Bayerische Schule 6/7 2010
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Bayerische Schule 6/7 2010
6/7 29. Juni 2010 63. Jahrgang BAYERISCHE SCHULE Zeitschrift des BAYERISCHEN LEHRER- UND LEHRERINNENVERBANDS e.V., BLLV im VBE Thema ADHS Kaum zu fassen Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Lehrerinnen und Lehrer klagen immer häufiger über schwierige Schüler. In manchen Klassen ist nur noch mit größter Mühe geregelter Unterricht möglich. Aktuelle Studien nennen einen wichtigen Grund: Fast ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland zwischen sieben und siebzehn Jahren sind psychisch auffällig. Vor allem ADHS wird immer öfter diagnostiziert. Für die vorliegende Ausgabe der „Bayerischen Schule” haben wir deshalb Experten erklären lassen, warum es sich beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit oder ohne Hyperaktivität keineswegs um eine Modekrankheit handelt, und wie man sich dem Phänomen als Lehrer am Besten stellt. Ein Aufmerksamkeitsdefizit ganz anderer Art müssen wir in dieser letzten Nummer vor den Sommerferien in Bezug auf die Politik der Regierung konstatieren: Kultusminister Spaenle verkündete zunächst überraschend via Rundfunk, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen 1.000 Lehrerplanstellen nun doch nicht umgesetzt werden sollen – und beteuerte nach massivem öffentlichen Protest sogleich, es nicht so gemeint zu haben. Besorgniserregend ist auch eine ausgeprägte Hyperaktivität des Ministeriums: Seinem neu eingeführten Probenplan gemäß sind die Grundschüler der vierten Jahrgangsstufe gezwungen, über Monate hinweg nur noch zu lernen, was für den Übertritt relevant ist, Lehrer lehren nur noch prüfungsrelevanten Stoff. Die Bedürfnisse der Kinder und ihre berechtigten Interessen bleiben unberücksichtigt. In ihrem Kommentar auf Seite 7 kritisiert Simone Fleischmann dieses „bulimische Lehren“ – eine Wortschöpfung, die aus der Praxis gegriffen ist: So manche Kollegin sagt im Pausengespräch unverhohlen, dass sie diese Art des Lehrens zum Kotzen findet. ADHS-Expertin Dr. Maria Krause weist im Gespräch auf S. 23 darauf hin, dass übermäßiger Leistungsdruck und Schulstress die ADHS-Symptomatik verschärft. Doch für solche Beobachtungen zeigen sich die verantwortlichen Politiker bislang blind. „Das Bildungssystem bleibt, solange die Koalition bleibt“, ließ die CSUAbgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein in einer Aktuellen Stunde zum Thema Schulstruktur wissen, das Bewährte müsse sich nicht vor dem Neuen, sondern das Neue sich vor dem Bewährten beweisen. Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom wird Bayerns Lehrerinnen und Lehrer noch längere Zeit beschäftigen. In jeder Hinsicht. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Tomi Neckov [email protected] Inhalt 6/7 2010 04 Bildungsticker Politik 06 Übertritt „Probenplan“ verschärft Übertrittsdruck 10 Kurz berichtet, kurz kommentiert 11 Gespräche 14 Akzente Viel zu tun 15 Aus dem Landtag Thema 16 ADHS Leitfaden von Facharzt Martin Linder 21 Diagnostik Eltern richtig aufklären 22 Hilfestellung Was ADHS-Kinder im Unterricht weiter bringt 23 Interview Gespräch mit den Experten Alfred und Krause 26 Leitartikel Allein mit dem Zappelphilipp Service 27 Recht Wenn Lehrkräfte Krankenschwester spielen sollen 29 Dienstrecht Borreliose-Infektion als Dienstunfall 34 BIWAK Akademie des BLLV wird 100 International 36 Kinderhilfe Peru: Spenden ermöglichen Lehrbäckerei 40 Verband 43 Unsere Jugendzeitschriften 45 Kleinanzeigen 47 Impressum Kinder mit ADHS sind für Außenstehende kaum zu fassen Bildungsticker Filmen in der Mädchenumkleide Kleve (dpa) - Mit versteckter Kamera soll ein Lehrer in Kleve Schülerinnen in der Umkleidekabine für den Sportunterricht gefilmt haben, um ein Mobbing-Komplott aufzudecken. Die Schülerinnen hätten die Kamera entdeckt und mitgenommen. Gegen den Pädagogen sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, es gebe aber bisher keine Anhaltspunkte für einen sexuellen, pädophilen oder pornografischen Hintergrund der Aufnahmen. Es gebe dagegen in der Tat ein Mobbing-Problem unter Mädchen an der Schule und der Lehrer habe die Absicht gehabt, das Komplott aufzudecken. Der Einsatz der Kamera sei allerdings eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Kinder. Unbekannter bayerischer Wald Grünwald (dpa/lby - Bayerische Schulkinder haben einer Studie zufolge oft nur mangelhaftes Wissen über den Wald. „Sie wissen erschreckend wenig über die Pflanzen und Tiere. Nur jedes vierte Kind hat eine Fichte erkannt“, sagte der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), Josef Miller. Der Computer habe den Waldspaziergang ersetzt. „Besonders junge Leute schützen nur das, was sie schätzen“, sagte Miller, „und sie schätzen nur das, was sie kennen.“ 2009 weniger Ausbildungsverträge Wiesbaden (dpa) - Im Krisenjahr 2009 ist die Zahl der Ausbildungsverträge in Deutschland deutlich gesunken. Es unterschrieben 561.300 Jugendliche einen Lehrvertrag, 7,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Den stärksten Rückgang gab es im Bereich Industrie und Handel inklusive Banken und Versicherungen. 4 Amokläufer sind nicht herauszufiltern Ansbach/Hannover (dpa/lby) - Potenzielle Amokläufer an Schulen herauszufiltern, ist nach Einschätzung des Kriminologen Christian Pfeiffer nicht möglich. Ein Amoklauf sei nicht vorhersehbar. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen rät zudem davon ab, Außenseiter zu stigmatisieren, indem man sie unter einen Generalverdacht stellt. „Die Schulen sollten sich nicht nur um Außenseiter kümmern, um dadurch einen Amoklauf zu verhindern“, erklärte Pfeiffer. Den Betroffenen müsste viel mehr um ihrer Selbst willen geholfen werden. Islamwissenschaftler kein Muslim mehr Münster (dpa) - Der umstrittene Islamwissenschaftler Muhammad Kalisch (44) von der Universität Münster ist kein Muslim mehr. Zu den Gründen für seinen erneuten Wandel habe Kalisch, der als Jugendlicher vom Protestantismus zum Islam konvertiert war, sich nicht geäußert. In Münster werden an dem Lehrstuhl islamische Religionslehrer für staatliche Schulen ausgebildet – es ist einer der bisher wenigen Ansätze für die vom Wissenschaftsrat jüngst geforderte stärkere Islam-Lehrerausbildung in Deutschland. Kalisch hat bereits wiederholt für Schlagzeilen gesorgt. Er bezweifelte in seinen Thesen die Existenz des Propheten Mohammed und den Koran als Wort Gottes. Islamische Verbände rieten deshalb vom Studium bei Kalisch ab. Bueb: Körperkontakt vermeiden Überlingen (dpa) - Der Pädagoge Bernhard Bueb „Lob der Disziplin“ rät angesichts der Missbrauchsfälle in Bildungseinrichtungen männlichen Lehrkräften zu einem vorsichtigen Umgang mit Schülern. „Lehrer sollten sich jeglicher körperlicher Berührung von Kindern enthalten“, empfahl der ehemalige Leiter der Internatsschule Schloss Salem in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Emotionale Nähe muss überhaupt nicht körperlicher Natur sein“, sagte der 71-Jährige, der von 1974 bis 2005 an der Spitze des privaten Internats stand, in dem Jungen und Mädchen unterrichtet werden. Etwas anderes sei es, wenn eine Lehrerin ein kleineres Kind oder selbst einen Jugendlichen in den Arm nimmt, etwa um zu trösten. Da denke „niemand etwas Schlechtes“. Pädophilie muss nach Buebs Meinung scharf von Homosexualität getrennt werden. „Man darf nicht sagen, ein Homosexueller darf nichts mit Kindern zu tun haben.“ Homoerotisch orientierte Lehrer seien oft ganz hervorragende Pädagogen, weil sie ein besonders großes Einfühlungsvermögen für andere Menschen und auch für Kinder und Jugendliche haben. Bayerische Schule 6/7 2010 Bildungsticker Führungszeugnis-Plan für Lehrer Hannover/Berlin (dpa) - Mehrere Bundesländer wollen Lehrern, zum Schutz der Schüler vor Missbrauch, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis abverlangen. Nach bisher geltendem Recht werden Strafen im Bundeszentralregister nur festgehalten, wenn der Betroffene zu mehr als 90 Tagessätzen oder zu mehr als drei Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Im Gegensatz zu einem einfachen Führungszeugnis werden in einem erweiterten auch geringfügigere Strafen wegen Sexualdelikten wie der Besitz von Kinderpornografie oder Misshandlungen vermerkt. „HaLT“ für Jugendliche mit Alkoholproblemen München (dpa/lby) - Mit dem neuen Projekt «Hart am Limit» (HaLT) soll Jugendlichen mit Alkoholproblemen geholfen werden. Gesundheitsstaatssekretär Marcel Huber (CSU) stellte das vom bayerischen Gesundheitsministerium mit 200.000 Euro geförderte Projekt vor. Bei «HaLT» sollen Jugendliche beraten werden, die wegen Alkoholmissbrauchs oder einer -vergiftung aufgefallen sind. zende Heike Hein. „Es ist vollkommen unverständlich, warum nicht noch mindestens zwei weitere gemeinsame Jahre zusammen gelernt wird.“ Bayern auf dem Weg der Inklusion München (BLLV) - Pädagogen aus allen Schularten in Bayern haben auf Initiative von Kultusminister Ludwig Spaenle Möglichkeiten diskutiert, Kinder mit und ohne Behinderung verstärkt gemeinsam zu beschulen. Die UN-Behindertenrechtekonvention will die volle und gleichberechtigte Teilhabe an allen Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen fördern, schützen und gewährleisten. Lehrerinnen und Lehrer gaben Best-Practice-Beispiele aus den Bereichen Kooperationsklasse, Außenklasse und Einzelintegration. BLLV-Vizepräsidentin Waltraud Lučić forderte mehr Zeit- und Personalressourcen und machte darauf aufmerksam, dass schon jetzt Mangel am Mobilen sonderpädagogischen Dienst bestehe. Eltern für verlängerte gemeinsame Schulzeit Lauf (BEV) - Wie der BLLV plädiert auch der Bayerische Elternverband (BEV) für eine verlängerte gemeinsame Schulzeit über die vierte Klasse hinaus. Seitdem das Kultusministerium eine Richtzahl für Proben einfordere und noch vor den Übertrittszeugnissen möglichst viele Proben geschrieben werden sollen, seien die Kinder in der Schule maßlos überfordert, hieß es in einer Meldung des Verbands. „Unsere Kinder sind schließlich erst neun oder zehn Jahre alt und machen große Entwicklungsschritte“, betonte die BEV-VorsitBayerische Schule 6/7 2010 5 „Probenplan“ verschärft Übertrittsdruck Der Probenplan in der vierten Jahrgangsstufe soll angeblich dazu beitragen, den Übertrittsdruck zu vermindern. Mit einer Online-Abfrage des Kultusministeriums wurde nun auch noch die Akzeptanz der Beteiligten gemessen und gewogen. Die Erfahrung vieler Grundschullehrkräfte aber zeigt, dass jetzt erst recht der gesamte Schulalltag auf die Übertrittsnoten zugeschnitten ist. 6 Die zu Beginn des laufenden Schuljahres eingeführten Übertrittsregelungen haben zu keiner Entspannung an den Grundschulen geführt. Grundschullehrerinnen und -lehrer berichten vielmehr, dass der Druck, der auf den Kindern lastet, dramatisch gestiegen ist. Sie selbst leiden darunter, dass Bedürfnisse und Interessen der Kinder nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Gelehrt wird nur noch, was für Proben und Übertritt relevant ist. Dies betrifft vor allem die Kernfächer Mathematik (fünf Proben), Deutsch (sieben Proben), Heimat- und Sachkunde (je fünf Proben). Der Plan schreibt in diesen Fächern ein vereinheitlichendes inhaltliches und zeitliches Vorgehen für alle vierten Klassen vor. Das führt dazu, dass bis Ende April ein Stoffgebiet nach dem anderen durchgepeitscht werden muss. Der Unterricht hat sich an das Diktat der Vorschrift zu halten. Doch nicht nur der Unterricht in den Vorrückungsfächern ist betroffen: Viele Lehrerinnen und Lehrer berichten, dass sie keine Projekte mehr durchführen können, Musik- und Sportunterricht geopfert werden muss. Kein Wunder bei insgesamt 22 Prüfungen. Belastend ist es auch für die Eltern, wenn ihre in der Regel zehnjährigen Kinder über Wochen hinweg einen Prüfungsmarathon durchlaufen müssen, bei dem es nur um die beste Note für den Übertritt geht. Bayerische Schule 6/7 2010 Politik_Übertritt Kommentar von Simone Fleischmann Bulimisches Lehren Früher sprach man vom „bulimischen Lernen“ der Kinder. Jetzt greift diese Krankheit auf die Lehrer über. Die Grundschulen sind in der 4. Klasse befallen vom „bulimischen Lehren“. „Learning to the test“ und „Teaching for the test“, das passt wie die Faust auf’s Auge. All das zum Zweck, die vermeintliche Objektivität der Leistungsfeststellungen in den 4. Klassen zu erhöhen und den Übertritt an die weiterführenden Schulen juristisch einwandfrei zu regeln. Prüfungsstress – für manche ist der Zug schnell abgefahren „Es wäre am vernünftigsten, wenn alle Kinder wesentlich länger gemeinsam lernen dürften“, sagt dazu der Präsident des BLLV, Klaus Wenzel. Solange jedoch neun- und zehnjährige Kinder der Verteilung auf verschiedene Schultypen ausgesetzt seien, sollte die Übertrittsentscheidung nach eingehender Beratung in der Verantwortung der Eltern liegen. Grundlage sollte eine Empfehlung der abgebenden Schule sein, die auf Leistungsmessungen und der Diagnose der Lernkompetenzen basiert. In die Entscheidung der Eltern müssten laut Wenzel auch die aufnehmenden Schulen einbezogen werden. Auch müssten die jeweils abgebenden und die jeweils aufnehmenden Schulen besser miteinander kooperieren und besser übereinander Bescheid wissen. Die qualifizierten Beratungslehrkräfte könnten verstärkt ihre Kompetenz einbringen, müssten ihren Aufwand dafür aber angemessen angerechnet bekommen. Die Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen tragen derzeit die Verantwortung für den Übertritt jedenfalls allein, und das im Bewusstsein, dass die Übertrittsentscheidung pädagogisch nicht zu rechtfertigen ist und kaum verlässliche Prognosen für die spätere Schullaufbahn zu stellen sind. Umso mehr leiden sie nun darunter, dass sie ihren gesamten Unterricht auf die Übertrittsnote fixieren müssen. BS Bayerische Schule 6/7 2010 Der ach so tolle und für alle transparente Probenplan in der 4. Klasse war eigentlich als Medizin gegen die Krankheit „Übertrittsstress“ gedacht. Jetzt zeigt sich, dass diese Medizin eine fatale Nebenwirkung hat: Es wird nur mehr gelehrt, was auf dem Plan steht. Lernen funktioniert programmiert, Lehrer arrangieren Unterricht nach Plan, damit der Probenplan eingehalten werden kann. So müssen sich alle Kinder zur selben Zeit die selben Inhalte reinziehen und in den Proben wiedergeben. Lerninhalte werden abgearbeitet und so aufbereitet, dass alle Parallelklassen zur selben Zeit die selbe Probe schreiben können. Das ist Gleichmacherei unter dem Deckmäntelchen der Teamarbeit. Leistungsfeststellungen sollten dazu dienen, dem Kind ein Feedback über seinen Leistungsstand zu geben. Unsere Proben aber dienen dazu, Kinder zu sortieren und sie auf ein System auszurichten, anstatt sie aufzurichten und zu motivieren. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass Noten eben nicht objektiv sein können. Ein bayernweites Konzept zur Vereinheitlichung der Ermittlung von Noten kann das überholte Sortier-System nicht rechtfertigen. Alle Anstrengungen dieser Art werden ins Leere laufen. Kinder werden noch mehr bulimisch lernen und Lehrer immer mehr bulimisch unterrichten. Das Ende jeder Individualität bei Kind und bei Lehrer. Von wegen: das Kind steht im Mittelpunkt. 7 Schiebung: Das Hin- und Herrechnen von Schülerzahlen und Lehrerstunden bringt per Saldo immerhin ein bisschen was Klassenbildung 2010/11 leicht verbessert Dezent mehr Lehrerstunden – viele Grund- und Hauptschulen vor dem Aus Das Kultusministerielle Schreiben (KMS) zur Klassenbildung an Grund- und Hauptschulen für das Schuljahr 2010/11 lässt Verbesserungen in der Unterrichtssituation erwarten. Nach der „Schüler- und Absolventenprognose 2010" werden an Bayerns Schulen im Schuljahr 2010/11 in den Jahrgangsstufen eins bis vier 18.700 Schüler weniger als im Vorjahr unterrichtet, in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn werden 10.000 weniger erwartet. Die Zahl der Schulanfänger wird um rund 4.600 zurückgehen. Die Zuweisung der Lehrerstunden erfolgt auf der Grundlage der jeweiligen Schülerzahlen für die Grundschule (jetzt 1,2739 h pro Schüler) und für die Hauptschule (jetzt 1,7790 h pro Schüler). Der Multiplikator ist im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht worden, was einer Grundschule mit 180 Schülern etwa vier Lehrerwochenstunden mehr bringt. Allerdings gelten diese Werte für die Personalplanungen der Staatlichen Schulämter und der Unterrichtsversorgung in ihrem Schulaufsichtsbezirk. Auch die Klassengrößen sind neu begrenzt worden. In der Grundschule dürfen in Jahrgangsstufe 1 nicht mehr als 28 Kinder sitzen, in Jahrgangsstufe 2 sind es 29, in den Jahrgangsstufen 3 und 4 sind maximal 30 zulässig. In der Hauptschule gilt weiterhin die Höchstschülerzahl 30. Verbesserungen bei der Stundentafel ergeben sich für die Jahrgangsstufe 4 der Grundschule. Die Förderstunde darf bei mehr als 25 Schülern geteilt werden. Auch in der Jahrgangsstufe 6 der Hauptschule wird die Stundentafel um eine Förderstunde (30. Stunde) erweitert. Die Lehrerkapazitäten für die Mobile Reserve werden im selben Umfang wie 2009/10 zur Verfügung gestellt. Unterschiedliche Zahlen ergeben sich nur bei den regionalen Zuweisungen. Neben diesen kleinen Verbesserungen zeichnen sich beängstigende Tendenzen für den Bestand von Grund- und Hauptschulen ab: In den nächsten fünf Jahren werden in der Grundschule 32.000 Schüler, in der Hauptschule 48.000 Schüler fehlen. gn 8 Bayerische Schule 6/7 2010 Politik_Kurz berichtet, kurz kommentiert Kommentar von Gerd Nitschke Winzige Schritte bei der Klassengröße Die positiven Entwicklungen im KMS zur Klassenbildung liegen auf der Hand: Die Mobile Reserve bleibt trotz massiv zurückgehender Schülerzahlen voll erhalten, die Lehrerstundenzuweisung pro Schüler wurde wieder leicht erhöht, die Stundentafel in der Jahrgangsstufe 6 der Hauptschule bekommt endlich die 30. Stunde. Die positiven Entwicklungen relativieren sich indes, misst man sie an der Koalitionsvereinbarung 2008 bis 2013 zwischen CSU und FDP für die 16. Wahlperiode des Bayerischen Landtags. Darin hatte es geheißen: „Wir wollen bis zum Ende der Legislaturperiode Klassenhöchstzahlen von 25 an den Grund- und Hauptschulen beziehungsweise 30 an den übrigen Schulen erreichen.“ Die winzigen Schritte, die in diese Richtung gemacht wurden, sind kaum mehr als Willensbekundungen. Wie hatte es in der Koalitionsvereinbarung so schön geheißen: „Dazu ist pro Schuljahr (gemeint sind die Schuljahre 08/09 bis 13/14; gn) die Schaffung von mindestens 1.000 zusätzlichen Lehrerstellen erforderlich.“ Diese sind nach einem Interview mit Kultusminister Ludwig Spaenle akut gefährdet – oder gar schon gestrichen? Verglichen mit den Rückgängen der Schülerzahlen innerhalb der vergangenen fünf Jahre wirkt das Schreiben vollends ernüchternd: Wenn an Grundschulen in den nächsten fünf Jahren weitere 32.000 Schüler fehlen werden, gilt es, die freiwerdenden Lehrerstellen für die Senkung der Klassenhöchststärken und weitere Verbesserungen zu nutzen. Den Hauptschulen wiederum geht der enorme Schülerrückgang an die Existenz. Die neue Mittelschule wird den Trend nicht aufhalten können. Trotzdem muss erst einmal eine bessere Versorgung der neuen Mittelschulen her. Zudem ist bei der Planung von Schulverbünden den Entwicklungen Rechnung zu tragen. Zu befürchten bleibt, dass das Hauptschulsterben trotz allem nicht aufzuhalten ist und in zwei, drei Jahren wieder neue Rettungsversuche unternommen werden müssen. Kommentar von Dr. Fritz Schäffer Schritt in die richtige Richtung Ende Mai gab das Kultusministerium (KM) ergänzend zum allgemeinen KMS zur Klassen- und Gruppenbildung die Richtlinien für die Lehrerversorgung an Haupt- und Mittelschulen heraus (die wichtigsten Inhalte unter www.bllv.de/bs/2010/06). Dieses KMS zeigt, dass sich das Ministerium mit großen Schritten in die richtige Richtung bewegt. Wesentliche Anregungen und Befürchtungen des BLLV wurden aufgegriffen. Die direkte Zuweisung der Lehrerstunden an die Einzelschule leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Eigenverantwortung der Schulen. In der jüngsten Eingabe des BLLV war genau solch eine flexible und differenzierte Form der Budgetierung gefordert worden. Allerdings wünscht der BLLV darüber hinaus eine Differenzierung nach dem Sozialindex der Schülerschaft. Besonders positiv ist zu bewerten, dass nicht pauschal nach dem gleichen Faktor zugeteilt wird. So kann zum Beispiel eine Mittelschule mit 500 Schülern bei drei Standorten mit circa 50 Lehrerstunden mehr rechnen, als wenn sie nur einen Standort aufweisen würde. Diese Differenzierung macht es eindeutig wahrscheinlicher, dass durch einen Schulverbund auch kleinere Schulstandorte zumindest mittelfristig länger erhalten werden können. Hier hat das KM schnell auf die Kritik des BLLV reagiert, dass ansonsten die Verantwortung für Schulschließungen auf die einzelnen Schulverbünde abgeladen worden wäre. Sicherlich bleibt zu bemängeln, dass die Lehrerversorgung für die Mittelschulen mit 1,779 Stunden je Schüler insgesamt schmal ausfällt. Doch richtet sich diese Kritik an den Landtag, der die Planstellen bereitstellt. Das KM hat deren Verteilung vernünftig geregelt. Bayerische Schule 6/7 2010 9 Politik_Kurz berichtet, kurz kommentiert Einstellungspolitik absurd Große Grundschulklassen – aber die Hälfte der Anwärter steht auf der Straße Vor einem Jahr haben 100.000 bayerische Bürger mit ihrer Unterschrift eine Petition im Rahmen der Grundschulaktion des BLLV unterstützt. Eine der Forderungen war: „Mehr Lehrer für kleinere Klassen und Gruppen!“ Die Staatsregierung nahm die Forderungen entgegen – und beließ es dabei. Die sogenannte demografische Rendite werde dafür sorgen, dass die Klassenstärken an allen Schularten weiter sinken werden. Doch diese Rendite lässt auf sich warten. Und die Kinder, die nun in großen Klassen sitzen, haben nichts davon, dass es irgendwann von allein besser wird. Dabei wären die benötigten Lehrer da: 1.350 Grundschullehrer, 560 Gymnasiallehrer, 430 Sonderschullehrer, 24 Förderlehrer und 200 Realschullehrer stehen auf der Warteliste. Dazu kommen die Prüflinge des Jahrgangs 2010. Prognosen deuten auf eine verheerende Einstellungssituation im Grundschulbereich hin, im Förderschulbereich und im Bereich der Fachlehrer E/G ist die Situation ohnehin notorisch schlecht. In den vergangenen Jahren kamen die arbeitslosen Grundschullehrer relativ gut an Gymnasien auf Arbeitsvertrag unter, wo sie sehr gerne genommen wurden, aber mit der Verschärfung der Einstellungssituation auch in diesem Bereich wird das spätestens im nächsten Jahr aufhören. Und der bayerische Staat leistet es sich wieder, in die Ausbildung junger Menschen zu investieren, nur um sie dann in die freie Wirtschaft zu entlassen. In den kommenden Jahren wird sich die Situation noch verschärfen: Die Abschaffung der besonderen Lehreraltersgrenze ab 2012 führt dazu, dass alle Lehrer später in Pension gehen. Das spart Planstellen und treibt junge Menschen auf die Straße. Wenn die Kolleginnen und Kollegen während des laufenden Schuljahres in Pension gehen, kann es sein, dass ein junger Kollege den Ausgeschiedenen für den Rest des Schuljahres ersetzt und statt der Planstelle, die ja erst später frei wird, auf Arbeitsvertrag aushilft. Eine sparsame Lösung ist das schon. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis zum 67. Lebensjahr trägt also dazu bei, dass immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen auf der Straße stehen. Eine absurde Situation: Junge Lehrer warten auf eine Planstelle und in 18 Prozent aller Grundschulklassen sitzen mehr als 25 Kinder, von Gymnasien und Realschulen gar nicht zu sprechen. Bestens ausgebildete Kolleginnen und Kollegen hangeln sich von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag, und in der Politik wird über den Begriff der Inklusion philosophiert – ohne den erforderlichen Personalbedarf zu benennen. Die Arbeitsgemeinschaft bayerischer Junglehrer im BLLV wird im Juli auf ihre Art auf die Einstellungspolitik aufmerksam machen. Wir als Solidargemeinschaft dürfen nicht müde werden zu sagen, was Kinder brauchen und darauf hinzuwirken, dass sie es bekommen. kl Zukunftschancen gemopst: Viele Junglehrer stehen auf der Straße Politik_Gespräche BLLV-Präsident Wenzel mit FDP-Bildungsexpertin Will, Justizministerin Merk und Finanzminister Fahrenschon (beide CSU) ... Will für Gleichwertigkeit der Lehrämter Merk: Forum gegen Gewalt- und Sexualdelikte Fahrenschon: „Kraftakt“ neues Dienstrecht „Die Gleichwertigkeit der Lehrämter gehört zu meinem Programm, und deshalb werde ich eine Diskriminierung einzelner Lehrämter nicht akzeptieren.“ Dies war eine der Kernaussagen der FDP-Bildungspolitikerin und Landtagsabgeordneten Renate Will in einem Gespräch mit BLLV-Präsident Klaus Wenzel. Will bezog sich auf den Entwurf des Besoldungsgesetzes, der für alle Lehrämter die gleiche Qualifikationsebene vorsieht, den Lehrkräften an Grundund Hauptschulen allerdings lediglich die Eingangsbesoldung A 12 zugesteht. Wenzel bezeichnete dieses Vorhaben als „Anachronismus“, der zwar historisch zu erklären, aber keinesfalls sachlich zu begründen sei, und sprach sich für ein modernes Dienstrecht aus, das mit den Entwicklungen des 21. Jahrhunderts in Einklang steht. Große Übereinstimmung gab es bei den Themen „Inklusion“ und „Schule in Eigenverantwortung“. Inklusion und Eigenverantwortung würden die schul- und bildungspolitische Diskussion der nächsten Monate prägen. Angestrebt werden dürfe allerdings nicht „ein schneller und billiger Modellversuch“, was man brauche, seien „inhaltlich durchdachte und finanziell bestens ausgestattete Konzepte“. BS Unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Fälle von Gewalt- und Sexualdelikten in bayerischen Internaten wandte sich Justizministerin Dr. Beate Merk an die Öffentlichkeit und forderte schonungslose Aufklärung. Außerdem schlug sie eine Meldepflicht vor und bat die schulischen Einrichtungen um optimale Kooperation. BLLV-Präsident Klaus Wenzel sicherte der Ministerin nun im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs diese Kooperation zu. Er stellte fest, dass es in der Bewertung der konkreten Fälle und in den Forderungen nach Opferschutz und Prävention große Übereinstimmung zwischen dem BLLV und der CSU-Politikerin gebe. Merk informierte den BLLV-Präsidenten über die Einrichtung eines „Forums zur Aufarbeitung der Gewalt- und Sexualdelikte in Erziehungseinrichtungen in Bayern“. Ziel des Forums müsse es sein, eine gemeinsame Linie für die angemessene Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sowie für die erforderlichen präventiven Maßnahmen zu entwickeln. Merk und Wenzel vereinbarten, dass sie bei diesem wichtigen Thema weiterhin in gutem Kontakt bleiben werden, um zu Lösungen im Interesse der Kinder und Jugendlichen aber auch der Lehrerinnen und Lehrer zu kommen. BS Das neue Dienstrecht stand im Mittelpunkt eines ausführlichen Gesprächs, zu dem Finanzminister Georg Fahrenschon den BLLV-Präsident Klaus Wenzel eingeladen hatte. Wenzel bedankte sich zunächst für die enorme Arbeit, die bei der Erstellung des umfangreichen Gesetzeswerks geleistet wurde und für die zahlreichen positiven Aspekte, von denen viele Beschäftigte profitieren werden. Insbesondere bedankte sich der BLLV-Präsident dafür, dass es nun zahlreiche Beförderungsmöglichkeiten für Grund-, Haupt- und Realschullehrer gebe. Fahrenschon sprach von einem „Kraftakt“ und freute sich, dass der BLLV die Anstrengungen der Beteiligten positiv würdige. Bei den „strukturellen Konsequenzen“ machte Wenzel darauf aufmerksam, dass einige Gruppen noch nicht berücksichtigt seien, so zum Beispiel Seminarleiter, Beratungsrektoren und Vertreter der Schulaufsicht. Breiten Raum nahm die Frage nach der Gleichwertigkeit der Lehrämter ein. Als Vater eines Schulanfängers sehe er sehr wohl, was Grundschullehrerinnen leisten, meinte der Finanzminister und deshalb sei es richtig, alle Lehrämter in die vierte Qualifikationsebene aufzunehmen. Dies bedeute aber nicht automatisch die gleiche Eingangsbesoldung. BS Bayerische Schule 6/7 2010 11 Politik_Gespräche … mit MdL Piazolo (Freie Wähler), MdL Sprinkart (Bündnis 90/Die Grünen) und Kultusminister Spaenle (CSU) FW wollen Lehrerbildung grundlegend reformieren Sprinkart für Eingangsbesoldung A 13 Spaenle: Ja zu Master für alle Lehrer Die Zukunft der Lehrerbildung stand im Mittelpunkt eines ausführlichen Gesprächs, zu dem Prof. Dr. Michael Piazolo (Freie Wähler/FW) den BLLVPräsident Klaus Wenzel in den Landtag eingeladen hatte. Die FW wollen die Lehrerbildung grundlegend reformieren und die Differenzierung nach Schularten auflösen. Sinnvoller und im Schulalltag besser zu organisieren seien Lehrämter, die sich an Altersstufen orientieren, etwa ein Lehramt für den Primarbereich, eines für den Sekundarbereich I und eines für die „Oberstufe“ des Schulsystems. Was die Eingangsbesoldung der verschiedenen Lehrergruppen betrifft, gibt es nach Auffassung der FW bereits jetzt gute Gründe, auf eine Differenzierung zu verzichten. Alle Lehrämter (mit Ausnahme der Fachlehrer) beteiligen sich an einem akademischen Studium und schließen es mit einem Staatsexamen ab. Damit sind die Voraussetzungen für die vierte Qualifikationsebene und für dieselbe Eingangsbesoldung gegeben. Piazolo und Wenzel waren sich einig, dass auch die Fachlehrerinnen und -lehrer die Möglichkeit bekommen müssen, ihre beruflichen Kompetenzen im Rahmen eines Hochschulstudiums zu erwerben. BS Zu Beginn des Gesprächs, zu dem der Abgeordnete Adi Sprinkart BLLVPräsident Klaus Wenzel in den Landtag geladen hatte, stand ein Dank: Bündnis 90/Die Grünen haben, ebenso wie SPD und Freie Wähler, vor den Beratungen im Landtag einen Antrag gestellt, der für Grund- und Hauptschullehrer die Eingangsbesoldung A 13 fordert. Sprinkart und Wenzel waren sich einig, dass es kein vernünftiges Argument gegen die gleiche Eingangsbesoldung gebe, sehr wohl aber viele gute Gründe dafür. Der im „Neuen Dienstrecht“ besonders hervorgehobene Leistungsgedanke sei wichtig und richtig, müsse aber konsequent zur Anwendung kommen. Und wer die besonderen und wachsenden Herausforderungen und Leistungen der Grund- und Hauptschullehrer in Sonntagsreden lobe, dürfe diese Lehrergruppe dann bei der Besoldung nicht diskriminieren. Ein weiterer Punkt war die schwierige Lage der Schulleitungen. „Wer den Schulleitungen ständig mehr Arbeit und Zuständigkeiten zumutet, muss auch für anständige Arbeitsbedingungen sorgen“ – betonten Sprinkart und Wenzel. Dies betreffe die Präsenz der Verwaltungsangestellten und die Unterrichtsverpflichtung der Schulleiter. BS Inklusion, selbstständige Schule und Lehrerbildung waren zentrale Themen eines Gesprächs zwischen Kultusminister Ludwig Spaenle und BLLV-Präsident Klaus Wenzel. In allen drei Bereichen gibt es viel Einvernehmen zwischen dem Minister und dem BLLV. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung dürfe – darin waren sich beide Gesprächspartner einig – auf keinen Fall überstürzt umgesetzt werden. Spaenle berichtete, dass die Amtchefs der Kultusministerien aller Bundesländer eine Vorlage zum Thema Inklusion erarbeiten, die die Grundlage eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz werden soll. Ebenfalls in Arbeit sei eine Positionierung des bayerischen Kabinetts zu dem Thema selbstständige Schule. Wann genau mit Ergebnissen zu rechnen ist, konnte Spaenle noch nicht sagen. Aus BLLV-Sicht erfreulich waren die Aussagen des Ministers zum Thema Lehrerbildung. Er sprach sich für einen Masterabschluss für alle Lehrämter und für eine stärkere Verzahnung von erster und zweiter Phase der Lehrerbildung aus. Damit stimmte er zentralen Forderungen des Verbandes zu. dvs 12 Bayerische Schule 6/7 2010 Politik_Gespräche Frauen der CSU-Fraktion und des BLLV im Meinungsaustausch. MdL Dettenhöfer (CSU/Kinderkommission) Bayerische Schule 6/7 2010 CSU und BLLV: Weibliche Perspektiven MdL Dettenhöfer: Koop mit Kinderkommission Die Frauen des CSU-Arbeitskreises und des BLLV-Landesvorstandes haben sich zu einem Gedankenaustausch über Verbands- und Parteiarbeit getroffen. Die Teilnehmerinnen waren sich einig darüber, wie wichtig und grundlegend die frühkindliche Bildung im Bildungsprozess ist. BLLV-Vizepräsidentin Waltraud Lučić wies darauf hin, dass dieser Erkenntnis allerdings in der Ausbildung der Erzieherinnen Rechnung getragen werden müsse. Beim Punkt Pilotprojekte bestand Konsens, dass diese durchaus zeitlich und personell fachgerecht ausgestattet seien. Sie würden aber unter meist weniger guten Rahmenbedingungen flächendeckend eingeführt und seien dann nicht mehr auf hohem Niveau durchzuführen. Man solle mit der Einführung das Ende einer Evaluation abwarten. Des Weiteren stellte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Gudrun Brendel-Fischer, ihren Landtagsantrag zur Diskussion, das Fach „Verbraucherbildung“ an allen Schularten anzubieten. Lučić sicherte eine fachliche Stellungnahme des BLLV zu. MdL Angelika Schorer versprach, sich dafür einzusetzen, dass an allen Grundschulen Schulsozialarbeiter beschäftigt werden, mit mindestens einer halben Stelle. BS Um eine möglichst gute Zusammenarbeit der Kinderkommission des Bayerischen Landtags mit dem BLLV ging es bei einem Gespräch zwischen der Landtagsabgeordneten Petra Dettenhöfer (CSU) und BLLV-Präsident Klaus Wenzel. Dettenhöfer, seit Herbst Vorsitzende der Kommission, informierte über Arbeitsschwerpunkte der nächsten Monate: Kinder und Alltag, Kinder und Medien, Kinder und frühes Lernen. In allen drei Bereichen erkannten die Gesprächspartner gemeinsame Perspektiven und vereinbarten vor allem beim letzten Thema eine Kooperation. Einig waren sie sich, dass einerseits die Grundlage für eine positive Entwicklung unserer Kinder bereits in der Familie gelegt werden müsse, und dass andererseits immer mehr Familien mit der Kindererziehung überfordert seien. Wenzel nannte als mögliche Lösungsansätze Kurse für angehende Eltern und die Einführung des Faches Erziehungskunde in allen Schularten. Als Mitglied des Hochschulausschusses kam Dettenhöfer auch auf das Thema Lehrerbildung zu sprechen. Wenzel plädierte für eine intensivere Zusammenarbeit der drei Phasen und mahnte an, die Seminarleiter bei den Stellenhebungen nicht zu vergessen. BS 13 Politik_Akzente Thomas H. ist Studiendirektor an einem bayerischen Gymnasium. Er unterrichtet nicht nur in den Fächern Deutsch und Geschichte, sondern war in den letzten Jahren auch Kollegstufenbetreuer. Trotz seiner 34 Dienstjahre will er im Zusammenhang mit seinem beruflichen Alltag nicht von „Routine“ sprechen. Sein Vorbereitungsaufwand ist nach wie vor sehr hoch, die Korrekturarbeiten sind gewaltig. Und dann die regelmäßigen kleinen und größeren Veränderungen beim Lehrplan, bei den Unterrichtsmethoden, bei der Organisation des Schul- und Unterrichtsbetriebs: Viel zu tun. Birgitta Sch. ist seit zwölf Jahren Grundschullehrerin. Das bedeutet: Abdecken eines großen Fächerspektrums, intensive Erziehungs- und Beziehungsarbeit, aufwändige Kommunikation mit Eltern und Erziehungsberechtigten. Der professionelle Umgang mit einer ausgeprägten Leistungsheterogenität verlangt methodische Vielfalt und qualifiziertes didaktisches Handlungswissen. Die intensive und individuelle Förderung aller Kinder erfordert nicht nur hohe diagnostische Kompetenz sondern starken persönlichen Einsatz beim konsequenten Eingehen auf die jeweilige Diagnose: Viel zu tun. Viel zu tun Von Klaus Wenzel Christa D. ist Lehrerin an einer Realschule im ländlichen Raum. Die Fächer Geografie und Englisch unterrichtet sie in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn. Die Schule hat einen guten Ruf, die Aufnahmequote liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt. In sechzig Prozent aller ihrer Einsatzklassen sind 30 und mehr Jugendliche. Das stört sie weniger beim Unterrichten, aber am Nachmittag beim Korrigieren. Vor allem in den zwei fünften Klassen hat sie Schüler mit großen Lernproblemen. Die Lehrerfortbildung hilft beim Erwerb zusätzlicher Kompetenzen: Viel zu tun. Dieter P. unterrichtet seit 23 Jahren an einer Hauptschule. Er ist Klassleiter einer achten Klasse mit 26 Schülerinnen und Schülern, die aus acht verschiedenen Nationen kommen. Im Rahmen einer Zusatzausbildung hat er sich wertvolle interkulturelle Kompetenzen angeeignet. Seine Vorbereitungsarbeiten sind auch deswegen so umfangreich, weil er Lernarrangements für unterschiedliche Niveaus und Interessen gestalten muss. Es ist sehr schwierig, die jungen Menschen zu motivieren, weil viele keine ermutigenden Perspektiven für ihr weiteres Leben sehen: Viel zu tun. Silke G. hat sich bewusst für ein sonderpädagogisches Studium entschieden. Seit vier Jahren arbeitet sie in einem Förderzentrum, das aus allen Nähten platzt. Die Koordination und Kooperation mit anderen Fachkräften kostet viel Zeit und manchmal auch Nerven. Die Schülerzahl liegt in vielen Klassen über der Messgrenze. Das erschwert ein individuelles Eingehen auf jede Schülerin und jeden Schüler. Dass sie dennoch mit großem Erfolg arbeitet, liegt an ihren vielfältigen, passgenauen Methoden und den zahlreichen von ihr erstellten Lernmaterialien: Viel zu tun. Wenn Politikerinnen und Politiker mehr Zeit hätten, sich an Ort und Stelle über die Herausforderungen und Belastungen der Pädagoginnen und Pädagogen zu informieren, könnten sie sich von der Vielfalt und Farbigkeit in unseren Schul- und Bildungseinrichtungen überzeugen. Auch von der Andersartigkeit der jeweiligen Arbeitsplätze. Und auf jeden Fall vom gleichen Wert der jeweiligen Tätigkeit. Sie würden merken, dass die pädagogischen Anstrengungen in unserer von Orientierungslosigkeit bedrohten Welt immer wichtiger werden. Sie würden erkennen, dass fundamentale Bildungs- und Erziehungsarbeit mit Kindern ebenso wertvoll ist wie kognitive Hochleistungsarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und sie würden einsehen, dass es gute Gründe gibt, die hohe Würde und den gleichen Wert aller pädagogischen Professionen anzuerkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. In den nächsten Tagen wird das „Neue Dienstrecht in Bayern“ abschließend beraten und beschlossen. Für die Politikerinnen und Politiker eine hohe Verantwortung und eine anstrengende Herausforderung: Viel zu tun. 14 Bayerische Schule 6/7 2010 PPolitik_Aus dem Landtag Umstrittener Übertritt urch die jüngste Reform des Übertrittsverfahrens zählt der Elternwille beim Übertritt etwas mehr. Trotzdem stößt es bei den Oppositionsfraktionen auf erhebliche Kritik. Im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Plenum wurde nicht nur über das Verfahren gestritten, sondern auch eine grundsätzliche Debatte über die Schulstruktur geführt. Bündnis 90/Die Grünen hatten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Ihr Bildungspolitischer Sprecher Thomas Gehring bezeichnete die Probleme, die durch die äußere Differenzierung nach der vierten Klasse entstehen, als hausgemacht. Er forderte die Regierungsfraktionen auf, Ressourcen nicht länger in das Sortieren, sondern in die individuelle Förderung von Schülern zu investieren. Martin Güll stimmte dieser Kritik im Namen der SPD ausdrücklich D zu. Bei Zehnjährigen könnten keine verlässlichen Prognosen über ihre weitere Entwicklung gestellt werden. Längeres gemeinsames Lernen sei keineswegs „Einheitsbrei“. Er wolle keine ideologische Debatte führen, sondern Kinder bestmöglich individuell fördern. Eva Gottsein (FW) äußerte keine Kritik an der Schulstruktur. Sortieren sei nicht per se negativ und Auslese früher oder später unvermeidlich. Sie warf den Regierungsfraktionen aber vor, die Übertrittsbedingungen aufzuweichen ohne die Rahmenbedingungen zu verbessern. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf abgelehnte Anträge ihrer Fraktion, in denen mehr unterstützendes Personal an Schulen gefordert wurde. Von Seiten der Regierungsfraktionen wurden sowohl das Übertrittsverfahren als auch das gegliederte Schulsystem gelobt. Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU) machte dies in ihrer Rede besonders deutlich als sie sagte: „Das Bildungssystem bleibt, solange die Koalition bleibt.“ Sie habe „keine Lust“ das Übertrittsverfahren schon wieder zu erklären und betonte, das Bewährte müsse sich nicht vor dem Neuen, sondern das Neue vor dem Bewährten beweisen. Renate Will (FDP) lobte das bayerische Bildungssystem, da es Schüler gemäß ihrer Begabung fördere und durchlässig sei. Allerdings seien die Liberalen für eine Verlängerung der Grundschulzeit um ein Jahr. Eltern, so Will weiter, würden zwar immer das Beste aber nicht immer das Richtige für ihre Kinder wollen. Deshalb sei die von der FDP durchgesetzte intensivierte Beratung von Eltern so zentral. Dorothee von Stieglitz Lernmittelfreiheit Schulbauverordnung Überstunden Die SPD-Fraktion fordert erneut eine Verankerung der Lernmittelfreiheit in der Bayerischen Verfassung. Näheres soll in einem Gesetz geregelt werden (Drs. 16/4614 und 16/4615). Trotz Wieder-Abschaffung des Büchergelds müssten Eltern jährlich bis zu 1.000 Euro zahlen. Künftig sollen deshalb auch Atlanten und Formelsammlungen sowie die übrigen Lernmittel an den Schulen ausgeliehen beziehungsweise verfügbar sein. Die Kosten, die nicht genau zu beziffern seien, müsse der Freistaat tragen. 2008 war die SPD mit dem gleichen Vorstoß bereits einmal an der damals noch allein regierenden CSU gescheitert. „Wir wollen wissen, ob die neue CSU/FDP-Koalition das noch mal ablehnt“, sagte SPD-Bildungssprecher Hans-Ulrich Pfaffmann. ff Die Erfordernisse von Ganztagsschulen und moderne pädagogische Erkenntnisse sollen in die Schulbauverordnung eingepasst werden. Das fordert ein von Gerhard Wägemann (CSU) initiierter Antrag der Regierungsfraktionen (Drs. 16/4685). Die Staatsregierung soll einen Bericht abgeben, inwieweit dies bereits berücksichtigt ist, und ob damit eine staatliche Förderung von Bauinvestitionen für Ganztagsschulen ermöglicht wird. Der Bericht soll auch die voraussichtliche Entwicklung der Schülerströme aufzeigen. Wägemann hat sich zu diesem Antrag nach eigenen Angaben entschlossen, nachdem er erfahren habe, bei den Regierungen würden die seit 1994 nicht mehr gültigen Schulbaurichtlinien immer wieder „intern“ verwendet. ff Seit Jahren stehe die Bildungspolitik im „Fokus der Öffentlichkeit“. So beantworte das Kultusministerium allein 50 Prozent aller Bürgeranfragen an die Bayerische Staatsregierung. Dies sei eine wesentliche Ursache für erhebliche Überstunden des Kultusministeriums, ließ das Amt im Bildungsausschuss des Landtags wissen. Von den 447 Beschäftigten hätten 397 im vergangenen Jahr insgesamt 36.443 Überstunden angesammelt. Davon könnten sie allerdings nur einen Teil durch Gleittage ausgleichen. Durch diese Kappung seien allein 2009 rund 14.000 Überstunden verfallen. Dies entspreche 7,3 Stellen. Ausdrücklich erklärte das Ministerium, es sei für eine oberste Dienstbehörde „selbstverständlich“, dass eine „höhere Arbeitsbelastung“ bestehe. ff Bayerische Schule 6/7 2010 15 Thema_ADHS 16 Bayerische Schule 6/7 2010 Thema_ADHS < Schwer zu fassen – ADHS wird oft nicht richtig erkannt und häufig falsch therapiert Unaufmerksam, überaktiv, impulsiv Bis zu zehn Prozent der Kinder in deutschen Schulen leiden an der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS – und mit ihnen ihre Umgebung. Wer die Symptome jedoch erkennt und ihnen richtig begegnet, kann dem Kind helfen – und allen anderen. Ein fachärztlicher Leitfaden. Text: Martin Linder* M artin, ein zehn Jahre alter Viertklässler, fällt wegen seiner dauernden Unruhe und Aggressivität auf. Seine Mutter bringt ihn in unsere Ambulanz. Ihr Bericht ergibt: Die Lehrerin ist hilflos und denkt über einen Schulausschluss nach. Schon im Kindergarten hatte Martin auf kleine Misserfolge mit heftigen Wutanfällen reagiert und geringe Ausdauer gezeigt. Seit Schuleintritt nehmen die Schwierigkeiten rapide zu: Unruhe, geringe Leistungsbereitschaft, schlechte Konzentrationsfähigkeit, hohe Ablenkbarkeit. Schon die kleinste Kritik führt zu Tränen, Wut und Aggression. Rechtschreibung und Lesefähigkeit lassen sehr zu wünschen. Andererseits ist Martin aufgeschlossen für alles Neue, interessiert an Technik und Natur, in Heimat- und Sachkunde ist er dementsprechend gut. Zu Hause aber leiden alle unter seiner Impulsivität, die Hausaufgaben arten regelmäßig in reinste Tragödien aus. Wie bei Martin sind bei vielen Kindern, die unter der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden, die Störungen nach außen gerichtet und ähneln einander auffällig: Es sind Störungen der Aufmerksamkeit, stark erhöhter Bewegungsbedarf (Hyperaktivität) und eine deutlich erhöhte Impulsivität. Die drei Störungsbilder treten einzeln oder auch in Mischformen auf. Lehrer können zwar keine Diagnose stellen, doch um den unmittelbar und mittelbar Betroffenen helfen zu können, sollten sie Bescheid wissen über die Erscheinungsformen, die Ursachen, Therapieformen und Möglichkeiten, im Alltag mit diesen Kindern umzugehen. Bayerische Schule 6/7 2010 Kernkriterium I: Unaufmerksamkeit Die Kinder sind in der Regel leicht ablenkbar, sie scheinen oft nicht zuzuhören, machen Sorgfaltsfehler, können die Aufmerksamkeit beim Spielen oder bei den Hausaufgaben nicht ausreichend aufrechterhalten, hören scheinbar nicht, was man ihnen sagt, können Erklärungen nicht folgen und dadurch auch Aufgaben im Unterricht nicht erfüllen. Sie sind häufig beeinträchtigt bei der Organisation ihrer Aufgaben und Aktivitäten. Schultasche und Materialien sind zumeist unordentlich, sie verlieren oder vergessen häufig Gegenstände, die sie für Schularbeiten und dergleichen bräuchten. Sie sind vergesslich, verlieren Zielsetzungen aus dem Auge, versuchen von vornherein Arbeiten zu vermeiden, die kognitives Durchhaltevermögen erfordern. Kernkriterium II: Überaktivität Kinder mit ADHS können nicht auf dem Platz sitzen, fuchteln häufig mit Händen und Füßen, wollen sich dauernd bewegen, laufen herum, klettern herum, was in Schulsituationen natürlich sehr unangemessen erscheint. Beim Spielen sind sie oft unnötig laut, ihre exzessive motorische Aktivität ist durch soziale Regeln oft nicht einzudämmen. Kernkriterium III: Impulsivität Kinder platzen häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage beendet ist oder bevor sie an der Reihe sind. Sie können nicht 17 Thema_ADHS warten, bis sie drankommen und stören andere häufig, mischen sich in Gespräche ein, ohne einbezogen zu sein, reden häufig exzessiv, ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren. Natürlich werden einzelne Verhaltensweisen auch gesunde Kinder hin und wieder an den Tag legen. Um einer Fehldiagnose vorzubeugen, sollte man daher herausfinden, ob die beschriebene Symptomatik wie im Fall von Martin schon vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten ist und ob sich die Symptome nicht nur in einer Situation zeigen sondern zu Hause und in der Schule ebenso wie im Freizeitbereich. Die drei genannten Kernsymptome müssen stark ausgeprägt sein und deutliches Leiden verursachen oder die sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeiten beeinträchtigen. Psychotherapeutische Fachärzte diagnostizieren dann nochmals differenzierter. In einer Familienanamnese und einem psychischen Befund sammeln sie sämtliche Daten, die sie dann auf einer Skala mit sieben Achsen einordnen. Familiäre Einflüsse Bei Martin zeigte sich eine gewisse Prädisposition für ADHS durch die schwierige familiäre Situation: Die Mutter, dominant wirkend und wenig feinfühlig, adipös, starke Raucherin, hat keinen Beruf erlernt und ist ohne Beschäftigung. Das hat ihrer eigenen Schilderung nach damit zu tun, dass sie ähnliche Symptome hatte, wie ihr Sohn. Wenn Martin die schulischen Anforderungen verweigere, gerate sie selbst unter Druck. Sie beklagt selbst ihr impulsives Erziehungsverhalten. Der Vater, Hauptschulabschluss, Schichtarbeiter in der Automobilindustrie, ist eine zurückhaltende, nachgiebige Persönlichkeit, taucht erst im weiteren Verlauf der Diagnostik auf und hat Vorbehalte gegen die Untersuchung. Martin hat eine ältere Schwester, die die Hauptschule ohne größere Schwierigkeiten besucht und eine jüngere Schwester, die den Erzieherinnen im Kindergarten ähnliche Probleme bereitet wie damals Martin. Psychischer Befund Der unmittelbare psychische Befund bestätigt und erweitert die Schilderungen der Mutter: Der Zehnjährige wirkt körperlich altersgemäß entwickelt, ist wenig ängstlich, initial kaum gehemmt, rasch explorierend. Er kann sich aber auf einzelne Spiele kaum einlassen, berichtet im Gespräch offen vom Leidensdruck durch die schulische Situation aber auch durch die Vorwurfshaltung der Mutter. Gelegentlich tauchen Blinzeltics auf. Eine Sprachentwicklungsstörung aus früher Kindheit wurde logopädisch behandelt, es besteht Verdacht auf eine Lese-Rechtschreib-Störung. Die Symptome werden in das sogenannten Multiaxiale Diagnosesystem (MAS) gemäß der International Classification of Diseases (ICD) eingeordnet und abgestuft. Bei Martin ergaben sich eine Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens sowie Anpassungsstörung mit Depression und oppositionellem Verhalten. Vorübergehende Ticstörung. Bindungsstörung (Achse I/klinischpsychiatrisches Syndrom), vor allem eine Lese-RechtschreibStörung (Achse II/umschriebene Entwicklungsstörungen), durchschnittliche Intelligenz (Achse III/Intelligenzniveau), keine körperli18 che Symptomatik (Achse IV/körperliche Symptomatik), abweichende psychosoziale Umstände im Erziehungsverhalten, bei der intrafamiliären Kommunikation (Achse V/assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Zustände) und eine mäßige Beeinträchtigung in den meisten Bereichen wie Schule, Familie, Freizeit, Freunde (Achse VI/globale Beurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus). Häufig gehen mit der ADHS auch Begleiterkrankungen oder -erscheinungen einher, die für sich gesehen ebenfalls nicht krankhaft sein müssen. Ein Wutausbruch bei einem Dreijährigen ist eben altersentsprechend, andererseits sind Regelübertretungen bei einem Siebenjährigen nicht mit Regelübertretungen von einem 17-Jährigen zu vergleichen. Ängste, depressive Störungen, Lernstörungen, Teilleistungsschwächen wie Legasthenie sind relativ häufig. Bis zu einem Drittel der Kinder zeigt eine Ticsymptomatik. Ursachen Heutzutage nimmt man an, dass genetische Faktoren eine erhöhte Bereitschaft bedingen, ADHS zu entwickeln. Die psychosozialen Faktoren sind in den Hintergrund getreten, sind allerdings für die Bewältigung der Störung und damit für den Verlauf der Störung im Einzelfall häufig ausschlaggebend. Zu den biologischen Ursachen zählen auch Schäden am ungeborenen Kind Bayerische Schule 6/7 2010 Die vergessene Variante des Syndroms: Der Träumer durch Alkohol, die häufig ein stark ausgeprägtes ADHS-Bild ergeben. Ebenso kann Nikotinkonsum der schwangeren Mutter das Risiko erhöhen. Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten sind dagegen nicht verifizierbar. Pharmakologische Studien haben zudem ergeben, dass unterschiedliche Ausprägungen der Überträgersubstanzen Dopamin und Serotonin im Gehirn Ursache sein können. Die Wirkung von Substanzen wie Methylphenidat oder Amphetamin hat diese Vermutung nahegelegt, Vererbung ist inzwischen ebenfalls wissenschaftlich nachgewiesen. Kernsymptome des Störungsbildes 1. Hyperaktivität: • Läuft ständig herum und klettert auf Gegenstände • Schwierigkeiten still zu sein, sitzen zu bleiben, zappelt extrem herum • Ist immer in Bewegung, handelt getrieben 2. Unaufmerksamkeit: Therapieformen Um Kindern wie Martin und ihrem Umfeld das Leben zu erleichtern, kann man in zwei Richtungen arbeiten: verhaltenstherapeutisch und medikamentös. Studien in den USA und in Deutschland haben nachgewiesen, dass die Kombination beider Methoden die Verhaltensauffälligkeiten in der Schule besser vermindern als jeweils eine allein. Wer Medikamente einsetzt, greift in der Regel zu der Psychostimulanz Methylphenidat. Es hat die Tendenz, nur kurz zu wirken, und muss mehrmals am Tag eingenommen werden. Seit 2004 sind in Deutschland jedoch auch retardierende Präparate zugelassen, die bis in den Abend hinein wirken. Mittel der zweiten Wahl ist Atomoxetin. Seine Wirkung hält den ganzen Tag an und ist nicht rezeptpflichtig. Bayerische Schule 6/7 2010 • • • • Beendet angefangene Dinge häufig nicht Scheint oft nicht zuzuhören Leicht abgelenkt Konzentrationsschwierigkeiten bei strukturierten Aufgaben • Kann schlecht bei einer Spielaktivität bleiben 3. Impulsivität: • • • • Platzt häufig mit Antworten heraus Kann nicht warten, der Reihe nach dranzukommen Häufiges Stören und unterbrechen anderer Häufiges exzessives Reden ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren. 19 Wenn alle Spaß haben, bleibt er für sich: Der Träumer Verlauf hyperkinetischer Störungen Säuglings- und Kleinkindesalter: a. Unausgeglichen („Schreikinder“) b. Ess- und Schlafprobleme c. Schwierige Temperamentsmerkmale Kindergarten und Vorschulalter: a. b. c. d. e. Motorische Hyperaktivität Erhöhte Unfallgefährdung Mangelnde soziale Integrierbarkeit Aggressives Verhalten Risikofaktoren: Entwicklungsstörungen im motorischen Bereich, der Sprache und der visuellen Wahrnehmung Schulalter: a. b. c. d. e. Problematik im Lern- und Leistungsbereich Schlechte Arbeits- und Handlungsstruktur Klassenwiederholungen Ausschluss vom Unterricht Schulverweise, Schulabbruch Neben den oben genannten Kernsymptomen können sich bei vielen Kindern einzelne der folgenden Begleiterscheinungen zeigen: (in Klammern: Angabe der Häufigkeit) • Oppositionelles, aggressives, dissoziales Verhalten (50 %) • Depressive Störungen (10-40 %) • Angststörungen (20-25 %) • „Tic“-Verhalten (10-25 %) • Lernstörungen, Teilleistungsschwächen, wie LRS/Dyskalkulie (10-25 %) 20 Zur Verhaltenstherapie gehören sowohl Elterntrainings als auch familienzentrierte sowie kindergarten- oder schulzentrierte Interventionen mit Therapieprogrammen für Kinder. Dadurch lassen sich die Verhaltensauffälligkeiten an den jeweiligen Orten zu einem hohen Prozentsatz reduzieren. Beim patientenzentrierten Verfahren baut man etwa durch Spieltraining ein intensives, ausdauerndes Spielverhalten auf. Ein Selbstinstruktionstraining hilft, ein reflektiertes Arbeitsverhalten zu entwickeln. Durch ein Selbstmanagementverfahren vor allem für ältere Kinder und Jugendliche lassen sich eigenständige Verhaltensänderungen vor allem in sozialen und in anderen Kontexten erreichen. Literatur- und Linkhinweise: • E. Aust-Claus et al, Das A.D.S.-Buch, ObersteBrink, Ratingen, 2000 • G. Hüter, Neues vom Zappelphilipp, Walter-Verlag, Düsseldorf 2002 • C. Neuhaus, Das hyperaktive Kind und seine Probleme, Ravensburger, 2008 • Dr. J. Krause, Überleben mit hyperaktiven Kindern, BV-AH, 2002 • Dr. A. Alfred et al, MYADHS.COM, ADHS-Zentrum München GmbH (AZM), 2010 • www.ads-hyperaktivitaet.de • www.hyperkids.at • www.adhs.de • www.info-adhs.de * Der Autor ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und ist seit 1992 Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Regensburg. Der Text ist im Praxis-Heft ,P’ wie psychische Probleme im Kindes- und Jugendalter – Auffälligkeiten in der Schule erkennen und verstehen“ im Dominoverlag erschienen (Januar 2010) und wurde für diese Ausgabe der Bayerischen Schule redaktionell bearbeitet. Bayerische Schule 6/7 2010 Thema_Diagnstik Wenn der Arbeitsspeicher abstürzt So motivieren Sie Eltern eines ADHS-Kindes, einen Facharzt aufzusuchen Haben Sie den Verdacht, dass eines der Kinder aus Ihrer Klasse an ADHS leidet? Dann sollten Sie den Eltern dringend eine diagnostische Abklärung bei einem Kinderarzt, besser einem Kinderund Jugendpsychiater, anraten. Selbst eine Diagnose zu stellen, verbietet sich: Als Lehrer kann man lediglich eigene Beobachtungen schildern und die Eltern motivieren, eine fachärztliche Diagnose einzuholen. Dazu allerdings ist es durchaus nötig, die diagnostischen Kriterien für ADHS zu kennen und den Eltern im Gespräch vermitteln zu können. ADHS liegt mit großer Wahrscheinlichkeit vor, wenn ... … das Kind Symptome zeigt, die dem altersgemäßen Entwicklungsstand in keiner Weise entsprechen … die Symptome länger als sechs Monate lang aufgetreten sind … die Störung überwiegend schon vor dem 7. Lebensjahr aufgetreten ist … die Beeinträchtigungen in mindestens zwei Lebensbereichen zu beobachten sind … deutliche Hinweise auf Beeinträchtigungen im sozialen, schulischen und familiären Umfeld vorliegen. Fachärzte diagnostizieren dann eingehend mittels medizinischpsychologischer Untersuchung (EEG, IQ-Testung, Konzentra- tionstest), Entwicklungsdiagnostik (Lern- und Teilleistungsstörungen), Überprüfung der Motorik (Feinmotorik), Befragung der Eltern, Lehrer (zum Beispiel Conners-Skala), Betrachtung von Zeugnissen, Schulheften, Familienanamnese. Um die Eltern zu einer solchen, doch recht aufwändigen fachärztlichen Diagnose zu motivieren, kann man als Lehrkraft auch die Ursachen einer ADHS erklären. Unter den zahlreichen Modellen ist das für diesen Zweck am besten geeignete wohl das Ursachenmodell von E. Aust-Claus. In der Elternberatung ist dieses Modell leicht anzuwenden und mit konkreten Beobachtungen zu belegen. Der Absturz des Arbeitsspeichers ist den Eltern bestimmt selbst öfter bei ihrem Kind aufgefallen. Die betroffenen Kinder wiederum denken meist, sie seien dumm. Schließlich ist ihr Handeln nicht eindeutig und zielgerichtet, sondern impulsiv und unkontrolliert auf mehreren Ebenen. Wenn man die Dinge nun beim Namen nennt, sehen Eltern eher ein, dass ihrem Kind geholfen werden kann. Sie sind dann nicht mehr so sehr von Schuldgefühlen oder Ärger geplagt, sondern können eine mögliche objektive Tatsache wie fehlerhafte Informationsverarbeitung als Grund allen Übels erkennen. Der Facharzt wiederum kann dann per Ausschlussdiagnostik feststellen, ob wirklich die beschriebene Störung der Informationsverarbeitung vorliegt, oder ob doch andere Basisstörungen für die Verhaltensauffälligkeiten verantwortlich sind. sf Informationsverarbeitung bei ADHS-Kindern Reiz InformationsReiz-/Informationsaufnahme Reizverarbeitung/ Handlungsvorbereitung Selektion: funktioniert nic nicht so gut Scharfstellen harfstellen funktioniert nur begrenzt Arbeitsspeic her kkann ann überlastet werden und abstür zen Arbeitsspeicher abstürzen Fac habteilungen verstehen die Fachabteilungen Nac hricht nic ht immer genau Nachricht nicht Reaktion Bayerische Schule 6/7 2010 Erinnerung kkann ann nic ht immer nicht ric htig aktiviert werden richtig Impulsive Handlungen ADHS-Kinder sind nicht in der Lage, „scharf zu stellen“, sie nehmen über alle fünf Sinne gleichzeitig Informationen auf. So ist der Arbeitsspeicher im Gehirn mit der Reizverarbeitung überlastet und stürzt ständig ab. Die Kinder können dann nicht mehr abrufen, was sie schon mal gewusst haben. Die Fachabteilungen sind eben nicht entsprechend aktiviert und Informationen können nicht klar eingeordnet werden. Die Erinnerung funktioniert nicht, Muster werden nicht erkannt. Grafik: Simone Fleischmann 21 Thema_Hilfestellung Was ADHS-Kindern im Unterricht hilft Auf Kinder mit einer diagnostizierten ADHS muss man individuell eingehen. Allgemein gilt, dass ADHS-Kinder eine starke Strukturierung und eindeutige Regeln benötigen – insbesondere im Unterricht. Den meisten ADHS-Kindern helfen folgende Maßnahmen: • Eine starke Gliederung der Anforderungen: umschriebene Aufgabenstellungen, die sowohl zeitlich, als auch inhaltlich überschaubar und somit erreichbar sind. Zum Beispiel Teilziele, die der individuellen Aufmerksamkeits- und Leistungsspanne des Kindes entsprechen. • Das Kind allein in die erste Reihe setzen. Man sollte allerdings gut auf sich selbst als Lehrer achten: Nicht jeder kann ein ADHS-Kind jeden Tag durch alle Stunden hindurch immer direkt vor sich ertragen. • Zwischen auditivem und visuellem Schwerpunkt der Unterrichtsgestaltung wechseln. So kann die Aufmerksamkeitsspanne erweitert werden. • Methodenvielfalt. So können die Kinder Freiräume erfahren. Auch bei Offenen Unterrichtsmethoden wie Freiarbeit, Wochenplanarbeit, Stationentraining, Marktplatz, Plakatarbeit müssen klare Regeln („Autobahnen“) vorgegeben sein. • Das Klassenzimmer reizarm machen. Natürlich müssen sich auch die übrigen Kinder wohl fühlen, es gilt, einen Mittelweg zu finden. • Zeichen mit den Kindern vereinbaren, die sie wieder zurückholen aus der Phase der Träumerei oder Zappeligkeit: Daumen nach oben, Antippen, eine Murmel an den Platz legen ... • Ein individuelles Token-System zur Verstärkung erwünschter Wieder typisch! Das Zappelkind als ewiger Außenseiter • • • • • • Verhaltensweisen einführen. Die zu erreichenden Ziele müssen kleinschrittig und somit erreichbar sein. Eine Zusammenarbeit mit den Eltern im Bereich der Verstärkersysteme ist hilfreich. Die vielen positiven Eigenschaften der ADHS-Kinder anerkennen. Ihre Offenheit, ihre Zähigkeit, den Gerechtigkeitssinn oder ihre Schaffenskraft. Betroffene Kinder für besondere Dienste einsetzen. Büro-, Tafel- oder Botendienst. Entspannungs- und Bewegungsphasen in den Unterricht integrieren. Aber Achtung: Nicht jedes ADHS-Kind kann Entspannungsübungen annehmen. Deswegen mit dem Therapeuten engen Kontakt pflegen, um zu erfahren, was beim einzelnen Kind wirkt. Das Überschreiten von Grenzen sofort und konsequent sanktionieren. Auch Auszeiten helfen diesen Kindern mehr, als aufgeregtes Schimpfen. Rituale in den Unterricht einführen. So weiß das Kind , was es jeden Tag erwartet. Gerade in Vertretungssituationen haben es ADHS-Kinder schwer. Dem ADHS-Kind in persönlichen Gesprächen immer wieder signalisieren, dass der Lehrer es verstehen und annehmen kann, dass er um seine Schwierigkeiten weiß und sie akzeptiert. Grundsätzlich gilt: ADHS-Kinder wollen angenommen und zum Durchhalten motiviert werden. Sie brauchen unsere Hilfe, wir müssen sie stärken. Sie haben, wie das Kürzel sagt, ein Defizit an Aufmerksamkeit. Was sie vor allem brauchen, ist: Aufmerksamkeit. sf Thema_Interview Simone Fleischmann (r.) und Chris Bleher (l.) im Gespräch mit Dr. med. Adam Alfred und Dr. med. Johanna Krause „Ein Lehrer kann nicht immer alles im Griff haben“ Gespräch mit ADHS-Experten über Psychopharmaka, Vererbbarkeit der Krankheit und geeigneten Unterricht Angesichts sprunghaft gestiegener Zahlen von ADHS-Diagnosen könnte man annehmen, es handele sich um eine Modekrankheit. Die Fachärzte Adam Alfred und Johanna Krause indes machen im Gespräch mit dem BLLV klar, dass es sich tatsächlich um eine Jahrhunderte alte Symptomatik handelt – die durchaus genau diagnostiziert und in gewissem Maß behandelt werden kann. In welcher Form, darüber differieren die Meinungen der beiden Experten. Bayerische Schule 6/7 2010 23 Thema_Interview „Eine Medikation steht am Ende der Skala von Maßnahmen.“ Dr. med. Adam Alfred ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Facharzt für Kinderheilkunde sowie Arzt für Homöopathie. Er steht dem Einsatz von Psychopharmaka zurückhaltend gegenüber. Zum Thema: „MYADHS.COM“ Bayerische Schule: Bis zu acht Prozent der Schulkinder leiden nach Studienlage an der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Bei einer derart großen Menge könnte man skeptisch werden, ob die Diagnose denn immer wirklich trifft. Krause: Man kann sehr wohl eine klare Diagnose stellen. Es ist ja nachzuweisen, dass beispielsweise der Dopaminstoffwechsel im Gehirn betroffen ist. Das ist ein Grund, warum bei jemandem der hyperaktiv ist, die gleiche Therapie hilft, wie bei jemandem, der hypoaktiv ist, also nicht motorisch unruhig, sondern nur aufmerksamkeitsgestört. BS: Die Krankheit lässt sich nur durch die Medikation als solche diagnostizieren? Krause: Wir machen nicht die Diagnose mit der Medikation. Bei Dreiviertel der Betroffenen ist die Aktivität der Dopamin-Transporter im Gehirn erhöht, bei denen wirkt MPH, also der Wirkstoff Methylphenidat, als hemmende Substanz. Die anderen haben einen anderen Defekt, sie kommen auch mit dieser Medikation meist nicht zurecht. Aber das heißt nicht, dass sie nicht ADHS haben. ADHS ist wie ein riesiger Korb mit Puzzle-Teilen: Wer diagnostiziert, muss dessen Inhalt kennen, um das jeweilige Bild zusammenzufügen. Jeder Mensch hat seine eigene ADHS mit sehr unterschiedlichen Symptomen. Alfred: Puzzle ist das richtige Stichwort. Wir sammeln einzelne Teile, die das Gesamtbild ergeben: Wir haben keine Beweise, es gibt keinen klaren Laborbefund wie etwa bei Diabetes. Man kann aber einen Indizienprozess führen und am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, ob jemand ADHS hat. Dazu informiere ich mich bei den Eltern über die Lebensgewohnheiten des Kindes, ich gebe einen Fragebogen an die Lehrer. Zum Spektrum der Indizienforschung gehört psychologische Diagnostik ebenso wie Videoaufnahmen. BS: Wie halten Sie es mit der Medikation, Herr Alfred? Alfred: Bei jedem Patienten, der wegen ADHS ein Medikament bekommen soll, machen wir eine komplette Labordiagnostik, um auch Nebenwirkungen auszuschließen. Eine Medikation durch Methylphenidat steht aber erst am Ende der Skala von möglichen Maßnahmen. BS: Die Gmünder Ersatzkasse hat festgestellt, dass sich die Menge der Methylphenidat-Verordnungen in den Jahren zwischen 1996 und 2007 verzehnfacht hat. Gibt es auf einmal so viel mehr 24 ADHS-Fälle, oder greift man nicht doch vorschnell zum Psychopharmakon? Krause: Es ist ein Prozess der Bewusstwerdung. Anfang der 90er hat kein Mensch über diese Diagnose geredet. Als die Brille erfunden wurde, haben nur wenige Menschen eine Brille tragen können, sie war ja sehr teuer. Heute lässt jeder seine Sehstärke korrigieren, entsprechend viele Brillenträger gibt es. Es gibt aber auch regional extreme Unterschiede. BS: Apropos Regionen: Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts weist nach, dass Kinder aus armen Haushalten doppelt so häufig von ADHS betroffen sind wie Kinder aus der Oberschicht. Hat das Kind aus dem Brennpunktviertel ein größeres Risiko, als ADHS-Kind eingestuft zu werden als das aus der Villengegend? Krause: Die Bildungsmöglichkeiten der Eltern spielen sicher eine Rolle. Diejenigen, die an ADHS leiden, sind in der Regel nicht so gebildet, wie es ihrem Intellekt entspricht. Sie haben niedrigere Abschlüsse und neigen zur Selbstmedikation, konsumieren also verstärkt Suchtmittel wie Nikotin, Alkohol und andere Substanzen, um ihren Dopaminhaushalt in Ordnung zu bringen. Aber auch die Genetik spielt eine Rolle. BS: Die Eltern von ADHS-Kindern sind selbst von ADHS betroffen? Krause: Die Bundeskassenärztliche Vereinigung gibt ein Programm zur diagnostischen Behandlung im Kindesalter heraus, darin werden dummerweise Eltern nie als Betroffene angesprochen – dabei ist es häufig so, dass sie es ihren Kindern weitergegeben haben. BS: Die rasante Zunahme ist damit noch nicht wirklich erklärt. Krause: Es hat schon zu Struwwelpeters Zeiten viele ADHSKinder gegeben, den Autor Hoffmann eingeschlossen, wie man aus seiner Biographie weiß. Nur ist man mit denen anders umgegangen als man es heute tut. Eine Familie hatte in der Regel viele Kinder, und wenn eines irgendwie anders war, nahm man das nicht so wichtig. Heute ist man fokussiert auf das eine Kind, von dem man unheimlich viel erwartet. In den vergangenen 50 Jahren hat sich aber auch das Erziehungsverhalten drastisch gewandelt, viele Kinder finden keinen Halt mehr. Und sie geraten unheimlich unter Druck, schon in der dritten Klasse. Bayerische Schule 6/7 2010 Thema_Interview „Wenn ein Kind eine Medikation braucht, dann braucht es eben eine.“ Dr. med. Johanna Krause ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologin und Psychoanalytikerin. Sie versucht, die Akzeptanz gegenüber dem Wirkstoff Methylphenidat (MPH) zu erhöhen. Zum Thema: „Überleben mit hyperaktiven Kindern“ und „ADHS im Erwachsenenalter“. BS: Der Münchner Psychologe Johannes Streif bietet für diese ADHS-Kinder im Altmühltal das so genannte Jägerlager an – für 950 Euro pro Woche. Alfred: Es ist ärgerlich, dass die gesetzlichen Krankenkassen kein Problem mit der Medikamentenverordnung haben, aber nicht in der Lage sind, sinnvolle Dinge wie solche Lager oder Elterntrainings zu finanzieren. Wer Geld hat, kann bestimmte Probleme einfach besser kompensieren. Krause: Das Lager wird auch von der Jugendhilfe unterstützt, es sind immer auch Kinder aus ärmeren Verhältnissen dabei. Ein Lager des Neurobiologen Gerald Hüther allerdings kostet sogar über 2000 Euro. Es steht unter dem Motto: Wir zeigen euch, wie es auch ohne Medikamente geht. BS: Dieses Motto gefällt Ihnen offensichtlich nicht, Frau Krause? Krause: Absolut nicht. Wer eine Medikation braucht, braucht eben eine. Es ist nun mal eine Stoffwechselerkrankung. Alfred: Bei schwerem ADHS wird man auch mit so einem Trainingslager nicht zurecht kommen und ein Medikament brauchen, aber das gilt ja nicht für die Gesamtheit der ADHS-Patienten. Krause: Es geht auch nicht darum, eine Therapieform gegen eine andere auszuspielen. BS: Der Trend jedenfalls geht zur verstärkten Verordnung von Medikamenten. Und jeder Arzt kann doch Mittel wie Ritalin verordnen. An einer bestimmten Schule war es der Zahnarzt. Alfred: Von so etwas habe ich noch nie gehört. Krause: Jeder approbierte Arzt kann es verordnen, ja. Allerdings unterliegt MPH als amphetaminähnlicher Wirkstoff seit 1971 dem Betäubungsmittelgesetz. Wer es verschreiben will, muss sich an die Bundesopiumstelle in Bonn wenden. Es kann jederzeit nachvollzogen werden, wer wieviel verordnet hat. BS: Es gibt auch eine Menge nicht-medikamentöser Therapien wie Moto- und Ergotherapie über spezielle ADHS-Diät bis zur Homöopathie. Gute Alternativen? Alfred: Egal was man selbst für gut hält, man kann keine Therapie gegen die Eltern durchführen. Die bleiben sonst einfach weg. Wenn jemand etwa Globuli will, dann sage ich: „Das finde ich auch gut, aber wenn sich auch nach drei Monaten nichts geändert hat, sollten Sie lieber aufhören damit.“ Elternworkshops, Medikamente, das ist erprobt. Bayerische Schule 6/7 2010 Krause: Wenn Diät wirklich zielführend wäre, dann würde ich mich darauf spezialisieren und wäre reich. Alfred: Direkt bewirkt eine Diät sicher nichts, aber indirekt: Sie führt zu einer Strukturierung des Tagesablaufs. Das wiederum hilft. BS: Zurück zum Unterricht: Welche Rolle spielen die Lehrer in der Problematik? Alfred: Noch vor einigen Jahren waren Lehrer einfach nicht aufgeklärt genug. Heute sind leider noch immer nicht alle gleich interessiert. Krause: Wenn eine Lehrkraft davon ausgeht, dass ein Kind es darauf angelegt hat, den Unterricht zu zerstören, dann wird sie mit dem Kind nicht zurecht kommen. Man müsste in einer Supervision vermitteln, dass die Kinder zunächst mal sicher willig sind. BS: Supervision – das heißt denn doch, besser sich an die eigene Nase greifen als in die Tabletten-Packung? Alfred: Wünschenswert wäre das. Die psychologisch-pädagogischen Maßnahmen reichen in vielen Fällen. Außer eben in ein paar schwerwiegenden. Krause: Natürlich ist in jedem Fall eine liebevolle, wohlwollende und vor allem konsequente Haltung wichtig. BS: Viele Kolleginnen und Kollegen gehen liebevoll und wohlwollend mit dem ADHS-Kind in ihrer Klasse um, und doch hört man immer wieder mal einen sagen: Ich könnte die oder den an die Wand klatschen. Krause: Nur keine Schuldgefühle entwickeln! Man muss wissen, dass man auch mal an seine Grenze kommen darf, dass man nicht immer alles jeden Tag voll im Griff haben kann. BS: Was wäre der ideale Lehrer, die ideale Lehrerin in Bezug auf ein ADHS-Kind? Krause: Er oder sie muss Ruhe haben und Humor. Wer den nicht hat, ist verloren. Man muss das Kind ernst nehmen, sich auf seine Eigenheiten einlassen, im persönlichen Kontakt vereinbaren, was man von ihm erwartet. Alfred: Der ideale Lehrer, die ideale Lehrerin ist experimentierfreudig. Wenn man merkt, die bisher angewandten Methoden reichen nicht, sollte man auch mal was lesen, zum Beispiel ein Buch des Schulpsychologen Dieter Krowatschek. Der hat gute Ratgeber gerade für Lehrer geschrieben. 25 Thema_Leitartikel Allein mit dem Zappelphilipp Von Simone Fleischmann* und Auffälligkeiten, die etwa auf eine ADHS hindeuten, zunächst die Eltern informieren und vor allem motivieren, sich eine fachärztliche Diagnose einzuholen. Dazu gehört sicherlich auch ein Stück Mut. Eltern nehmen es in der Regel nicht gelassen hin, wenn man ihnen erklärt, dass das Kind wahrscheinlich psychisch krank ist und womöglich einer langwierigen und unter Umständen teuren Therapie bedarf. Damit wir zu einem derart schweren Schritt raten können, müssen wir Lehrer mögliche Symptome erkennen, uns dem Krankheitsbild offen nähern und ADHS nicht als einen „Modehype“ abtun. Nur wenn wir die Symptome der Krankheit genau erfassen, sind wir imstande, den Eltern und damit den Kindern kompetent beratend zur Seite zu stehen. Bildungspolitische Forderungen D ie Zahl der Kinder mit psychischen Auffälligkeiten nimmt immer mehr zu. Nach den Ergebnissen des Kinder- und Jugendsurveys, der von der Bundesregierung beauftragt wurde, liegen bei rund 22 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und siebzehn Jahren in Deutschland psychische Auffälligkeiten vor. Weniger als die Hälfte dieser Kinder sind in angemessener fachlicher Behandlung. All diese Kinder und Jugendlichen sind auch Schülerinnen und Schüler und erleben ihre Erkrankung damit im Schulalltag und zeigen diese in vielfältiger Art und Weise. All diese Kinder sitzen in Schulklassen mit meist über 20 Kindern – und nur einem Lehrer, der sich manchmal der Symptomatik regelrecht ausgeliefert sieht. Manche neigen dazu, sich über die Auffälligkeiten der Schüler zu ärgern. Sie versuchen die Auffälligkeiten mit den verschiedensten Sanktionen in den Griff zu kriegen und resignieren am Ende doch. Zwangsläufig: In zahlreichen Fällen handelt es sich schließlich um eine pathologische Symptomatik. Andere Lehrkräfte erkennen, dass es sich um eine Erkrankung handelt diagnostizieren selbst – und belassen es dabei. Richtig wäre, sich der eigenen Rolle als Lehrkräfte bewusst zu werden, und sich professionell zu verhalten. Das bedeutet: Zunächst mal sorgfältig beobachten, statt aus dem Bauch heraus zu diagnostizieren oder gar zu sanktionieren. Bei Problemen 26 Viele fragen sich dennoch: Wie können wir als Lehrer diesen Kindern vermitteln, dass auch sie es schaffen, wenn in der 3. und 4. Klasse der Leistungsdruck so steigt, dass gerade die von ADHS Betroffenen immer unerträglicher werden? Wie kann ein Lehrer, der drei oder gar mehr schwierige Kinder in der Klasse hat, individuell und effektiv reagieren, wenn er seine Klasse immer alleine unterrichtet und alle Kraft aufbringen muss, den Zappelphilipp im Zaum zu halten, der mitunter seinerseits im Alleingang eine ganze Klasse aufmischen kann? Das bayerische Schulsystem ist nicht darauf angelegt psychisch auffällige Kinder im Sinne der Inklusion in Regelklassen nachhaltig zu fördern. Der BLLV fordert daher eine deutlich verbesserte Schüler-Lehrer-Relation an allen Schularten, um Kinder individueller zu betreuen. Zudem benötigen wir deutlich mehr Experten, wie Schulpsychologen, Heilpädagogen, Therapeuten, Ergotherapeuten, Schulsozialarbeiter in den Klassen, um schneller und flexibler auf Auffälligkeiten von Kindern reagieren zu können. Vor allem aber benötigen wir Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass Kinder ohne Druck ihre Potentiale entfalten können, zum Beispiel durch eine längere gemeinsame Schulzeit, die Entwicklungschancen für alle Kinder eröffnet und einen Lernbegriff leben lässt, der die Individualität in den Mittelpunkt stellt. *Simone Fleischmann, Leiterin der Abteilung Berufswissenschaft im BLLV Bayerische Schule 6/7 2010 Service_Recht Wenn Lehrkräfte Krankenschwester spielen sollen Immer wieder fordern Erziehungsberechtigte Lehrkräfte auf oder bitten darum, ihrem Kind in der Schule Medikamente oder Spritzen zu verabreichen. Darauf müssen und sollten Sie sich nur unter klar definierten Voraussetzungen einlassen. Eine Lehrkraft sollte nur dann einem Schüler oder einer Schülerin Medikamente verabreichen, wenn er oder sie nicht dazu in der Lage ist oder kein Pflegepersonal zur Verfügung steht. Das wird häufiger an Förder- und Grundschulen der Fall sein, und dort wiederum nur bei chronisch erkrankten Kindern oder in Notfallsituationen. Dann allerdings wird die Hilfeleistung zur Pflicht, wie in zwei einschlägigen Kultusministeriellen Schreiben festgelegt ist: „Soweit die Verabreichung von Medikamenten oder die Überwachung der Medikamenteneinnahme durch den Schüler seitens der Lehrkraft notwendig und zumutbar ist, handelt es sich um eine schulische Aufgabe und damit Dienstpflicht der Lehrkraft.“ Checkliste Notfälle In Notsituationen, etwa einem Krampfanfall, ist die Lehrkraft verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten. Jede Lehrkraft sollte daher einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert haben. Im Rahmen von SchiLF wären bestimmte Maßnahmen durch das Rote Kreuz oder andere Institutionen aufzufrischen. In einer Notfallsituation sind nach den ersten Maßnahmen, etwa den Betroffenen in die stabile Seitenlage zu bringen, unverzüglich der Notarzt und die Eltern zu benachrichtigen. Bis zum Eintreffen des Notarztes oder der Eltern hat die Lehrkraft jedoch alles ihr Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, um eine akut bestehende, lebensbedrohliche Gefahr abzuwenden. Keine medizinischen Maßnahmen ergreifen Die Schule hat für die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler eine Fürsorgepflicht. Diese hat jedoch Grenzen: Lehrkräfte sind eben keine ausgebildeten Mediziner. Von daher ist es ihnen grundsätzlich untersagt, medizinische Maßnahmen zu ergreifen. Selbst das Entfernen einer Zecke sollte ein Arzt ausführen. Um sich als Lehrkraft abzusichern, sind unbedingt folgende Punkte einzuhalten: • Der Schule muss eine schriftliche Einverständniserklärung mit genauen Anweisungen der Erziehungsberechtigten vorliegen. • Die Schule sollte vom behandelnden Arzt präzise Handlungsanweisungen hinsichtlich Verabreichung, Medikamentenbezeichnung und Dosierung schriftlich einfordern. Hans-Peter Etter • Die Lehrkraft sollte sich von den Erziehungsberechtigten Verbandspolitischer Leiter der Rechtsabteilung im BLLV schriftlich einen Haftungsausschluss (Haftungsfreistellung) geben lassen, um zivilrechtliche Folge einer falschen Anwendung zu vermeiden. Pille des Anstoßes • Unterschiedliche Dosierungen, die vom akuten Gesundheitszustand des Kindes abhängig sind, können von der Schule nicht verlangt werden. • Die Schulleitung muss organisieren, dass bei Abwesenheit der zuständigen Lehrkraft eine Notversorgung durch die Schulleitung oder eine andere Lehrkraft sicher gestellt ist. • Es kann nicht verlangt werden, dass eine Lehrkraft Spritzen verabreicht. Lagerung von Medikamenten in der Schule Die Lagerung von Medikamenten hat so zu erfolgen, dass andere Personen, insbesondere Schülerinnen und Schüler, keinen Zugang dazu haben. Schullandheimaufenthalt Bei einem Schullandheimaufenthalt sollte man vorher mit den Erziehungsberechtigten Kontakt aufnehmen und abklären, inwieweit medizinisch notwendige Maßnahmen zu ergreifen sind. In besonderen Fällen sollte die Schule darauf bestehen, dass ein Erziehungsberechtigter oder eine Pflegeperson das Kind begleitet, die auch für das Verabreichen der Medikamente verantwortlich ist. Bayerische Schule 6/7 2010 Schlichten oder nicht schlichten? Lehrkräfte landen schnell vor Gericht, wenn sie selbst Gewalt anwenden Lehrerin greift körperlich ein – Klage abgewiesen An einer Schulbushaltestelle auf dem Schulgelände eines Förderzentrums kam es zu folgendem Vorfall: Ein zehnjähriger Schüler war „außer Rand und Band“, wie die Lehrerin schilderte. Er bespritzte seine Mitschülerinnen und Mitschüler mit Dreck, er stieß einige Mitschüler in eine Hecke und er versuchte immer wieder, aus der Sicherheitszone herauszurennen. Die Lehrerin wusste sich nicht anders zu helfen, packte den Schüler fest am Arm und zog ihn zurück ins Bushäuschen. Die Lehrkraft wollte einfach die Mitschüler und den Schüler vor Gefahren schützen. Es ist davon auszugehen, dass die Pädagogin den Schüler sehr kräftig am Arm gepackt hat, denn ein Arzt hat im Auftrag der Eltern ein kleines Hämatom und eine längliche Rötung attestiert. Der Richter befand diese Verletzungen als „geringfügig“ und wies die Schmerzensgeldansprüche der Eltern zurück. Die Handlung der Lehrkraft sei nicht rechtswidrig gewesen. In der Urteilsbegründung führte der Richter aus, dass der Schüler absichtlich andere Kinder bespritzt habe. Von daher sei die Lehrkraft verpflichtet gewesen, im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht das Eigentum der anderen Schülerinnen und Schüler zu 28 schützen. Im Rahmen der Fürsorge- und Verkehrssicherungspflicht habe eine Lehrkraft Schaden von den ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler abzuwenden. Hierzu kann „auch das Recht und die Pflicht zu einem angemessenen körperlichen Eingreifen gehören.“ Der Richter betonte ausdrücklich, dass aber selbstverständlich „kein körperliches Züchtigungsrecht bestehe“. Aus Sicht des Zivilrichters sei die Lehrerin berechtigt gewesen, den Jungen am Oberarm zu packen und ihn in das Bushäuschen zu ziehen. Der Zehnjährige sei für Belehrungen und Ermahnungen nicht empfänglich gewesen. Eine zusätzliche Gefährdung habe durch den Umstand bestanden, dass jeder Zeit der Schulbus hätte kommen können. Die Maßnahme der Lehrerin war „angemessen und verhältnismäßig“, die ungewollt geringfügige Verletzung habe der Kläger (Schüler) hinzunehmen. Grundsätzlich dürfen Lehrkräfte nur in ganz besonderen Fällen körperlich eingreifen, insbesondere wenn eine Notwehroder Notstandssituation vorliegt. Dies ist vor allem der Fall bei rechtswidrigen Angriffen oder bei sonstigen Gefahren für Leben, Leib, Freiheit, Eigentum. hpe Bayerische Schule 6/7 2010 Service_Dienstrecht Dienstunfall Zecke Wird ein Lehrer in Ausübung seines Dienstes von einer Zecke gebissen und infiziert sich mit Borreliose, wird dies als Dienstunfall anerkannt – sofern Tag und Ort des Zeckenbisses festgestellt werden können. Ein Zeckenbiss und die darauf zurückzuführende Borreliose-Infektion können ausnahmsweise als Dienstunfall anerkannt werden. Voraussetzung ist, dass Tag und Ort des Zeckenbisses hinreichend genau festgestellt werden können. Außerdem muss der Beamte in Ausübung seines Dienstes infiziert worden sein. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden (BVerwG Az. 2 C 81.08). Die Klägerin, eine Lehrerin, begleitete Grundschüler bei einer mehrtägigen Schulveranstaltung auf einen Bauernhof. Auch während der Pausen, in denen sich die Kinder in der bewaldeten Umgebung des Hofes aufhielten, hatte die Klägerin die Schüler zu beaufsichtigen und zu betreuen. Während einer solchen Pausenaufsicht wurde sie von einer Zecke gebissen. Einige Monate später wurde eine auf einen Zeckenbiss zurückzuführende Borreliose-Infektion festgestellt, die Klägerin musste für einige Tage lang in einem Krankenhaus behandelt werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Anerkennung des Zeckenbisses und der daraus resultierenden Erkrankung als Dienstunfall stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage dagegen mit der Begründung abgewiesen, mit dem Zeckenbiss habe sich lediglich ein allgemeines Risiko verwirklicht, dem der spezifische Zusammenhang zum Dienst der Klägerin als Lehrerin fehle. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen seien das Datum und der Ort des Zeckenbisses hinreichend bestimmt. Damit seien die Anforderungen der gesetzlichen Regelung erfüllt, die sicherstellen sollen, dass über die Zurechnung eines Ereignisses zum dienstlichen oder persönlichen Bereich eines Beamten eindeutig entschieden werden könne. Zwar habe sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Bisses in der bewaldeten Umgebung des Bauernhofes aufgehalten. Diesem Umstand komme jedoch keine Bedeutung zu. Denn die Klägerin habe die Schulkinder auch während der Unterrichtspausen betreuen müssen. Damit habe sie sich aus dienstlichen Gründen im natürlichen Lebensraum von Zecken aufgehalten. ds Selbst richtiges Werkzeug hilft nicht immer, Prozesse zu vermeiden Bayerische Schule 6/7 2010 29 Service_Dienstrecht Laufbahngruppen: Fortschrittliches Bayern Ein Blick über die Landesgrenzen kann aufschlussreich sein. Soweit ersichtlich, ist in der Dienstrechtsgesetzgebung lediglich der Bund weiter als der bayerische Gesetzgeber, ohne jedoch viel „Reformerisches“ zu bieten. Manche Länder fangen mit ihren Dienstrechtsreformen erst jetzt an. Andere sind in unterschiedlichen Stadien unterwegs. Wenn man eines der Kernstücke der bisherigen Reformbemühungen herausgreift, nämlich die Neugestaltung des Laufbahnrechts, insbesondere die Neuordnung der Laufbahngruppen, dann ergibt sich ein wenig einheitliches Bild. Der Bund und einige wenige Länder halten – wenigstens zunächst – an den traditionellen vier Laufbahngruppen einfacher, mittlerer, gehobener und höherer Dienst fest. Drei Länder wollen auf eine eigene Laufbahngruppe des einfachen Dienstes verzichten, also auf drei Laufbahngruppen gehen. Dazu gehören unsere Nachbarn Baden-Württemberg und Hessen. Die Nordlichter, zusammengeschlossen in der Arbeitsgemeinschaft norddeutscher Küstenländer, haben sich auf zwei Laufbahngruppen verständigt. Es gibt eine Laufbahngruppe 2 (Hochschulabschluss oder gleichwertiger Bildungsstand) und eine Laufbahngruppe 1, in der sich alle anderen Beamten wiederfinden. Diesem Modell haben sich noch einige andere Länder angeschlossen. Dem bayerischen Modell einer einzigen Laufbahngruppe mit unterschiedlichen Einstiegsebenen ist bislang nur ein Land, nämlich Rheinland-Pfalz, gefolgt. An dieser Minderheitensituation kann sich allerdings noch einiges ändern, weil der Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Es mag Außenstehende überraschen, dass ausgerechnet die bayerische Politik, der man In Bayern geht es in Sachen Laufbahn gut voran im Allgemeinen ausgeprägte Fortschrittsgläubigkeit nicht nachsagen kann, sich mit dieser reformorientierten Lösung an die Spitze gesetzt hat. Allerdings muss sich erst beweisen, dass hier wirklich Neuland betreten wird. Prägend für die Laufbahngruppen ist ja insbesondere, dass sie Schwellen für den Aufstieg setzen. Dass diese künftig deutlich niedriger sein müssen, versteht sich von selbst. Nach dem bayerischen Neuen Dienstrecht gibt es neben dem regulären Prüfungsaufstieg nur die sogenannte modulare Qualifizierung. Wie diese am Ende aussehen wird, wissen wir noch nicht. Die nähere Ausgestaltung legt das Gesetz in die Hände der Ressorts und des Landespersonalausschusses. Das ist sehr sinnvoll. Der Bayerische Beamtenbund (BBB) wird sich mit Nachdruck für eine Gestaltung des neuen Aufstiegs einsetzen, die leistungsstarken Beamtinnen und Beamten den Weg nach „oben“ eröffnet. Es ist unter allen Umständen zu vermeiden, dass dem neuen Recht mit seinen vier Qualifikationsebenen nachgesagt werden könnte, es sei nichts anderes, als alter Wein in neuen Schläuchen. Eine Interessenabwägung ist in der Aufstiegsfrage immer geboten. Es geht stets auch um die berechtigten Anliegen derer, die sich einer entsprechenden Vorbildung für den Einstieg in eine höhere Qualifikationsebene unterzogen haben. Auf der anderen Seite würde das Neue Dienstrecht seine Zielsetzung einer verstärkten Leistungsorientierung verfehlen, wenn in Sachen Aufstieg alles beim Alten bliebe. Die Verbesserung der Fortkommensmöglichkeiten ist als leistungsförderndes Moment unverzichtbar. BBB/ds Service_Dienstrecht Beendigung des Beamtenverhältnisses bei Missbrauch Sexueller Missbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) durch einen Beamten ist ein besonders schweres Dienstvergehen, das in der Regel die disziplinare Höchstmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst beziehungsweise Aberkennung des Ruhegehalts) rechtfertigt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Fall eines Justizvollzugsbeamten entschieden. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes verletzt in besonders schwerem Maße dessen Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht. Ein sexueller Missbrauch greift in den Reifeprozess des Kindes ein und gefährdet die Entwicklung seiner Persönlichkeit, da ein Kind wegen seiner fehlenden Reife das Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig nicht oder nur sehr schwer verarbeiten kann. Demgegenüber benutzt der Täter sein Opfer als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. Angesichts dessen kann auch ein außerhalb des Dienstes begangener sexueller Missbrauch eines Kindes durch einen Beamten das Vertrauen in die Integrität des Beamtentums unzumutbar belasten. Für die Disziplinarmaßnahme im Einzelfall müssen die gesetzlichen Bemessungskriterien mit dem ihnen konkret zukommenden Gewicht ermittelt und gewürdigt werden. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. ds BVerwG 2 C 83.08 – Urteil vom 25. März 2010 Sexueller Missbrauch verletzt Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht des Kindes Neues Dienstrecht Vor Kurzem wurde das Neue Dienstrecht im mitberatenden Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit behandelt. Über alle Fraktionen hinweg wurde der Gesetzentwurf grundsätzlich begrüßt. Dem Ausschuss lagen auch neue Änderungsanträge der Fraktionen vor. Für die Beförderungsämter der Fachlehrer und Fachlehrerinnen wurde unter anderem die Dienstbezeichnung „Fachoberlehrer“ beziehungsweise „Fachoberlehrerin“ beschlossen. Besonders hervorzuheben ist ein Beschluss aufgrund eines Antrags von CSU und FDP, durch den der berücksichtigungsfähige Umfang von Kindererziehungszeiten bei den laufbahnrechtlichen Dienstzeiten sowie zum Ausgleich von beruflichen Verzögerungen von 24 auf 36 Monate erhöht wird. Damit wird dem familienpolitischen Auftrag in verstärkter Weise Rechnung getragen. Es stehen jetzt nur noch wenige Beratungen aus. Aufgrund der Bundespräsidentenwahl wurde die für den 1. Juli 2010 anberaumte Endberatung des Neuen Dienstrechts im Bayerischen Landtag auf Mitte Juli verlegt. BBB Bayerische Schule 6/7 2010 31 Service_Dienstrecht Erneute Hetzkampagne gegen Beamtenversorgung geht ins Leere Kommentar von Rolf Habermann* Während der Landtagsausschuss für Fragen des Öffentlichen Dienstes in vorbildlicher Sachbezogenheit das neue bayerische Versorgungsrecht abhandelt, bleibt es einer bundesweit erscheinenden Boulevardzeitung vorbehalten, mittels gezielter Desinformation in zwei Ausgaben hintereinander eine Kampagne gegen das Beamtenversorgungsrecht zu fahren. Es mögen andere darüber befinden, ob es ein legitimes journalistisches Mittel ist, zum Zwecke der Auflagensteigerung mit durchsichtigen Zahlenspielen Sozialneid zu schüren und einen nicht ganz unbedeutenden Berufsstand als Nutznießer ungerechtfertigter Privilegien zu diskreditieren. Was soll etwa die bedrohlich wirkende Feststellung, dass wegen dieser Versorgung Kosten von einer Billion Euro auf den Steuerzahler zukommen? Diese Prognose bezieht sich auf 40 Jahre und erfasst die diesbezügliche Ausgaben aller Gebietskörperschaften; die Rede ist jedoch nur von Bund und Ländern. Auch bleibt wohlweislich unerwähnt, dass die Gesetzgeber von Bund und Ländern gerade in diesem Punkt schon vor Jahren Vorsorgemaßnahmen auf den Weg gebracht haben. Gleichermaßen wird verschwiegen, dass der Steuerzahler Jahr für Jahr der gesetzlichen Rentenversicherung Milliarden zuschießen muss und welcher Betrag sich bei einer Hochrechnung auf 40 Jahre ergeben würde. Zugegeben: Solche Vergleiche sind unsinnig – genauso unsinnig wie jeder Vergleich dieser beiden grundverschiedenen Versorgungssysteme. Dennoch wird dieser Vergleich immer wieder bemüht, um die Privilegierung der Beamtenversorgung zu geißeln. Auch kann es nicht einer auch nur halbwegs sachgerechten Leserinformation dienen, die Versorgungsbezüge eines Staatssekretärs ins Spiel zu bringen, ein Spitzenamt, das es nur in begrenzter Zahl und nur beim Bund gibt. Dieses in Relation zur Rente eines Durchschnittsverdieners zu setzen ist schlicht abwegig. Die daraus abgeleitete Aussage, dieser müsse 301 Jahre arbeiten, um zu einer entsprechenden Versorgung zu kommen, ist mithin reine Polemik. Sie entlarvt die Absicht der Verfasser, Neidgefühle zu aktivieren. Ich gestehe einem Massenblatt notwendige Verkürzungen gerne zu. Die hier gewählten Gegenüberstellungen belegen jedoch, dass es nicht um Information, sondern um gezielte 32 Desinformation geht, um die Leser ob dieser „groben Ungerechtigkeiten“ gegen die bestehende Rechtsordnung in Stellung zu bringen. Sonst hätte wenigstens andeutungsweise erwähnt werden müssen, dass • die Personalstruktur im Beamtenbereich sich deutlich von der des Rentenbereichs unterscheidet (weit größerer Anteil der höheren Bildungsabschlüsse), • die Rentenversicherung nur eine Grundversorgung, die Beamtenversorgung eine Vollversorgung mit Betriebsrentenanteil ist, • die Beamtenversorgung voll der Besteuerung unterliegt, während die Rente an diese aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem langen Prozess erst herangeführt wird, • die Bezieher von Beamtenversorgung überwiegend mit weit höheren Krankenversicherungsbeiträgen belastet sind, um nur einige gravierende Unterscheidungen zu nennen. Es ist auch kein Nachweis von Gewicht, wenn die Verfasser dieses Machwerks einen Bundestagsabgeordneten der Grünen bemühen, der sich erwartungsgemäß dafür ausspricht, die Beamten in das Rentenversicherungssystem zu übernehmen, allerdings ohne den Ansatz einer Erklärung, wie das im Wege der Nachversicherung finanziert werden sollte. All diese sich ständig wiederholenden Hetztiraden ändern nichts an der Tatsache, dass wir ein leistungsgerechtes Versorgungssystem brauchen, um qualifizierten Beamtennachwuchs zu gewinnen. Das sollten sich gerade die Presseorgane hinter die Ohren schreiben, die geradezu vor Empörung aufjaulen, wenn es, was selten genug vorkommt, im öffentlichen Dienst zu Fehlleistungen kommt. Diese immer wiederkehrenden Kampagnen gegen die Beamtenversorgung könnten die Politik in Versuchung führen, „dem Volk nach dem Maul zu reden“. Wie das hier laufende Gesetzgebungsverfahren zeigt, tut sie das nicht. Das verdient unsere Anerkennung! *Der Autor leitet die Abteilung Dienstrecht und Besoldung im BLLV und ist Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes Bayerische Schule 6/7 2010 Schloss Fürstenstein BLLV-Ferienwohnungen in Berchtesgaden ausspannen, entspannen, zu sich kommen in idyllischer Berglandschaft! Anmeldung und Information: BLLV, Postfach 150209, 80042 München, Tel 089 72 10 01 32 (Mo bis Do, 9 – 16 Uhr) Leserbrief Zusammensetzung der M10-Klassen BS 3/2010, Akzente, „Erfolg – was ist das?“, Dr. Peter Müller, Ministerialdirigent Sehr geehrter Herr Präsident, in dem Artikel „Erfolg – was ist das?“, schreiben Sie, dass in vielen M10-Klassen mehr als 50 Prozent ehemaliger Gymnasiasten und Realschüler sitzen. Ich darf darauf hinweisen, dass diese Zahlen eine Vorstellung erzeugen, die mit der Schulstatistik kaum in Einklang zu bringen ist. Nach einer Erhebung bei den Schülerinnen und Schülern der M10-Klasse zum 1. Oktober 2009 zeigt sich, dass im Vorjahr circa 80 Prozent dieser Schüler die M9-Klasse, circa 11 Prozent die Regelklasse 9 der Hauptschule und nur circa 2,5 Prozent die Realschule und circa 1,6 Prozent das Gymnasium besucht haben. Um einer falschen Schlussfolgerung vorzubeugen, dass die Schüler bereits in die Mittlere-ReifeKlasse der Jahrgangsstufe 9 aus den weiterführenden Schulen, wie Realschule und Gymnasium gewechselt sind, wurde auch die Herkunft der Schülerinnen und Schüler der M9-Klasse erhoben. Dabei kann festgestellt werden, dass im Vorjahr circa 84,5 Prozent dieser Schüler die MittlereReife-Klasse 8, circa 8,5 Prozent die Regelklasse 8 der Hauptschule und nur circa 3,8 Prozent die Realschule und 0,85 Prozent ein Gymnasium besucht haben. Ich glaube, diese Statistik spricht für sich. Es würde mich freuen, wenn solche Fakten von Ihrer Seite gewürdigt und auch publiziert werden. Liebe Leserinnen und Leser, wir freuen uns über Ihre Meinung, behalten uns jedoch vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Für Inhalt und Aussage verantwortlich ist die jeweilige Verfasserin bzw. der Verfasser. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Bayerische Schule 6/7 2010 33 Es war ein kurvenreicher Weg bis zur modernen Akademie Das Institut der Pioniere Die Akademie des BLLV hat auch nach 100 Jahren die Zukunft vor sich Bewegte Geschichte: Die Akademie des BLLV wurde von Reformpädagogen gegründet, von den Nazis aufgelöst, mit dem Schwerpunkt Testpsychologie wiederbegründet, 1992 inhaltlich neu ausgerichtet und 2003 um das „Institut für Gesundheit in pädagogischen Berufen“ erweitert. Auch im Jubiläumsjahr ist das professionelle Unterstützungsangebot außerordentlich breit gefächert. Die Münchner Lehrer sollten Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Psychologie und der Pädagogik bekommen. Zu diesem Zweck wollte der Münchner Lehrerverband ein eigenes Institut gründen und bat um Spenden. Die Lehrer waren so begeistert von der Idee, dass 14.000 Mark zusammen kamen. Mit diesem Startkapital konnte der Münchner Lehrerverein im Oktober 1910 wie geplant das PädagogischPsychologische Institut gründen. Fortan forschten und lehrten zahlreiche Professoren der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) und andere Wissenschaftler aus Pädagogik und Psychologie in enger Beziehung zur schulischen Praxis und das Institut entwickelte sich bald zum Zentrum der Reformpädagogik in Bayern. Wissenschaftlicher Leiter des Instituts von der Gründung bis 1937 war Aloys Fischer, Professor für Philosophie und Pädagogik 34 an der LMU. Zahlreiche renommierte Pädagogen gingen ein und aus, unter ihnen der Münchner Stadtschuldirektor und Professor Georg Kerschensteiner. Kerschensteiner entwickelte das reformpädagogische Konzept der Arbeitsschule, das die Idee des praktischen Lernens zum Mittelpunkt hatte und das berufliche Schulwesen nachhaltig beeinflusste. 17 Jahre nach der Gründung der Akademie bereiteten die Nazis dem Institut ein Ende. Es wurde dem Nationalsozialistischen Lehrerbund einverleibt, der Pädagogischen Hochschule in München-Pasing zugeordnet und schließlich aufgelöst. Vorangegangen war ein jahrelanger Konflikt mit dem Stadtschulrat und Vorsitzenden des Bayerischen Lehrervereins, Josef Bauer. Bauer war glühender Antisemit und schikanierte den wissenschaftlichen Leiter Aloys Fischer, weil der mit einer Jüdin verheiratet war. 1937 wurde Fischer zwangsemeritiert. Er starb im selben Jahr. Bayerische Schule 6/7 2010 Service_BIWAK Testdiagnostik als neue Aufgabe Schon ein Jahr nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde die Tradition des PädagogischPsychologischen Instituts wieder aufgegriffen – noch vor der offiziellen Wiederbegründung des Bayerischen Lehrervereins. Das Pädagogisch-Psychologische Institut wurde nun wiederbegründet als eine Einrichtung, die landesweit aktiv werden sollte. Es arbeitete eng mit der Pädagogischen Hochschule in MünchenPasing zusammen und spezialisierte sich in den 50er und 60er Jahren auf pädagogische und psychologische Testverfahren. Lange vor der Existenz von Schulpsychologen und Beratungslehrern bot das Institut Lehrern und Eltern die Möglichkeit an, die kognitive und emotionale Entwicklung ihrer Kinder zu analysieren und gemeinsam Interventionsmöglichkeiten zu erarbeiten. heit im Lehrerberuf sensibilisiert. Der BLLV übernahm bundesweit eine Führungsrolle, indem er nicht nur über Belastungen sprach, sondern aktiv wurde. Zusammen mit Experten wie Prof. Dr. Joachim Bauer (Universität Freiburg), Prof. Dr. Jürgen Schaarschmidt (Universität Potsdam) sowie Prof. Dr. Andreas Weber und mit Unterstützung der Bayerischen Beamtenkrankenkasse wurde das Gesundheitsinstitut aus der Taufe gehoben. Im Rahmen der Akademie konnte es sich als wichtiges Instrument der professionellen Unterstützung der Lehrerschaft etablieren. Schnell machte sich das Institut mit den jährlich in allen Regierungsbezirken stattfindenden Gesundheitstagen, mit dem Angebot schulhausinterner Fortbildungen (SchiLF) und den Beratungsgesprächen einen Namen. 2009 übernahm Klaus Wenzel als neuer Präsident des BLLV den Vorsitz der Akademie. Er wollte damit unterstreichen, dass dem BLLV die Zukunft der Akademie ein besonderes Anliegen ist. BS Seit 1992 „Lehrerpersönlichkeit“ im Fokus Als sich der Staat dann zunehmend selbst der Lehrerfortbildung annahm und auch die Schulpsychologie ausbaute, ließ die Bedeutung des Instituts nach. 1992 stand der Landesvorstand des BLLV vor der Entscheidung, das Pädagogisch-Psychologische Institut zu schließen, oder es mit einer neuen Aufgabenbeschreibung und einer neuen Leitung neu auszurichten. Der damalige Präsident des BLLV, Albin Dannhäuser, plädierte für eine Neuausrichtung. Die Frage, welche Rolle die Persönlichkeit des Lehrers im Rahmen der Lehrtätigkeit spielt, fand in diesen Jahren mehr und mehr Beachtung auch in der Welt der Wissenschaft. So sollte sich das Institut der Themen rund um die Stärkung der persönlichkeitsorientierten Qualifikationen und sozialen Kompetenzen annehmen. Berater waren Prof. Dr. Hans Schiefele, Prof. Dr. HeinzJürgen Ipfling und zeitweise auch Prof. Dr. Manfred Prenzel. Mit der Neuausrichtung wurde die Diplom-Pädagogin Hildegard RiederAigner betraut, die die neuen Aufgaben kompetent und nachhaltig in konkrete Fortbildungsangebote umsetzte. Sie blieb bis 2002 Geschäftsführerin. 1997 beschloss der BLLV-Landesvorstand, das PädagogischPsychologische Institut zu einer eigenständigen Akademie weiterzuentwickeln. Damit sollte die Bedeutung dieser Einrichtung für den BLLV als Berufsverband aller Pädagogen unterstrichen werden: Mit der Akademie leistet der BLLV einen Beitrag zur Professionalisierung der Lehrerinnen und Lehrer und unterstützt sie bei ihrer immer schwieriger werdenden Aufgabe in der Schule. Vorsitzender der Akademie war von 1992 bis 2009 der Regensburger Pädagoge Prof. Dr. Heinz-Jürgen Ipfling. Gesundheitsprävention als neue Aufgabe Als folgerichtig erwies sich die Gründung des Instituts für Gesundheit in pädagogischen Berufen (IGP) unter dem Dach der BLLV-Akademie im Jahr 2003. Untersuchungen über die hohe psychische Belastung der Lehrerinnen und Lehrer, die überdurchschnittlich hohe Burnout-Gefahr und die enormen finanziellen Auswirkungen von Krankheit und krankheitsbedingten Zwangspensionierungen hatten die Öffentlichkeit für Fragen der Gesund- Bayerische Schule 6/7 2010 Akademie-Vorsitzender Wenzel „Fortbildungsstätte und Forum der Zukunft“ „Wir beobachten bereits jetzt ein zunehmendes Engagement nicht-staatlicher Anbieter auf dem Lehrerfortbildungsmarkt: Schulbuchverlage, verschiedene Wirtschaftsverbände und kommerzielle Unternehmen haben den Bildungsmarkt Schule entdeckt. Das Einfallstor ist natürlich der Lehrer. Diese Entwicklung wird aufgrund der klammen Kassen des Staates weiter an Bedeutung gewinnen. Der BLLV sieht eine Diversifizierung der Lehrerfortbildung durch weitere Anbieter als Bereicherung an. Es kann aber nicht sein, dass am Schluss die Lehrerschaft von allen nur denkbaren Unternehmen und Verbänden fortgebildet wird, die kommerzielle oder politische Ziele verfolgen. Deshalb ist es unsere originäre Aufgabe als größter Bildungs- und Berufsverband von Pädagogen in Bayern, eigene qualitativ hochstehende, anwendungsorientierte Fortbildungsangebote zu machen. Besonders wichtig werden hierbei die Angebote für schulhausinterne Fortbildungen werden. Sie werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus brauchen wir als Praktiker aber auch den Dialog mit der Wissenschaft. Dazu stellt die Akademie das ideale Forum dar. Die BLLV-Akademie mit ihrer großen Tradition, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Sensibilität für die Probleme der Praxis hat trotz 100 Jahre Geschichte ihre Zukunft noch vor sich.“ Infos und Seminarangebote unter www.akademie.bllv.de 35 BLLV-Ehrenpräsident Albin Dannhäuser zusammen mit den Verantwortlichen des Kinderhauses Casadeni Frisches Brot für Ayacucho Gute Nachricht aus dem BLLV- Kinderhaus in Ayacucho/Peru: Die Lehrbäckerei für Jugendliche aus den Armutsvierteln der Provinzhauptstadt kann eingerichtet werden. Die Kosten für einen qualifizierten Bäcker und das pädagogische Personal zur Betreuung der etwa 180 Kinder sind Dank der Spenden von Kolleginnen und Kollegen, vieler Schulen und einiger Unternehmen für ein weiteres Jahr gedeckt. Im Jahr 2009 wurden insgesamt 110.000 Euro für unser Kinderhilfswerk gespendet – verwendet wird das Geld für Projekte in Peru und Ruanda. Für die Einrichtung der Lehrbäckerei in Ayacucho, der 150.000 Einwohner zählenden Provinzhauptstadt, haben die „STERNSTUNDEN“ des Bayerischen Rundfunks 25.000 Euro zur Verfügung gestellt. Der Vorsitzende der BLLV-Kinderhilfe, Manfred Schreiner, stellte bei einem Treffen der Botschafterinnen und Botschafter mit Dankbarkeit und Stolz fest: „Es gereicht dem BLLV zur Ehre, dass er sich über seine verbandspolitischen Kernaufgaben hinaus weltweit für die ärmsten und schwächsten Kinder engagiert.“ Die Leiterin des Kinderhauses in Ayacucho, Mariela Molinari, hat sich in ihrem jüngsten Schreiben an den BLLV erneut sehr herzlich für die lebensnotwendige und ermutigende Hilfe aus 36 Text: Albin Dannhäuser Bayern bedankt. Sie ist vom Erfolg der Lehrbäckerei absolut überzeugt. Es gibt zwar in Peru eine Reihe ähnlicher Projekte, die erfolgreich arbeiten, aber in Ayacucho ist die Lehrbäckerei in unserem Kinderhaus einmalig und eröffnet sehr gute Perspektiven: Der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt enorm. Allein in den letzten sieben Jahren hat sich die Bevölkerungszahl in der Provinz Huamanga durch die Zuwanderung aus den hoch gelegenen Dörfern der Anden verdoppelt. Viele Menschen – nicht nur in Ayacucho, sondern auch in den Provinzgemeinden – müssen vor allem Brot kaufen. Mariela Molinari hat mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits eine erfolgversprechende Konzeption entwickelt, die sowohl eine gesunde Ernährung als auch eine regional-stimmige ökonomische Logistik zum Ziel hat. Bayerische Schule 6/7 2010 International_Kinderhilfe In der Lehrbäckerei sollen insbesondere traditionelle Backwaren aus der Provinz produziert werden. Speziell in Lima gibt es eine deutsche Bäckerei, die die Backtradition Perus fortführt. Von dort aus können junge Menschen angeleitet werden, den Bäckerberuf zu erlernen. Der Markt mit gutem und gesundem Brot in der Tradition Perus habe, so Mariela Molinari, in Ayacucho eine große Chance. Vor allem ausländische Restaurants müssen beliefert werden. „Wir könnten also dort potentielle Kunden gewinnen und sind nicht nur auf den Straßenverkauf angewiesen.“ Das Kinderhaus werde den Markt in Ayachucho gezielt beobachten und lokal stimmige Lösungen suchen. Innovativ ist auch das Vorhaben, eine Produktionskette innerhalb der Provinz aufzubauen. „Speziell die Qualität des Mehls und anderer Zutaten muss sichergestellt sein“, sagt Mariela Molinari, „das gelingt am besten, wenn wir das Getreide bei den Landwirten der Umgebung kaufen“. Dazu wolle man gegenüber den Landwirten aktuelles Wissen über den Anbau von Getreide auf natürlichem Boden verwerten. „Wir möchten sie motivieren, gesunde Lebensmittel ohne chemischen Dünger zu produzieren.“ Durch den unmittelbaren Einkauf bei den Landwirten kann zum einen der Zwischenhandel entfallen, zum anderen werden auch die Verdienst- und Absatzmöglichkeiten der Landwirte erhöht und damit deren Lebensqualität verbessert. Zunächst sollen in der Lehrbäckerei zehn Jugendliche von einem fachlich qualifizierten und pädagogisch geeigneten Fachmann ausgebildet werden. Dazu ist es auch notwendig, das entsprechende Unterrichtsmaterial bereit zu stellen. Die Jugendlichen sollen aber nicht nur lernen, Backwaren herzustellen, sondern auch durch den Verkauf ihrer Produkte unternehmerisch zu handeln. Ziel ist es, dass sich die Bäckerei nach etwa drei Jahren finanziell selbst trägt und mittelfristig auch zu einer Einkommensquelle für das Kinderhaus wird. Willkommensgruß für Geschäftsführer und Ehrenpräsidenten Bayerische Schule 6/7 2010 Dieter Reithmeier und Albin Dannhäuser zu Besuch im Unterricht Botschaftersystem wirkt engagiert und erfolgreich Das deutlich gestiegene Spendenaufkommen im vergangenen Jahr ist ein Indiz für das große soziale, kontinentübergreifende Engagement der Lehrerschaft. Es ist auch ein Beweis für das Vertrauen in die Solidität des BLLV und für die Überzeugungskraft der Botschafterinnen und Botschafter der BLLV-Kinderhilfe. Inzwischen engagieren sich in jedem BLLV-Bezirk Kolleginnen und Kollegen, die aus ihrer aktiven Verbandsarbeit viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen einbringen. Die Botschafterinnen und Botschafter haben sich zum Ziel gesetzt, die Hilfe für Kinder, die in bitterer Armut leben, nachhaltig zu sichern. Dazu braucht es nicht nur eigene Kinderhäuser, sondern auch qualifiziertes pädagogisches Personal an Ort und Stelle. Im BLLV-Kinderhaus wird diese kontinuierliche Arbeit seit über 15 Jahren von Lehrern, Sozialpädagogen, Kinderpsychologen und Helfern geleistet. Für die verlässliche Finanzierung dieser Arbeit werben unsere Botschafterinnen und Botschafter bei Schülern, Eltern, Kolleginnen und Kollegen sowie in regionalen Unternehmen um Unterstützung. Auf Wunsch stellen sie in Versammlungen unsere Kinderhilfe und einzelne Projekte vor. Einzelne Berichte können auch auf der Homepage des BLLV (www.kinderhilfe.bllv.de) abgerufen werden. Im Blick auf die nachhaltige Betreuung der Projekte kann die BLLV-Kinderhilfe auf eine Besonderheit verweisen: Seit vielen Jahren organisiert das Hochschulreferat den Austausch von Praktikantinnen und Praktikanten. Diese arbeiten innerhalb ihres Lehramtsstudiums mehrere Wochen oder Monate ehrenamtlich in den Häusern. „Durch diesen permanenten Kontakt und Austausch“, sagt Landesgeschäftsführer Dieter Reithmeier, „ist Kontinuität, Innovation und Kommunikation zwischen den Einrichtungen und dem BLLV gewährleistet“. Für die Lehramtsstudentinnen und -studenten bleibe der soziale Dienst für arme und oft allein gelassene Kinder in Ländern der Dritten Welt eine berufliche und menschlich prägende Erfahrung. Die humane Hilfe spürbar und verlässlich fortzusetzen, liegt in unserer Verantwortung. 37 Ehrung unter der Schirmherrschaft des Kultusministers (hinten, 2. v. l.): Die Kranzberger Grundschüler waren die eifrigsten Leser Erster Preis für das Schulprojekt „Leseherbst“ Die Stiftung LERNEN und der BLLV haben erstmals in Bayern den Förderpreis „Hauptsache Lesen“ vergeben. Ausgezeichnet werden drei Grundschulen mit Projekten zur Leseförderung. Den ersten Preis erhielt die Grundschule Kranzberg (Oberbayern) für das Projekt „Leseherbst“. Mit der Aktion „Hahnbach liest – ein Lesejahr mit Lesefest als Höhepunkt“, überzeugte die dortige Grundschule die Jury und wurde dafür mit dem zweiten Preis auszeichnet. Dritter im Wettbewerb um nachhaltige Leseprojekte wurde die Grundschule Hohenkammern. Den Förderpreis vergeben erstmals in Bayern die Stiftung LERNEN der Schul-Jugendzeitschriften FLOHKISTE/floh! sowie der BLLV. Ausländer- und Elternbeirat unterstützen den Förderpreis, der nach Leseprojekten in Grundschulen sucht, die Kindern Lust auf Lesen machen. Die Verleihung der Preise in der Grundschule Kranzberg übernahm Kultusminister Ludwig Spaenle als Schirmherr des Wettbewerbes. Grundschullehrerinnen und -lehrer waren aufgerufen, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Die Aufgabenstellung war klar umrissen: Die Bewerber sollten langfristige Leseaktivitäten in der Klasse oder an der Schule darstellen. Ausgezeichnet wurden bereits verwirklichte, laufende oder im Ausschreibungszeitraum begonnene Projekte. Die einzige Bedingung: Sie sollen Lust auf Lesen machen. Das Besondere: Erstmals saßen in der Jury auch die bildungspolitischen Sprecher sämtlicher Faktionen. 38 „Lesen lernt man nur durch Lesen“, erklärte der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung LERNEN, Günther Brinek, bei der Preisverleihung in der Grundschule Kranzberg. Es komme aber auch noch auf das „wie“ an. Hier setze der Förderpreis an, denn er wolle Pädagogen dazu ermuntern, sich Konzepte auszudenken, die Kinder zum Lesen animieren. „Unser Ziel ist es, die Leseerziehung an Grundschulen nachhaltig zu fördern. Die Schulen sollen angeregt werden, kreative Leseprozesse in Klassen sowie eine Gesamtidee für die ganze Schule zu entwickeln, in die auch Eltern eingebunden werden.“ „Die eingereichten 52 Bewerbungen zeigen eindrucksvoll, wie kreativ an den Schulen gearbeitet wird und wie sehr sich Pädagoginnen und Pädagogen an Grundschulen bemühen, Kindern Lesefreude zu vermitteln“, betonte die Vizepräsidentin des BLLV, Waltraud Lučić. Die Leselust von Schülerinnen und Schülern zu wecken und zu fördern, sei keine leichte Aufgabe. Lučić und Brinek hoben den herausragenden Stellenwert des Lesens für die Persönlichkeitsbildung eines Kindes und für seine seelische und geistige Entwicklung hervor. Weil Lesekompetenz ein Gradmesser für die Chance auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sei, müssten alle Kinder so früh wie möglich zum Lesen verlockt werden und Lesen lernen. „Es ist erfreulich, dass viele bayerische Grundschulen die Leseerziehung sehr ernst nehmen und pädagogisch einfallsreiche Konzepte anbieten“, sagte Lučić. Bayerische Schule 6/7 2010 Verband Trotzdem gebe es noch viel zu tun, vor allem sei auch die Politik gefordert: Die von internationalen Studien wie PISA aufgedeckten Mängel beim Lesen und Textverständnis seien erschreckend. „Vor allem Jungen lesen nicht gern, viele ausländische Schülerinnen und Schüler sind wegen mangelnder Sprach- und Lesekompetenz beim Übertritt benachteiligt. Viele von ihnen sind auch mit 15 oder 16 Jahren nicht in der Lage, sinnentnehmend deutsch zu lesen.“ Die BLLV-Vizepräsidentin sprach sich daher für weitere spezielle Förderangebote aus – „zumal nur sehr mühsam aufgeholt werden kann, was Kinder während der Grundschulzeit versäumen.“ Grundschullehrerinnen und -lehrer bräuchten zudem mehr Zeit und personelle Unterstützung, um sich noch intensiver um jedes einzelne Kind kümmern zu können. Mit der Vergabe des Förderpreises wollen die Initiatoren nicht zuletzt auch ein Zeichen für die Notwendigkeit einer neuen Lesekultur setzen. „Wir brauchen mehr davon“, erklärten Lučić und Brinek. Die drei Preisträgerschulen hätten die Jury überzeugt, „weil sie auf besonders kreative und weit über das rein textbezogene Lesen aufzeigen, welche Potentiale das Lesen und Verstehen von Texten eröffnet.“ So entstand die Idee zu dem mit dem ersten Preis ausgezeichneten Projekt „Leseherbst“ der Grundschule Kranzberg in Anlehnung an eine Aktion des Freisinger Kulturvereins, der seit vielen Jahren den „Literarischen Herbst“ initiiert. Im Schulprojekt wurden Aktivitäten im Bereich Literatur, Malerei und Theater aufgegriffen und Ideen umgesetzt. Im Mittelpunkt stand der Gedanke des „vernetzten Lesens“. Über unterschiedliche Sinneswahrnehmungen entdeckten die Schülerinnen und Schüler neue Zugänge zum Lesen: Geschichten erzählt bekommen und selber erzählen, Texte illustrieren, mit Autoren und Illustratoren sprechen, eine eigene Märchenzeitung drucken, im Radio über Bücher sprechen – um nur wenige Beispiele zu nennen. Auf diese Weise wurde über die wechselseitige Verschränkung von Text, Ton und Bild ein überzeugender Leseunterricht praktiziert, der weit über rein textbezogene Formen hinausreicht. BS Mit innerem Feuer K orbinian Huber prägte 15 Jahre lang das Gesicht der „Bayerischen Schule“. Als Schriftleiter von 1969 bis 1984 profilierte er sie als unüberhörbare Stimme der bayerischen Lehrerschaft. Scharfsinnig-brillant analysierte er die aktuelle Bildungs- und Berufspolitik. Ärgerliche Tatsachen unterzog er seiner zupackend-nadelspitzen Kritik. Uns, seinen Kolleginnen und Kollegen, sprach er als furchtloser Interpret befreiend aus der Seele. Bei selbstgefälligen Politikmachern und realitätsfernen Bürokraten war sein unbestechlicher Blick gefürchtet. In hitzigen Landtagsdebatten wurden seine prägnanten Kommentierungen immer wieder zitiert. Von den einen, um Positionen des BLLV Bayerische Schule 6/7 2010 abzuqualifizieren. Von den anderen, um überfällige Reformen zu unterstreichen. Korbinian Huber bildete in „seiner“ Bayerischen Schule sehr bewegte Jahre der Bildungs- und Berufspolitik ab. In den ausgehenden 60er bis Mitte der 70er Jahre war es vor allem der bildungspolitische Aufbruch mit seinen Leitideen Chancengleichheit, Demokratisierung, Gleichwertigkeit der Lehrämter in Ausbildung und Besoldung, pädagogische Freiheit. Ab Mitte der 70er war es die bildungspolitische Reaktion und Finanzknappheit, die zur pädagogischen Stagnation und Zementierung überholter Strukturen führte: Hierarchisierung der Schularten, der Lehrerbildung und -besoldung, Verwaltungszentralismus, Arbeitslosigkeit junger Lehrer. Korbinian Huber begleitete sowohl die Jahre des Aufbruchs wie die der Rückschläge mit innerem Feuer und Herzblut. Dies erwuchs aus seinem Werdegang und seiner Überzeugung: Als Bauernbub bodenständig. Als Jahrgangsbester im Lehrerexamen glänzend qualifiziert. Als Lehrer an acht verschiedenen Schulorten Oberbayerns praxiserfahren. Als jüngster Schulleiter Bayerns ein Vorbild an kollegialer Souveränität. Als ABJ-Bezirksvorsitzender, Kreisvorsitzender, Schriftleiter der Oberbayerischen Schulzeitung und Bayerischen Schule mit der Schulentwicklung vertraut. Als Personalrat auf der Ebene des Schulamtes und Kultusministeriums ein verlässlicher Anwalt. Korbinian Huber dachte in großen gesellschafts- und bildungspolitischen Zusammenhängen. Er verstand Bildung und die pädagogischen Berufe als Schlüssel für eine humane Zukunft. Deshalb kämpfte er leidenschaftlich gegen alles, was bis heute Chancengleichheit behindert, Schüler wie Lehrer diskriminiert und die pädagogische Alltagsarbeit unnötig erschwert. Es gelang ihm, Visionen durch die Macht seiner Sprache zu vermitteln, meinungsbildend zu wirken und Identität mit der Ideengeschichte des BLLV zu stiften. Viele Jahre hat er uns reich gemacht durch seinen kritischen Geist, durch seine selbstverständliche Loyalität, seinen offenen Umgang, durch sein feinsinniges und humorvolles Wesen. Korbinian Huber ist im April 2010 im Alter von 77 Jahren gestorben. Der BLLV schuldet ihm, seinem verdienten Ehrenmitglied, großen Dank und ehrendes Gedenken. Albin Dannhäuser 39 Verband Ehrungen Der BLLV lebt von der Stärke und Solidarität seiner Mitglieder. Er kann dabei auf eine langjährige Tradition verweisen. Zu besonderem Dank ist er seinen langjährigen Mitgliedern verpflichtet. Wir gratulieren: Für 75-jährige Mitgliedschaft: Anton Schmaderer KV Hilpoltstein: Gerhard Faber, Helga Gilch KV Weißenburg: Maria Hörmann KV Coburg-Stadt: Roland Eckstein, Irmingard Stock KV Höchstadt/Aisch: Christine Grau, Heinz Hübner KV München-Land: Emilie Hinkofer KV Markt Erlbach: Hans Hartmut Karg, Für 70-jährige Mitgliedschaft: KV Landau: Hans Hahling Charlotte Romer KV Roth: Elisabeth Meyer KV Aschaffenburg-Land: Matthäus Withelm KV Schwabach: Jürgen Distler, Angelika Ensser, KV Fürth-Stadt: Erhard Ettrich, Irene Kuch, Dagmar Goller, Elke van Jindelt Für 65-jährige Mitgliedschaft: Herbert Weigel, Edith Weißhuhn KV Uffenheim: Angelika Arlt, Hermann Bertlein, KV Schwabach: Otto Humpenöder KV Bechhofen: Herbert Pamler Elsa März KV Wassertrüdingen: Ursula Finkbeiner, Für 60-jährige Mitgliedschaft: Für 50-jährige Mitgliedschaft: Monika Wöcker KV Ansbach-Land: Hiltraud Görcke, Rudolf Hake, KV Ansbach-Land: Ernst Arneth, Klara Dreßler, KV Weißenburg: Peter Beyer, Dieter Glaab, Marianne Kern, Else Moll Helga Jodl, Elisabeth Richter, Helmut Richter Katharina Hossinger, Manfred Karrer, Hermann Kreß, KV Bad Windsheim: Friederike Ott KV Bad Windsheim: Johann Albert Uwe Kunstmann, Klaus Langer, Günther Mödl, KV Dinkelsbühl: Rosamunde Hammerich KV Dinkelsbühl: Walter Lehnberger Werner Salomon KV Erlangen-Oberland: Erwin Dix, Hildegard Eibert KV Erlangen-Oberland: Gerhard Hahn, Georg KV Cham: Karl-Heinz Altmann, Raimund Bergler, KV Feuchtwangen: Johann Unger Müller, Günter Rosenbauer, Katharina Schöffel Walter Köppel, Lucia Mahal, Erna Multerer, KV Rothenburg: Erwin Döppert, Werner Lorenz, KV Feuchtwangen: Christa Schröppel Hans-Georg Nistler, Ingeborg Rohse, Klara Salzl Richard Schmidt, Ruth Weid KV Höchstadt/Aisch: Regina Hicke KV Griesbach: Josef Bertl, Christine Birner, Manfred KV Schwabach: Inge Folda, Hans Fulda, KV Rothenburg: Karl Grimm Grießler, Eva Maria Leeb Josefine Weigl, Erika Wieser KV Schwabach: Helga Kraus KV Coburg-Stadt: Ingeborg Blume, Alfred Kolenda KV Wassertrüdingen: Hans Kapp KV Uffenheim: Gerhard Heinlein, Franz Möhring, KV München-Land: Volker Dobiasch, KV Cham: Frieda Frischmann, Rudolf Hammer, Gerhart Rüger, Gretchen Strauß, Ladislaus Szabo Hildegard Durner Marianne Muggenthaler, Gisela Schichoa, KV Wassertrüdingen: Barbara Bauer, Frieder Bauer, KV Landau: Günter Beck, Bert Hausladen, Anna Wachs Elsbeth Schweininger, Armin Volk Willi Heckmeier, Hans Kagerbauer, Maria Roßbach, KV Griesbach: Kurt Kaiser KV Weißenburg: Hans Gagsteiger, Brigitta Nik Söltl KV Coburg-Stadt: Martha-Elisabeth Czygan Martini-Yilmaz, Hermann Meyer KV Neustadt/WN: German Beer, Carola Beran, KV Neustadt/WN: Richard Bergmann, KV Cham: Rüdiger Meißner, Georg Schnabl Gotthard Betz, Udo Fellmann, Anton Sammet, Arthur Meyer, Johann Zahn KV Griesbach: Ingeborg Kaiser, Wilhelm Wölfel Werner Schmola, Ferdinand Schönberger, KV Aschaffenburg-Land: Albert Lippert, KV Coburg-Stadt: Gudrun Reeg Werner Ullrich Elisabeth Roth KV Landau: Sabine Apfelbeck, Anna Gräf KV Aschaffenburg-Land: Sybille Brunner, Fritz KV Fürth-Stadt: Hildegard Kefeder, Erna Kohleisen, KV Neustadt/WN: Barbara Heindl, Max Raß Dörhöfer, Roswitha Fleischmann, Klaus Gehlert, Leo Lörner, Helga Ott, Georg Pfeiffer, Erich KV Aschaffenburg-Land: Artur Geis Stefanie Hanser, Erwin Hegmann, Marlies Hock, Reinhardt, Helmut Rieder, Margot Siebenländer, KV Fürth-Stadt: Helmut Spaeth Hiltrud Horn, Edith Magin, Barbara Maier, Marie- Luise Thürach, Willi Wilde KV Bechhofen: Eugen Korzeniowski louise Nolte, Angelika Rheinwald, Erich Seuffert KV Bechhofen: Edith Hertwig, Gottfried Hertwig KV Lauf: Rudolf Lindner KV Vohenstrauß: Günther Balk, Christa Bauridl, KV Lauf: Theo Dürr, Georg Gsänger, KV Altdorf: Friederike Cornelius, Helene Neumeier Marga Fojtik, Christa Doyum, Friedrich Möstl, Hubert Richard Rögner KV Roth: Ulrike Loos, Ruperta Weigel Schuller, Hildegard Senft, Josef Scherm KV Altdorf: Friedrich Merz KV Fürth-Stadt: Rudolf Adamczik, Christl Fiola, Für 40-jährige Mitgliedschaft: Roland Geiß, Werner Gietl, Hildegunde Glaser, Für 55-jährige Mitgliedschaft: KV Ansbach-Land: Ulrich Nitsch Margit Hopperdietzel, Norbert Krauß, Waltraut KV Ansbach-Land: Friedemann Schäfer KV Bad Windsheim: Renate Kasseckert, Lieret, Karin Ritter-Wirth, Dagmar Sandhöfer, KV Dinkelsbühl: Gisela Schweininger Peter Mayer Gisela Schlaffer, Heinz Selgrath, Christa Stingl, KV Erlangen-Oberland: Fritz Wittmann KV Dinkelsbühl: Grete Geißler, Jutta Vogel Rosemarie Venturi, Edmund Weiß KV Hilpoltstein: Hans Schwandner KV Erlangen-Oberland: Gisela Albert, Reinhard KV Bechhofen: Franz Graf, Sigrid Lettenmeier, KV Rothenburg: Walter Osti Drost, Klaus Ehrhardt, Gertrud Miederer, Ludwig Sand, Helmut Schimmer KV Schwabach: Gudrun Babel, Dorothea Bessert Werner Petsch, Horst Seibold KV Hersbruck: Marianne Blos, Klaus Gatterer, KV Cham: Hans Fischer, Alfons Schenkl, KV Feuchtwangen: Georg Borries Georg Gradl, Dagmar Graf, Ger Wittich Hahn, 40 Bayerische Schule 6/7 2010 Verband Ingrid Jakobi, Brigitte Pötzsch, Walter Reimer, Waltraut Reiner, Ralf-Uwe Schimera, Roland Wehrstedt KV Lauf: Karl-Heinz Hausdorf, Ulrike Kellner, Hugo Pohl, Karin Pohl, Friedrich Schmidt, Dagmar Steffen v. H.-Huene Programmvorschau Juli KV Altdorf: Klaudia Graf, Susanne Schobert, Helmut Wilimsky KV Roth: Reinhard Kalisch, Helga Riffelmacher KV Wassertrüdingen: Friedrich Held Weitere Ehrungen finden Sie in der nächsten Ausgabe. Gedenken Der BLLV trauert um treue und verdiente Mitglieder. Er wird ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren. KV Marktheidenfeld: Günter Kampa, 71 Jahre, 2010/15 Reden und Überzeugen / Politik + Sprache 02.-04.07.2010 / Kochel, Toni Gschrei 2010/16 Kunstwerke im öffentlichen Raum 17.07.2010 / Augsburg, Jessica Freuntsch, Dr. Oliver Reuter Rudolf Ludwig, 96 Jahre KV Aschaffenburg-Land: Theo Blum, 76 Jahre, Friedrich Lichtblau, 88 Jahre KV Neuburg-Schrobenhausen: Fritz Ecker, 87 Jahre 2010/17 Führung und Verantwortung 23.-25.07.2010 / Kochel, Florian Fischer KV Würzburg-Land: Wilfried Röllich, 91 Jahre KV Regensburg-Stadt: Erna Bauer, 69 Jahre, Ernst Maier, 98 Jahre KV Weiden: Lilly Gross, 85 Jahre, Lothar Liedl, 84 Jahre Hinweis: Für die Anerkennung als eine die staatliche Lehrerbildung ergänzende Maßnahme ist der Dienstvorgesetzte verantwortlich. Dienstbefreiung kann beantragt werden. KV Nabburg: Maria Pösl, 98 Jahre KV Neustadt/WN: Sieglinde Kaiser, 68 Jahre KV Regensburg-Land: Erich Güttinger, 86 Jahre, Claudia Männer, 57 Jahre Einzelheiten / Anmeldung: www.akademie.bllv.de oder www.fortbildung.bllv.de Telefon: 089 721001-46 KV Deggendorf: Heleene Stadler, 89 Jahre KV Ansbach-Stadt: Max Fischer, 97 Jahre, Christine Wagner, 61 Jahre KV Ansbach-Land: Sieglinde Gagel, 75 Jahre KV Gunzenhausen: Käthe Warnick, 86 Jahre KV Hersbruck: Erich Kroner, 73 Jahre Appell des Kassiers KV Lauf: Linda Müller, 57 Jahre, Richard Rögner, 81 Jahre KV Neustadt/Aisch: Walter Spranger, 85 Jahre KV Schwabach: Hans Fulda, 83 Jahre, Hermann Wolfermann, 90 Jahre KV Roth: Therese Schmid, 94 Jahre KV Spalt: Horst Hauck, 70 Jahre Bayerische Schule 6/7 2010 Bitte teilen Sie dem Kassier in Ihrem Kreisverband jede Änderung Ihres Stundenmaßes, Ihrer Bankverbindung, Ihrer Besoldungsstufe, Ihrer Adresse oder über beginnende oder zu Ende gehende Beurlaubungen mit. Bei der Berechnung Ihres Verbandsbeitrages kann dies auch zu Ihrem Vorteil sein. BS 41 Verband Schon eine Dämmung an der Decke kann den Lärmpegel senken und so das Lernklima verbessern Eine Million Euro jährlich für Lärmschutz Der BLLV-Arbeitskreis Lärm setzt sich seit drei Jahren dafür ein, dass gute Akustik Schule macht. Ihm gehören Experten wie der Diplom-Ingenieur Peter Hammelbacher an; er ist Mitglied im INQAArbeitskreis „Lärm in Bildungsstätten“. Als ersten Erfolg des BLLV-Arbeitskreises verbucht Waltraud Lučić, Vizepräsidentin des BLLV, den Münchner interfraktionellen Stadtratsbeschluss, in den kommenden zehn Jahren eine Million Euro jährlich für Lärmschutzmaßnahmen an Bildungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Der Bayerische Städtetag hat Arbeitskreismitglieder zu einem Expertengespräch eingeladen. Lärm im Klassenzimmer und auf dem Schulgelände ist ein noch vielfach ungelöstes Problem, obwohl er nachweislich die Lern- und Arbeitsbedingungen von Schülern und Lehrern massiv beeinträchtigt. Lärmimmissionen im Klassenzimmer werden nicht nur als akustische Signale wahrgenommen, sie setzen vielmehr indirekt einen Folgeprozess in Gang, der zu psychoemotionalen und psychosozialen Belastungen von Lehrern und Schülern führt. Diese haben besonders negative Auswirkungen auf Arbeitsbereitschaft, Konzentration, Ausdauer, auf das kommunikative Verhalten und Beziehungen im zwischenmenschlichen Verhältnis. 42 Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Lärmemissionen auch gesundheitliche Probleme verursachen können. Sie wirken sich aber auch negativ auf den Lernerfolg der Schüler aus. Bei der Fachanhörung „Gute Akustik macht Schule“ haben die BLLV-Akustikexperten Ulrike Girardet und Peter Hammelbacher auf die Auswirkungen von Lärm aufmerksam gemacht und praktische Lösungen aufgezeigt. In der Grundschule an der Stielerstraße zeigten sie die Wirkung der Akustiksanierung auf. In München werden nun aufgrund eines interfraktionellen Stadtratsbeschlusses jährlich eine Million Euro für die Akustiksanierung von Bildungseinrichtungen investiert. Die Stadtratsvorlage von HansJürgen Stein und Thomas Gerbet ist auf der BLLVHomepage (www.bllv.de) einzusehen und als Grundlage für bayernweite Akustiksanierungen zu verwenden. „Es entsteht die zwingende Notwendigkeit, schallschutztechnische Maßnahmen neben sicherheits- und substanzerhaltenden Maßnahmen in den Mittelpunkt der baulichen Verbesserungen in Schulen und Kindertagesstätten der Landeshauptstadt München zu stellen. […] Akustikmaßnahmen gehören daher zu den Baumaßnahmen mit der höchsten Priorität, welche sukzessive in den nächsten Jahren abgearbeitet werden müssen.“ BS Bayerische Schule 6/7 2010 Unsere Jugendzeitschriften Das erwartet Sie im Juni und Juli Liebe Kolleginnen und Kollegen, Generationen von Schulkindern forderten von ihrer Lehrerin, ihrem Lehrer mit diesem Spruch zum Schuljahresende ein gemeinsames Leseerlebnis ein: „Es ist schon immer Brauch gewesen, zum Schulschluss da wird vorgelesen!“ Lassen Sie uns diesen alten Brauch, da, wo er in Vergessenheit geraten ist, wieder aufleben. Es gibt – auch für ältere Kinder – nichts Schöneres, als vorgelesen zu bekommen. Die Geschichten in den FLOHKISTE/floh!-Heften sind dazu eine wahre Fundgrube. Sie haben doch einige der Hefte griffbereit?! Christian Marek, Schulleiter und vom BLLV bestellter pädagogischer Schriftleiter FLOHKISTE für die 1. Klasse: Nr. 14 (erscheint am 14. Juni): Unsere Sinne Nr. 15 (erscheint am 28. Juni): Materialien Auch ein derber Klotz kann mit den Zehen fühlen – wie wir Menschen auch. In dieser Ausgabe testen wir mit kleinen Experimenten unsere Sinne. Die Inhalte sind Lesefitness-Check. Das Spiel „Stein-ScherePapier“ ist ein lustiger Einstieg in dieses Lehrplanthema. Wir finden heraus, welche Dinge aus welchen Materialien sind, wie sie sich anfühlen, und welche Eigenschaften sie haben. FLOHKISTE, Ausgabe für die 1. Schulstufe, erscheint erst wieder mit Heft Nr. 22 am 20. September 2010 FLOHKISTE für die 2. Klasse: Nr. 14 (erscheint am 14. Juni): Wasser ist ein Zaubersaft Nr. 15 (erscheint am 28. Juni): Gefahren in der Natur Nr. 16/17 (erscheint am 12. Juli): Verreisen in alter Zeit Wir testen etliche seiner Eigenschaften, spüren auf, wo es sich versteckt und gehen mit ihm auf Rundreise 1 x Himmel und zurück. Die Geschichte „Der eingesperrte Regentropfen“ ist Lesefitness-Verständnis-Check. Ein Schluck aus der Limoflasche? Es könnte eine Wespe unbemerkt hineingeschlüpft sein und im Mund stechen. In der Natur lauern aber noch andere Gefahren. Das Wissen darum ist der beste Schutz. Die alte Dampflok steht im Museum, aber auch das erste Automobil, das noch ganz wie eine Kutsche aussah. Einmal mussten Pferde sogar die Straßenbahn ziehen! Nr. 14 (erscheint am 14. Juni) Jeder macht mal Fehler Nr. 15 (erscheint am 28. Juni) Die Meere der Welt Nr. 16/17 (erscheint am 12. Juli): Das Licht der Sonne Weil Menschen keine Maschinen sind, unterlaufen jedem von uns Fehler. Halb so schlimm, denn aus Fehlern wird man bekanntlich klug. In manchen Berufen können sie allerdings fatale Folgen haben. Der „blaue Planet“: Mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Alle Meere hängen miteinander zusammen und bilden einen einzigartigen Lebensraum für unzählige Tierarten. Was wäre, wenn der Sonne das Licht ausginge? Diese Vorstellung wird bei einer Sonnenfinsternis richtig „anschaulich“. Aber zum Glück reicht der Brennstoff noch mindestens fünf Milliarden Jahre. floh! für die 3. und 4. Klasse: ich TU WAS! – die WISSENszeitschrift für Mensch – Natur – Technik – Umwelt Ausgabe 1 für die 1. bis 3. Schulstufe O!KAY! – Go on with English Ausgabe 2 ab der 4. Schulstufe Juli: Wasser als Lebensraum Juli: Hörsinn Nr. 7 Family Im Aquarium wie in der Natur leben Tiere und Pflanzen in einer Gemeinschaft. Mit dem Lebensraumposter entdecken die Kinder, dass Fischarten nur in ganz bestimmten Gewässerabschnitten leben. Immer ganz Ohr – das Gehör ist unser wichtigster Alarmsinn. Wie funktionieren unsere Ohren? Wie können wir sie schützen? Wie hören Fische im Wasser? Es gibt Tiere, die haben ihre Ohren am Knie! Alle Familienmitglieder aufzählen? Auf Englisch? Für unsere Schüler kein Problem! In der Juli-Ausgabe kommen sie alle vor: mum, dad, parents, grandparents, sister, brother, aunt, uncle. Bayerische Schule 6/7 2010 43 4–5 % BLLV-BONUS sichern! Fordern Sie die aktuellen Studiosus-Kataloge 2010 bei uns an: S1 Westliche Mittelmeerländer (Italien, Malta, Spanien, Portugal, Marokko, Tunesien, Libyen) S2 Östliche Mittelmeerländer (Griechenland, Kroatien, Zypern, Türkei, Ägypten, Israel, Syrien, Jordanien) S3 Mittel-, Nord- und Osteuropa (Frankreich, Benelux, Großbritannien, Irland, Skandinavien, Island, Mitteleuropa, Osteuropa, Polen, Baltikum, Russland) S4a Fernreisen Afrika und Amerika (Nord-, Mittel- und Südamerika, Ost- und Westafrika, Südliches Afrika) S4b Fernreisen Asien und Australien (Asien, Arabische Halbinsel, Australien, Neuseeland) S5 CityLights (Städtereisen individuell und in der Gruppe) S6 Sprachreisen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Polnisch) S7 Wander- und FahrradStudienreisen S8 me & more (Reisen für Singles und Alleinreisende) S9 FamilienStudienreisen S13 kultimer (Events und Kulturtrips weltweit) Events und Kulturtrips Teatro Real in Madrid Karneval in Venedig Ostern in Armenien Winter in St. Petersburg Intensiverleben 1 Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Kurfürstenplatz 5 80796 München Telefon: 089 - 28 67 62 70 E-Mail: [email protected] 44 Bayerische Schule 6/7 2010 Anzeigen Unser Unser Z Ziel iel iist st IIhre hre G Gesundheit esundheit FFACHKLINIKUM A ACHKLINIKUM BORKUM Zentrum für Allergologie, g g De Dermatologie, ermatologie, Pädiatrie und logie d d Pneumo Pneumologie Klinik I: Er Erwachsene wachsene Bei uns im Fachklinikum Borkum arbeiten Ärzte und Therapeuten verschiedenster Fachrichtungen als TTeam eam zusammen. 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" # #$ %" &'"( )*+, -. +-/- !"#$"%#! &'()*+,-)','!./'()*0)1-0'!2-13!(01**4! 5! Das Förderzentrum verfügt über folgende Abteilungen: • • • • • Grund-, Haupt- und Förderschule mit Außenklassen Internat und Tagesgruppen Beratungsstelle für hör- und sprachbehinderte Kinder und Jugendliche Schulkindergarten für hör- und sprachbehinderte Kinder Sonderberufsschule (mit Berufsvorbereitungsjahr) für hör-, seh- und lernbehinderte Jugendliche Wir betreuen derzeit am Standort Heiligenbronn 230 Kinder und Jugendliche in den Schulen, im Internat, den Tagesgruppen und in den Gruppen des Schulkindergartens und in verschiedenen Aussenklassen. Das Kollegium besteht aus über 40 Lehrkräften und weiteren 20 Mitarbeiter/innen im Internat, den Tagesgruppen und dem Schulkindergarten. Zusatzausbildung Erfahrungsfeld Theater … theatrale Kompetenzen erwerben Berufsbegleitende Zusatzausbildung an sechs Wochenenden Die Zusatzausbildung befähigt zur selbständigen Durchführung von Theaterprojekten mit unterschiedlichen Zielgruppen und Altersstufen. Dieses Modul ist gleichzeitig Teil 1 der Theaterpädagogik-Ausbildung nach Richtlinien des BuT (beantragt). Leitung: Marion Beyer, Hermann Vief Beginn: 29. Oktober 2010 • Beitrag: 1.390 Euro Institut für Jugendarbeit des BJR in Gauting bei München Informationen: www.institutgauting.de • Tel. 089/89 32 33-16 Wir wünschen uns: • eine Persönlichkeit, die menschlich und fachlich überzeugend ist • die Ausgestaltung der Ziele einer Schule in katholischer Trägerschaft • einschlägige Berufserfahrungen im Bereich der Hörgeschädigtenpädagogik • einen kooperativen Führungsstil mit Führungsqualitäten • die Bereitschaft, an der konzeptionellen Weiterentwicklung der Schule federführend mitzuwirken in enger Verzahnung mit den sonstigen Angeboten der Einrichtung • die Zugehörigkeit zu einer christlichen Amtskirche Wir bieten Ihnen: • • • • Freiräume, um Ihre innovativen und kreativen Fähigkeiten einzubringen ein aufgeschlossenes und engagiertes Kollegium Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten BewerberInnen für diese Stelle, welche Beamte des Landes Baden-Württemberg sind, können vom Landesdienst unter Anrechnung auf das Besoldungsdienstalter und die ruhegehaltsfähige Dienstzeit beurlaubt werden. Die Besoldung richtet sich nach den landesrechtlichen Bestimmungen. Auskunft erteilt Ihnen gerne Herr Roland Flaig. Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte an: • Herrn Roland Flaig (Leitung Behindertenhilfe) stiftung st. franziskus heiligenbronn Kloster 2 · 78713 Schramberg-Heiligenbronn Telefon: 07422 569-307 E-Mail: [email protected] Internet: www.stiftung-st-franziskus.de 46 Top-Finanzierung für Beamte, Angestellte u. Arbeiter im ÖD sowie Akademiker Unser Versprechen: „Bestpreis-Garantie für Sie aus einer Auswahl von ausgesuchten Darlehensprogrammen” Festzinsgarantie bei allen Laufzeiten: Ratenkredite bis 10 Jahre Beamtendarlehen 10–20 Jahre, Sondertilgung u. Laufzeitverkürzung möglich. Nutzen Sie Ihren Berufsstatus bei Darlehen und geniessen Sie alle Vorteile: > Unabhängige Auswahl > Sondertilgungen > Freier Verwendungszweck > Festzinsgarantie > Laufzeitverkürzung Alle weiteren Informationen auf unserer Webseite > www.Top-Finanz.de > Persönliche Beratung o. 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Sie wird allen BLLV-Mitgliedern geliefert; der S. 36 und 37: Albin Dannhäuser. S. 39: privat Mitgliedsbeitrag enthält den Bezugspreis. Nichtmitglie- Heidwiesen 43, 97520 Heidenfeld Illustration: Landesgeschäftsstelle (s. oben) bestellen. Der Telefon 09723 937 00 41, Fax 09723 937 00 42 Bernd Wiedemann Bezugspreis beträgt für Privatpersonen 50,00 Euro, für [email protected] Justus-von-Liebig-Ring 11 b, Redaktionsanschrift: Bayerische Schule Redaktion der können die Bayerische Schule direkt bei der BLLV 82152 Krailling Chefredakteur: Institutionen (gegen Nachweis) 10,00 Euro jährlich; Einzelhefte inkl. Versand 5,00 Euro. AbonnementsZahlungen bitte nur auf das Postgirokonto des BLLV, Nr. 40677-806, bei der Postbank München. Bitte Tomi Neckov Anzeigen: Heidwiesen 43, 97520 Heidenfeld A.V.I. Allgemeine Verlags- und Telefon 09723 937 00 41, Fax 09723 937 00 42 Informationsgesellschaft mbH Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manu skripte [email protected] Am Ortfelde 100, 30916 Isernhagen, übernehmen wir keine Haftung. Falls kein Rückporto Stellvertreter: Andreas Liebald, Gartenstr. 2, Telefon 0511 77 95 38-0, Fax 0511 77 95 38-10 beiliegt, können sie auch nicht an den Autor zurückge- 97353 Wiesentheid, Telefon 09383 90 24 94 [email protected] sandt werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge Redaktionelle Leitung: Druck: Christian Bleher Erdl Druck Medienhaus GmbH Kapellenstr. 7, 82299 Türkenfeld Gabelsbergerstraße 4–6, 83308 Trostberg, Telefon 08144 99 67 92, [email protected] Telefon 08621 808-200 geben Sie Ihre voll ständige Anschrift deutlich lesbar an! Leser zuschriften senden Sie bitte direkt an die stellen die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion oder des BLLV dar. Die Bayerische Schule 8/9 erscheint am 11. 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Angebot nicht mit anderen Rabattaktionen und Aktionsvorteilen kombinierbar. ** kostenfrei aus dem dt. Festnetz. LEGO, das LEGO Logo, die Konfiguration der Steine und LEGOLAND sind Marken der LEGO Gruppe. © 2010 The LEGO Group. Änderungen und Irrtum vorbehalten.