Wie bezahle ich mein Haus? - IW Medien
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Nr. 105 Michael Voigtländer Wie bezahle ich mein Haus? Inhalt 1. Der Traum vom Eigenheim 1 Kein gewöhnlicher Kredit 1 Eigenkapital bleibt wichtig 2 Fest oder variabel? 2 Tilgung und Laufzeit 4 Qual der Wahl 6 Die Rolle des Kapitalmarkts 7 2. Implikationen für die Gesamtwirtschaft 8 Ein Stück Altersvorsorge 8 Die Riesterrente 8 Gefahr der Überschuldung 9 Immobilienfinanzierung und Konjunktur 10 Fazit 12 Immobilienkredite: Wichtig für die ganze Volkswirtschaft Hypothekendarlehen in Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2005 Niederlande 97 Dänemark 94 Vereinigtes Königreich 80 Irland 62 Schweden 55 Portugal 54 Spanien 53 Deutschland 52 Finnland 43 Belgien 33 Frankreich 29 Griechenland 25 Österreich Italien 22 Quelle: European Mortgage Federation 17 Thema Wirtschaft Nr. 105 1. Der Traum vom Eigenheim Für die meisten Menschen ist der Kauf einer eige nen Wohnung oder eines eigenen Hauses die größte Investition ihres Lebens – verbunden auch mit dem größten Kredit, den sie jemals aufnehmen, da die wenigsten sich den Traum von den eigenen vier Wän den ohne finanzielle Hilfe von außen leisten können. Sie sind darauf angewiesen, sich Kapital von Banken, Bausparkassen oder anderen Institutionen oder Per sonen zu leihen. Das beweist auch die Statistik. Rund 50 Prozent aller Kredite in Deutschland werden für Immobilien ausgegeben. Im Jahr 2006 standen die Häuslebauer mit rund 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ent spricht in etwa der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das die gesamte Wirtschaftsleistung eines Landes wiedergibt. Die Immobilienkredite spielen in einer Volkswirt schaft schon allein aufgrund ihrer Größe eine wichtige Rolle – in anderen Ländern noch mehr als hierzulande. In Großbritannien zum Beispiel erreichten Immobi lienkredite im Jahr 2005, gemessen am BIP, 80 Pro zent, in Dänemark 94 Prozent und in den Niederlanden sogar 97 Prozent. Auf der anderen Seite ist der Markt für Immobilienkredite in Italien und Österreich eher klein (Grafik links auf der Umschlagseite). Bevor jedoch die volkswirtschaftliche Dimension der Immobilienfinanzierung näher beleuchtet wird, sollen zunächst die Grundlagen des Immobilienkredits erläutert werden. Denn ob sich der Traum vom eigenen Heim für den Einzelnen realisieren lässt, hängt in erster Linie von der Finanzierung ab. Da die Kredite in der Regel über einen langen Zeitraum abgezahlt werden müssen und die monatlichen Raten einen Großteil des verfügbaren Einkommens verbrauchen, können Fehlentscheidungen hier gravierende Konse quenzen nach sich ziehen. Für zukünftige Wohneigen tümer stehen deshalb vor der Vertragsunterzeichnung gewichtige Entscheidungen an. Sie müssen sorgfältig rechnen und planen, sich den richtigen Kreditgeber aussuchen und mit ihm Punkt für Punkt die einzelnen Vertragsdetails aushandeln. Kein gewöhnlicher Kredit Am Anfang ist mancher Bankkunde überrascht: Denn im Vergleich zu Krediten für Autos, Waschma schinen oder andere Gebrauchsgegenstände sind Im mobilienkredite in der Regel deutlich günstiger. Dies Seite 1 hat einen einfachen Grund: Die Kreditgeber können sich hier besser absichern; sie tragen weniger Risiko. Denn für den Fall des Zahlungsausfalls steht ihnen das „Verwertungsrecht an der Immobilie“ zu. Das heißt konkret: Sollte der Kreditnehmer die monatlichen Zahlungen nicht mehr leisten können, kann die Bank die Immobilie übernehmen und gegebenenfalls ver äußern, um so ihre Forderungen einzutreiben. Dieser Anspruch des Kreditgebers wird über die sogenannte Grundschuld – oder alternativ über eine Hypothek – ins Grundbuch eingetragen. Daher werden Immobilienkredite auch oft als Hypothekendarlehen bezeichnet. Die Grundschuld sichert der Bank das Zugriffsrecht auf das Immobilienvermögen, bevor andere Gläubiger zum Zuge kommen. Außerdem verliert die Immobilie im Vergleich zu anderen Gebrauchsgegenständen wie etwa Fernsehern oder Autos weniger schnell an Wert, weil Grundstücke insgesamt gesehen immer knapper werden. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich das Bauland in West deutschland um mehr als 60 Prozent verteuert. Die Immobilie ist für die Banken daher eine besonders wertvolle Sicherheit. Allerdings müssen sie bei den meisten Zwangsvollstreckungen damit rechnen, dass sie die Immobilie nur mit einem deutlichen Preisab schlag verkaufen können. Für die Überlassung der Sicherheit erhält der Im mobilienkäufer von der Bank zwar günstige Zinskon ditionen. Hinzu kommen aber Zusatzkosten, wie sie in der Tabelle auf Seite 2 aufgeführt sind, die bei der Lernziel Dass nahezu jeder vom eigenen Heim träumt, ist verständlich, denn ein eigenes Zuhause bietet nicht nur Sicherheit und Schutz sowie einen festen Bezugspunkt im Leben. Es ist auch ein hervorragender Baustein für die Altersvorsorge. Die Entscheidung für die eigenen vier Wände gehört für die meisten Menschen zu den wichtigsten Drehpunkten in ihrem Leben. Sie müssen sich deshalb auch der finanziellen Tragweite einer solchen Verpflichtung bewusst sein. Schließlich müssen die allermeisten von ihnen nicht unerhebliche Kredite aufnehmen, die jahrzehntelang zurückzuzahlen sind. Für den privaten Investor heißt es dabei: Je eher er den Grundstein für seine Immobilie legt, desto früher kann er von seinen Vorteilen profitieren. Junge Leute können beispielsweise mit dem Abschluss eines Bausparvertrags einen wichtigen Anfang machen. Die Immobilienfinanzierung ist aber nicht nur für den Einzelnen von großer Bedeutung, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft. Denn Veränderungen in diesem Markt können die gesamte Wirtschaftsentwicklung eines Landes sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Thema Wirtschaft Nr. 105 Seite 2 Steuern und Gebühren als Kostentreiber So viel Euro musste ein Immobilienerwerber im Durchschnitt bei einem Kaufpreis von … Euro im Jahr 2006 an Nebenkosten zahlen Kaufpreis Maklerprovision* Grundbuch/Registrierung 100.000 300.000 4.060 12.180 260 635 Notarkosten 1.000 1.740 Grunderwerbssteuer 3.500 10.500 * Makler nehmen für ihre Dienste zwischen 3 und 6 Prozent des Kaufpreises als Provision, unterstellt wurden hier 3,5 Prozent zzgl. Mehrwertsteuer; Quelle: Faller, Heising und Dübel, 2006 Finanzierung mit berücksichtigt werden müssen. Die Eintragung ins Grundbuch ist von einem Notar vor zunehmen und kostet in der Regel etwa 1 bis 1,5 Pro zent vom Kaufpreis. Weitere Einmalkosten entstehen durch die Grunderwerbssteuer in Höhe von 3,5 Prozent des Kaufpreises und gegebenenfalls durch die Maklergebühren. Eigenkapital bleibt wichtig Wer sich eine eigene Immobilie kaufen möchte, wird nicht darum herumkommen, vorher kräftig zu sparen. In der Regel finanzieren die Banken nämlich nicht den vollen Kaufpreis, sondern nur 60 bis 80 Prozent des Beleihungswertes. Der Beleihungswert ist dabei der Wert der Immo bilie, der sich nach Einschätzung der Sachverständigen auch bei schlechter Marktlage erzielen lässt. Er liegt im Durchschnitt 10 bis 15 Prozent unter dem Kauf preis. Immobilienkäufer müssen also über ein relativ hohes Eigenkapitalpolster verfügen oder sich Geld von Verwandten oder auch dem Arbeitgeber leihen. In letzter Zeit aber finanzieren immer mehr Geld geber Haus und Wohnung komplett per Kredit, was in den Niederlanden oder in Großbritannien schon seit einigen Jahren der Fall ist. Vor allem ausländische Banken sind es, die neuerdings auf den deutschen Markt drängen und 100-Prozent-Finanzierungen an bieten. Einige Geldgeber gehen bis zu 105 Prozent, um die Kaufnebenkosten und eine Liquiditätsreserve (schnell zur Verfügung stehende Geldmittel) gleich mit abzudecken; und besonders großzügige Banken offerieren für Neubauten sogar bis zu 125 Prozent des angemessenen Kaufpreises – dann ist die Einbauküche gleich mit bezahlt. Allerdings steigen die Kreditkosten für die Kunden auch deutlich an. Je höher der Beleihungsauslauf ausfällt, das heißt: je größer das Verhältnis zwischen Kredit und Beleihungswert ist, desto größer ist das Risiko für die Banken. Daher verlangen sie bei hohen Beleihungsausläufen auch höhere Zinsen. Bei einer Vollfinanzierung, bei der der komplette Kaufpreis nanziert wird, kann der Zins durchaus einen fi halben Prozentpunkt höher liegen als bei einer klassischen 60-Prozent-Finanzierung. Dies klingt nicht nach viel, bedeutet bei einem Kreditbetrag von 200.000 Euro aber immerhin eine monatliche Zusatzbelastung von 83,33 Euro. Bei hohen Beleihungsausläufen stellen die Geldgeber zudem besonders hohe Anforderungen an die Bonität der Kunden. Nur wer ein regelmä ßiges und hohes Einkommen erzielt, eine feste Stelle hat und bislang jeden Kredit zurückgezahlt hat, wird berücksichtigt. Zielgruppe sind beispiels weise junge Familien mit gutem Verdienst. Insgesamt dürfte der Trend zu höheren Beleihungs ausläufen weitergehen. Damit reagieren die Banken unter anderem auch auf den Wegfall der Eigenheim zulage im Jahr 2006, die Vater Staat früher zuschoss und die die Kunden wie Eigenkapital in die Finanzie rung mit einbringen konnten. Fest oder variabel? Eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Im mobilienfinanzierung betrifft die Wahl der Zinsbin dung. Der Kreditzins gibt den Preis eines Darlehens an und bestimmt, welchen jährlichen Betrag der Kre ditgeber für die Überlassung des Kapitals verlangt. Dieser Preis – beziehungsweise der Zins – ist jedoch nicht immer konstant, sondern kann im Zeitablauf deutlich schwanken. Verändert beispielsweise die Zentralbank die Zin sen, etwa weil sie die Inflation bekämpfen will, so hat dies direkte Auswirkungen auf die Kreditzinsen. Darüber hinaus ist auch der Kreditmarkt ein Markt wie jeder andere und reagiert auf Angebot und Nach frage. Wenn viele Menschen sparen und dieses Geld verleihen möchten, steigt das Kreditangebot und der Zins sinkt. Wenn auf der anderen Seite viele Menschen einen Kredit brauchen, die Kreditnachfrage also steigt, zieht der Zins an. Allerdings: An den Kredit- oder auch Geldmärkten verändern sich die Konditionen täglich. Würde der Zinssatz für das Hypothekendarlehen ebenso häufig angepasst, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Planungssicherheit der Haushalte. Schließlich kann ein Zinsanstieg um 1 Prozentpunkt schnell das Haus haltsbudget sprengen. Aus diesem Grund bieten die Banken Hypothekendarlehen mit längerer Zinsbin dung an, das heißt: Der Zins wird für eine bestimmte Laufzeit fixiert; er bleibt so lange gleich. Üblich ist eine Zinsbindung von fünf, zehn oder 15 Jahren. Damit übernimmt die Bank für die Dauer der Zinsbindung das Preisrisiko beziehungsweise das Thema Wirtschaft Nr. 105 Seite 3 Bei den Zinsen kostet Sicherheit extra So hoch war der durchschnittliche Zinssatz für eine Immobilienfinanzierung in Abhängigkeit von der Zinsbindungsdauer Jan. 2003 Apr. 2003 Juli 2003 Okt. 2003 Jan. 2004 Apr. 2004 Juli 2004 Okt. 2004 Jan. 2005 Apr. 2005 Juli 2005 Okt. 2005 Jan. 2006 Apr. 2006 Juli 2006 Okt. 2006 Jan. 2007 Zinsbindung über 1 bis 5 Jahre Zinsbindung über 5 bis 10 Jahre Zinsbindung über 10 Jahre 4,94 4,48 4,16 4,48 4,65 4,32 4,51 4,48 4,20 4,13 3,94 3,94 4,27 4,42 4,66 4,80 4,87 5,39 5,03 4,70 5,00 5,15 4,91 4,92 4,89 4,56 4,50 4,17 4,11 4,29 4,45 4,67 4,65 4,64 5,38 5,17 4,85 5,08 5,19 4,95 5,11 4,88 4,62 4,58 4,23 4,18 4,35 4,56 4,80 4,65 4,67 Quelle: Deutsche Bundesbank Zinsänderungsrisiko. Dies macht sie nicht ohne Ei gennutz, sondern verlangt dafür einen Zinsaufschlag. Aus der Tabelle oben geht hervor, dass die Zinsen für Hypothekendarlehen mit einer Zinsbindung zwischen einem und fünf Jahren im Normalfall günstiger sind als für diejenigen mit einer längeren Laufzeit. Im Durchschnitt mussten die Kunden zwischen 2003 und 2006 einen Zinsaufschlag von 0,35 Prozentpunkten zahlen, wenn sie eine Zinsbindung von mehr als zehn Jahren wünschten. Die Differenz zwischen den Zinsen kann zu ande ren Zeiten jedoch auch wesentlich größer sein. In letzter Zeit sind die Banken von weitgehend stabilen beziehungsweise künftig sogar fallenden Zinsen ausgegangen, so dass längerfristige Zinsbin dungen sogar günstiger waren als kurzfristige. Auf grund der jüngsten Leitzinserhöhungen dürften sich die Erwartungen jedoch ändern, so dass sich das Blatt schnell wieder wenden kann. Durchschnittlich höhere Zinsen sind nicht der ein zige Nachteil von langen Laufzeiten. Wenn ein Dar lehen unvorhergesehenermaßen früher zurückgezahlt (abgelöst) werden soll, kann das teuer werden, weil man ja noch gebunden ist. Wer beispielsweise eine Erbschaft erhalten hat und die Immobilie entschulden möchte, muss bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung leisten (vgl. Textkasten oben). Weiterer Nachteil der langen Zinsbindung: Zwar ist der Kreditnehmer vor Zinsanstiegen geschützt, auf der anderen Seite kann er aber auch nicht von Zins senkungen profitieren. Warum muss ich ein Vorfälligkeitsentgelt bezahlen? Dies wird sich so mancher Bankkunde denken, der seinen Immobilienkredit vor Ablauf der Zinsbindung zurückzahlen möchte. Und dass es sich hierbei um keine unerhebliche Summe handelt, zeigt beispielsweise eine Untersuchung des Instituts für Finanzdienstleistungen. Bei einer Kreditsumme von 100.000 Euro und einer zehnjähri gen Zinsbindung kann bei einer vorzeitigen Rückzahlung nach fünf Jahren eine Vorfälligkeitsentschädigung von über 10.000 Euro fällig werden. Die Vorfälligkeitsentschädi gung dient dazu, den zukünftigen Gewinn der Bank und deren entstandene Kosten zu berücksichtigen. Wenn der Zins seit Vertragsabschluss gefallen ist, kann die Bank die zurückgezahlten Mittel nur zu für sie ungünstigeren Konditionen neu verleihen. Da sie durch die Kündigung des Kreditvertrages keinen Schaden haben soll, darf sie den Gegenwartswert des entgangenen Zinsvorteils dem Kunden in Rechnung stellen. Je stärker nun der Marktzins im Vergleich zum verein barten Zins gefallen ist und je länger noch die Restlaufzeit des Darlehens ist, desto höher fällt die Vorfälligkeitsent schädigung aus. Dagegen wird bei gestiegenem Zins nur eine vergleichsweise geringe Summe fällig. In einigen Ländern, wie beispielsweise in Frankreich oder in Belgien, wird die Höhe des Vorfälligkeitsentgelts gesetzlich begrenzt. Dies ist jedoch für alle Kunden, also auch die, die nicht vorzeitig kündigen wollen, mit einem Zinsaufschlag verbunden. In Dänemark gibt es sowohl Fest zinsdarlehen, bei denen ein Vorfälligkeitsentgelt erhoben wird, als auch solche, bei denen hierauf verzichtet wird. Je nach Marktlage müssen die Kunden für den Ausschluss der Vorfälligkeitsentschädigung einen Zinsaufschlag von 0,3 bis 0,8 Prozentpunkten bezahlen. Dafür haben sie jedoch die Möglichkeit, bei fallenden Zinsen einen güns tigeren Vertrag abzuschließen. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile einige Kre ditinstitute, die solche Hypothekendarlehen anbieten. Außerdem werden Zusatzversicherungen offeriert, die es in Härtefällen wie etwa Arbeitslosigkeit oder Tod eines Angehörigen erlauben, den Kreditvertrag ohne Vorfällig keitsentgelt abzulösen. Wer beispielsweise 1995 ein Hypothekendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung abgeschlossen hatte, wurde mit einem Zinssatz von etwa 8 Prozent belastet. Nur drei Jahre später lagen die Zinsen rund 3 Prozent punkte niedriger, was bei einer Finanzierungssumme von 200.000 Euro eine Ersparnis von immerhin 500 Euro im Monat bedeutet hätte. Die Vor- und Nachteile von langen Zinsbindungen sind demnach genau abzuwägen. Wer hohe Planungs sicherheit bevorzugt und in einer Niedrigzinsphase kauft, steht sich mit einem lange laufenden Festzins darlehen gut. Wer jedoch flexibel bleiben möchte und auf sinkende Zinsen spekuliert, sollte eher kurze Zinsbindungen wählen (vgl. Textkasten auf Seite 4). Im Jahr 2006 haben die deutschen Häuslebauer in rund 70 Prozent der Neuabschlüsse eine Zinsbindung von Thema Wirtschaft Nr. 105 Seite 4 Die Zinsgestaltung Darlehen mit Festzinsvereinbarungen sind die gängigste Form von Hypothekenkrediten in Deutschland. Im Rahmen einer Festzinsvereinbarung garantiert die finanzierende Bank einen bestimmten Zinssatz für eine festgelegte Lauf zeit. Da Hypothekenkredite in der Regel eine sehr lange Laufzeit (bei Tilgungsraten von 1 Prozent oft weit über 30 Jahre) besitzen, werden solche Festzinsvereinbarungen nicht für die gesamte Laufzeit, sondern für einen kürzeren Zeitraum, den Zinsbindungszeitraum, getroffen. Für Darlehensnehmer haben Festzinsvereinbarungen den Vorteil, dass sie während des Zinsbindungszeitraums vor einem Anstieg der Zinsen geschützt sind und somit die Zinsbelastung genau kalkulierbar ist. Auf der anderen Seite profitieren sie jedoch nicht von eventuellen Zinssenkungen. Der Darlehensgeber hat sei nerseits den Vorteil, mit einem festen Zinsertrag kalkulieren zu können. Im Gegensatz zum Festzins werden variable Zinssätze gemäß der aktuellen Marktentwicklung angepasst. Für Darlehensnehmer bedeutet dies, dass ihre monatliche Belastung aus ihrem Darlehen steigen oder sinken kann – je nach Entwicklung der Zinsen. Sie profitieren also von sinkenden Zinssätzen, tragen jedoch auch das Risiko steigender Zinssätze. Quelle: PSD Bankengruppe über fünf Jahren gewählt (vgl. Grafik unten). Noch größer ist die Dominanz des Festzinsdarlehens bei Betrachtung der Bestandsgrößen. Bei über 96 Prozent der ausstehenden Hypothekendarlehen beträgt die anfängliche Zinsbindung über fünf Jahre. Dies spricht dafür, dass Kredite mit einer kurzen Zinsbindung, insbesondere mit Festlegungen unter einem Jahr, die auch als variable Darlehen bezeichnet werden, schon nach kurzer Zeit wieder abgelöst werden. Im Ausland sind variable Darlehen weit stärker verbreitet. In Großbritannien, Spanien und Australien Deutsche Haushalte bevorzugen lange Zinsbindungen Im Jahr 2006 wurden in Deutschland folgende Wohnungsbaukredite an private Haushalte vergeben Zinsbindung: Variabel oder bis zu 1 Jahr 1 bis 5 Jahre 29.055 (15,4) 57.032 Neu(30,3) geschäftsvolumina in 28.734 Millionen Euro (15,3) (Anteil in Prozent) 73.334 (39,0) Quelle: Deutsche Bundesbank 5 bis 10 Jahre 0,6 3,0 Zum Vergleich: Anteil der Zinsbindung im Bestand, in Prozent 96,4 Über 10 Jahre etwa liegt der Anteil der Darlehen mit einer Zinsbin dung von unter fünf Jahren bei rund 95 Prozent aller Finanzierungen (vgl. Grafik Seite 10). Ein Grund für die unterschiedliche Verbreitung kurzer Zinsbindungen liegt in unterschiedlichen Ver haltensweisen auf den einzelnen Märkten. Die Deut schen neigen dazu, sich nur ein einziges Mal eine Immobilie zu kaufen, in der sie dann wunschgemäß bis ans Ende ihres Lebens wohnen. Die Briten dagegen sind daran gewöhnt, ihre Häuser und Wohnungen immer wieder zu verkaufen und neue zu kaufen. Des halb müssen sie auch finanziell beweglich bleiben und entscheiden sich meist für Hypothekendarlehen mit kurzen Zinsbindungen. Gerade in den südeuropäischen Ländern wie Spa nien, Italien oder Griechenland ist der hohe Anteil an variablen Darlehen dagegen historisch bedingt. Dort war es lange üblich, den Kindern zur Hochzeit eine Immobilie zu schenken – dementsprechend waren Hypothekendarlehen eher unüblich. Der kleine Markt für Hypothekendarlehen wurde direkt mit den Einla gen der Sparer bedient, die wiederum typischerweise variabel verzinst werden. Mittlerweile boomt jedoch gerade in Spanien der Hypothekenmarkt. Zwischen 1995 und 2005 ist der Anteil der Hypothekendarlehen gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 16 auf 53 Prozent gestiegen. Dies schlägt sich auch in einer zunehmenden Produktauswahl nieder. In den letzten Jahren versuchen die Anbieter von Immobilienfinanzierungen zunehmend neue Produkte aufzulegen, die die Vorteile von festen und variablen Darlehen zusammenführen sollen. So werden soge nannte Cap-Darlehen angeboten: Das sind normale variable Darlehen, bei denen der Zinssatz alle drei oder sechs Monate angepasst wird – aber mit einer Zinshöchstgrenze. Beispielsweise wird vertraglich festgelegt, dass der Zins die 6-Prozent-Marke niemals überschreiten wird. Bei langen Zinsbindungen werden immer häufiger auch Sondertilgungsrechte gewährt. Durch die Mög lichkeit, 5 bis 10 Prozent des Kreditbetrages pro Jahr tilgen zu dürfen, gewinnen die Kunden an Flexibilität. Allerdings verlangen die Banken für alle diese Opti onen Zinsaufschläge. Tilgung und Laufzeit In der Praxis gibt es gleich eine ganze Reihe von Varianten, wie Schuldner ihre Darlehen zurückzahlen, sprich: tilgen, können. Dabei ist neben dem Zinssatz die Anfangstilgung mit von ausschlaggebender Be deutung. Üblich ist beispielsweise eine Anfangstilgung von 1 Prozent des Kreditbetrages. Hieraus lässt sich Thema Wirtschaft Nr. 105 dann die monatliche Belastung ausrechnen. Beträgt der Zinssatz beispielsweise 5 Prozent und die Anfangstilgung 1 Prozent, so müssen bei einem Kreditbetrag von 100.000 Euro jährlich 6.000 Euro beziehungsweise monatlich 500 Euro an die Bank gezahlt werden. Bleibt dieser Betrag konstant, spricht man von einer Annuität (Jahreszahlung von Zin sen und Tilgung) oder auch einem Annuitätendarlehen. Es ist derzeit die gebräuch lichste Form der Darlehensrück zahlung. Da die monatliche Be lastung bei sinkendem Kreditbe trag gleichbleibt, wird beim Annuitätendarlehen im Zeitablauf ein immer größeres Stück des Darlehens getilgt. Würde der Tilgungssatz konstant ge halten, würde mit der Zeit die monatliche Belastung kleiner werden. Eine solche Vereinbarung ist in der Praxis aber selten. Im Regelfall wird eine Annuität vereinbart. Die Wahl des Tilgungssatzes hat nicht nur Aus wirkungen auf die monatliche Belastung, sondern auch auf die Laufzeit des Kreditvertrages. Die Rech nung scheint banal: Je höher der Tilgungssatz, desto schneller ist der Kredit abgetragen. Nicht ganz so banal sind die Auswirkungen: Während man bei einem Zinssatz von 4,5 Prozent und einer Anfangstilgung von 1 Prozent insgesamt 38 Jahre benötigt, um sein Haus abzubezahlen, sind es bei einer Anfangstilgung von 2 Prozent nur rund 26 Jahre (Tabelle). Außerdem gilt: Je höher der Zins, desto schneller wird der Kredit abgetragen (vgl. ebenfalls die Tabelle rechts) – aus einem einfachen Grund: Die Gesamt belastung für den Schuldner ist zwar größer. Weil er sich bei hohen Zinsen durch die Tilgung aber stärker entlastet als bei niedrigen Zinsen, ist er mit der Rück zahlung früher fertig. Auch im Bereich der Tilgung gibt es zunehmend flexiblere Lösungen. Neben den schon erwähnten Sondertilgungsmöglichkeiten bieten viele Banken auch die Möglichkeit an, den Tilgungssatz während der Zinsbindungsphase zu verändern. Besonders be liebt waren seinerzeit sogenannte Tilgungsausset zungsdarlehen, auch „endfällige Baufinanzierungsdar lehen“ genannt. Hierbei wird der Kreditvertrag mit einem Anlagevertrag, zum Beispiel einer Lebensver sicherung oder einem Bausparvertrag (vgl. Abschnitt „Qual der Wahl“), gekoppelt. Bis Laufzeitende zahlen Seite 5 die Darlehensnehmer lediglich die Zinsen, die sich aus dem Darlehensnennbetrag errechnen. Mit Ablauf der Darlehenslaufzeit muss die Tilgung dann auf einen Schlag erfolgen. Nach einer vorher vereinbarten Laufzeit von zum Beispiel 30 Jahren wird dazu das durch Lebensversicherung oder Bausparvertrag ge bildete Kapital eingesetzt. Eine solche Vereinbarung kann vorteilhaft sein, wenn mit der Geldanlage eine höhere Rendite erzielt wird, als die Belastung durch den zu zahlenden Kre ditzins ausmacht. Allerdings gibt es auch das Risiko, dass die Anlage weniger rentabel ist. Bei Bausparver trägen kann zum Beispiel niemand mit 100-prozen tiger Sicherheit den genauen Zeitpunkt der Darlehens zuteilung vorhersagen, so dass eine teure Finanzierungs lücke entstehen kann. In der Vergangenheit waren Tilgungsaussetzungen besonders aus steuerlichen Gründen interessant, weil die Erträge aus Lebensversicherungen steuerfrei wa Darlehensrückzahlung: Schnelldurchgang oder lebenslänglich? So lange dauert es, ein Hypothekendarlehen zurückzuzahlen – je nach Wahl der Anfangstilgung und des Zinssatzes Anfangstilgung in Prozent Laufzeit (Zinssatz: 4,5 Prozent) Laufzeit (Zinssatz: 6 Prozent) 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 51 Jahre, 4 Monate 38 Jahre 30 Jahre, 11 Monate 26 Jahre, 3 Monate 23 Jahre 20 Jahre, 5 Monate 18 Jahre, 5 Monate 16 Jahre, 10 Monate 15 Jahre, 6 Monate 14 Jahre, 4 Monate 42 Jahre, 11 Monate 32 Jahre, 7 Monate 26 Jahre, 11 Monate 23 Jahre, 2 Monate 20 Jahre, 6 Monate 18 Jahre, 5 Monate 16 Jahre, 9 Monate 15 Jahre, 4 Monate 14 Jahre, 2 Monate 13 Jahre, 3 Monate Quelle: Bank für internationalen Zahlungsausgleich Thema Wirtschaft Nr. 105 ren und die Kreditzinsen steuerlich geltend gemacht werden konnten. Mittlerweile sind solche Vorteile jedoch abgeschmolzen worden, so dass die Bedeutung dieses Modells zurückgegangen ist. Seite 6 Die meisten Bankengruppen bieten vergleichbare Produkte an. Zwei Ausnahmen machen • die Bausparkassen mit ihrem Angebot von Bau sparverträgen und Bauspardarlehen sowie • die Banken mit Sonderaufgaben wie beispielsweise Qual der Wahl die KfW Bankengruppe. Nicht nur über die Art der Immobilienfinanzierung, 1.Anders als bei einem gewöhnlichen Hypotheken sondern auch über den Anbieter muss sich ein Kredit kredit setzen Bauspardarlehen voraus, dass der Kunde nehmer Gedanken machen. In Deutschland gibt es erst spart und dann den Kredit erhält. Die Summe, die über 1.000 Institute, die Immobilienfinanzierungen er eingezahlt hat, wird in der Regel geringer verzinst, anbieten. Darunter sind die Sparkassen, die Geschäfts als es der Markt eigentlich hergibt. Dafür erhält er banken, Bausparkassen, öffentliche Banken und auch bei Zuteilung des Bausparvertrags einen Kredit unter Direktbanken. Marktzins. Bauspardarlehen sind üblicherweise eine Außerdem gibt es eine wachsende Zahl von Ver Ergänzung von Hypothekendarlehen. Sie sind im Re mittlern, die für ihre Kunden die günstigsten Angebote gelfall auch bei höheren Beleihungswerten günstig, heraussuchen. Die Übersicht in diesem Markt zu be weil kein Risikoaufschlag erhoben wird. Schließlich hat halten, ist nicht leicht – vor allem, weil die Produkte der Kunde über den vorherigen Sparprozess bewiesen, oftmals nicht direkt verglichen werden können. Denn dass auf ihn Verlass ist. Beliebt sind Bauspardarlehen die Beachtung der Zinshöhe allein reicht nicht aus, da darüber hinaus bei Geringverdienern, da sie zusätzlich mitunter unterschiedliche Optionen wie Sonder vom Staat eine Wohnungsbauprämie in Höhe von der tilgungen ermöglicht werden oder in den Produkten zeit maximal 90,11 Euro pro Jahr erhalten können. unterschiedliche Zinsbindungen enthalten sind. Auch Allerdings gibt es im Bausparsystem auch ein Ri müssen die Kunden je nach Wissensstand entscheiden, siko: Da die Kredite durch die Ersparnisse der jeweils ob sie bereit sind, für eine persönliche Beratung gege neuen Bausparkunden finanziert werden, sind die benenfalls einen höheren Kreditzins zu tragen. Bausparkassen darauf angewiesen, stetig neue Kunden Mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent sind die zu gewinnen. Dies ist den Bausparkassen jedoch in der Sparkassen aktuell die Marktführer (Tabelle). Darauf Vergangenheit, auch aufgrund der gezahlten Woh folgen die privaten Kreditbanken, zu denen auch die nungsbauprämie, immer wieder geglückt. Onlinebanken und die großen börsennotierten Banken 2.Die KfW (ehemals Kreditanstalt für Wiederaufbau) gehören, mit knapp 20 Prozent sowie die Kreditge ist eine öffentliche Bank, die sich unter anderem in nossenschaften mit etwa 15 Prozent. der Bildungsfinanzierung, Mittelstandsfinanzierung und eben in der Immobilienfi Sparkassen sind Marktführer nanzierung engagiert. In den So groß waren die Anteile der einzelnen Bankengruppen in Deutschland letzten Jahren hat sie speziell an den Hypothekenfinanzierungen im September 2006 verschiedene Kreditprogramme Hypothekenkredite Veränderung Veränderung Marktanteile auf Wohngrundstücke gegenüber Vorjahr gegenüber Vorjahr in Prozent für ökologisch orientierte Woh in Millionen Euro in Millionen Euro in Prozent nungsbauprojekte entwickelt. Sparkassen 253.260 10.099 4,2 24,9 Darüber hinaus bietet sie mit Kreditbanken (Großbanken und dem Wohneigentumsprogramm Regionalbanken) 197.085 11.179 6,0 19,4 auch ein klassisches Hypothe Kreditkendarlehen an, bei dem sie genossenschaften 156.821 10.013 6,8 15,4 Realkreditinstitute in Ergänzung zu den privaten (Spezialinstitute für ImInstituten bis zu 30 Prozent mobilienfinanzierung) 126.725 -13.418 -9,6 12,5 des Kaufpreises finanziert – zu Auslandsbanken und sonstige Banken 95.264 1.205 1,3 9,4 einem Kreditzins, der meistens Private Bausparkassen 78.536 -406 -0,5 7,7 leicht unterhalb des Marktni Banken mit Sonderveaus liegt. aufgaben (zum Beispiel die KfW Für die KfW-Kunden ist das Bankengruppe) 59.072 13.489 29,6 5,8 erfreulich. Auf der anderen Sei Landesbanken 49.877 -427 -0,9 5,0 te gehen die entgangenen Ge Summe 1.016.640 winne der Bank zulasten der Quelle: Deutsche Bundesbank steuerzahlenden Allgemeinheit. Thema Wirtschaft Nr. 105 Angesichts einer Ausweitung des Kreditvolumens um 45 Prozent allein im letzten Jahr sollte die weitere Expansion der KfW daher sorgsam verfolgt werden. Die Rolle des Kapitalmarkts Nicht nur die Haushalte müssen sich Geld besorgen, sich „finanzieren“, wie die Fachleute sagen, sondern auch die Banken. Früher setzten sie für ihr Kreditge schäft vor allem die Spareinlagen ihrer Kunden ein, um aus der Differenz von Zinsen für Spareinlagen und für ausgegebene Kredite ihre Gewinne zu erwirtschaf ten. Das tun sie auch heute, doch zunehmend wichtiger wird die Finanzierung über den Kapitalmarkt. Dabei verkaufen die Banken Forderungen an Kunden, die etwa auf Hypothekendarlehen beruhen, an Versiche rungen, Pensionsfonds oder Investoren. Das Ganze wird „Verbriefung“ genannt und bietet den Banken den Vorteil, dass ihr Kapital nicht gebun den wird und sie gegebenenfalls Risiken an andere Investoren weitergeben können. Nicht nur Hypotheken werden verbrieft, sondern auch Autokredite oder Unternehmenskredite. Als Produkte stehen den Banken dabei unter ande rem Schuldverschreibungen, Mortgage-Backed Secu rities (MBS; mortgage backed = hypothekarisch ge sichert) oder aber Pfandbriefe zur Verfügung. Sie unterscheiden sich vor allem in unterschiedlichen Seite 7 Europäischer Verbriefungsmarkt mit rasantem Wachstum So viele Milliarden Euro wurden zuletzt in Europa auf dem Verbriefungsmarkt investiert 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal Summe 14,1 16,4 21,4 26,3 78,2 20,5 43,2 22,7 66,2 152,5 24,3 42,6 35,7 55,1 157,7 43,3 51,9 39,7 82,4 217,3 55,8 59,0 53,2 75,5 243,5 47,8 94,4 41,5 143,3 327,0 66,1 105,4 110,3 177,1 458,9 Quelle: European Securisation Forum Ausfallrisiken: Der Pfandbrief etwa unterliegt gesetz lichen Standards, die ihn als sehr sicher gelten lassen. So kommen für einen Pfandbrief beispielsweise nur Hypothekenkredite bis zu einem Beleihungswert von 60 Prozent in Frage. Über MBS können dagegen auch Hypothekendar lehen mit höheren Beleihungswerten an risikobereite Investoren abgetreten werden. Insgesamt erlebt das Geschäft einen rasanten Auf schwung. Allein zwischen 2000 und 2006 ist der eu ropäische Verbriefungsmarkt um fast 500 Prozent auf nunmehr rund 459 Milliarden Euro gewachsen (Ta belle) – eine Summe, die wegen statistischer Probleme eher noch zu niedrig angegeben sein dürfte. Seite 8 Thema Wirtschaft Nr. 105 2. Implikationen für die Gesamtwirtschaft Allein aufgrund seiner Größe ist der Markt für Immobilienfinanzierungen, wie schon belegt, auch für die Wirtschaftspolitik interessant. Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Veränderungen auf diesem Markt die allgemeine Konjunktur eines Landes sowohl positiv als auch ne gativ beeinflussen können. Darüber hinaus aber ist die Immobilienfinanzierung ein wesentlicher Baustein der individuellen Altersvorsorge. Ein Stück Altersvorsorge Wer seine Immobilie per Kredit finanziert, wird eine Reihe von Jahren finanziell stärker belastet sein als ein vergleichbarer Mieter. Schließlich soll der Kredit möglichst schnell, spätestens jedoch bei Ren teneintritt, abgetragen sein. Ist das allerdings gelungen, ändert sich das Verhält nis drastisch: Nun liegen die Wohnkosten des Eigen tümers deutlich unter denjenigen eines Mieters, da dann nur noch die Nebenkosten des Wohnens wie Müllentsorgung, Heizung und Grundsteuer beglichen werden müssen. Beispiel (vgl. Tabelle): Während ein typischer Ei gentümer im Alter von 40 Jahren fast 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für das Wohnen ausgibt, liegt der Anteil bei einem vergleichbaren Mieter bei nur 15 Prozent. Im Rentenalter ist alles anders: Die Wohnkosten des Selbstnutzers sinken auf 7 Prozent, während der Anteil beim Mieter aufgrund der niedrigeren Einkom men im Rentenalter auf 19 Prozent ansteigt. Damit weist die Immobilienfinanzierung einen ähnlichen Verlauf wie eine klassische Kapitalanlage auf. Nachdem in der Erwerbsphase fleißig gespart wurde, wird das Kapital in der Rentenphase ausgege Immobilieneigentümer: Geringere Wohnkosten im Rentenalter So entwickeln sich die durchschnittlichen Wohnkosten von Mietern und Eigentümern im Verhältnis zum Haushaltsnettoeinkommen – in Prozent Alter Wohnkosten eines davon: Belastung Wohnkosten eines Selbstnutzers aus Zins und Tilgung gleichaltrigen Mieters 39 28 25 15 47 20 18 15 56 11 7 15 63 8 4 18 68 7 3 19 Quelle: Pfeiffer und Braun (2006) Die umgekehrte Hypothek Das typische Ziel einer Immobilienfinanzierung besteht darin, am Ende der Laufzeit den Kredit vollständig zu rückzuführen und damit über eine schuldenfreie Immobilie zu verfügen. Doch es geht auch anders: In den USA und Großbritannien können Hauseigentümer ihre Rechte an eine Bank abtreten und bekommen im Gegenzug eine monatliche Rente plus lebenslanges Wohnrecht. Beim Tod geht die Immobilie in das Eigentum der Bank über. Der Vorteil der „umgekehrten Hypothek“: Hauseigentü mer bekommen eine Rente und können in ihrem gewohnten Wohnumfeld bleiben. Allerdings entfällt damit die Mög lichkeit, die Immobilie zu vererben. In den USA sind umgekehrte Hypotheken zunehmend beliebt. Allein im Jahr 2005 wurden 43.000 solcher Ver träge abgeschlossen. In Deutschland konnte dieses Produkt bisher noch keinen Fuß fassen. Da aufgrund der geringen Geburtenrate das Vererbungsmotiv jedoch zunehmend un wichtiger wird, dürfte sich auch hier bald ein entsprechender Markt finden. ben. Bei der Anlage in Immobilien erfolgt die Aus zahlung allerdings nicht als monatliche Rente, sondern in Form von monatlich gesparten Kosten, was ökono misch gesehen gleichwertig ist. Dabei wird das Kapi tal, anders als etwa bei einer Lebensversicherung, nicht aufgezehrt, sondern bleibt erhalten. Die Immo bilie kann immer noch verkauft oder später auch vererbt werden. Mittlerweile ist es grundsätzlich möglich, eine Immobilie auch voll und ganz für die Altersvorsorge einzusetzen: durch die sogenannte umgekehrte Hypo thek (Textkasten) – bislang allerdings nur in den USA und im Vereinigten Königreich. Fazit: Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Immobilienerwerb hierzulande für die Altersvorsorge zunehmend wichtiger wird. Schließlich ist das Ver sorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversiche rung spürbar abgesenkt worden, und daran wird sich wegen der niedrigen Geburtenrate in Deutschland so bald auch nichts ändern. Die Riesterrente Da dies auch die Politik mittlerweile erkannt hat, sollen Immobilien künftig auch in der staatlich geför derten Altersvorsorge, der Riesterrente, berücksichtigt werden. Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU wurde festgehalten, dass sie als gleichberechtigte Vorsorgeform neben Lebensversicherungen und In vestmentfonds in die Altersvorsorge mit einbezogen werden sollen, ursprünglich schon zum 1. Januar 2007, was allerdings noch auf sich warten lässt. Die Umsetzung der Pläne würde bedeuten, dass es auch für die Tilgung von Hypothekendarlehen Zulagen und steuerliche Vorteile gäbe. Außerdem sollte es Thema Wirtschaft Nr. 105 möglich sein, die bereits gesparten Mittel in die Im mobilie zu überführen. Denn bislang ist es nur mög lich, sich selbst mit den gesparten Riestermitteln einen zinslosen Kredit zu gewähren – das entnommene Kapital muss bis zum Renteneintritt wieder auf das Riesterkonto zurückgeführt werden. Dass die Reformpläne bisher noch nicht umgesetzt wurden, hängt in erster Linie mit den komplexen steuerlichen Problemen zusammen. Das Einkommen, das in die Riestervorsorge fließt, wird nämlich nicht versteuert. Dafür hält das Finanzamt die Hand auf, sobald das Kapital im Alter peu à peu ausgezahlt wird. Diese sogenannte nachgelagerte Besteuerung ist bei selbst genutztem Wohneigentum aber nur schwer möglich. Denn die Besitzer erhalten keine Auszah lungen – sie sparen lediglich die Miete. Deren Höhe kann das Finanzamt jedoch objektiv kaum feststellen und deshalb auch nicht besteuern. Die Folge: Wohneigentum bliebe im Rahmen der Riestervorsorge vom Zugriff des Fiskus verschont – und andere Altersvorsorgeprodukte wären im Nachteil. Zur Lösung dieses Problems wurden mittlerweile die verschiedensten Modelle vorgeschlagen. So haben die Bausparkassen angeregt, beim Immobilienkauf auf die nachgelagerte Besteuerung und andere steuerliche Vorteile im Rahmen der Riesterförderung zu verzich ten. Im Gegenzug bekämen die Wohnraumkäufer nur 80 Prozent der üblichen Riesterzulagen. Die Idee klingt einfach, hat jedoch ihre Tücken, weil es sich dann für manche Einkommensgruppen stärker lohnen würde, in Wohnraum zu investieren, als für andere, die sich mit den gegenwärtigen Riester produkten besser stehen. Die angestrebte Gleichbe handlung der Altersvorsorgemöglichkeiten erreicht das Konzept somit ebenfalls nicht. Ein Alternativvorschlag sieht vor, die im Rahmen der Riesterrente erbrachten Tilgungsleistungen auf Basis einer fiktiven Rendite zu besteuern. Dabei wird so getan, als ob die Mittel am Kapitalmarkt angelegt worden wären – das heißt: Sie werden mit einem Standardsatz verzinst, der etwa der durchschnittlichen Rendite anderer Riesterprodukte entspricht. So ent steht über die Jahre hinweg ein fiktiver Kapitalstock. Bei Renteneintritt legt das Finanzamt fest, welche Auszahlungen die virtuellen Ersparnisse brächten und berechnet auf dieser Grundlage die fälligen Steuern. Damit würde die Gleichbehandlung der Immobilien weitestgehend gewährleistet werden. Allerdings gilt das Konzept als sehr komplex und dürfte in der Be völkerung auf wenig Gegenliebe stoßen, weil Steuern auf fiktive Auszahlungen fällig würden, die es in Wirklichkeit also gar nicht gibt. Seite 9 Nach einem dritten Modell, das vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln entwickelt wurde, sollen Immobilienkäufer schon während ihres Arbeitslebens anhand eines neu entwickelten Entnahmetarifs besteu ert werden. Dieser ist so berechnet, dass Immobilien käufer im Rahmen der Riesterförderung so stark steuerlich belastet werden, wie dies ansonsten bei einer Auszahlung der Mittel im Rentenalter zu erwar ten wäre. Auf diese Weise garantiert das Modell, dass der Fiskus alle Riesterprodukte gleich behandelt. Die Politik hat sich bisher noch auf keine Lösung verständigt. Sie steht mittlerweile aber unter Zeit druck. Denn derzeit wird die Immobilie gegenüber anderen Anlageprodukten schließlich deutlich benach teiligt. Außerdem verunsichern die verschobenen Re formpläne die Bürger. Dies führt im Zweifelsfall dazu, dass diese ihre Altersvorsorge ebenfalls aufschieben und damit vermutlich zu wenig vorsorgen. Gefahr der Überschuldung Dass der Erwerb von Immobilien freilich nicht immer ohne Risiko ist, zeigte sich Anfang dieses Jahres in den USA, wo der Markt sich zeitweise stark überhitzte. Die Immobilienpreise dort waren in den letzten Jahren enorm gestiegen – in Kalifornien und Florida hatten sie sich zwischen 2000 und 2005 sogar verdoppelt. Das hatte wichtige Immobilienfinanzierer dazu verleitet, zunehmend Kredite auf dem sogenann ten Sub-Prime-Markt zu vergeben, an Haushalte also mit unregelmäßigem Einkommen oder wenig Eigen kapital, die teilweise schon in der Vergangenheit Kreditprobleme hatten. Falls die Kunden ihre Zinsund Tilgungsraten einstellen müssten, so das Kalkül der Kreditgeber, könnten sie sich immer noch über die gestiegenen Immobilienpreise schadlos halten. US-Hypothekenmarkt: Boom mit bösem Ende? Anzahl der ausgegebenen Sub-Prime-Darlehen Wahrscheinlichkeit für Zwangsvollstreckungsverfahren in Prozent 1998 962.273 9,8 1999 1.132.280 12,8 2000 911.369 14,6 2001 918.557 11,5 2002 1.046.072 9,8 2003 1.505.854 12,1 2004 2.219.547 15,7 2005 3.259.908 19,4 2006 3.219.749 19,4 1998 bis 2006 15.175.609 15,6 Quelle: Center for Responsible Lending Seite 10 Thema Wirtschaft Nr. 105 Wohnimmobilien: Wie die Zinsen auf die Preise wirken So viel Prozent der Hypothekendarlehen haben einen variablen Zinssatz oder eine Zinsbindung von weniger als fünf Jahren Eine unerwartete Verringerung der kurzfristigen Zinsen um 1 Prozentpunkt bewirkte im Zeitraum von 1970 bis 2005 einen durchschnittlichen Anstieg der Wohnimmobilienpreise um ... Prozent im Laufe der folgenden zwei Jahre 97 6,7 95 6,4 98 91 5,5 3,9 FIN UK AUS 3,4 3,3 26 25 25 NL DK USA 2,9 22 J 2,1 20 F 2,0 E 30 0,5 D Hypothekendarlehen: 2005 bzw. letztverfügbarer Stand; unerwartete Verringerung der kurzfristigen Zinsen: Abweichung von der Gleichgewichtsprognose des IW-Schätzmodells; Ursprungsdaten: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, OECD Dabei wurde nicht gekleckert, sondern mächtig geklotzt. Während im Jahr 2000 die Zahl der verge benen Sub-Prime-Darlehen noch unter einer Million lag, stieg sie bis zum Jahr 2005 auf über drei Millionen an (Tabelle auf Seite 9). Zudem wurden die Kunden noch mit zeitlich begrenzten Zinsrabatten und varia blen Darlehen gelockt. Weil die Immobilienpreise aber plötzlich weniger stark anstiegen, stattdessen aber die Zinsen, setzte sich eine allgemeine Abwärtsspirale in Gang: Viele Eigen tümer konnten sich angesichts der höheren Zinsen die Ratenzahlungen nicht mehr leisten. Dass dies auch in Zukunft noch anhalten wird, schlägt sich gerade in der Sub-Prime-Statistik deutlich nieder: Nach einer Studie des US-amerikanischen Center for Responsible Lending werden rund 16 Prozent der zwischen 1998 und 2006 vergebenen Sub-Prime-Darlehen in der Zwangsvollstreckung enden (Tabelle auf Seite 9). Da außerdem die Immobilienpreise nicht mehr so stark nach oben gingen, stellten einige Immobilienfi nanzierer fest, dass ihre Rechnung nicht aufging, und sie mussten Insolvenz anmelden. Über den Verbrie fungsmarkt wurden ihre Probleme an andere Inves toren weitergegeben, was an den Börsen zu kurzfris tigen Kursbewegungen nach unten geführt hat. Aller dings ist ein nachhaltiger Effekt auf die US-Wirtschaft unwahrscheinlich. Mit 20 Prozent des Hypotheken marktes und einem Kreditvolumen von 600 Milliarden US-Dollar hat der Sub-Prime-Markt in den USA zwar eine beachtliche Größe erreicht, jedoch reicht die Insolvenz einiger Unternehmen nicht aus, um eine Kettenreaktion hervorzurufen. Die Sub-Prime-Krise in den USA verdeutlicht je doch die Risiken des Hypothekengeschäfts – für die Immobilienfinanzierer, vor allem aber auch für die Immobilienerwerber. Schließlich hat sich für viele US-Haushalte der Traum vom Eigenheim in einen Schuldenalbtraum verwandelt. Gefordert ist daher eine Bankenaufsicht, die die Kreditvergabe der Banken kontrolliert. Hier gibt es in den USA deutliche Lücken im Regelwerk. In Deutsch land ist eine solche Krise auch aus einem anderen Grund sehr unwahrscheinlich. Hier ist das Angebot an Mietwohnungen derzeit so umfangreich und attraktiv, dass Haushalte mit Kreditschwierigkeiten nicht unbe dingt ein Eigenheim erwerben müssen, um gut zu wohnen. So sind hierzulande auch nur vereinzelt SubPrime-Produkte auf dem Markt. Immobilienfinanzierung und Konjunktur Der US-Immobilienmarkt kann aber durchaus einen Einfluss auf die konjunkturelle Wirtschaftsentwick lung hierzulande haben. Wenn die Konjunkturrisiken in Deutschland aufgezählt werden, ist der US-Immo bilienmarkt immer dabei. Grund: Weil die Kauflaune der Amerikaner entscheidend von der Höhe ihres Vermögens bestimmt wird, das zu einem Gutteil aus Eigenheimen sowie Ansprüchen an Immobilienfonds besteht, beeinflusst die Wertentwicklung von Immo bilien den Konsum in den USA. Und dieser wiederum gibt den Konjunkturtakt jenseits des Atlantiks und damit auch für den Rest der Welt vor. Die Immobilienpreise wiederum hängen maßgeb lich von den Zinsen ab. Schließlich können sich bei sinkenden Zinsen sehr viel mehr Haushalte den Traum vom Eigenheim erfüllen als in einer Hochzinsphase. Wie stark Immobiliennachfrage und -preise bei steigenden Zinsen tatsächlich in die Knie gehen be ziehungsweise bei sinkenden Zinsen aufwärtsstreben, hängt allerdings auch davon ab, ob die Hypothekendar lehen mit variablen oder festen Zinssätzen ausgestat tet sind. Dies wurde in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) nachgewiesen. Sinken die Zinsen, erhöht sich bei Haushalten mit variabel verzinslichen Hypothekendarlehen automatisch das verfügbare Einkommen. Dieses zusätzliche Einkom men kann dann auch in die Immobiliennachfrage fließen und wirkt preissteigernd. Bei überwiegend festverzinslichen Hypothekendar lehen dagegen profitieren von den gesunkenen Zinsen nur diejenigen Haushalte, die gerade in einen neuen Vertrag einsteigen oder deren Vertrag soeben ausge laufen ist und verlängert werden soll. Dann ist der Preiseffekt aber wesentlich kleiner. Thema Wirtschaft Nr. 105 Seite 11 Zwischen den Industrieländern bestehen gravie rende Unterschiede (Grafik auf Seite 10): In Deutsch land haben nur 30 Prozent der Hypothekendarlehen einen variablen Zinssatz oder eine Zinsbindung von maximal fünf Jahren. Nur bei einer von 100 Hypothe ken kann der Zinssatz auch unterjährig schwanken. Ganz anders sieht es beispielsweise in Finnland oder Großbritannien aus. Dort haben nahezu alle Baufinanzierungskredite flexible Zinsen. Während daher in Deutschland Zinsänderungen kaum Auswir kungen auf die Immobilienpreise haben, kann in Großbritannien schon eine Zinssenkung um 1 Pro zentpunkt die künftigen Immobilienpreise um über 6 Prozent verteuern. Nur Spanien passt nicht ins Bild. Hier reagierten die Wohnimmobilienpreise trotz überwiegend variabler Darlehen nur schwach auf Zinsänderungen. Das kann aber daran gelegen haben, dass der spanische Markt für Hypotheken darlehen, wie erwähnt, erst neuerdings stark gewach sen ist und die Studie einen 30-Jahres-Zeitraum umfasste. Neuerdings dürften die Wohnimmobilien preise dort ebenfalls spürbar auf Zinsveränderungen reagieren. Die Situation in den USA unterscheidet sich indes zurzeit gar nicht so wesentlich von der deutschen: Auch in den Staaten hat lediglich ein Viertel der Hy pothekendarlehen eine Zinsbindung von weniger als fünf Jahren. Im historischen Durchschnitt traf dies dort noch auf ein Drittel der Immobilienkredite zu. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern erweisen sich die US-Wohnimmobilienpreise nur mittelmäßig zins reagibel: Eine unerwartete Verringerung der kurzfris tigen Zinsen um 1 Prozentpunkt bewirkte in den Vereinigten Staaten binnen zwei Jahren einen Häuser preisanstieg von durchschnittlich 3,3 Prozent. Dass der Anteil der variablen Zinsen derzeit unter dem Durchschnitt liegt und damit die Zinsen eher noch einen kleineren Einfluss auf die Immobilienpreise haben, hat einen Grund: das niedrige Zinsniveau. Wertet man die Daten der US-Aufsichtsbehörde für Hypothekenbanken (FHFB) aus, zeigt sich, dass die amerikanischen Haushalte rational mit den unter schiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten für den Haus kauf umgehen. Sind die Zinsen hoch, schließen die Häuslebauer vermehrt Hypotheken mit variablem Zinssatz ab, um von sinkenden Zinsen profitieren zu können (Grafik unten). Ein niedrigeres Zinsniveau sichern sie dagegen über eine lange Kreditlaufzeit von bis zu 30 Jahren ab. Durch dieses Vorgehen wird ein von niedrigen Zinsen ausgelöster Immobilienboom tendenziell ver stärkt, während ein drohender Abschwung gemildert wird. Grund dafür ist, dass die steigenden Zinsen das verfügbare Einkommen kaum tangieren – und so genügend finanzieller Spielraum für weiteren Vermö gensaufbau wie für Konsum bestehen bleibt. Das spielt der deutschen wie der weltweiten Wirtschafts entwicklung in die Hände. Für Deutschland folgt hieraus, dass eine etwas größere Verbreitung von variablen Darlehen durchaus wünschenswert wäre. Dann könnten im Fall sinkender Zinsen auch konjunkturelle Vorteile ausgespielt wer den. Derzeit liegen die Zinsen zwar noch auf einem niedrigen Niveau. Doch ist nicht auszuschließen, dass die Zinsen auch wieder in die Höhe steigen und dann variable Darlehen an Attraktivität gewinnen. Ein Grund für deren derzeit geringe Verbreitung wurde schon genannt: Die Möglichkeit, den Kredit wieder schnell zu tilgen und durch einen anderen für ein neues Objekt zu ersetzen, ist in Deutschland we niger bedeutend, weil die Menschen hierzulande in aller Regel nur einmal in ihrem Leben ein Haus oder eine Wohnung finanzieren. Es gibt jedoch auch noch einen anderen Grund: Variable Darlehen sind hierzu Zinsbindung in den USA: Geschickte Wahl Anteil der variablen Darlehen in Prozent im Vergleich zum Leitzinssatz (Federal Funds Rate) der Federal Reserve Bank der USA 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Federal Funds Rate (linke Achse) Anteil der variablen Hypothekendarlehen (rechte Achse) 70 60 50 40 30 20 10 0 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quellen: Federal Reserve Bank und Federal Housing Finance Board Thema Wirtschaft Nr. 105 Seite 12 lande sehr teuer – verglichen mit un Mittlerweile ist es sogar ein europä Variable Zinsen seren Nachbarn, den Niederlanden, isches Thema. Die EU-Kommission in Deutschland teuer zum Beispiel fast durchgängig um möchte die nationalen Hypotheken Durchschnittliche variable Hypothekensinssätze in einen Prozentpunkt (Tabelle). Dies märkte zu einem europäischen Ge Deutschland und den Niederlanden hängt unter anderem mit Regulie samtmarkt zusammenführen. Insbe Niederlande Deutschland rungen zusammen. sondere sollen dann grenzüberschrei 4,17 Jan. 03 5,45 Im Ausland ist es durchaus üblich, tende Finanzierungen erleichtert 3,90 Apr. 03 auch bei variablen Darlehen längere werden, wobei wichtige Einzelfragen 5,23 3,49 Laufzeiten zu vereinbaren. Dann noch offen sind. Ein Verbot der Vor Juli 03 4,58 können die Banken die Verwaltungs fälligkeitsentschädigung, wie es teil 3,48 Okt. 03 4,44 kosten des Kreditvertrags – wie bei weise in der Diskussion ist, würde 3,45 Jan. 04 4,57 spielsweise die Bearbeitungskosten beispielsweise die Kosten eines Dar 3,24 Apr. 04 oder die Vermittlungsgebühr – über lehens mit langfristiger Zinsbindung 4,26 3,35 einen längeren Zeitraum verteilen. deutlich verteuern. Andererseits darf Juli 04 4,26 Wird der Vertrag dann schneller ge der Verbraucherschutz nicht zu kurz 3,35 Okt. 04 4,3 tilgt, kann die Bank ähnlich wie bei kommen. Die Bankenaufsicht ist ge 3,11 Jan. 05 festverzinslichen Darlehen ein Vor 4,37 fordert und muss Exzesse im Kredit 3,21 Apr. 05 fälligkeitsentgelt einfordern, was in markt, wie sie in den USA beobach 4,28 3,18 Deutschland nicht erlaubt ist. Hier tet wurden, vermeiden. Nur unter Juli 05 4,15 müssen die Zinsen so kalkuliert dieser Voraussetzung können die 3,24 Okt. 05 4,22 werden, dass die Verwaltungskosten vielfältigen Möglichkeiten der Im 3,51 Jan. 06 schon nach kurzer Zeit eingespielt 4,55 mobilienfinanzierung den Wohlstand 3,81 sind – mit entsprechender Verteuerung Apr. 06 der einzelnen Haushalte wie auch der 4,74 für die Kunden. Eine Änderung Gesamtwirtschaft fördern. Quellen: Deutsche Bundesbank und de Nederlandsche (Deregulierung) könnte variable Gefordert sind aber auch die Kre Bank Hypothekendarlehen daher attraktiver ditnehmer selbst. Mit einem Hypo machen, womit die gesamtwirtschaftlichen Vorteile thekendarlehen wird eine oftmals jahrzehntelange der Immobilienfinanzierung besser genutzt werden Verpflichtung eingegangen, so dass sie sich im Vorfeld könnten. ausreichende Informationen über die einzelnen Pro dukte verschaffen müssen, wobei sie vor allem auch Fazit die eigenen finanziellen Möglichkeiten nicht falsch Die Immobilienfinanzierung ist nicht nur für den einschätzen dürfen. Schließlich ist es letztlich eine einzelnen Immobilienkäufer, sondern auch für die Frage der Eigenverantwortung, welche Risiken sie Gesamtwirtschaft und die Wirtschaftspolitik wichtig. bereit zu tragen sind. Der Autor: Michael Voigtländer, Dr. rer. pol. geboren 1975 in Leverkusen; Studium der Volkswirtschaftslehre in Münster und Köln; von 2000 bis 2005 wissenschaftlicher Assistent am Wirtschaftspolitischen Seminar der Universität zu Köln, Lehrstuhl Prof. Dr. J. Eekhoff; seit Oktober 2005 im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Forschungsstelle Immobilienökonomik innerhalb des Wissenschaftsbereichs Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik. 3/2007 Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Redaktion: Dipl.-Volkswirt Wolfgang Larmann Telefon: 0221 4981-728 · Fax: 0221 4981-592 [email protected] · www.iwkoeln.de © 2007 Deutscher Instituts-Verlag GmbH Gustav-Heinemann-Ufer 84–88, 50968 Köln Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim ISBN: 978-3-602-24305-1 ISBN 978-3-602-24305-1