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Fortbildung Therapeutische Neuroradiologie – Teil I Neurointerventionen bei zerebralen Gefäßerkrankungen J. Reul 2 a b © Prof. Dr. J, Reul, Siegen Bislang noch recht unbemerkt hat sich die interventionelle therapeutische Neuroradiologie zu einer wichtigen Spezialdisziplin in der Therapie von Hirngefäßerkrankungen entwickelt. Zur Therapie zerebraler Gefäßmalformationen, okklusiver arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen und akuter Schlaganfälle sind sehr effektive minimal invasive Verfahren verfügbar, die schon jetzt und auch zukünftig in viel umfassenderem Maße die klassischen operativen Methoden ersetzen werden. Abbildungen 1a – b: Arterio-venöses Angiom (AVM). a: Sagittales T2-Bild mit Darstellung des Nidus und der drainierenden Hauptvene (MRT); die zuführenden Arterien sind nicht erkennbar. b: Korrespondierendes Angiogramm mit arteriellen Zuflüssen, dem Nidus und der in den Sinus sagittalis superior drainierenden Hauptvene. D ie interventionelle therapeutische Neuroradiologie profitiert von den vielfältigen Möglichkeiten der modernen bildgebenden Diagnostik bei zerebralen Erkrankungen, dem sprunghaften Fortschritt digitaler Bildverarbeitung und der Entwicklung von Mikroinstrumenten und Mikrokathetern. Dies und die zunehmende interdisziplinäre Kooperation innerhalb der Neurowissenschaften haben die Behandlung der Gefäßmißbildungen des Hirns und seiner Hüllen deutlich verbessert. Neben der klassischen neurochirurgischen Therapie haben die neurointerventionellen Verfahren einen festen Stellenwert bei der Behandlung von zerebralen Gefäßmalformationen, speziell den Aneurysmen und arteriovenösen Angiomen (AV-Angiomen), erhalten. Mit der ständigen technischen Optimierung der Verfahren nimmt ihre Bedeutung weiter zu. Bei manchen Erkrankungen, insbesondere den Aneurysmen, zeichnet sich bereits ein Wandel der primären Therapieempfehlungen ab und mancherorts hat dieser auch schon stattgefunden. In diesem Rahmen ist auch die Behandlung der symptomatischen Karotisstenose ein aktueller Diskussionspunkt. Immer mehr behandlungsbedürftige Stenosen werden endovaskulär versorgt, mit bisher so guten Ergebnissen, dass diese Methode zukünftig als die primäre Therapie angesehen werden kann. Manche der zerebralen Gefäßerkrankungen, zum Beispiel die Angiome, der akute Schlaganfall und die Subarachnoidalblutung (SAB), werden erfolgreich und mit dem geringsten Risiko für den Patienten am besten interdisziplinär durch Kooperation verschiedener NeuroBereiche behandelt. Eine Übersicht über die derzeitigen etablierten neuroradiologischen Verfahren und Indikationen gibt Tabelle 1. Intrakranielle Gefäßmissbildungen, in erster Linie Angiome und Aneurysmen, lassen sich nach verschiedenen Schemata unter ätiologischen, pathophysiologischen und therapeutischen Aspekten klassifizieren und in die folgenden Gruppen einteilen: A = zerebrale arteriovenöse Malformationen (= AVM; mit angiografisch darstellbarem arteriovenösen Kurzschluss, also die eigentlichen Angiome): — fistulöse, — plexiforme, glomeruläre, — gemischt fistulös-glomerulär. NeuroTransmitter 9·2005 B = Kavernome oder kavernöse Hämangiome (angiografisch ohne AV- Shunt): — singulär, — multipel (eventuell erblich). C = entwicklungsbedingte venöse Anomalien (fälschlich „venöse Angiome“): — in 25 % in Kombination mit einem Kavernom. D = durale AV-Fisteln und -Angiome: — spontane (idiopathisch), Typ I – IV [nach Djindjian und Merland], — traumatische. E = venöse Dysplasien (normvariante Venen ohne Shunt). F = kapilläre Teleangiektasien. G = Aneurysmen: — sakkuläre, — disseziierende (falsche), — mykotische, — traumatische. Die richtige Identifikation und Zuordnung der jeweiligen AVM ist für die Therapieplanung und Risikominimierung oft sehr wichtig. Beispielhaft seien die entwicklungsbedingten venösen Anomalien (DVA = Developmental Venous Anomaly) aufgeführt, die auch venöse Angiome genannt werden. Es handelt sich um harmlose angeborene venöse Normvarianten, die weder rupturieren oder bluten, noch eine operative Therapie erfordern. Der Begriff „Angiom“ suggeriert jedoch eine behandlungsbedürftige Malformation und es kommen immer wieder Patienten zur Angiografie und Embolisation, obwohl die MRT zur Diagnosesicherung und Klassifikation völlig ausreicht. Zur Diagnostik von Angiomen, Durafisteln und Aneurysmen ist die digitale Subtraktionsangiografie (DAS) nach wie vor unverzichtbar. Bei Kavernomen und venösen Dysplasien und Teleangiaektasien genügt jedoch die MRT. Arteriovenöse Malformationen Etwa ein Viertel der intrazerebralen Gefäßmissbildungen sind arteriovenöse Angiome. Im Gegensatz zu den Aneurysmen handelt es sich um angeborene, komplexe vaskuläre Gefäßmissbildungen, die in jedem Abschnitt des Hirns ohne besondere Lokalisationspräferenz zu finden sind. Sie bestehen aus einem Knäuel gewundener, verdickter Gefäße (in ihrem Wandaufbau weder eindeutig arNeuroTransmitter 9·2005 teriell noch venös) unterschiedlicher Größe und Ausdehnung, die direkte Verbindung zu oft multiplen zuführenden Arterien und abführenden Venen haben. Charakteristisch ist das Fehlen kapillärer Strukturen. Daraus resultiert eine arteriovenöse Kurzschlussverbindung, die durch eine hohe Durchflussrate und sehr kaliberkräftige zu- und abführende Gefäße gekennzeichnet ist (Abb. 1a–b). Die Gefäßmissbildungen können von mehr als der doppelten Blutmenge pro Zeiteinheit durchströmt werden wie normales Hirnparenchym [1, 2]. Das eigentliche Angiom als Gefäßkonvolut der AVKurzschlussverbindungen ist der so genannte Nidus. Davon zu trennen sind zuführende Arterien („Feeder“), drainierende Venen und der Randbereich des Angioms, der durch die Angioneogenese entstehen kann (beobachtetes Wachstum der Angiome über Jahre). Zwei Drittel der Angiome werden bei Patienten bis zum 40. Lebensjahr diagnostiziert. Angiome haben ein jährliches Blutungsrisko von etwa 2–3% [3]. Berücksichtigt man die verschiedenen Literaturangaben, wird das jährliche Blutungsrisiko von arteriovenösen Angiomen mit 1–5% angegeben [4, 5]. Nach einer akuten Blutung steigt das Risiko für eine Rezidivblutung vorübergehend an, wobei die Mortalität jedoch nahezu gleich bleibt [3, 5]. Verschiedene Autoren [4 ff.] zeigen, dass etwa 70% der Patienten mit arteriovenösen Angiomen durch eine Blutung symptomatisch werden. Das Blutungsrisiko steigt mit zunehmendem Patientenalter sowie Größe der Amgiome an und ist bei Frauen höher als bei gleichaltrigen Männern. Das jährliche Blutungsrisiko schwankt zwischen 2 – 4 % bei 20-Jährigen und etwa 10 % bei 60bis 70-jährigen Patienten [4]. Angiografisch nachweisbare Kriterien für ein erhöhtes Blutungsrisiko sind begleitende arterielle oder venöse Aneurysmen und Neuroradiologische Therapieverfahrene und Indikationen Tabelle 1 Krankheit primäre Therapie Alternative Sakkuläres Aneurysma Coiling ggf. auch Stent und Coil Fusiformes Aneurysma Stent Sinus cavernosus-Fistel covered Stent, Coiling, Ballonokklusion ggf. auch transvenöses Coiling Occipitale Durafistel transvenöses Coiling, Kleberembolisation Therapie abhängig vom Typ der Durafistel Frontobasale Durafistel transvenöses Coiling, Kleberembolisation ggf. auch neurochirurgisch Sonstige AV-Fisteln Kleberembolisation ggf. auch Coiling Arteriovenöses Angiom Kleberembolisation, Mikrocoils oft Kombinationstherapie mit Neurochirurgie und Radiotherapie Karotisstenose extrakraniell Stent gleiche Indikationen wie bei der TEA Carotisstenose intrakraniell (z.B. Tandemstenose) Stent Intrakranielle Stenosen (Media, Basilaris etc.) Stent und/oder PTA Schlaganfall lokale Fibrinolyse Mechanische Thrombusextraktion in Kombination mit funktioneller Bildgebung (Diff., Perf., MRA) Tumoren Partikelembolisation präoperativ Epilepsie superselektiver Wadatest vor Epilepsiechirurgie, falls erforderlich Gefäßverletzungen akut Ballonokklusion, Coiling z. B. traumatisch, iatrogen 3 Fortbildung Therape u t i s c h e N e u ro ra d i o l o g i e a b d e Stenosen oder Strikturen der abführenden Venen. Kleine arteriovenöse Angiome manifestieren sich häufiger durch Blutungen, während große öfter durch Krampfanfälle klinisch in Erscheinung treten [4, 6]. Abgesehen von den symptomatischen Blutungen manifestieren sich Angiome durch generalisierte oder fokale epileptische Anfälle (16 %) und Kopfschmerzen (5 %), seltener werden sie zufällig (4%) entdeckt. Ohne adäquate Behandlung ist die Langzeitprognose der Patienten mit arteriovenösen Angiomen schlecht [3]. Die Therapie steht derzeit auf den folgenden drei Säulen: c Abbildung 2a – e: Endovaskuläre Therapie eines arteriovenösen Angioms. 1. operative mikrochirurgische Verfahren [7], 2. stereotaktische Radiochirurgie [7, 8] und 3. neurointerventionelle, endovaskuläre Embolisation. In vielen Fällen ist die Kombination der verschiedenen Verfahren sinnvoll und einzige Möglichkeit, das Angiom risikominimierend auszuschalten [8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15]. Ziel der unterschiedlichen Therapiestrategien sollte die vollständige Ausschaltung der arteriovenösen Angiome sein, denn eine nur partielle Ausschaltung hat aktuell keinen wesentlichen begünstigenden Einfluss auf die Prognose. Einteilung der arteriovenösen Angiome nach Spetzler und Martin [J Neurosurg. 1986] 4 Nidusdurchmesser < 3 cm 3–6 cm > 6 cm 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte Venendrainage oberflächlich tief 0 Punkte 1 Punkt Eloquenz keine Lage in eloquenten Hirnarealen Eloquenz des betroffenen Gebietes 0 Punkte 1 Punkt Tabelle 2 a: Seitliches Angiogramm der Arteria carotis interna. Kontrastierung des Angioms über die A. präcentralis und venöser Drainage in oberflächliche Venen. b: Superselektives Angiogramm über den Mikrokatheter mit Darstellung des Angiom-Nidus. c: Abschlusskontrolle nach erfolgter Embolisation mit Gewebekleber. d: Kontrolle nach einem Jahr mit komplettem Verschluss der arteriovenösen Malformation. e: Axiales T2-MRT unmittelbar nach der Embolisation mit komplettem Verschluss und perifokalem Randödem als Reaktion auf den Kleber. Trotz Optimierung der neurochirurgischen Therapie und dem Einsatz von mikrochirurgischerTechniken ist die operative Entfernung des arteriovenösen Angioms immer noch schwierig und risikoreich. Endovaskuläre Embolisationsverfahren ermöglichen entweder die primäre und kurative Behandlung oder sind in Kombination mit der Neurochirurgie eine wertvolle Therapiemaßnahme, die zur Reduktion des Operationsrisikos beitragen kann [11, 16, 17, 18]. Mittels interventioneller Verfahren ist häufig eine Komplettausschaltung des Angiomes möglich; die Literaturangaben schwanken dabei zwischen 15 – 50 %. Durch die Weiterentwicklung der Mikrokathetertechnik und von Embolisationsmaterialien ist zu erwarten, dass diese Rate noch erhöht werden kann. Unabhängig davon ist die Embolisation ein wichtiger Teil des interdisziplinären Therapiekonzepts. NeuroTransmitter 9·2005 Fortbildung Ursprünglich haben Spetzler und Martin zur Einschätzung des neurochirurgischen Behandlungsrisikos ein Grading-System [19] entwickelt, das eine Klassifikation und Beurteilung der Therapierbarkeit und des Risikos eines Angioms ermöglicht (Tab. 2, S. ). Dies bewährt sich auch zur groben Einschätzung der endovaskulären Behandlungsmöglichkeiten. Die Beurteilungskriterien zur Klassifikation nach dieser Einteilung sind Lokalisation, Größe und Drainage der arteriovenösen Angiome. Aus der anhand des Grading-Systems erhaltenen Punktsumme ergibt sich eine Gradierung von I – V; Beispiel: Ein arteriovenöses Angiom mit einem Nidusdurchmesser von 5 cm (2 Punkte) im Okzipitallappen (eloquent wegen Sehrinde, 1 Punkt) und Drainage in den Sinus rectus (tiefe Venendrainage, 1 Punkt) ist vom SpetzlerGrad IV. Für die Indikation zur endovaskulären Therapie eignet sich das Klassifikationsschema nach Houdard, das sich an der Angioarchitektur des Nidus orientiert [21]. Er unterscheidet nach Art der Kurzschlüsse der arteriovenösen Angiome: — arteriovenöse Shunts, — arteriolo-venöse Shunts, — arteriolo-venulöse Shunts. Im ersten Fall liegt eine reine Fistelverbindung vor, im letzten Fall ist ein ausgedehntes Gefäßnetzwerk zwischengeschaltet. Während im ersten Fall eine transvenöse Ausschaltung möglich ist, würde dies im letzten Fall zwangsläufig zu einer zerebralen Stauungsblutung führen, da der Kurzschluss nicht unmittelbar am Fistelpunkt zwischen Arterie und Vene ausgeschaltet werden kann. Beide Klassifikationsschemata liefern in Kombination gute Ergebnisse zur Beurteilung und Therapieplanung bei intrakranieller arteriovenöser Gefäßmalformation. Angiome von Grad I und II sind in der Regel gut operabel. Die operativen Ergebnisse bei kleineren Angiomen sind sehr positiv [7]. Auch für die Strahlentherapie gilt, dass Angiome unter 3 cm Durchmesser in etwa 80 % der Fälle (nach einzelnen Autoren sogar in 90%) erfolgreich entfernt werden können. Bei größeren und komplizierteren Angiomen (Grad III – V) ist die Kombinationsbehandlung mit Embolisation und oder stereotaktischer Konvergenzbestrahlung NeuroTransmitter 9·2005 Therapeu t i s c h e N e u ro ra d i o l o g i e (Gamma-Knife, X-Knife) die Methode a der Wahl. Ein Nachteil der stereotaktischen Bestrahlung ist die Latenzzeit von ein bis drei Jahren bis zur Obliteration des Angioms mit in dieser Zeit bestehendem, eventuell sogar erhöhtem Blutungsrisiko [20]. Nach neurochirurgischer oder neurointerventioneller Ausschaltung ist das Risiko hingegen unmittelbar beseitigt. Die neuroradiologisch interventionelle Therapie wird heute in spezialisierten Zentren durchgeführt. Wie die beiden anderen Verfahren erzielt sie ebenso gute Ergebnisse gerade bei den kleineren, oft monopedikulären Angiomen. Im Folgenden sei kurz das technische Vorgehen einer endovaskulären Behandlung skizziert (Abb. 2a–e, S. ): Über eine arterielle transfemorale oder transbrachiale arterielle Punktion werden unter Einsatz verschiedener spezieller Mikrokatheter (fluss- oder drahtgesteuert), die angiomversorgenden Gefäße superselektiv in Koaxialtechnik sondiert (Abb. 2b). Mittels endovaskulär applizierter okkludierender Substanzen (Histoacryl, Ethibloc, Onyx) wird der Angiom-Nidus verschlossen. Es handelt sich um flüssige Embolisationsmaterialien wie Ethibloc oder Histoacryl und vermehrt seit zwei Jahren auch um Onyx und Mikropartikel [25, 26, 27, 28, 29, 30]. Die Substanzen werden mit röntgendichten Materialien versetzt (Lipiodol als öliges Kontrastmittel und/oder Wolframpuder) und unter Durchleuchtungskontrolle in den Angiom-Nidus eingebracht [11, 17, 18, 22, 23]. Alternativ kann ein Verschluss oder zumindest eine Flussreduktion durch Einschwemmung von multiplen Mikrospiralen erzielt werden, was sich besonders dann bewährt, wenn keine nidusnahe Katheterlage erreicht werden kann [10, 11, 24]. Die flüssigen Gewebekleber sind zum permanten Angiomverschluss am besten geeignet [25, 27, 28]. Es bedarf jedoch einer besonderen Ausbildung und Erfahrung, da die Anwendung ansonsten sehr risikoreich ist. Besonders gefürchtet ist das Festkleben der Katheterspitze und der damit potenziell verbundene Gefäßabriss mit der Folge einer zerebalen Blutung [27]. Eine andere Gefahr besteht in der Verschleppung von Embolisationsmaterial durch den Nidus hindurch auf Abbildung 3: T2*-gewichtetes axiales MRT-Bild eines typischen Cavernoms im Kleinhirnstiel rechts mit zentraler Methämoglobinansammlung und randständigen Hämosiderinablagerungen. die venöse Seite mit Okklusion einer Drainagevene und nachfolgender Stauungsblutung. Möglich ist auch die Fehlinjektion in parenchymversorgende Arterien mit der Folge des Schlaganfalls. Letzteres kann insbesondere dann auftreten, wenn die Anatomie der zuführenden Gefäße falsch eingeschätzt wird oder wenn durch zu hohen Injektionsdruck ein Reflux entsteht. Alternativ wird in letzter Zeit häufig Onyx verwendet, da hiermit vor allem das Festkleben des Katheters vermieden werden kann. Dieses Embolisat polymerisiert nur langsam, sodass viel Zeit für die Injektion bleibt, was bei bestimmten Angiomen vortheilhaft ist. Nachteile sind die für Onyx erforderlichen speziellen materialkompatiblen Mikrokatheter und die Anwendung eines Lösungsmittels (DMSO). Interessant für die Zukunft ist die mögliche kombinierte Anwendung von Histoacryl und Onyx, um die Rate an Komplettverschlüssen weiter zu erhöhen. Als korpuskuläre Embolisate stehen neben Gelfoam und autologen Thromben auch PVA (Polyvinylalkoholpartikel; Partikelgröße variiert zwischen 50 µm und 2 mm) zur Verfügung [24, 31]. Diese sind bei zerebralen Angiomen jedoch oft nur sehr kurzfristig wirksam und bewirken nur in einem Teil der Fälle einen Permanentverschluss [32]. Die Verwendung von Partikeln in Kombination mit Histoacryl kann die Komplettverschlussrate aber deutlich erhöhen, zum Beispiel beim so genannten simultanen multikomparimentalen 5 Fortbildung Therape u t i s c h e N e u ro ra d i o l o g i e blutung. Eine angiografische Abklärung ist bei venösen Dysplasien nicht erforderlich. Mittels MRT sollte ein assoziiertes Kavernom nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. b a Durale Angiome und Fisteln Abbildungen 4a–b: Entwicklungsbedingte venöse Dysplasie (DVA). a: T1-MRT nach intravenöser Kontrastmittelgabe. Die DVA ist in den rechtshirnigen Stammganglien lokalisiert und drainiert in eine Caudatusvene. b: T1-Bild nach Kontrastmittelgabe (gleicher Patient wie in Abbildung 3). Begleitend zum Cavernom findet sich eine DVA (in etwa 25% aller Fälle). Vorgehen, wie es Valavanis vorschlägt. Insgesamt erlaubt die intravaskuläre Therapie komplette Angiom-Ausschaltungen in etwa 5–7% bis zu 50% der Fälle (je nach Autor). Bei kleineren arteriovenösen Angiomen werden sogar komplette Verschlussraten von bis zu 70%, besonders bei sulcalen Angiomen, beschrieben [33]. Die Morbiditätsraten schwanken zwischen 1,9% und 8% [34]. Kavernome und venöse Dysplasien Zerebrale Kavernome oder kavernöse Hämangiome (Abb. 3, S. ) sind gemischt kapillär venöse Gefäßmissbildungen mit einer sehr geringen arteriellen Durchflussrate, sodass sie angiografisch nicht nachweisbar sind. Die kumulative Wahrscheinlichkeit einer intrazerebralen Blutung liegt bei 1 – 3 % pro Jahr [44]. Insofern besteht auch bei diesen Gefäßmissbildungen im Einzelfall eine Behandlungsindikation, die aber stets neurochiTabelle 3 Lokalisation von Durafisteln in absteigender Häufigkeit — Sinus cavernosus-Fisteln (CCF) — Sinus transversus- und Sinus sigmoideus-Fisteln rurgisch sein sollte. Die stereotaktische Bestrahlung mit dem Gamma-Knife hat bisher keine überzeugenden Ergebnisse erbringen können. Diagnostische Methode der Wahl ist die MRT, eventuell ergänzt durch eine CT zum Nachweis von Verkalkungen. Die Angiographie ist nicht indiziert. In zirka 25% der Fälle ist das Kavernom mit einer venösen Dysplasie vergesellschaftet. Dabei handelt es sich um eine venöse Struktur, die aus kleinen, oft periventrikulär gelegenen Venen besteht, die zu einer größeren oberflächlich drainierenden medullären Sammelvene konvergieren (Abb. 4 – b). Da diese angiografisch nachgewiesen werden kann, stammt aus der Zeit vor Einführung des MRT die Bezeichnung „venöses Angiom“. Dieser Begriff sollte aber heute vermieden werden, da es sich nicht um ein Angiom handelt. Sofern eine Blutung beobachtet wird, ist es eine Kavernom- Klassifikation der Durafisteln nach Djindjian und Merland [1978] Tabelle 4 — Typ I: Drainage in Sinus oder meningeale Venen — tentorielle Durafisteln — Typ II: Sinusdrainage, aber Reflux — parasagittale Fisteln — frontobasale ethmoidale Durafisteln — multiple/komplexe Durafisteln — Typ III: Direkte kortikale Venendrainage in kortikale Venen — Typ IV: Typ III mit venösen Aneurysmen 6 Die genaue Ätiologie dieser in der Dura gelegenen Gefäßmissbildungen ist bis heute nicht hinreichend geklärt. Es existieren verschiedene Erklärungsmodelle. Vermutlich handelt es sich um angeborene Mikro-Shunts, die unter bestimmten pathologischen Bedingungen geöffnet werden und zur Kurzschlussverbindung führen [45]. So sind Durafisteln in der Folge nach Sinusthrombosen beschrieben, treten aber auch spontan auf. Wahrscheinlich spielt auch die Angioneogenese eine wichtige Rolle. Durafisteln kommen an den verschiedensten Stellen mit unterschiedlicher Häufigkeit vor (Tab. 3). Am bekanntesten und häufigsten sind die spontanen okzipitalen Fisteln am Sinus transversus und sigmoideus und die spontanen oder traumatischen Karotis-Sinus-Cavernosus-Fisteln (CCF), wobei in noch ungeklärter Weise bei den spontanen CCF eine deutliche Häufigkeitsverteilung bei Frauen zu finden ist. Rein pragmatisch bewährt sich das Schema von Djindjian und Merland [46], das Informationen über die Behandlungsbedürftigkeit und Prognose liefert (Tab. 4). Klinisch werden die Durafisteln je nach Lokalisation unterschiedlich manifest. Die prognostisch „harmlosen“ okzipitalen Typ I-Fisteln am Sinus sigmoideus und transversus manifestieren sich meist durch ein pulsatiles Ohrgeräusch. Ein Blutungsrisiko besteht nicht. Solange die Patienten keinen psychischen Leidensdruck entwickeln, kann man auf eine interventionelle Behandlung verzichten. Andere Patienten werden durch das Ohrgeräusch extrem belastet und depressiv, zum Teil suizidal, sodass dies eine klare Indikation zum interventionellen Eingriff darstellt. Beachtet werden muss, dass diese Fisteln jedoch ihren Charakter und damit auch den Typus ändern können und daher in jedem Fall regelmäßig kontrolliert werden sollten. Dies kann durch Doppler und MRT erfolgen, im Zweifelsfall sollte jedoch auch die inzwischen mit sehr geringem Risiko NeuroTransmitter 9·2005 Fortbildung Therapeu t i s c h e N e u ro ra d i o l o g i e a b c d e Abbildungen 5a–e: Durale Gefäßmissbildungen und AV-Fisteln. a: Durale Zuflüsse bei einem intrazerebralen Angiom. b: Tief gelegene Durafistel mit Drainage in die Vena magna Galeni (Typ III-Fistel). c: Bild nach transvenöser Embolisation einer occipitalen Durafistel durch Einlage von Metallspiralen. d: Occipitale Durafistel mit multiplen Zuflüssen. Es handelt sich um eine Typ I-Fistel mit direkter Drainage in einen Sinus. e: Durafistel vom Typ IV mit Drainage in piale Venen und begleitendem venösem Aneurysma. Diese Fisteln haben ein sehr hohes Blutungsrisiko und müssen behandelt werden. NeuroTransmitter 9·2005 ambulant durchführbare DSA eingesetzt werden. Finden sich Durafisteln, die direkt in kortikale Venen drainieren ( zum Beispiel frontobasale Durafisteln [47] oder solche mit Reflux in kortikale Venen), besteht eine absolute Behandlungsindikation (Abb. 5a–d). Denn in diesen Fällen ist das Risiko einer zerebralen Blutung hoch, besonders wenn noch zusätzliche Aneurysmen (Typ IV) vergesellschaftet sind (Abb. 5e). Ähnlich den zerebralen Angiomen werden Durafisteln primär mit Flüssigembolisaten behandelt. Bei stärker netzartigem, diffus verzweigtem Gefäßsystem, kommen eher Parikel oder Mikrocoils in Betracht, wobei die höhere Wahrscheinlichkeit der Rekanalisation jedoch nachteilig ist. Die transvenöse Behandlung mit Metallspiralen stellt dabei eine interessante Alternative dar. Über einen venösen Zugang wird der fisteldrainierende Sinus mit einem Mikrokatheter sondiert und mittels ablösbarerer Metallspiralen verschlossen. Der transvenöse Zugang kann über die Vena femoralis erfolgen, aber auch transbrachial oder transorbital. Eine Besonderheit stellen die Fisteln des Sinus cavernosus dar. Sie kommen – ähnlich den okzipitalen Typ I-Fisteln – spontan vor, werden aber zum Teil auch traumatisch verursacht. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma sollte immer dann an sie gedacht werden, wenn opthamologische Symptome mit Augenmuskelparesen und Protrusio bulbi und eine Chemosis auftreten. Letzteres ist besonders deutlich, wenn die Drainage in die Vena opthalmica erfolgt. Dominiert der Abfluss über den Plexus basilaris und pterygoideus, kann auch lediglich ein Ohrgeräusch wegweisend sein. Bei den spontanen duralen Fisteln am Sinus cavernosus liegen meist eine kombinierte Versorgung aus Ästen der Arteria carotis externa und weniger Interna-Zuflüsse vor. Dabei kann eine Partikelembolisation von Externaästen ausreichen. Bei traumatischen Fisteln ist der Verschluss des Lecks durch einen Ballon oder durch Coils die Methode der Wahl. Gelingt dies nicht, wird eine Ballonokklusion der Arteria carotis interna („Trapping“) durchgeführt. Alternativ besteht die Möglichkeit, den transvenösen Sinus cavernosus mit Metallspiralen zu verschließen. Dies ist aufwändiger, technisch schwieriger und auch wesentlich kostenintensiver und sollte nur dann erfolgen, wenn die transarterielle Ausschaltung nicht möglich ist (z. B. wenn die Kollateralisierung über den Circulus arteriosus nicht ausreicht, einen Verschluss der Arteria carotis interna zu kompensieren). Literatur beim Verfasser Prof. Dr. med. Jürgen Reul Direktor der Klinik für Neuroradiologie Klinikum Siegen, Weidenauer Str. 76, 57076 Siegen E-Mail: [email protected] Fortsetzung folgt … Der zweite Teil des Beitrags zur therapeutischen Neuroradiologie befasst sich mit Aneurysmen und Stenosen der hirnversorgenden Arterien (NEUROTRANSMITTER 10/2005). 7