Als die Olympischen Spiele das Abenteuer Atlanta überlebten

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Als die Olympischen Spiele das Abenteuer Atlanta überlebten
Als die Olympischen Spiele das Abenteuer Atlanta überlebten (Sport, NZZ Online)
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Donnerstag, 20. Juli 2006
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Als die Olympischen Spiele das
Abenteuer Atlanta überlebten
Im Sommer 1996 eine Bombenexplosion,
ein Verkehrschaos
Noch ein Schweizer in der
NHL
Zwei GC-Gesichter
FC Aarau mit Schwung in
die neue Saison
Ein Blitzstart
Je eine gute Halbzeit
Vor zehn Jahren, am 20. Juli 1996, wurden in
Atlanta die XXVI. Olympischen Sommerspiele
eröffnet. Sechzehn Tage später übernahm in der
Südstaaten- Kapitale wieder der Profisport die
Herrschaft - ein starker Kontrast zu der von
Olympiakandidaten regelmässig versprochenen
positiven Nachwirkung des Grossereignisses.
Kein Sieger auf neuem
Rasen
Serena Williams'
beeindruckende Rückkehr
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Atlanta, im Juli
Wiederzuerkennen ist in Atlanta ein Jahrzehnt nach
den Centennial Games nicht allzu viel, schon gar nicht
das Olympiastadion von damals. Weil sich hier
gemäss Landessitte jede Generation das Recht
vorbehält, sich laufend neu zu erfinden, wurde auch
der Hauptschauplatz der Spiele des hundertsten
Geburtstags der olympischen Neuzeit, kaum waren
sie vorbei, in eine Baseball-Arena umgebaut. Er
wurde von 83 000 auf 50 000 Sitzplätze
redimensioniert und zu Ehren eines erfolgreichen
Sohnes der Stadt, des einstigen America's-CupSkippers und Gründers von CNN, auf «Ted Turner
Field» umgetauft.
Symbolisch auch die Adresse des Backsteinbaus am
Hank Aaron Way Nummer 755: Mit seinen 755 HomeRuns besitzt der heute 72-jährige Aaron, nach wie vor
Mitarbeiter der Atlanta Braves, der lokalen MajorLeague-Franchise, den wichtigsten Rekord im
Lieblingsspiel der Amerikaner. Sein in Bronze
gegossenes Ebenbild ziert den Stadioneingang.
Logisch, dass olympische Reminiszenzen da nur
begrenzt Platz haben. Immerhin blieb auf der ins
Stadtzentrum führenden Allee das Gerüst mit den fünf
olympischen Ringen mitsamt der Fackel stehen.
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Ach ja - das olympische Feuer. An die Entzündung der
Flamme durch Muhammad Ali, den grössten Boxer
aller Zeiten, erinnern sich alle Dabeigewesenen noch
gut und gerne. Der Auftritt des legendären
Schwergewichts-Champions war der erste
beziehungsweise, wie böse Zungen sagen, der einzige
wirklich emotionale Höhepunkt der Spiele in der
Stadt, die zuvor nur einen einzigen Beitrag zur
Zivilisation geleistet hatte: die Erfindung eines
geheimnisvollen Elixiers durch den Apotheker John
S. Pemberton anno 1886. Dem durstlöschenden,
munter machenden Trank namens Coca-Cola sollte
Atlanta dereinst weltweite Bekanntheit verdanken.
Vom Gesöff profitiert auch die olympische Bewegung,
die vom Unternehmen seit Jahrzehnten kräftig
mitfinanziert wird. Beim Zuschlag des
Organisationsauftrags für die Spiele 1996 soll seine
Fürsprache entscheidend gewesen sein.
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Donnerstag
Sonnig und heiss,
zeitweise vorüberziehende
Wolkenfelder. Gegen
Abend in den Bergen
einzelne Gewitterherde.
Um 34 Grad.
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Mit Coke im Rucksack
Erinnerungen an den olympischen Sommer sind denn
unweigerlich von Coca-Cola durchtränkt. In jenen
feuchtheissen Sommertagen schwärmten,
Wasserträgern in tropischen Gegenden nicht
unähnlich, Coke-Verkäufer mit auf den Rücken
gepackten Fünf-Gallonen-Tanks in die Stadt aus und
füllten die eiskalte braune Brause zum stolzen Preis
von drei Dollar (später herabgesetzt auf einen) in
Becher ab: Herolde eines Marketings, wie es die Welt
noch nie erlebt hatte. Aber man befand sich hier ja im
Lande der freien Marktwirtschaft, und so hatten denn
auch die Ringe und die Flamme und überhaupt alles,
was Sportschuhe beziehungsweise einen Badeanzug
trug, alleine dem Zweck des Profits zu dienen, wenn
möglich eingehüllt ins Sternenbanner. An der
sogenannten «Kommerziade» war die Werbung König
und setzte sich entsprechend in Szene. So der
Sportartikelhersteller Nike, der mit dem Slogan «You
don't win silver, you lose gold» (Man gewinnt nicht
Silber, man verliert Gold) das olympische Leitmotiv,
wonach Mitmachen wichtiger sei als Siegen, zynisch
verhöhnte.
Typisch indessen für die dem Sport allemal zugetanen
Amerikaner, dass sie - noch nie zu geschichtlichem
Bewusstsein erzogen - das Allermeiste von damals
vergessen haben. Ausgenommen natürlich
Muhammad Ali sowie die Bombe, die an einem
unschönen Samstagabend im Olympiapark mitten in
der Stadt explodierte. An der Stelle, wo zwei
Menschen starben und Dutzende verletzt wurden, sind
die damals noch jungen Bäumchen prächtig
herangewachsen, spielen Kinder in den kühlenden
Fontänen der Springbrunnen und lauschen Bürolisten
in ihrer Mittagspause musikalischen Darbietungen.
Darüber wehen die Flaggen der 197
Olympiadelegationen von 1996, doch viel höher
empor ragen die umstehenden Symbole
wirtschaftlicher Macht - die Türme von CNN und CocaCola.
Olympischer Sport? Wo denn?
Nur ein paar Gehminuten vom Coke-Hochhaus
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entfernt liegt das Schwimmstadion, wo vor zehn
Jahren, für Olympia erstaunlich, nicht ein einziger
Weltrekord fiel. Auch hier wurde die Vergangenheit
beiseite gewischt; das «Aquatic Center» der Georgia
Tech University dient vor allem zur Erholung von
dessen Studentenschaft. Spitzensport gibt es nur
ganz ausnahmsweise, zum Beispiel vergangenen
Monat, als im Rahmen der «Swim with the Stars»Tournee der achtfache Olympiasieger Michael Phelps
für eine Exhibition zu Gast war und in einem
Trainingscamp für Jungtalente ein paar Tipps zum
Besten gab.
Ein anderer olympischer Held hat alle Illusionen
bezüglich olympischer Nachnutzung längst verloren.
«Olympischer Sport? In Atlanta?» Edwin Moses, der
Hürdenlauf-Star der siebziger und achtziger Jahre, der
hier zur Universität ging und seit elf Jahren wieder ein
Haus besitzt, kann ein Lachen kaum unterdrücken.
«Da gibt's nichts. Rein nichts.» Gut, vielleicht ein paar
Radrennen draussen in Stone Mountain, räumt er ein,
aber Leichtathletik, Schwimmen, Kunstturnen? Moses
zeigt in die Runde: «Gleich hier: das Football-Stadion
von Georgia Tech. Jedes Mal bumsvoll. Dort: der
Georgia Dome für unser Pro-Football- Team.
Daneben: die Philips Arena für unser NBA-Team.
Verstehen Sie?»
Verstanden hatte es einer der olympisch
Massgebenden schon am Morgen nach der
Schlussfeier der Spiele. Vor seinem Abflug vertraute
der Schweizer IOK-Vizepräsident Marc Hodler dem
Verfasser dieser Zeilen an, er werde alles
daransetzen, «dass Olympische Spiele nie wieder in
die USA vergeben werden - mit Ausnahme von Los
Angeles oder New York». So wie Hodler hatten
Tausende von Gästen die Nase gestrichen voll von der
vermeintlichen Southern Hospitality, der
vielgerühmten Gastfreundschaft des amerikanischen
Südens, vom gigantischen Verkehrschaos und von der
hemmungslosen Geldmacherei. Sie wollten nur noch
das eine: möglichst schnell weg.
Billy und sein Job
Kaum war das Fest verrauscht, machte man sich in
Atlanta - der Stadt, die einem hauseigenen Slogan
gemäss «zu viel zu tun hat, um zu hassen» - an neue
Aufgaben. Der Profisport übernahm wieder die
Herrschaft; seinem Ruf folgte schliesslich auch
William Porter «Billy» Payne, der rührige
Organisationschef mit dem Spitznamen eines kleinen
Buben und der entsprechenden Mentalität. Im
vergangenen Mai übernahm der 59-Jährige den
Vorsitz des Augusta National Golf Club, der
Dachorganisation des Masters, des Jahr für Jahr
wichtigsten Sportereignisses im Staate Georgia. Ein
schöner Trost, denn für seinen olympischen Effort
hatte Payne vor zehn Jahren vom Herrscher des IOK
nur Undank erhalten. Pflegte sich Juan Antonio
Samaranch an Schlussfeiern gewohnheitsmässig für
«die besten Spiele aller Zeiten» zu bedanken, so
hatte er es am 4. August 1996 mit einem gnädigen
«Thank you, Billy, for a job well done» bewenden
lassen.
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Den Job hat die Stadt Atlanta inzwischen besser
gemacht als nur gut. Nach dem Amerikanischen
Bürgerkrieg (1860-65) in Schutt und Asche, danach
während eines Jahrhunderts Provinz, gilt die inklusive
Vorstädte drei Millionen Seelen starke Metropole als
dynamisches Zentrum des sogenannten «Neuen
Südens». Da ist das Prädikat einer Olympic City
höchstens schmückendes Beiwerk.
Rod Ackermann
Die Stars von Atlanta 1996
Basketball: «Dream Team II» (USA mit Shaquille
O'Neal u. a.).
Kunstturnen: Dong Hua-Li (Schweiz / Sieger
Pferdpauschen)
Leichtathletik: Donovan Bailey (Kanada / Sieger
100 m und 4×100-m-Staffel), Carl Lewis (USA /
Sieger Weitsprung), Michael Johnson (USA /
Sieger 200 m und 400 m), Marie-José Pérec
(Frankreich / Siegerin 200 m und 400 m).
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