Klamme Hände statt flinke Finger
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Klamme Hände statt flinke Finger
Fingergelenkarthrosen zeigen sich durch Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit. Zu den Massnahmen, die den Betroffenen das Leben erleichtern können, gehören beispielsweise Hilfsmittel für den Alltag, Medikamente und chirurgische Eingriffe. Klamme von Therese Schwender* E s gibt Tage, da ist alles in Ordnung. Und Tage, an denen es vor lauter Schmerzen kaum mehr möglich ist zu schlafen. PatientInnen mit Fingergelenkarthrosen kennen diesen Wechsel zwischen den Phasen mit und ohne Beschwerden bestens. Bei Frauen beginnt das Problem häufig am Daumen. Die Rhizarthrose, die Arthrose des Daumensattelgelenks (siehe Grafik) ist bei ihnen die häufigste Arthrose überhaupt. Bei Männern steht sie an zweiter Stelle, noch übertroffen von der Hüftgelenkarthrose. Grundsätzlich können alle Fingergelenke von einer Arthrose betroffen sein. Neben dem Daumensattelgelenk sind besonders häufig die Fingermittel- und Endgelenke betroffen. Diese Arthroseformen werden Bouchard- respektive Heberden-Arthrose genannt. Oft treten die Beschwerden an mehreren Fingern gleichzeitig auf. FOTO: KEYSTONE Es beginnt am Knorpel Jede Arthrose beginnt mit einem Schaden am Knorpelüberzug der Gelenkfläche. Anfangs ist dieser Schaden nur klein und oberflächlich. Bereits jetzt beginnt sich aber auch der Knochen unter dem geschädigten Knorpel zu verändern. Diese Veränderung ist auch in einem Röntgenbild sichtbar. Im weiteren Verlauf der Erkrankung geht der geschädigte Knorpel schliesslich ganz zu Grunde, und die Knochen beginnen, sich direkt aneinander zu reiben. Das verursacht Schmerzen. Der Körper versucht natürlich, die Schäden im Knorpel zu reparieren. Dies ist jedoch nur durch einen Ersatz mit Knochen möglich. Das heisst, es bil- SPRECHSTUNDE 8 den sich kleine knöcherne Auflagerungen an den Gelenkflächen. Auch in der Gelenkkapsel können sich verkalkte Stellen bilden. Die Finger verlieren an Beweglichkeit, die Gelenke werden steif. Können die Finger nicht mehr bewegt werden, schwindet häufig auch der Schmerz wieder. In manchen Fällen führen die Veränderungen schliesslich dazu, dass auch die Bänder um das Gelenk in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Gelenk wird schliesslich instabil. In diesen Fällen nehmen die Schmerzen noch zu. Zum sichtbaren Anschwellen der Gelenke kommt es, weil bei einer Arthrose immer auch die Gelenkkapsel entzündet ist und vermehrt Gelenkflüssigkeit gebildet wird. Schmerzen bei der Bewegung sind häufig das erste Symptom einer Fingergelenkarthrose. Dies kann sich so weit steigern, dass Schmerzen auch in Ruhe auftreten, was vor allem nachts als besonders störend empfunden wird. Dass die Beweglichkeit eines Gelenks eingeschränkt ist, macht sich häufig erst viel später bemerkbar, weil die Einschränkungen anfangs in einem gewissen Mass durch die anderen Gelenke kompensiert werden. Häufig mit den Wechseljahren Die genauen Mechanismen, die schliesslich zu einer Fingergelenkarthrose führen, sind bis heute nicht bekannt. Man weiss, dass die Erkrankung häufig mit zunehmendem Alter erstmals auftritt. Daneben spielt die Veranlagung (Vererbung) eine Rolle. Bei Frauen wird das Entstehen von Fingergelenkarthrosen häufig auch mit einer hormonellen Komponente in Verbin- 9 SPRECHSTUNDE I L L U S T R AT I O N : P E T E R WA N N E R Hände statt flinke Finger Die verschiedenen Formen der Fingergelenkar throse. links: Heberden-Ar throsen, Mitte: Bouchard-Ar throsen, rechts: Rhizar throse dung gebracht, da die Erkrankung bei ihnen vielfach um die Wechseljahre beginnt. Es hat sich gezeigt, dass alte Verletzungen an den Knochen und Bändern der Finger im Laufe der Jahre zu einer Arthrose führen können. Dies vor allem, wenn die Brüche bis ins Gelenk gingen oder schlecht verheilt sind, sodass der Finger seine normale, anatomische Stellung verloren hat. Michael Rometsch, Facharzt für Handchirurgie in Münchenstein, hat täglich mit Verletzungen und Erkrankungen der Hände zu tun. Fingergelenkarthrosen sieht er häufig auch bei Menschen, die früher einmal Volleyball, Handball oder Basketball gespielt haben. «Auch Torhüter im Fussball gehören zu den Personen, bei denen diese Erkrankung häufig vorkommt», fügt er hinzu. Alte Verletzungen mit Folgen Bis heute sind keine Methoden bekannt, mit denen die Entstehung von Fingergelenkarthrosen sicher verhindert werden könnte. Allerdings gibt es gute Möglichkeiten, das Voranschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, wenn einmal erste Anzeichen aufge- treten sind. «Die Schmerzen können am einfachsten beseitigt werden, indem das betroffene Gelenk eine Zeit lang mit einer Schiene ruhig gestellt wird», sagt Michael Rometsch. «Dies bringt oft schon viel.» Daneben gibt es sehr viele Hilfsmittel, mit denen die tägliche Arbeit im Haushalt gelenkschonender gestaltet werden kann. Dies können aufsteckbare, grössere Handgriffe für Messer sein, sodass zum Festhalten die Hand weniger stark geschlossen werden muss. Oder auch eine rutschfeste Unterlage für Konfitüregläser, sodass beide Hände benutzt werden können, um den Deckel zu öffnen. Informationen zu Hilfsmitteln sind über die Rheumaliga oder über Therapiezentren (Ergotherapie/Handrehabilitation) erhältlich. Von Medikamenten … Zur Behandlung der akuten Schmerzen bei Fingergelenkarthrosen kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz. Es sind dies vor allem die bekannten Schmerzmittel, die gleichzeitig auch die Entzündung bekämpfen. Je nach Stärke der Schmerzen und allfälliger weiterer Erkrankungen der Pa- RHEUMA Fingergelenkarthrosen Arthrose oder Arthritis? … bis zur Gelenkprothese Bei Fingergelenkarthrosen stehen auch verschiedene Möglichkeiten der operativen Behandlung offen. In einem ersten Schritt werden meist erst einmal Überbeine entfernt. Überbeine sind Ausstülpungen der Synovialschleimhaut (Innenauskleidung der Gelenkkapsel), auch Ganglien genannt. «Solch kleine Eingriffe bringen häufig schon eine gute Wirkung, vor allem, was die Schmerzen betrifft», erklärt Michael Rometsch. Leider hält der Erfolg aber oft nicht sehr lange an, da Überbeine die Tendenz haben, immer wieder aufzutreten. Je nach Stärke der Schmerzen können durch Arthrose veränderte Gelenke versteift oder durch eine Gelenkprothese ersetzt werden. Die Wahl der Behandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab: vom Alter der Patientin oder des Patienten, von der Lokalisation, von den Ansprüchen an die Beweglichkeit. Die berufliche Situation oder ein Hobby, das weiterhin gepflegt werden soll, spielen ebenfalls eine Rolle. Heberden-Arthrosen werden meist versteift. Michael Rometsch erzählt dazu: «Sogar bei Pianisten ist es möglich, die Fingerendgelenke zu versteifen. Nach einer gewissen Trainingsphase haben sie sich daran gewöhnt und können wieder gleich gut spielen wie vor dem Eingriff.» Bei BouchardArthrosen kommen in der Regel Prothesen zum Einsatz. Die Erfolge sind hier bei Mittel- und Ringfinger etwas besser, da diese beiden Finger seitlich jeweils vom Zeigefinger beziehungsweise vom kleinen Finger geschützt und stabilisiert werden. Es werden Prothesen aus unterschiedlichen Materialien benutzt. Muss das Gelenk keinen grossen Belastungen standhalten, werden Silikonprothesen verwendet. Daneben kommen Prothesen aus Polyurethan und Titan zum Einsatz. «Eine neue Entwicklung sind Prothesen aus Pyrocarbon, das ist eine Grafitlegierung. Diese Prothesen besitzen eine sehr harte, abriebfeste Oberfläche. Die Verteilung des Drucks innerhalb der Prothese kommt bei diesen Modellen der natürlichen Situation sehr nahe. Die Resultate solcher Operationen Wichtig: Rehabilitation Michael Rometsch betont, wie wichtig nach einer Operation an den Fingergelenken die weitere Betreuung der Patientinnen und Patienten ist. Einen besonders hohen Stellenwert hat die Handrehabilitation. Dafür gibt es speziell in diesem Bereich geschulte TherapeutInnen. Sie zeigen den PatientInnen, wie sie die Hand nach der Operation wieder richtig einsetzen, sodass sie möglichst vieles ohne Einschränkungen machen können. *Therese Schwender ist ausgebildete Tierärztin und arbeitet heute als Medizinjournalistin. Sie lebt in Hünenberg (ZG) PP tientin oder des Patienten (Magen-, Herz- oder auch Nierenprobleme) werden die behandelnden ÄrztInnen das am besten geeignete Produkt auswählen. Neben Schmerzmitteln kommen auch Produkte zum Einsatz, die direkt darauf zielen, den Knorpel zu stärken und damit den weiteren Abbau dieser Schicht zu verlangsamen. Der Einsatz der so genannten Chondroprotektiva («Knorpelschützer») führt in der Regel dazu, dass die Schmerzen abnehmen und sich die Beweglichkeit verbessert. Alternative Heilmittel können bei Fingergelenkarthrosen ebenfalls eingesetzt werden. «Da muss jeder selbst herausfinden, was am besten zu ihm passt und die beste Wirkung bringt», findet Michael Rometsch. «Das Wunschmedikament der Zukunft wäre eine Substanz, die den verbrauchten Knorpel dazu bringt, sich zu regenerieren. Eine Substanz, die bewirkt, dass Menge und Qualität des Knorpels wieder zunehmen. In diese Richtung wird auch tatsächlich geforscht.» sind in der Regel sehr gut», so Michael Rometsch. «Nach wie vor nicht ganz befriedigend gelöst ist die Verankerung der Prothesen im Knochen. Gerade bei jungen Menschen ist es ein Problem, wenn nach zehn Jahren eine Prothese ersetzt werden muss. Dies ist aber nicht in jedem Fall möglich.» Deshalb werden Gelenkprothesen bei jungen PatientInnen eher zurückhaltend eingesetzt. Ein Sonderfall bei der operativen Behandlung der Fingergelenkarthrosen ist die Rhizarthrose. Hier gibt es eine spezielle Operationsmethode, die Interpositionsplastik. Dabei wird ein Handwurzelknochen entfernt und durch einen speziell geformten Sehnenstreifen ersetzt. Daraus bildet sich in der Regel eine stabile, strapazierfähige Verankerung für den ersten Knochen des Daumens. Es stehen für das Daumensattelgelenk auch Prothesen zur Verfügung. Diese werden aber eher selten eingesetzt. Informationen zu Hilfsmitteln: I N F O Rheumaliga Schweiz Renggerstrasse 71 8038 Zürich Tel. 044-487 40 00 Internet: www.rheumaliga.ch TI Die Arthritis ist im Gegensatz zur Arthrose keine degenerative Erkrankung. Bei ihr steht die Entzündung der Gelenkstrukturen an erster Stelle. Auch eine Arthritis äussert sich in Schmerzen, Schwellungen der Gelenke und einer Einschränkung der Beweglichkeit. Verschiedene Erkrankungen äussern sich durch eine Entzündung der Gelenke: • Die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke ist die rheumatoide Arthritis. Die genaue Ursache dieser Erkrankung ist bis heute ungeklärt. Es wird angenommen, dass die Zellen des eigenen Immunsystems den Knorpel angreifen. • Gicht, eine Stoffwechselerkrankung, führt durch Ablagerung von Harnsäure in den Gelenken zu deren Entzündung. • Arthritis kommt auch als Begleiterscheinung der Hauterkrankung Psoriasis (Schuppenflechte) vor. • Morbus Bechterew ist eine chronische entzündliche Erkrankung, die vor allem die Gelenke der Wirbelsäule betrifft. Selten können auch die Fingergelenke betroffen sein. SPRECHSTUNDE 10