SCHEIBCHENWEISE
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SCHEIBCHENWEISE
PITLANE SCHEIBCHENWEISE Wenn aus dem schicken Straßensportler ein rennstreckentaugliches Gerät werden soll, wird in erster Linie das Fahrwerk den extremen Bedingungen angepasst. Extrem deshalb, weil die Rennstrecke ganz andere Anforderungen an ein Motorradfahrwerk stellt als flotte Landstraßenfahrt. Zum einen sind die Kurvengeschwindigkeiten und die Schräglagen, also die Fliehkräfte ungleich höher, zum anderen stehen Handling, Lenkpräzision, Kurvenstabilität, Rückmeldung und Reifenhaftung an erster Stelle, Komfort und sturer Geradauslauf werden nachrangig. Um einem Straßenmotorrad Tugenden einer waschechten Rennmaschine anzuerziehen, müssen die Feder- und Dämpfungseigenschaften neu konzipiert werden, und zwar an Gabel und Federbein. Da nahezu alle käuflichen Sportmotorräder ab etwa Baujahr 1995 über eine sehr ähnliche Gabelkonstruktion verfügen, gehen auch die Änderungen und Umbauarbeiten dieses Bauteils fast immer in gleicher Art und Weise über die Bühne. Konstruktionsbedingt wird die konventionelle Telegabel beim harten Anbremsen nicht durch ein Anti-Dive unterstützt. Das heißt, die gesamte dynamische Achslastveränderung muss von den Tragfedern, der Federwirkung des Luftpolsters und der Druckstufendämpfung aufgefangen werden. Andererseits sollte die Gabel bei kurzen Stößen sensibel ansprechen und kleine Bodenwellen sauber ausfedern. Ein Widerspruch an sich, der bei der Rennabstimmung wenige Kompromisse zulässt, zumal, wie gesagt, Kurven- und Lenkeigenschaften absoluten Vorrang besitzen. Am Beginn steht die Abschätzung, in welche Richtung und in welchem Maß man eine Gabel verändern muss: Die Federrate überprüft man, indem man den Negativfederweg ohne Fahrer (N1) und mit Fahrer (N2) bei korrekt eingestellter und warmer Dämpfung 94 PS 5/2005 (nach einer Fahrt über mindestens 5 Kilometer) vergleicht. Bei einem üblichen Gesamtfederweg von tatsächlichen 110 Millimetern (die Werksangaben liegen oft darüber) sollte die Differenz zwischen N1 und N2 etwa 10 bis maximal 12 mm betragen. Ein Beispiel: Beträgt N1 30 mm und N2 50 mm, ist die Federrate deutlich zu niedrig, der korrekte Wert für N2 liegt bei etwa 40 mm, also 20 Prozent unter dem Ist-Wert. Entsprechend muss die Feder rund 20 Prozent härter werden. Eine 80er-Feder (d. h. bei 80 Newton Belastung drückt sich die Feder um 1 cm zusammen) ist dann beispielsweise durch eine 96er zu ersetzen. Wobei bei diesen Beispielen immer ein mittelhartes Luftpolster (etwa 90 bis 110 mm bei USD-Gabeln) und lineare Federn vorausgesetzt werden. Progressiv gewickelte Federn sind nicht oder SO ENTSTEHT EIN HOBBY-RACER (TEIL 3) Der unlackierte Renner geht auf Jungfernfahrt. Jetzt zeigt sich, ob der Fahrwerksumbau an der Yamaha R1 (RN09) Früchte trägt. Dieser Teil umfasst Optimierungen der Telegabel. Vieles kann ein Hobby-Schrauber selbst erledigen, doch heikle Arbeiten überlässt man besser Profis. 2 1 Zur Montage neuer Gabelfedern benötigt man ein Werkzeug zum Vorspannen der Federhülsen und ein geschlitztes 2-mm-Blech, um den Gabelstopfen ohne Fummelei auf die Dämpferstange zu schrauben. nur bedingt für den Rennstreckenbetrieb geeignet. Zum Federumbau gehört ein kleines Sortiment an Spezialwerkzeug, das es bei einigen Federungsspezialisten zu kaufen gibt oder sich mit etwas Geschick selbst anfertigen lässt (siehe Bild 1), um die Hülsen der Federvorspannung zu fixieren. Vor dem Einbau der neuen Feder muss der Ölstand kontrolliert werden. Dazu einen stramm sitzenden Gummischlauch auf die Dämpferstange schieben, durch mehrfaches Aufund Abbewegen das CartridgeSystem entlüften und bei vollständig eingetauchtem Tauchrohr und Dämpferstange den Ölstand bis Oberkante Standrohr messen (Bild 3). Wie groß sollte das Luftpolster sein? Je nach Federrate und individuellem Wunsch. Ein kleines (also hartes) Polster, bei USD-Gabeln zwischen 75 und 90 mm, kann eine weiche Feder unterstützen. Harte Federn benötigen weniger Unterstützung und ein größeres Luftpolster, etwa 90 bis 110 mm. Achtung: Nie zuviel Öl einfüllen. Die Gabel geht dann leicht auf Block, ein Sturz droht. Bei der Montage des oberen Gabelstopfens die vor dem Zerlegen notierte Anzahl der Klicks der Zugstufendämpfung einstellen. 4 3 Gabelöl in der richtigen Viskosität bis etwa eine Handbreit unter den Rand einfüllen und durch langsames Auf- und Abbewegen der Dämpferstange solange entlüften, bis ein gleichmäßiger Widerstand erreicht ist. Ein Tipp zum einfacheren Experimentieren mit dem Luftpolster: Mit einer Spritze wird beim Vermessen ein Zentimeter Gabelöl abgesaugt und das abgesaugte Volumen notiert. Dann kann später der Ölstand um ein definiertes Maß erhöht oder abgesenkt werden, ohne dass die Feder zum Nachmessen demontiert werden muss. Mehr Gabelöl bewirkt eine progressive Federwirkung, die die Bremsstabilität erhöht. Weniger Öl fördert das Ansprechverhalten und erhöht den genutzten Federweg. Achtung: Vor dem Auf- Text: Werner Koch; Fotos: Jörg Künstle, Werner Koch Höhe des Ölstandes kontrollieren und auf das gewünschte Niveau einstellen. Dabei müssen Gabel und Dämpferstange bis zum metallischen Anschlag eingetaucht sein. schrauben des Gabelstopfens muss die Anzahl der Klicks eingestellt werden (Bild 4). Also Stellschrauben ganz herausdrehen und dann die gewünschten Klicks im Uhrzeigersinn eindrehen. Erst jetzt den Gabelstopfen montieren und kontern. Beim Einschrauben in die Gabelrohre darauf achten, dass keine Späne vom Alu-Gewinde in die Gabel gelangen, da bereits kleinste Partikel die Dämpfkraft der Shims (siehe unten) außer Kraft setzen können. Zum Schluss stülpt man auf jeder Seite zwei O-Ringe über die Gabelbeine. Sie ersetzten die zur Federwegkontrolle gern benutzten Kabelbinder. Allerdings ist dies nur sinnvoll, wenn man bei zerlegter Gabel den mechanischen und den hydraulischen Anschlag (HydroStop) vermessen hat: Der untere O-Ring wird in Höhe des mechanischen Anschlags positioniert, der obere fungiert als Indikator für den Federweg. Zur Überprüfung der warm gefahrenen Dämpfung werden beide Einstellschrauben ausgehend von der vollständig geschlossenen Position in Schritten von je zwei Wird die Dämpferkartusche zerlegt, müssen alle Bauteile der Dämpfersysteme penibel montiert und mit Druckluft gereinigt werden. Die verstemmten Alu-Gewinde auf der Drehbank freigängig machen und alle Schraubverbindungen mit Loctite montieren. 5 6 PS 5/2005 95 PITLANE Zugstufenkolben in beiden Richtungen durchströmt. Die Gabel darf im Renntrimm beim Ausfedern nicht nachschwingen. Ist dieser Zustand erreicht, sollte die Zugstufe zur Reserve mindestens fünf Klicks in Richtung hart ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, muss die Dämpfkraft erhöht werden. Ein kostengünstiger An- Hier wird der Topf des hydraulischen Endanschlages (Hydro-Stop) an der Dämpferkartusche durch zwei Bohrungen so verlegt, dass er weich und erst kurz vor dem mechanischen Anschlag einsetzt. satz ist der Tausch des Dämpferöls gegen eines mit höherer Viskosität (SAE-10- ersetzt SAE-7,5-Öl). Allerdings kann dickflüssigeres Dämpferöl zu schlechterem Ansprechen und einer nicht-optimalen Dämpferkurve führen, deshalb sollten die Öle nur eine Viskositätsstufe auseinander liegen (Differenz der SAE-Werte: 2,5). Die andere und wesentlich bessere Möglichkeit, von der wir auch bei unserem R1-Racer Gebrauch machten, ist der Umbau der Dämpferkolben. Allerdings sollten da Profis Hand anlegen, weil bereits der kleinste Montagefehler fatale Folgen für die Funktion der Gabeldämpfung haben kann. Meist verwenden die Fahrwerks-Profis neue Dämpferkolben mitsamt einem passenden ShimPaket. Shims sind kleine Federstahlscheiben, die wie eine Pyramide auf den Kolben angeordnet werden. Generell verwendet man bei Rennabstimmungen dickere oder mehr Shims (Bild 9), um die Dämpfkraft speziell im LowspeedBereich, also bei kleinen Federbewegungen, zu erhöhen. Ein weiterer Schritt ist, den hydraulischen Anschlag am Ende des Federwegs, der ein metallisches Aufschlagen der Dämpferstange verhindert, zu reduzieren oder komplett stillzulegen. Im Rennbetrieb kann er nämlich stören. Bei unserer R1-Gabel wurde Die Klemmschrauben der unteren Gabelbrücke verspannen bei zu großem Anzugsmoment die Standrohre, so dass Losbrechkraft (Slip-Stick-Effekt) und Reibung ansteigen. Mit Drehmomentschlüssel nach Vorgaben anziehen. 8 7 TEST-ABO Coupon am besten heute noch ausfüllen und abschicken! PS-Aboservice, Postfach, 70138 Stuttgart Ja, schicken Sie mir die nächsten drei Ausgaben von PS für nur € 7,40 (A: € 8,90; CH: sfr 14,90*). Gratis dazu erhalte ich den Reise-Funkwecker. Falls ich nach dem Test keine weiteren Hef te wünsche, sage ich spätestens 14 Tage nach Erhalt der zweiten Ausgabe ab. 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Geschäftsführer: Dr. Friedrich Wehrle Klicks geöffnet und die Gabel jeweils Schritt durch starkes Einfedern bei gezogener Vorderradbremse getestet. Beim Ausfedern spürt man die Wirkung der Zugstufe, beim Einfedern die der Druckstufe. Bei einigen Systemen wirkt sich die Zugstufenjustage erheblich auf die Druckstufe aus, da das Dämpferöl das Nadelventil im Links die dünnen 0,15er-Shims der serienmäßigen Druckstufendämpfung, rechts das RacingPaket mit stärkeren 0,20er-Shims. Deutlich ist zu erkennen, dass die Yamaha in schnellen Wechselkurven mit dem Serienfederbein (rote Linie, Geschwindigkeit grau) hinten stark einfedert, während die Gabel in Rennabstimmung (blau) wesentlich weniger arbeitet. Die optimale Balance ist im nächsten Heft Thema. geworden ist. Jetzt fehlt nur noch eine ausgewogene Federbalance zwischen Front und Heck, was auch im Datarecording (Bild 10) gut zu erkennen ist. Denn nur wenn die Federsysteme synchron cha.fr - Photo : Adolfo Fiori - La souris sur le gâteau - www.michelin.com dieser Hydro-Stop mit zwei 3-mmBohrungen im Topf des Endanschlags auf zirka 10 mm verkürzt und weicher ausgelegt. Wenn man die Innereien der Dämpferkartusche, neudeutsch: Cartridge, zerlegt, muss man beim Zusammenbau auf penible Sauberkeit achten. Alle Schrauben, die serienmäßig durch Verstemmen gesichert waren, müssen mit Loctite montiert werden (Bilder 5 und 6). Nach dem Zerlegen der Innereien kann man bewegte Bauteile wie Dämpferstange, Tauchund Standrohr sowie die Außenseite der Tragfedern polieren, um die Reibung im System zu verringern und das mechanische Ansprechverhalten zu verbessern. Dazu gehört auch das sorgfältige Anziehen der Klemmschrauben an der unteren Gabelbrücke je nach Wandstärke der Standrohre mit zirka 15 bis 18 Nm oder den Werten im Werkstattandbuch. Knallt man die Schrauben mit roher Kraft fest, verzieht sich das Tauchrohr oval, und Ansprech- und Federverhalten können sich dramatisch verschlechtern. Schon nach den ersten Runden mit der neu abgestimmten Yamaha wird klar, dass das Fahrwerk stabiler, handlicher und lenkpräziser arbeiten, bleibt das Motorrad stabil und kann dann in seiner Lenkund Rahmengeometrie perfekt abgestimmt werden. Deshalb geht es jetzt auf die Piste – und die Serie im nächsten PS weiter. Stellen Sie sich einen Reifen vor, der eine weiche Gummimischung an den Seiten und eine härtere in der Mitte hat. Der wahnsinnige Schräglagen ermöglicht und heftige Beschleunigungs- und Bremskräfte optimal überträgt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit wird dieser TwoCompound-Reifen schon seit einigen Jahren von unseren MotoGPPiloten verwendet. Als Power Race ist er jetzt sogar mit Straßenzu- Weich oder extraweich an der Seite? In der Mitte zart oder mit Biss? Wie hätten Sie es gerne? * ECE-R75 / DOT. Der Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr erfordert eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. lassung * erhältlich. Exklusiv von Michelin. Für jedermann. Infos und Freigaben: Tel. 0721/530-3349 oder www.michelin-motorrad.de