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Manuskript
Hessischer Rundfunk
hr2-kultur
Redaktion: Dr. Karl-Heinz Wellmann
Wissenswert
Land unter:
Staudämme für den Amazonas?
Von Gudrun Fischer
Donnerstag, 14.06.2012, 08.40 Uhr, hr2-kultur
Sprecherin: Birgitta Assheuer
12-067
COPYRIGHT:
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Seite 2
Vorschlag für die Anmoderation
Bis heute denken viele, dass Wasserkraftwerke „saubere“ Energie produzieren. Aber sie sind
nicht „sauber“, das ist wissenschaftlich erwiesen. Trotzdem rühmt sich Brasilien seiner
Wasserkraft, 80 Prozent der elektrischen Energie im Land liefern Stauseen. Sie liegen meist
im Süden des Landes. Seit ein paar Jahren plant die Regierung, die Wassermassen der
Flüsse im Amazonasgebiet zu nutzen. Und warum nicht? Schließlich befördert der Amazonas
und seine Nebenflüsse 20 Prozent des Süßwassers der Welt. Gudrun Fischer hat am
wasserreichsten Amazonasnebenfluss Madeira recherchiert. Der Madeira fließt kurz hinter
der Urwaldmetropole Manaus in den Amazonas.
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1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern
Sprecherin
Am Hafen von Porto Velho verkaufen einige Fischer ihren Fang. Sie sind rar geworden, die
dicken und die schmalen, die langen und die kurzen Flussfische aus dem Madeira, hier im
südlichen Amazonasgebiet. Es ist schwül und mindestens 35 Grad warm. In ein paar Stunden
wird – wie fast jeden Tag – ein dicker Tropenregen niedergehen. Doch noch ist es trocken.
Zwei Mal die Woche starten vom Hafen aus Flussdampfer gen Norden, nach Manaus. Für die
1100 Kilometer braucht das Schiff fünf Tage. Porto Velho ist die Hauptstadt des
brasilianischen Amazonasbundesstaats Rondônia, und sie ist Boomtown: Die Stadt ist in nur
drei Jahren von 300.000 auf 450.000 Menschen angeschwollen.
1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern
Seite 3
Sprecherin
Die Farbe des Madeira ist beige-orange. Kleine Einbäume mit Motor dümpeln im Fluss, sie
bringen Passagiere ans andere Ufer; die Überfahrt dauert zehn Minuten. Früher mussten die
Bootsfahrer Baumstämmen ausweichen, die im Wasser trieben, heute fangen Gitter das Holz
auf. Gitter vor der Baustelle des Santo-Antônio-Staudamms, zehn Kilometer flussaufwärts.
Noch stehen dort Baukräne – und ein kleiner Rest Urwald. Hier am Hafen von Porto Velho
war der Madeira bisher in der Regenzeit anderthalb Kilometer breit.
1. O-Ton
Artur Moret
Já tem em torno de três anos que as obras começaram aqui em Santo Antônio, em Jirau
começou um pouco depois, mas nada foi feito no que se refere a proteção ambiental. Nada.
Não teve cuidado com derrubada das árvores, não teve cuidado com o rio, nós já tivemos
mortandade de centenas de toneladas de peixe por causa do desvio que foi feito no rio,
centenas de toneladas de peixe. Porque quando você tem um rio e quando você barra ele
num pedaço você gera remansos. Você gera uma baixa quantidade de oxigênio e a alteração
da temperatura da água. Agora esta questão ambiental das hidrelétricas é extremamente
complicado porque você tem aquele impacto da interrupção da água. Para cima da barragem
você vai ter uma água mais lenta do que ela era.
Übersetzung männlich
Seit drei bis vier Jahren bauen sie an den Wasserkraftwerken Santo Antônio und Jirau.
Nichts, aber auch gar nichts wurde hier zum Schutz der Umwelt unternommen. Sie haben viel
Urwald für die Baustellen gefällt. Hier am Hafen kamen schon hunderte Tonnen tote Fische
an. Sie haben den Fluss aufgestaut und für die Baustellen umgeleitet. Wenn du einen Fluss
an einer Stelle aufstaust, dann schaffst du an einer anderen Stelle überschwemmte Ufer mit
flachem Wasser. Das Wasser wird wärmer, und der Sauerstoffgehalt verringert sich, Fische
sterben. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind heftig, wenn ein Fluss gestaut wird. Zum
Beispiel verringert sich die Fließgeschwindigkeit oberhalb der Staumauer sehr.
1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern
Seite 4
Sprecherin
Der Brasilianer Artur Moret war in den letzten Jahren einer der bekanntesten Kritiker der
zwei Staudammbauten am Madeira. Der Physiker lehrt an der staatlichen Universität von
Porto Velho. Die lokale Bewegung gegen die Madeira-Staudämme wirbelte vor ein paar
Jahren viel Staub auf. Nun werden die Dämme gebaut, auch die Engagiertesten haben ihren
Widerstand aufgegeben. Die eine Staumauer, Jirau, 100 Kilometer vor der bolivianischen
Grenze, ist noch nicht ganz fertig. Hier hingegen, oberhalb von Porto Velho, ist der Damm
bereits fertiggestellt, und seit ein paar Monaten steigt das Wasser in ihm.
1. Atmo: Flussplätschern, leise Stimmen, Motorboot tuckert
Sprecherin
Unterhalb des Damms, also direkt vor dem Flusshafen, sagt Artur Moret voraus, wird der
Fluss in den trockenen Monaten hingegen zum Rinnsal werden. 14 Meter stieg bislang
während der Regenzeit der Wasserspiegel des Madeira. Nun muss für die Stromerzeugung
am Santo Antônio Staudamm Wasser zurück gehalten werden, es wird deshalb kein An- und
Abschwellen des Flusses im Jahresrhythmus mehr geben. Zusammen sollen die beiden
Kraftwerke mehr als 6.000 Megawatt Strom erzeugen, die Baukosten werden bei etwa 8
Milliarden Euro liegen. Auf ihren Webseiten berichtet die brasilianische Baufirma von Santo
Antônio, dass bereits die ersten Turbinen vom Typ Kaplan-Rohrturbine montiert wurden. Sie
sind mit ihren 7 1/2 Metern Durchmesser und mehr als tausend Tonnen die größten der Welt
und besonders für geringe Fallhöhen geeignet, heißt es. Zum Problem aber werden bald die
Sedimente des Madeira, sagt der Physiker voraus.
2. O-Ton
Artur Moret
Vai assorear, porque ela vai receber todo material particulado. De forma que a partir do
momento que ela vai começar a operar ela vai estar diminuido sua potência disponível. Nós
temos uma hidrelétrica aqui em Rondônia, a Hidrêletrica de Samuel que ela tem instalados
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216 MW, uma hidrelétrica pequena. Entretanto ela só gera firme 70, ou seja um terço.
Imagina, Jirau continua gerando 500 Mega a 1500 Mega, ela vai ter a amortização de
investimento dela em vinte, trinta anos, mas quem constroi, já construiu, isto é que interessa.
Übersetzung (männlich)
Natürlich wird als erstes der Stausee von Jirau versanden. Er erhält ja die ganze
Sedimentfracht aus Bolivien. Sobald das Wasserkraftwerk mit der Stromproduktion beginnt,
wird die Kapazität Stück für Stück sinken. Diese Erfahrung haben wir bereits mit einem
älteren Kraftwerk am Samuel-Stausee gemacht. Das war für 216 Megawatt Strom angelegt,
es liefert aber im Durchschnitt nur 70 Megawatt, also nur ein Drittel. Wir fürchten, dass das
Kraftwerk Jirau nur 500 bis 1500 Megawatt Strom liefern wird, statt der geplanten 3.000.
Dadurch wird es sich erst in 30 oder 40 Jahren amortisieren. Die Baufirma interessiert das
aber nicht, gebaut ist gebaut.
Sprecherin
Das Kraftwerk von Jirau wird einen 1,5 km breiten und etwa 60 Meter hohen Damm
bekommen, der Damm des nahe Porto Velho gelegenen Santo-Antônio-Kraftwerks ist nur 30
Meter hoch. Beide Kraftwerke werden jeweils 44 Turbinen besitzen, und die Fläche beider
Stauseen wird zusammen etwa 250 Quadratkilometer betragen. Das Wasserfläche, heißt es,
werde nur ungefähr doppelt so groß werden wie heute in der Regenzeit. Der Strom soll also
nicht mithilfe des Rückstaus großer Mengen Wasser und einer hohen Fallhöhe produziert
werden, sondern vor allem mithilfe einer Durchflussmenge von Wasser. Das ist der Trick, mit
dem im Amazonasgebiet Strom erzeugt wird, denn das Gefälle ist hier extrem gering. Auf der
1500 km langen Strecke von Manaus bis zu seiner Mündung in den Atlantik hat der Amazonas
nämlich nur ein Gefälle von 14 Metern. Insgesamt plant die Regierung für das
Amazonasgebiet 70 neue Wasserkraftwerke. Statt der Flüsse wird es hier am Ende eine Art
Seen-Kette geben.
1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern (zwei Sekunden stehen
lassen)
Seite 6
Seite 7
Sprecherin
Damit soll das größte geschlossene Urwaldgebiet der Welt an die aufstrebende brasilianische
Wirtschaft Anschluss finden, heißt es. Die brasilianischen Stromprojekte im Amazonasgebiet
sind eingebunden in den sogenannten IIRSA-Plan, der vor zwölf Jahren von allen Ländern
Südamerikas ausgehandelt wurde. Es geht darum, Soja, Holz, Fleisch und Aluminium aus
dem Amazonasgebiet per Land- und Flussweg auf den Weltmarkt zu schaffen. Gerade die
Aluminiumproduktion im Amazonasgebiet, in dem auch viel Bauxit liegt, verbraucht viel
Strom. Bauxit ist der Rohstoff für das Aluminium. Der Strom, der übrig bleibt, soll über 3.000
km lange Trassen nach Südbrasilien abgeführt werden, erklärt Océlio Muniz. Er ist Aktivist im
MAB, dem „Dachverband der von Staudämmen Betroffenen“ in Porto Velho.
1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern
3. O-Ton
Océlio Muniz
IIRSA é um plano de estruturação de hidrovias, ferrovias e de eletricidade na América Latina.
Aqui nessa região da Amazônia que é um complexo de construção de hidrovia, hidrelétricas,
ferrovias, transoceanica que é uma BR que passa Peru e vai até o Acre, tem a hidrovia que vai
se tronar navegável o Rio Madeira depois Porto Velho e tem a 319 a BR que vai ligar Manaus,
Porto Velho a Manaus. Tem o projeto de reconstruir e de fazer a interligação de Porto Velho a
Manaus.
Übersetzung (männlich)
Durch IIRSA sind verschiedene Infrastrukturprojekte in Lateinamerika geplant. Hier in
unserer Amazonasregion sollen Flüsse begradigt werden, Wasserkraftwerke entstehen und
Eisenbahnlinien sollen gebaut werden. Auch eine neue Straße durch den Urwald über den
Bundesstaat Acre bis nach Peru ist geplant. Der Madeira-Fluss wird durch den Stausee
südlich von Porto Velho schiffbar gemacht, und die alte Bundesstraße 319 wird erneuert, die
Porto Velho Richtung Norden mit Manaus verbindet. Diese Straße ist verfallen.
Sprecherin
Seite 8
Der Amazonas erhielt bisher 50 Prozent seiner Sedimentfracht aus dem Madeira. Das waren
pro Tag etwa drei Millionen Tonnen Sedimente. Wenn diese Sedimente nicht mehr kommen,
wird sich die gesamte Flusslandschaft am Amazonas verändern.
1. Atmo: Am Hafen, Flussplätschern, Stimmen, Motorboote tuckern
Sprecherin
Nachdem Brasilien während der Zeit der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 mehrere
Großprojekte im Amazonasgebiet buchstäblich in den Sand gesetzt hatte – unter anderem die
schon lange unpassierbare Transamazonica, so lange lagen Großprojekte im
Amazonasgebiet auf Eis. Der Physiker Artur Moret bezweifelt, dass die neuen Kraftwerke
nachhaltiger gebaut werden.
4. O-Ton
Artur Moret
É possível que o lago altere o lençol freático da cidade. Você tendo uma coluna maior de água
você tem uma pressão maior sobre o lençol freático. E tem o afreamento do lençol freático
em outros lugares. A água da cidade de Porto Velho ela é tirada do Rio Madeira e de um
afluente do rio Madeira. Ou seja: Onde é que vai tirar água para ser potabilizada, para a
cidade de Porto Velho? Ninguem sabe.
Übersetzung männlich
Wahrscheinlich wird der neue Stausee den Grundwasserspiegel der Stadt verändern. Denn
eine schwere Wassersäule drückt auf den Grundwasserspiegel, der sich deshalb verschiebt.
Unser Trinkwasser in Porto Velho kam aus dem Madeira und von einem Nebenfluss. Werden
wir in Zukunft überhaupt noch sauberes Trinkwasser bekommen?
Sprecherin
Die öko-sozialen Folgen von großen Stauseen in Brasilien werden seit Jahren vom
Dachverband der Staudammbetroffenen aufgezeigt. Ein Mitarbeiter dieser Organisation ist
der Biologe Costis Damianakis. Stauseen haben seiner Meinung nach im Amazonasgebiet den
Verlust von biologischer Vielfalt zur Folge.
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5. O-Ton
Costis Damianakis
Não só entre as duas margens do rio mas entre a jusante e a montante se corta o fluxo
genético entre as espécies. Os peixes principalmente migratórios enfrentam um obstáculo
que eles podem mais superar, é previsto de criar uma escada de peixe, para poder migrar e
desviar a barragem, estudos também apontam que depois de alguns anos mesmo estes
peixes não consegeum mais chegar ao lugar de desova. Não é apenas ter o rio. A água tem
que ser uma água corrente para o peixe poder se orientar também. Num lago de água parada
o peixe não consegue se orientar. Então depois de dois, três anos a espécie perde a memória,
a natureza perde a memória.
Übersetzung männlich
Zwischen den beiden Ufern der Dämme, die nach der Flutung sehr weit auseinander liegen,
wird der Austausch von Genen unterbrochen. Das gleiche passiert zwischen dem Oberlauf
und dem Unterlauf, wenn sie durch einen Damm getrennt werden. Besonders beeinträchtigt
werden Fische, die bisher flussaufwärts gewandert sind. Denn auch wenn Fischtreppen
gebaut werden, zeigen Studien, dass die Fische nach ein paar Jahren nicht mehr zu ihren
Laichplätzen gelangen. Denn sie brauchen nicht nur einen Fluss. Sie brauchen fließendes
Wasser für ihren Orientierungssinn. Nach zwei bis drei Jahren verlieren diese Fische
sozusagen ihr Gedächtnis, sie wandern nicht mehr flussaufwärts.
Sprecherin
Das Thema Fischtreppen ist inzwischen gut erforscht. Gerade in Brasilien haben die schon an
vielen Stellen aufgestauten Flüsse an Fischreichtum eingebüßt. Klar ist inzwischen, dass eine
Fischtreppe, in der die natürliche Strömung nachgeahmt wird, gut für die Fische ist. Danach
aber gelangen sie in einen ruhigen Stausee, der wenig Sauerstoff enthält. Eigentlich müsste
es einen Fischkanal geben, der durch die ganze Länge eines Stausees gezogen wird, um die
Fischpopulationen zu erhalten, fordern brasilianische Aktivisten.
Und um die an den Ufern lebenden Tiere zu retten, müssten die Tiere von den Ufern
vertrieben oder eingesammelt werden, bevor der Stausee geflutet wird. Ein Teil der Tiere am
Madeira wurde tatsächlich eingesammelt und im entfernteren Urwald wieder ausgesetzt,
Seite 10
aber ein anderer Teil flüchtete beim Beginn der Flutung in die Häuser der Menschen oder
starb im Wasser.
2. Atmo: Boot legt an, Stimmen, dann Musik
Sprecherin
Der Soziologe Luis Fernando Novoa steht am Hafen von Porto Velho. Aus einer nahen Bar
tönt Musik. Der Soziologe untersucht für die staatliche Universität Rio de Janeiro die
Umsiedlungen. Die Umsiedlung von Menschen. Dafür hat er die Verhandlungen mit
betroffenen Dorfgruppen am Madeira begleitet. Insgesamt mussten für die Stauseen
schätzungsweise 15.000 Menschen umgesiedelt werden. Die genauen Zahlen wurden vom
Baukonsortium nicht veröffentlicht.
Der Soziologe lässt sich über den Fluss fahren und steigt den Hügel hoch zum Dorf Novo
Engenho Velho, das vor drei Jahren gebaut wurde. Hier leben Grima Cartogéno de Freitas
und José Isidoro de Freitas, beide sind schon über sechzig. Grima bepflanzte früher ihre vom
Madeira-Wasser regelmäßig überschwemmten fruchtbaren Äcker vor ihrer Hütte. José
Isidoro hat gefischt und im Urwald Früchte gesammelt. Heute liegt ihr Haus nicht mehr am
Fluss. Die große Familie mit vielen Kindern und Enkelkindern bekam eine Entschädigung. Die
neuen kleinen Einfamilien-Häuschen der Umgesiedelten reihen sich schnurgerade an der
frisch angelegten Straße entlang. Noch wächst nirgends ein Baum; die Sonne brennt
gnadenlos herunter.
2. Atmo: nur die Musik, leise mitgehen lassen bis nach O-Ton 6
Sprecherin
José Isidoro de Freitas wusste, dass er nie mehr wieder würde fischen dürfen. Am Fluss ist
jetzt die Fischerei nämlich untersagt. Zu Nah liegt die Staumauer.
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6. O-Ton
José Isidoro de Freitas
Nós sabia. Mas aí a gente deixou passar, deixa correr. Aí eles prometeram que eles iam dar
os vinte kilos para nós por mês, vinte kilo de peixe. Eles iam pegar aqui mesmo, tem monte
de criação de tambaqui, muita criação, muito, muito peixe. Nunca, nenhuma vez. E nem vão
dar. Lá tinha só fruteira, debaixo tinha mesa, a gente fazia reunião lá na mesona compridona
como daqui á essa fossa alí. E as fruteiras todas em cima, manga, laranja, tudo em quantia.
Na boca da noite assava peixe, bem assado. Agora é só tristeza. Aí fica esperando. O povo lá
em baixo fica esperando por eles, para ajeitar as casas, não é só a minha casa não, tem casa
que ficou só a banda, o temporal arriou.
Übersetzung männlich
Wir wussten es, haben es aber verdrängt. Als wir dann doch nach Fisch gefragt haben, da
versprachen sie uns 20 Kilo Fisch pro Monat für unseren eigenen Verzehr, denn wir essen viel
Fisch. Es gäbe nach wie vor Fisch hier, zum Beispiel den Tambaqui, der jetzt in Aquakultur
gezogen wird. Aber nicht ein einziges Mal haben sie uns Fisch gebracht! Dort, wo wir vorher
gewohnt haben, da gab es Obstbäume: Mangos, Orangen – viel, viel Obst. Abends haben wir
uns unter die Bäume gesetzt, an einen langen Tisch, und Fisch gegrillt, schön braun gegrillt.
Heute ist das vorbei, das ist traurig für uns. Unten am Hang warten sie schon seit Wochen auf
die Reparatur ihrer Häuser, denn ein Sturm hat einen Teil des Daches weg gerissen, auch bei
uns ist ein Teil des Daches kaputt.
2. Atmo: nur die Musik, zwei Sekunden frei stehen lassen
Seite 12
Sprecherin
Auch ein weiteres Problem haben die Stauseen im Amazonasgebiet verursacht:
Mückenplagen. Und mit den Mücken breiten sich Krankheiten aus. Stilles Wasser ist für
Mücken eine gute Brutstätte, sagt die Journalistin Alexânia Rossato, die für die Bewegung
der Staudammbetroffenen arbeitet und vor ein paar Jahren den Stausee Tucuruí im
Amazonasstaat Pará besucht hat.
7. O-Ton
Alexânia Rossato
Eles tinham que colocar as ciranças em baixo de mosquiteiros, daquelas telinhas, para não
pegar na boca, não pegar nas orelhas, para não comer as crianças. Hoje está sob controle a
situação. Isso foi logo depois do enchimento da barragem que eles contam que teve este
surto de proliferação do mosquito da Dengue, da Malaria. Muitas pessoas morreram. Virou
um escândalo, foi notícia nacional esta questão dos mosquitos em Tucuruí.
Übersetzung weiblich
Um sich vor der Mückenplage zu schützen, haben alle Kinder dort Schleier bekommen, damit
die Mücken nicht ihren Mund und ihre Ohren angreifen. Inzwischen haben sie die Situation
unter Kontrolle. Diese Verseuchung mit der Dengue- und Malaria-Mücke geschah
unmittelbar nach dem Fluten des Stausees. Viele Menschen sind gestorben. Das ging als
„Mückenkatastrophe von Tucuruí“ durch alle brasilianischen Zeitungen.
3. Atmo: Stimmen, Regen
Sprecherin
Ein tropischer Regen fällt hernieder. Die Menschen am Hafen suchen sich ein trockenes
Plätzchen. Noch gibt es keine Mückenplage am Madeira, die Gesundheitsposten sind
allerdings schon darauf vorbereitet.
3. Atmo: Stimmen, Regen
Sprecherin
Seite 13
Neben den Flussbewohnern werden von der Flutung der Madeira-Stauseen aber auch
indigene Gemeinschaften wie die Völker Karitiana und Karipuna betroffen sein. Dazu kommen
fünf indigene Gruppen, die freiwillig isoliert leben. Sie sind sogenannte „unkontaktierte
Völker“, sagt der Soziologe Luis Fernando Novoa:
8. O-Ton
Luis Fernando Novoa
A Funai já reconheceu a existência destes cinco povos. O reservatório vai começar a se
formar nos próximos mêses e a Funai até agora não finalizou o primeiro contato. A obra não
poderia sequer ser licenciada sem que este procedimento estivesse sido concluído. Que é o
de primeira visita, primeiro contato, explicativa do acontecido, tentativa de deslocamento
pacífico. Isso é contra todos os protocois internacionais que o Brasil assinou de tratar de
índios isolados. São povos muito preciosos porque eles guardam algo que já está perdido na
civilização industrial e perdida também nos proprios indígenas que estão em contato com a
civilização.
Übersetzung männlich
Die Indianerbehörde „Funai“ weiß von der Existenz dieser fünf Völker. Der Fluss ist bald
komplett zu einem Stausee angeschwollen, und die Funai hat noch nicht einmal den ersten
Kontakt hergestellt. Der Bau der Wasserkraftwerke hätte gar nicht genehmigt werden
dürfen, bevor diesen Völkern nicht erklärt worden wäre, was passieren wird. Es hätte ein Weg
für eine friedliche Umsiedlung gefunden werden müssen. Das ist ein Bruch von
internationalen Verträgen, die Brasilien zum Schutz der isolierten Indigenen unterschrieben
hat. Diese unkontaktierten Völker sind wertvoll, niemand hat im Industriezeitalter ihre
Erfahrungen. Auch nicht die Indigenen, die Kontakt mit der modernen Zivilisation halten.
3. Atmo: Stimmen, Regen
Seite 14
Sprecherin
In Porto Velho ist die soziale Lage angespannt. Es gibt zu wenige Krankenhausbetten und zu
wenige Schulen. Das Prostitutionsgewerbe ist gewachsen, auch Gewalt- und Drogendelikte
explodieren. Die 40.000 Arbeiter an den Baustellen der Wasserkraftwerke haben schon
mehrmals für bessere Löhne und gegen ihre Arbeitsbedingungen gestreikt. Dennoch sind
viele einverstanden mit den Staudämmen, weil sie Arbeit bringen. Doch was passiert nach
dem Ende der Bauarbeiten, in drei Jahren? Viele Menschen werden in den Elendsviertel
landen, andere werden zur nächsten Baustelle ziehen. Sie heißt Belo Monte und liegt am Rio
Xingu im Amazonasstaat Pará. Die Arbeiten am Belo Monte Staudamm haben unlängst
begonnen – es soll das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden und dort den
Amazonasurwald auf einer Fläche in der Größe des Bodensees überschwemmen.
3. Atmo: Stimmen, Regen

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