Kommentar: EZB muss Kastanien aus dem Feuer holen

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Kommentar: EZB muss Kastanien aus dem Feuer holen
Kommentar:
Dr. Harald Preißler
Chefvolkswirt
Leiter Anlagemanagement
EZB muss Kastanien aus dem Feuer holen
www.bantleon.com
1. Oktober 2014
Die Wolken am europäischen Konjunkturhimmel werden dunkler. Anfänglich von vielen Beobachtern noch als vorübergehendes Formtief abgetan, zieht sich die Schwächeperiode immer mehr in die Länge – schon droht sich aus dem Tief die nächste Krise zu entwickeln.
Jüngste Hinweise in diese Richtung lieferten die in der vergangenen Woche veröffentlichten
Stimmungsbarometer. So setzten die EUR-Einkaufsmanagerindikatoren ihre Talfahrt im September auf breiter Front fort. Der Teilindex der Industrieunternehmen verzeichnete bereits
seinen sechsten Rückgang in diesem Jahr und landete mit 50,5 nur noch einen Wimpernschlag über der Expansionsschwelle von 50,0 Punkten. Auch unter den Dienstleistern macht
sich allmählich Resignation breit, obschon der Index mit 52,8 wenigstens noch einen kleinen
Puffer zur Stagnation vorweisen kann.
In beiden Fällen ist der tonangebende Faktor die Auftragslage, die sich zuletzt spürbar verschlechtert hat. In den Servicebranchen ist die Expansion fast zum Erliegen gekommen (51,8),
in der Industrie schrumpft das Neugeschäft bereits (49,7). Gleichzeitig füllen sich die Fertigwarenlager – offenkundig wurden die Unternehmen von der Nachfrageschwäche überrascht.
In den kommenden Monaten ist daher mit einer Drosselung der Produktion zu rechnen, der
nächste Schritt wäre eine Entlassungswelle.
Sicherlich spielt die Verunsicherung im Zuge der Ukrainekrise bei der Erklärung der jüngsten Zuspitzung eine Rolle – vor allem der Anlagenbau bekommt die Investitionszurückhaltung mit voller Härte zu spüren. Es gibt aber beileibe noch andere Gründe. Zum einen bleibt
in vielen Unternehmen das Asiengeschäft hinter den Erwartungen zurück; China stottert und
die brummende US-Konjunktur kann die Lücke nur bedingt schliessen. Zum anderen lasten
die strukturellen Probleme in Frankreich und Italien auf der Geschäftsentwicklung. Italien ist
es in den zurückliegenden 12 Quartalen nur in Q4/2013 gelungen, einen Anstieg der Wirtschaftsleistung zu erzielen (+0,1%); in den übrigen 11 Quartalen schrumpfte das BIP (teilweise um bis zu 1,0%)!
Klar ist, die Währungsunion benötigt dringend neue Wachstumsimpulse. Der aussenwirtschaftliche Rückenwind entfaltet nicht genügend Kraft, um der torkelnden Eurozone Halt zu
geben. Eigentlich wäre es daher an der Fiskalpolitik, frische binnenwirtschaftliche Akzente zu
setzen. Sogar die EZB forderte die Regierungschefs bereits dazu auf, die bestehenden Spielräume besser zu nutzen. Aber selbst wenn sich eine europäische Investitionsoffensive, etwa
im Infrastrukturbereich, formieren würde – sie käme zu spät, um das Ruder noch rechtzeitig
herumreissen zu können.
Am Ende bleibt es wieder einmal an der Geldpolitik, die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Am kommenden Donnerstag gibt Mario Draghi die Einzelheiten des »Credit Enhancement«Programms der EZB bekannt (Volumen und Struktur der ABS- und Covered Bond-Käufe),
das indes mangels Masse kaum für einen grossen Wurf taugt. Er wird daher weitergehende
Schritte für den Fall ankündigen, dass die erhofften Erfolge ausbleiben. Damit bewegt sich
die EUR-Geldpolitik in grossen Schritten in Richtung der ungeliebten Staatsanleihekäufe
nach US-Vorbild.
Die Flutung der Finanzmärkte mit quasi kostenloser Notenbankliquidität geht mithin auch
nach dem Ausstieg der Federal Reserve weiter, lediglich die Quellen werden andere. Risikoanlagen bleiben daher trotz schwacher konjunktureller Rahmenbedingungen unterstützt,
zumal eine nachhaltige Korrektur der Aktienmärkte ein deutliches Misstrauensvotum gegenüber der Politik der EZB wäre – was sofort neue Massnahmen nach sich ziehen würde.
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