Oder doch eher Evolution? - Beate Müller

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Oder doch eher Evolution? - Beate Müller
10.04.2010 Reutlinger General-Anzeiger
Die 4. Revolution: Podium in der Planie mit dem Regisseur Carl-A. Fechner zum Filmauftakt
Oder doch eher Evolution?
Von Andrea Glitz
REUTLINGEN. Erneuerbare Energien krempeln die Welt um. Sie retten das Klima. Sie
helfen zwei Milliarden Menschen, die bislang ohne Strom leben, ein besseres Leben
zu führen. Dezentrale Energieversorgung bricht zudem die Regentschaft der Ölmultis
und Energiekonzerne - und verändert nicht zuletzt ganze politische Systeme: Als
»Inspiration« bezeichnet Carl-A. Fechner seinen Dokumentarfilm „Die 4.
Revolution“. Aber er hat auch eine klare Botschaft: Der Wandel ist »finanziell und
technisch machbar.«
Fechners Vision von einer anderen Welt fasziniert viele Menschen. Auch in Reutlingen. »Ein
bewegender Film«, fand eine Zuschauerin nach dem Kinostart im Reutlinger Planie-Kinocenter
am Donnerstag bei der nachfolgenden Podiumsdiskussion in der Planie 22 und beteuerte: »Ich
möchte die Revolution voranbringen«.
»Ein berührender Film. Ich möchte die Revolution voranbringen«
»Sonnenenergie Neckar-Alb«, der Verein zur Förderung regenerativer Energien, hat im Vorfeld
mächtig Wind gemacht, für ein ausverkauftes Kino gesorgt und zudem das Podium organisiert.
Dort saßen neben dem Filmemacher die grüne Bundestagsabgeordnete Beate MüllerGemmeke, der SPD-Fraktionsvorsitzende Helmut Treutlein, und der Chef der
Klimaschutzagentur des Landkreises, Jürgen Schipek.
Fechner revanchierte sich für anhaltenden Applaus mit »Reutlingen ist eine aktive Stadt« und
freute sich, »viele alte Freundinnen und Freunde aus der Zeit der Friedensbewegung
wiederzusehen«. Sein Credo, der Wandel müsse »vom Herz ausgehen, von dort in Kopf und
Verstand und dann in die Füße« wollten viele im Saal nur allzu gerne umsetzen. Doch, was
tun? Hier und jetzt?
In den »Alltag einpflanzen« müsse man das Thema, so Müller-Gemmeke. Zum Beispiel mit der
energetischen Sanierung des Eigenheims, für die Jürgen Schipek naturgemäß mächtig
Werbung machte. Doch diese sinnvolle Handlungsoption scheitert bei vielen daran, dass sie
kein Haus haben oder dass sie Teil einer größeren Gemeinschaft sind: »Wie bekommt man eine
Eigentümergemeinschaft dazu, ein Gebäude zu sanieren«, so eine Publikumsnachfrage.
Schipek machte wenig Hoffnung: Hier müsste erst der Bund Gesetze ändern.
Inspirationsbedarf sah einer der Gäste bei Berufsständen, die eigentlich vorne weg sein
müssten: »Sie sollten Ihren Film mal allen Architekten und der Handwerkskammer zeigen.
Denen ist viel zu wenig bewusst, was möglich ist.« An die vorsichtigen Ansätze der Kommune
zum aktiven Klimaschutz erinnerte SPD-Stadtrat Treutlein. Auch hier steht die energetische
Sanierung bestehender Gebäude im Vordergrund. Große Würfe verhindert nun der alles
umkreisende Pleitegeier. Zum Nachtragshaushalt hatte die CDU-Gemeinderatsfraktion
beantragt, die städtischen Gebäude nicht mehr mit Ökostrom zu versorgen, schoss Treutlein
auf die politischen Gegner. Der Vorschlag fand keine Mehrheit. Nur die Straßenbeleuchtung
wird künftig mit konventionellem Strom betrieben.
»Wir dürfen das Thema in Zeiten der Krise nicht vernachlässigen«, warnte Treutlein. Der auch
für die Windkraft eine Lanze brach. »Das Bewusstsein, dass man Windkrafträder unattraktiv
findet, muss sich wandeln. Hochspannungsmasten stören doch auch keinen.«
Jürgen Schipek erwartet keine schnellen Lösungen, sieht eher »Evolution als Revolution«, auch
wenn's an der Technik längst nicht mehr fehle. Er appellierte auch an die Firmen, Klimaschutz
ins Kalkül einzubeziehen. »Wir müssen nicht nach China gucken. In unserer Region gibt es
Unternehmen, die 10 000 Liter Öl pro Woche brauchen und überlegen, ob sie auf Kohle
umstellen sollen.«
Doch längst arbeiten Firmen aus der Region auch mit am Wandel: So meldete sich aus dem
Publikum Gunther Stahl zu Wort. »In Reutlingen gibt's Unternehmen, die kümmern sich
drum.« Stahl und Schöller hat erst eine Windkraftanlage auf der Alb aufstellen dürfen - den
ganzen Rest musste das Reutlinger Unternehmen seit Jahren erfolgreich in die ganze Republik
verkaufen. (GEA)