Poster: Lea Seibring et al.: "Hochfrequentes Training der
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Poster: Lea Seibring et al.: "Hochfrequentes Training der
Hochfrequentes Training der Buchstabenerkennung bei Formagnosie – eine Einzelfallstudie Lea Seibring1, Katja Halm2,3, Klaus Willmes2, Chris:an Vors:us4, Ralph Radach4, Irene Ablinger2,3 1Studiengang Lehr-‐ und Forschungslogopädie der RWTH Aachen University 2 Neuropsychologie, 3Klinische KogniDonsforschung, Klinik für Neurologie, Uniklinik RWTH Aachen 4Allgemeine und Biologische Psychologie, Bergische Universität Wuppertal THEORETISCHER HINTERGRUND FRAGESTELLUNG In der vorliegenden Studie wird über ein spezifisch entwickeltes Training zur Buchstabenerkennung bei einem Patienten mit Formagnosie berichtet. Der Einsatz von Blickbewegungsanalysen ermöglicht zusätzliche detaillierte Aussagen über den visuellen Verarbeitungsprozess vor und nach dem Training. Formagnosie stellt die schwerste Form der visuellen Agnosie dar, da bereits Störungen in den ersten perzeptuellen Verarbeitungsschritten vorliegen (Goldenberg, 2007). Die Patienten zeigen gravierende Beeinträchtigungen zusammenhängende Linien und Konturen zu verfolgen. Beim Benennen von Gegenständen oder Objektabbildungen können zwar einzelne lokale Details erkannt, jedoch nicht zu einem Ganzen integriert werden. Aufgrund dieser basalen visuellen Verarbeitungsstörung ist die Identifikation von Buchstaben kaum oder nur eingeschränkt möglich. Bei den insgesamt selten beschriebenen Fällen mit Formagnosie (Humphreys & Riddoch, 1987; Leek et al., 2012) wurde die Behandlung der Buchstaben- und Wortverarbeitung bislang nicht berücksichtigt. ERGEBNISSE Folgende Fragestellungen wurden untersucht: • Inwieweit verbessert sich das visuelle Erkennen von Großbuchstaben nach einem 3-wöchigen Intensivtraining hinsichtlich Benenngenauigkeit, Fixationsanzahl und Benennlatenz ? • Inwiefern lassen sich Generalisierungseffekte auf Kleinbuchstaben/Zahlen beobachten? • Führt das Training zu einer visuell systematischeren Verarbeitung der Buchstaben? METHODE Diagnostik- und Therapieinhalte Proband ST: • 31 Jahre, männlich • 2010: Hypoxische Hirnschädigung (Läsionen okzipital beidseits) • Quadrantenanopsie links unten • Formagnosie • Schwere Störung der visuellen Verarbeitung von Buchstaben und Zahlen • Unauffällige Schreibleistungen Visuelle Verarbeitung: • BORB- Birmingham Object Recognition Battery (Riddoch & Humphreys 1996) Zwischentest Nachtest • • • • Test 2: Längenvergleich zweier Linien Test 3: Größenvergleich zweier Kreise Test 4: Parallelität zweier Linien Test 5: Vergleich der Öffnung zweier Kreise Buchstabenerkennung: Untersuchungsdesign: Vortest Beispiele Follow-up • Buchstabendiskriminationsaufgabe (Simpson, 2012) Darbietungszeiten: 300ms, 500ms, 800ms, 1000ms • gleiche Buchstaben: B B • hohe visuelle Ähnlichkeit: D und B • niedrige visuelle Ähnlichkeit: X und O • Entscheidungsaufgaben: 1. Realbuchstabe vs. Pseudobuchstabe 2. Realbuchstabe vs. gespiegelter Buchstabe (mit/ohne zeitlich begrenzter Darbietung) 1. A ¥ K Ψ etc. 2. O T etc. Buchstabenidentifikation: • Benennen von Großbuchstaben, Kleinbuchstaben und Zahlen (mit/ohne zeitlich begrenzter Darbietung) • Blickbewegungsmessungen in der Diagnostik Visuelle Verarbeitung von Wörtern: 1 ½ Wochen 1 ½ Wochen 4 Wochen • Buchstabenanzahl in Wörtern identifizieren (3-9 Buchstaben) 1. Ohne Abstand zwischen den Buchstaben 2. Mit Abstand zwischen den Buchstaben 1. RAD 2. A U G E • Wörter lesen (3- 6 Buchstaben) • Wind, Zelt, Schwan ERGEBNISSE 45" Benennlatenz(in(ms( 12000" 10000" 32,5" 35" 7901" 7338" 8000" 43,4" 40" 9894" 6000" 4000" 26,1" 30" 25" 23,7" 20" 15" 10" 2000" 5" 0" T1" T2" T3" T4" Kleinbuchstaben 0" T1" T2" T3" T4" 45" 39" 40" Großbuchstaben 40" 42" Anzahl'korrekter'Reak.onen'N='61' 13892" Fixa%onsanzahl, 14000" Gesamtanzahl der Fixationen Anzahl'korrekter'Reak.onen'N'='62' Benennlatenz 2. Benenngenauigkeit 35" 30" 25" 23" 20" 15" 10" 5" 0" T1" p ≤ .05; Wilcoxon-Vorzeichen-Rangest, einseitig T2" T3" p ≤ 0,05; McNemar Test, einseitig 3. Blickpfade bei der visuellen Verarbeitung von Buchstaben von T1 zu T4 T4" 60" 51" Zahlen 54" 58" Anzahl'korrekter'Reak.onen'N'='55' 1. Benennen von Großbuchstaben mit Blickbewegungsparametern 50" 40" 37" 30" 38" 40" 35" 34" 30" 25" 17" ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT 20" 10" 0" T1" T2" T3" T4" p ≤ 0,05; McNemar Test, einseitig 20" 15" 10" 5" 5" 0" T1" T2" T3" T4" p ≤ 0,05; McNemar Test, einseitig ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG Insgesamt zeigten sich signifikante Leistungsverbesserungen bei der Buchstabenerkennung, die auch vier Wochen nach dem Training noch zu beobachten waren. Beim Benennen von Großbuchstaben konnten ein signifikanter Anstieg an korrekten Reaktionen sowie eine signifikante Abnahme in der Benennlatenz und der Anzahl an Fixationen verzeichnet werden. Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich auch beim Benennen von nichtgeübten Kleinbuchstaben und Zahlen, wobei die Identifikation von Großbuchstaben signifikant besser gelang. Das Lesen von 3-buchstabigen Wörtern war am Ende der Therapie vereinzelt möglich. Literatur: de Bleser, R. (2004). LEMO - Lexikon modellorientiert: Einzelfalldiagnostik bei Aphasie, Dyslexie und Dysgraphie. München: Elsevier Urban & Fischer. Goldenberg, G. (2007). Neuropsychologie: Grundlagen, Klinik, Rehabilitation. 4. Auflage. München: Elsevier GmbH. Humphreys, G.W., Riddoch, M.J. (1987). Visual object recognition and its disorders. „To see but not to see“. A case study of visual agnosia. Hove: Lawrence Erlbaum Associates. Leek, E. C. et al. (2012). Eye movements during object recognition in visual agnosia. Neuropsychologia 50,2142-2153. Simpson, I.C. et al. (2012). A letter visual similarity matrix for latin- based alphabets. Psychonomic Societety Mit der vorliegenden Studie konnte ein wichtiger Beitrag zur Behandlung von Patienten mit Formagnosie geleistet werden. Selbst bei schweren visuellen Verarbeitungsstörungen sind stabile Leistungsverbesserungen bei der Buchstabenerkennung möglich. Nach bereits kurzer Therapiezeit können sich erste Schritte zum Wortlesen abzeichnen. Kontakt: [email protected]; [email protected] Disclosure Statement of Financial Interest: I, Lea Seibring DO NOT have a financial interest or affiliation with one or more organizations that could be perceived as a real or apparent conflict of interest in the context of the subject of this presentation