Strukturaufklärung und analytische Daten eines

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Strukturaufklärung und analytische Daten eines
Toxichem Krimtech 2016;83(2):92
Strukturaufklärung und analytische
Daten eines ungewöhnlichen MDMA-Derivates
Folker Westphal1, Ulrich Girreser2, Klaus Holz3, Manfred Erkens4
1
Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, SG BtM/Toxikologie,
Mühlenweg 166, D-24116 Kiel; [email protected]
2
Pharmazeutisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
Gutenbergstr. 76, D-24118 Kiel
3
Landeskriminalamt Schleswig-Holstein, SG Chemie/Physik, Mühlenweg 166, D-24116 Kiel
4
Universitätsklinikum Aachen, Forensische Toxikologie, Pauwelsstr. 30, D-52074 Aachen
Abstract: In a seizure of the police authorities in Northrhine-Westfalia a mixture of BOC-protected MDMA and
amorphous silicium dioxide in a ratio of 1:2 (w/w) was detected. Whether this product should have been sold as
such on the illegal market or if it has been a silica gel waste from a synthesis involving BOC protected MDMA
is not known yet. This article describes the mass spectrometric and infrared spectroscopic data of BOC-MDMA
and two of its isomeric butyl carbamates as well as some aspects of the NMR-spectroscopic structure elucidation
of this compound.
Zusammenfassung: Eine Sicherstellung der Polizei in Nordrhein-Westfalen stellte sich als ein Gemisch von
BOC-geschütztem MDMA in Kombination mit amorphem Siliziumdioxid im Verhältnis 1:2 heraus. Ob dieses
Produkt als solches auf dem illegalen Markt veräußert werden sollte, oder evtl. der Kieselgelabfall aus einer
Synthese mit BOC-geschütztem MDMA war und wozu diese dann führen sollte, ist bisher nicht bekannt. Dargestellt werden die MS- und IR-Daten von BOC-MDMA und zwei seiner isomeren Butylcarbamate sowie die Besonderheiten bei der NMR-spektroskopischen Strukturaufklärung dieser Verbindung.
1. Einleitung
In Nordrhein-Westfalen wurde ein rosafarbenes grobkörniges Pulver sichergestellt, dessen Inhaltsstoffe mit den derzeitigen Datenbanken zunächst nicht aufgeklärt werden konnte. Das
Gemisch wurde gaschromatographisch-massenspektrometrisch, NMR-spektroskopisch und röntgendiffraktometrisch untersucht und erbrachte ein überraschendes Ergebnis. Die gaschromatographischen und infrarotspektroskopischen Daten des Inhaltsstoffes sowie einiger seiner
Isomere sowie einige Besonderheiten zum NMR-spektroskopischen Verhalten der Verbindung werden in diesem Artikel vorgestellt.
2. Material und Methoden
2.1. Chemikalien
n-Butylchlorformiat, Isobutylchlorformiat und Di-(tert.-Butyloxycarbonyl)anhydrid wurden
von Aldrich in p.a.-Qualität erworben. Die benötigten Lösungsmittel hatten alle p.a.-Qualität.
CDCl3 bzw. DMSO-d6 (99,9 bzw. 99,8 %) stammten von Euriso-top. MDMA HCl entstammt
der Referenzsammlung des LKA SH.
2.2. Herstellung der Vergleichsderivate
Zur Herstellung der Vergleichsderivate wurde ein basischer Etherextrakt von MDMA Hydrochlorid aliquotiert und in einem GC-Vial mit 20 µl n-Butylchlorformiat, Isobutylchlorformiat
und Di-(tert.-Butyloxycarbonyl)anhydrid versetzt, 30 min verschlossen auf einem Heizblock
bei 70 °C erwärmt und die Reaktionsgemische anschließend analysiert.
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2.3. Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS)
Probenvorbereitung: Von dem Asservat wurde von 2 mg ein basischer Etherextrakt angefertigt. 1 µL dieses Extraktes sowie der Lösungen der Vergleichsderivate wurde in das GC-MSSystem injiziert.
Geräte: Die Analysen erfolgten auf einem GC-MS-System bestehend aus einem Gaschromatograph (Trace GC Ultra) der Firma Thermo Electron mit Autosampler CTC CombiPAL
(CTC Analytics, Schweiz), gekoppelt mit einem TSQ7000 Triple-Quadrupol-Massenspektrometer der Firma Thermo-Finnigan.
GC-Parameter: Die Aufgabe erfolgte splitless. Die Injektortemperatur betrug 220 °C. Trägergas war Helium (1 mL/min, constant flow). Für die Trennung wurde eine Fused Silica DB-1
Säule der Firma J&W, Länge 30 m, Innendurchmesser 0,25 mm, Filmdicke 0,25 µm verwendet. Das Temperaturprogramm startete bei 80 °C mit einer Haltezeit von 1 min und heizte anschließend mit 15 °C/min auf eine Endtemperatur von 280 °C auf, die 21 min gehalten wurde.
Die Temperatur der Transferline zum Massenspektrometer betrug 280 °C.
MS-Parameter: Es wurde ein Massenbereich von m/z = 29 – 600 mit einem Scan pro Sekunde
gemessen. Zur Aufnahme der Elektronenstoß-Ionisations (EI)-Massenspektren wurde eine
Ionisationsenergie von 70 eV bei einer Emissionsstromstärke von 200 µA verwendet. Die
Temperatur der Ionenquelle betrug 175 °C.
Retentionsindizes (RI) sind als Kovats-Indizes berechnet nach Messung einer n-AlkanMischung mithilfe des oben angegebenen Temperaturprogramms.
2.4. Kernmagnetresonanzspektroskopische Untersuchungen (NMR)
Probenvorbereitung: 767 mg des Asservates wurden in 5 ml demineralisiertem Wasser gelöst
mit 5 Tropfen 5 %iger NaOH versetzt und mit 4 × 2 mL Diethylether extrahiert. Die vereinigten Extrakte wurden unter Stickstoff bei Raumtemperatur eingedampft. Es wurden 282 mg
eines gelben Öles erhalten. Weiterhin blieb ein rosafarbener unlöslicher Rückstand in der
wässrigen Phase zurück.
Es wurden ca. 20 mg des hellgelben Öls in 0,55 mL CDCl3 bzw. DMSO-d6 gelöst. Die Messungen wurden mit einem Bruker Avance III 300 bei 298, 333 und 353 K in 5 mm-NMRRöhrchen durchgeführt. Es wurden die Standardpulsprogramme des Herstellers verwendet.
Die CDCl3-Messung wurde auf internes TMS referenziert, die Messungen in DMSO-d6 auf
das Lösungsmittelsignal.
2.5. Mikroskopisch-energiedispersivröntgenspektroskopische Untersuchung (EDX)
des unlöslichen Rückstandes
Der in der wässrigen Phase unlösliche Rückstand wurde abfiltriert, mit demineralisiertem
Wasser und Aceton gewaschen und getrocknet und anschließend mikroskopisch-energiedispersivröntgenspektroskopisch untersucht.
Hitachi Tabletop Mikroskop TM3030 Plus mit Wolframkathode, EDX-System: Bruker
Quantax 70 mit XFlash 430 H SDD Detektor, 30 mm2 Detektorfläche. Vorbehandlung der
Proben mit einem LEICA EM ACE600: Für die Elementanalyse wurde der unlösliche Rückstand mit Kohle auf eine Schichtdicke von 4 nm bedampft, kontrolliert über ein integriertes
Quarzschichtdickenmessungs(QSG)-System. Für die Abbildungen wurde der unlösliche Rückstand mit Au/Pd auf 4 nm Schichtdicke besputtert, kontrolliert über das QSG-System. Die Aufnahmen wurden bei 15 kV und einer Vergrößerung von 180x aufgenommen.
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2.6. Gaschromatographisch-infrarotspektroskopische Untersuchungen (GC-IR)
Der etherische Extrakt des Asservates sowie die etherischen Lösungen der Derivate wurden
auf einem GC-Festphasen-IR-System bestehend aus einem Agilent GC 7890B (Waldbronn,
Germany) mit einem Agilent G4567A Probensampler und einem DiscovIR-GC™ (Spectra
Analysis, Marlborough, Massachusetts, USA) vermessen. Der Eluentenstrom aus der GCSäule wurde auf einer mit flüssigem Stickstoff gekühlten spiralförmig rotierenden ZnSeScheibe ausgefroren. Die IR-Spektren wurden direkt durch die IR-transparente ZnSe-Scheibe
mithilfe eines flüssigstickstoff-gekühlten MCT-Detektors gegen einen Untergrund an einem
unbelegten Punkt auf der ZnSe-Disk aufgenommen.
GC Parameter: Die Injektion erfolgte splitless. Die Injektortemperatur betrug 240 °C. Trägergas war Helium (2,5 mL/min, constant flow). Für die Trennung wurde eine Fused Silica DB-1
Säule der Firma J&W, Länge 30 m, Innendurchmesser 0,32 mm, Filmdicke 0,25 µm verwendet. Das Temperaturprogramm startete bei 80 °C mit einer Haltezeit von 2 min und heizte anschließend mit 20 °C/min auf eine Endtemperatur von 290 °C auf, die 25 min gehalten wurde.
Die Temperatur der Transferline betrug 280 °C.
IR-Parameter: Die Ofentemperatur, Restriktortemperatur, Temperatur der ZnSe-Scheibe und
die Temperatur der Dewarkappe betrug 280 °C, 280 °C, −40 °C bzw. 35 °C. Das Vakuum
wurde auf 0.2 mTorr eingestellt. Die ZnSe-Scheibe rotierte mit einer Geschwindigkeit von 3
mm/s bei einem Spiralabstand von 1 mm. Die IR-Spektren wurden mit einer Wellenzahlauflösung von 4 cm-1 im Bereich von 650–4000 cm-1 aufgenommen. Es wurden 64 Scans/ Spektrum akquiriert. Die Daten wurden mit der Software GRAMS/AI Ver. 9.1 (Grams Spectroscopy Software Suite, Thermo Fischer Scientific) und anschließend mithilfe der Software
OMNIC, Ver. 7.4.127 (Thermo Electron Corporation) verarbeitet.
3. Ergebnisse und Diskussion
Das MS-Spektrum der Hauptkomponente des basischen Etherextraktes zeigt Abb. 1.
,
T: + c EI Q3MS [ 29,00-600,00]
58
100
,
,
,
,
,
,
95
RI: 1940 (DB-1)
90
85
80
75
70
Relative Abundance
65
60
55
50
135
45
40
57
102
35
30
25
77
41
20
158
15
10
30
5
32
136
51
44
105
79
42
59
89
91
0
40
60
162
220
163
65
106
80
100
131
120
120
147
140
176
160
180
191
193
200
m/z
Abb.1. EI-Massenspektrum der Komponente im basischen Etherextrakt.
202
221
220
293
238
240
253
265
260
281
280
294
300
304
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Neben dieser Hauptkomponente mit einem Retentionsindex von 1940 (DB-1) waren noch
eine Spur MDMA sowie ein homologes Propylcarbamat und das MDMA-Methylcarbamat
enthalten, die nicht weiter in der Struktur aufgeklärt wurden. Als Treffer aus den Massenspektrendatenbanken wurde ein MDMA-Isobutylcarbamat angezeigt, jedoch lagen dazu keine
Retentionsindexdaten vor. Daher wurden das n-Butyl- und das Isobutylcarbamat von MDMA
durch Umsetzung von MDMA mit den entsprechenden Chlorameisensäureestern hergestellt
und die Reaktionsprodukte vermessen (Abb. 2 und 3). Alle Spektren zeigen die gleichen Fragmente in leicht unterschiedlichen Intensitäten. Die isomeren Carbamate unterscheiden sich jedoch deutlich anhand der Retentionszeiten.
MDMA-iBCF_150410113311 #606
T: + c EI Q3MS [ 29,00-600,00]
58
100
57
95
RT: 13,74
AV: 1
SB: 2 13,64 , 13,94
NL: 1,07E8
158
O
CH3
90
N
85
80
CH3
O
CH3
75
CH3
70
102
RelativeAbundance
65
O
60
O
55
N-Isobutoxycarbonyl,N-methyl3,4-methylendioxyamphetamin
50
45
40
41
RI: 2054 (DB-1)
C16H23NO4
MW: 293
135
35
30
77
25
20
105
15
29
10
5
39
30
162
79
51
59
43
136
133
65
106
89 91
121
147
293
176
220
191
204 219
0
40
60
80
100
120
140
160
180
200
221 236
220
250
240
267
260
294
278
280
300
m/z
Abb. 2. N-Isobutoxycarbonyl,N-methyl-3,4-methylendioxyamphetamin.
MDMA-BCF #615 RT: 13,96 AV: 1
T: + c EI Q3MS [ 29,00-600,00]
SB: 2 13,89 , 14,14
NL: 7,02E7
158
100
CH3
95
O
90
N
85
O
CH3
80
CH3
75
70
RelativeAbundance
65
60
O
58
55
O
50
102
45
40
RI: 2092 (DB-1)
C16H23NO4
MW: 293
35
30
57
25
20
15
135
41
159
10
5
N-n-Butoxycarbonyl,N-methyl3,4-methylendioxyamphetamin
77
56
39
0
40
43
59
60
65
105
79
80 91
80
106
100
293
162
133
120
136
140
147
176
160
m/z
180
192
207
200
Abb. 3. N-n-Butoxycarbonyl-N-methyl-3,4-methylendioxyamphetamin.
220
220
234
240
250
264
260
281 292
280
294
300
302
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Aufgrund der Retentionsindizes konnte die Substanz im Asservat keines dieser Carbamate
sein. Anschließend wurde das tert.-Butyl-Carbamat von MDMA (BOC-MDMA) hergestellt,
dessen Massenspektrum und Retentionszeit mit dem der Substanz aus dem Asservat übereinstimmte. Zur Herstellung des vierten möglichen Isomers, des 1-Methylpropylderivats, also
des sec-Butyl-Carbamats, konnte kein Chlorameisensäureester bezogen werden. Damit konnte
die Identität der Hauptkomponente im Asservatenextrakt nicht zweifelsfrei bewiesen werden.
Die vermutete Struktur des BOC-MDMA-Derivates wurde durch NMR-spektroskopische
Untersuchungen bestätigt. Abbildung 4 zeigt das Protonenspektrum des extrahierbaren Asservateninhaltsstoffes bei Raumtemperatur, Abbildung 5 das protonenentkoppelte 13C-NMRSpektrum. Recht deutlich ist in beiden Spektren eine starke Verbreiterung und Aufspaltung
der Signale zu sehen, die eine eindeutige Zuordnung und Unterscheidung von Signalen der
Verunreinigungen der Probe stark erschwerten. Diese Signalverbreiterung lässt sich auf die
Koaleszenz der verschiedenen Rotationsisomere zurückführen längs der C-N-Einfachbindung,
die bekanntermaßen häufig bei tert.-Butoxycarbonyl (BOC)-geschützten Aminen und
Aminosäuren zu beobachten ist [1].
5.0
4.5
4.0
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
ppm
12.47
5.5
4.94
6.0
1.01
6.5
2.02
7.0
3.00
7.5
Abb. 4. 300 MHz-1H-NMR-Spektrum von BOC-MDMA in CDCl3 bei 298 K.
150
140
130
120
110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
ppm
Abb. 5. 75 MHz-13C-NMR-Spektrum von BOC-MDMA in CDCl3 bei 298 K.
Die beiden Rotationsisomere des BOC-MDMA sind in Abbildung 6 dargestellt. Das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Rotationsisomeren und die Signalform wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Dies sind neben der Temperatur der Probe auch die Aktivierungsenergie, die Besetzung der beiden Zustände, d. h. der Energieunterschied, die Messfrequenz
und auch das Lösungsmittel [2].
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Abb. 6. Rotationsisomere des BOC-MDMA.
Während also Signalformen nicht direkt im gezeigten Spektrum in Abbildung 4 analysiert
werden konnten, gab zumindest die Integration der Protonensignale eine Übereinstimmung
mit der postulierten Struktur. Selbst die Aromatensignale waren verbreitert und erlaubten
keine eindeutige Identifizierung der Position der verschiedenen Substituenten am Aromaten.
Bei Aufnahme der Spektren in deuteriertem DMSO bei erhöhter Temperatur erhielt man nur
einen Satz von Signalen, der Wechsel zwischen beiden Rotationsisomeren ist hier also schnell
auf der NMR-Zeitskala. Es ließen sich auf diese Weise interpretierbare Signale erhalten, die
die gezeigte Struktur bewiesen. Diese temperaturabhängigen Protonen- und 13C-NMR-Spektren sind in den Abbildungen 7 und 8 dargestellt. Das Aufspaltungsmuster der Aromatensignale beweist die 3,4-Methylendioxypartialstruktur, die aliphatische Kette ist durch ein
ABMX3-System eindeutig charakterisiert. Sehr klar ist in Abbildung 7 zu erkennen, dass sich
auch die stark verbreiterten Signale im Aliphatenbereich mit steigender Temperatur in interpretierbare Signale verwandeln. So kristallisiert sich ein Singulett mit 9 Wasserstoffatomen
(die Signale der Protonen der tert.-Butylgruppe) und auch das Dublett der α-Methylgruppe
deutlich heraus. Um diese Signale herum liegen Signale von ebenfalls in dem Gemisch vorhandenen Verunreinigungskomponenten. Es ist erwähnenswert, dass das 13C-Signal der
Methylengruppe bei ca. 39 ppm vom Lösungsmittelseptett überlagert wird. Zwei breite Signale lassen sich jedoch deutlich im entsprechenden DEPT-Spektrum erkennen (siehe Vergrößerung in Abb. 8, 298 K). Auch bei erhöhter Temperatur fällt das Methylenkohlenstoffsignal
mit einem Lösungsmittelsignal zusammen, wie der Vergleich der Intensitäten im Lösungsmittelseptett zeigt (s. Vergrößerung in Abb. 8, 353 K). Alle chemischen Verschiebungen und
die Kopplungskonstanten sind im Folgenden zusammengefasst.
H-NMR (300 MHz, 353 K, DMSO-d6, referenziert auf DMSO-d5 mit  = 2,50 ppm) : 1,10
(d, J = 6,8 Hz, 3 H, Me), 1,32 (s, 9 H, t-Bu), 2,60 & 2,66 (AB-Teil eines ABMX3-Multipletts,
2
J = 13,9 Hz, 3J = 6,6/8,4 Hz, 2 H, CH2), 2,63 (s, 3 H, N-Me), 4,25 (m, 1 H, CH), 5,92 (s, 2 H,
OCH2O), 6,62 (dd, 3J = 7,9 Hz, 4J = 1,7 Hz, 1 H, Aryl-6H) 6,71 (d, 4J = 1,7 Hz, 1 H, ArylH2) 6,77 (d, J = 7,9 Hz, 1 H, Aryl-H5) ppm.
1
C-NMR (75 MHz, 353 K, DMSO-d6, referenziert auf DMSO-d6 mit  = 39,5 ppm) : 17,3
(Me), 27,5 (N-Me), 27,6 (CMe3), 38,9 (CH2), 51,6 (CH), 77,8 (CMe3), 100,1 (OCH2O), 107,4
(Aryl-C2), 108,7 (Aryl-C5), 121,3 (Aryl-C6), 132,6 (Aryl-C1), 145,1 (Aryl-C4), 146,7 (ArylC3), 154,2 (C=O) ppm.
13
Der Vollständigkeit halber und zur Möglichkeit für die zukünftige Identifizierung auch ohne
NMR-Spektroskopie wurden weiterhin die IR-Daten der verschiedenen MDMA-Carbamate
erhoben. Da es sich bei den Lösungen jeweils um Gemische handelte, kam ein kombiniertes
GC-Festphasen-IR-Gerät dafür zum Einsatz. Es erlaubt die Trennung der Stoffgemische und
die anschließende Aufnahme von Festphasen-IR-Daten. Festphasen-IR-Spektren sind im
Gegensatz zu Gasphasen-IR-Spektren sehr bandenreiche Spektren mit scharfen Banden, wie
sie auch mit normalen ATR-IR-Geräten gewonnen werden können. Die mit der GCFestphasen-IR gewonnenen IR-Spektren sind mit Film-IR-Spektren der freien Basen auf
normalen ATR-IR-Geräten identisch, sofern bei dem Ausfriervorgang auf der ZnSe-Disk die
Substanzen in amorpher Form anfallen, was in den allermeisten Fällen zutrifft.
Toxichem Krimtech 2016;83(2):98
298 K
6.75
6.70
6.65
ppm
6.75
6.70
6.65
ppm
333 K
353 K
6.75
7.0
6.5
6.0
5.5
5.0
6.70
4.5
6.65
4.0
ppm
3.5
3.0
2.5
2.0
1.5
ppm
67.28
62.93
52.19
51.83
51.10
40.33
40.06
39.78
39.50
39.22
38.94
38.67
27.84
27.28
27.09
21.92
18.36
78.02
109.44
109.19
109.10
107.86
103.41
103.03
100.54
121.99
121.71
133.02
132.82
146.98
145.37
154.95
154.43
Abb. 7. 300 MHz-1H-NMR-Spektren von BOC-MDMA in DMSO-d6 bei 298, 333 und 353 K.
298 K
17.29
51.64
40.34
40.06
39.78
39.50
39.22
38.94
38.67
27.65
27.48
ppm
66.95
77.77
100.14
108.75
107.42
121.29
132.62
146.74
145.11
154.24
40
353 K
40
150
140
130
120
110
100
90
80
70
ppm
60
50
40
Abb. 8. 75 MHz-13C-NMR-Spektren von BOC-MDMA in DMSO-d6 bei 298 und 353 K.
30
20 ppm
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Verschiedene Kristallisationsformen (amorph oder in verschiedenen Kristallgittern) liefern
mit ATR-IR unterschiedliche Spektren, so dass bei Salzen, die in unterschiedlichen Kristallgittern kristallisieren, unterschiedliche IR-Spektren erhalten werden und auch bei GC-Festphasen-IR-Spektren, die aufgrund des Kühlprozesses nicht amorphe, sondern (partiell) kristalline Produkte ergeben, gegenüber den Film-ATR-Spektren Unterschiede auftreten können.
Die IR-Spektren der verschiedenen MDMA-Butylcarbamat-Isomeren sind mit einer Vergrößerung des Fingerprintbereichs in den Abbildungen 9-11 abgebildet. Das GC-Festphasen-IRSpektrum des tert.-Butylcarbamats von MDMA war identisch mit dem der Verbindung im
basischen Etherextrakt des Asservates.
105
MDMA BOC neat (GC-sIR)
100
95
90
85
80
%T
75
70
65
60
55
50
45
40
35
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
MDMA BOC neat (GC-sIR)
1347,9
1491,5
50
45
659,3
715,6
725,2
804,8
672,5
903,0
875,0
1038,4
1247,9
55
1147,5
60
1365,3
65
1443,3
1504,4
70
1176,9
1337,8
1399,4
75
%T
931,0
80
772,2
85
1100,6
1206,1
90
998,0
95
1081,2
100
1297,9
1610,6
105
40
1685,3
35
30
1800
1600
1400
1200
1000
800
Abb. 9. MDMA BOC neat (GC-sIR) und vergrößerter Ausschnitt (unten).
Die isomeren Carbamate sind auch über die GC-Festphasen-IR-Spektren eindeutig voneinander zu unterscheiden (Abb. 9-11). Wegen seiner großen Identifizierungskraft zählt die IRSpektrometrie bei völliger Übereinstimmung der Signale auch zu den A-Methoden der Analytik und ist damit gleichwertig zur Massenspektrometrie und NMR-Spektroskopie) [3].
Toxichem Krimtech 2016;83(2):100
110
MDMA-BCF Base neat (GC-sIR)
105
100
95
90
85
80
75
%T
70
65
60
55
50
45
40
35
30
25
20
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
MDMA-BCF Base neat (GC-sIR)
715,6
740,4
725,5
857,8
811,2
940,4
770,7
1195,5
1037,4
1248,7
1491,8
40
1331,0
1504,3
50
1147,9
1406,0
60
1443,9
%T
70
929,3
80
1071,1
1101,1
90
1297,7
1373,9
1539,5
1610,2
100
1868,7
110
30
1690,0
20
10
1800
1600
1400
1200
1000
800
Abb. 10. N-n-Butoxycarbonyl,N-methyl-3,4-methylen-dioxyamphetamin neat (GC-sIR) und vergrößerter Ausschnitt (unten).
110
MDMA-iBCF Base neat (GC-sIR)
105
100
95
90
85
80
75
%T
70
65
60
55
50
45
40
35
30
25
20
2500
1000
500
677,5
770,5
929,4
810,6
1019,7
941,0
791,5
725,5
858,6
966,9
1081,3
1054,7
1101,1
1197,4
1491,9
40
1037,8
1248,9
1330,7
1504,4
50
1147,5
60
1443,9
%T
70
1405,6
1470,7
80
1296,7
90
715,6
MDMA-iBCF Base neat (GC-sIR)
1368,2
100
1500
1345,5
110
2000
1389,5
3000
1610,3
3500
1850,3
4000
30
1691,4
20
10
1800
1600
1400
1200
1000
800
Abb. 11. N-Isobutoxycarbonyl,N-methyl-3,4-methylendioxy-amphetamin neat (GC-sIR) und vergrößerter Ausschnitt (unten).
Toxichem Krimtech 2016;83(2):101
Die Elementanalyse des Rückstandes wurde an einer kohlebedampften Probe durchgeführt. In
der Probe konnten lediglich Silizium und Sauerstoff nachgewiesen werden ( Abb. 12 und 13).
Abb. 12. Elementverteilung (SEM: elektronenmikroskopische Aufnahme der Partikel, O-K: Sauerstoffverteilung in den Partikeln, Si-K: Siliciumverteilung in den Partikeln.
Si
O
Abb. 13. EDX-Spektrum mit den K-Linien von Sauerstoff und Silicium, die roten Signale am Anfang des
Spektrums sind Signale aus der Wolframkathode.
Toxichem Krimtech 2016;83(2):102
Der Extraktionsrückstand wurde weiterhin mikroskopisch morphologisch untersucht. Die
Aufnahmen wurden bei 15 kV und einer Vergrößerung von 180× aufgenommen (Abb.14).
Um Aufladungen zu vermeiden, wurde die Probe mit Gold/Palladium (80/20) besputtert. Die
Partikelgröße lag zwischen ca. 100 und 300 µm. Morphologisch glichen die Partikel des
Rückstandes einem hier vorliegenden Silicagel mit 40 Mesh für die Säulenchromatographie.
Abb. 14. BSE (backscattered electron)-Bild
des Rückstandes.
BOC-MDMA ist 2010 in der chemischen Fachliteratur beschrieben [4]. Hier wird durch eine
Umsetzung einer Isocyanatgruppe mit Kalium-tert.-butylat direkt die tert.-Butoxycarbonyleinheit erzeugt, die dann durch Reduktion mit Lithiumaluminiumhydrid direkt zum freien
Amin umgesetzt werden kann. Die BOC-Gruppe kann vorher in einem Alkylierungsschritt
mit Methyliodid selektiv zur Mono-N-methyl-Verbindung umgesetzt werden, was nach der
Hydrogenolyse dann das N-Methylamin liefert. Eine direkte Alkylierung eines Amins würde
zum größten Teil bis zur Quarternisierung der Aminogruppe durchlaufen und nicht auf der
Mono-N-methyl-Substitution stehen bleiben. Ob das Asservat einer solchen Synthesefolge
entstammt und möglicherweise ein Filterrückstand (über Kieselgel) ist, konnte bisher nicht
ermittelt werden. Da jedoch parallel auch geringe Mengen an MDMA sowie an homologen
Carbamaten in dem Asservat nachgewiesen worden sind, spricht einiges dafür, dass hier aus
MDMA ein tert.-Butoxycarbonyl-geschütztes Derivat hergestellt worden ist, das möglicherweise in weiteren Syntheseschritten eingesetzt werden sollte, bei denen die sekundäre Aminogruppe geschützt werden muss.
4. Literatur
[1] M. Branik, H. Kessler, NMR- und IR-Untersuchungen von Boc-L-α-Aminosäuren, Chem. Ber. 1975 108:
[2]
[3]
[4]
2176–2188.
H. Günther, NMR Spectroscopy, 3rd ed., Weinheim, 2013, S. 501.
Scientific Working Group for the Analysis of seized Drugs (SWGDRUG), Recommendations, 4th ed.
2008-10-01
M. Schulze, Synthesis of 2-Arylethylamines by the Curtius Rearrangement, Synth. Commun. 2010 40:
1461–1476.