „Weißt du, was Strategien sind? Kennst du das irgendwo her?“ – „Na klar, aus der Formel 1, da gibt es doch die Boxenstrategie.“ – „Ah ja, und was versteht man darunter?“ – „Die Teams, Ferrari zum Beispiel, machen sich einen Plan und überlegen dann ganz genau, wann der Schumacher zum Tankstopp kommt und wie er die anderen dabei austricksen kann.“ – „Aha, könnte man also sagen, das ist so etwas wie ein genauer Plan, der laufend überwacht wird, damit man noch besser wird?“ – „Genau, die beobachten laufend alles, was wichtig ist und entscheiden dann im passenden Moment. Mit der Boxenstrategie schaffen die es, die Schwächen ihrer Reifen auszugleichen und von den Stärken ihres Motors zu profitieren.“ – „“Und wo begegnen dir sonst noch Strategien?“ – „Na, bei Age of Empires (einem Aufbau-Strategiespiel von Microsoft, bei dem es ähnlich wie bei „Die Siedler“, „Caesar“ oder „Empire Earth“ von Sierra um die erfolgreiche Steuerung und Planung komplexer Entwicklungsprozesse geht; J. H.). Da muss man doch auch eine gute Strategie haben, wo man anfängt und wie man weiter macht, damit man seine Zivilisation gut wachsen lassen kann.“ – „Und was braucht man da noch?“ – „Ressourcen natürlich, ohne Ressourcen geht gar nix!“ (Transkript eines Interviews mit Lukas, einem 9-jährigen Jungen). Joachim Hackler Diplom-Psychologe Diplom-Pädagoge [email protected] Computer und Lernen Zentrum für Lernmethodik und Medienpsychologie www.computerundlernen.de Der Autor ist als psychologischer Psychotherapeut und integrativer Lerntherapeut seit vielen Jahren in Klinik und Praxis mit dem Schwerpunkt der Betreuung von Schülern mit Lern- und Leistungsstörungen tätig. Verschiedene Veröffentlichungen, Fortbildungen und Entwicklung von Konzepten sowie Leitung von Projekten rund um die Themenbereiche Computer und Lernen.