Okklusionsänderung mit Kauflächen-Veneers - AG

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Okklusionsänderung mit Kauflächen-Veneers - AG
Univ.-Professor Dr. Daniel Edelhoff auf dem 13. Keramik-Symposium
Okklusionsänderung mit Kauflächen-Veneers
CAD/CAM-gefertigte Table Tops korrigieren die Bisslage.
Klinische Erfahrungen mit neuen Werkstoffen und der digital gestützte Behandlungsprozess – das waren die herausragenden Themen auf dem 13. Keramiksymposium
der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik). Unter dem
Thema „Komplexe Versorgungen aus Vollkeramik mit Veränderung der Vertikaldimension der Okklusion“ stellte Univ.-Prof. Daniel Edelhoff, Poliklinik für Zahnärztliche
Prothetik der Universität München, die Restauration von stark abradierten und erodierten Zähnen vor, in dem die Okklusalflächen mit bisserhöhenden Veneers versorgt
wurden.
Mit der fortschreitenden Alterung unserer Gesellschaft und den veränderten Ernährungsgewohnheiten zeigen sich als Begleiterscheinungen vermehrt ausgeprägte
funktionelle und chemische Destruktionen an der Zahnhartsubstanz. Die Verbreitung
von Erosionen an den Zähnen haben in der Bevölkerung westlicher Industriestaaten
inzwischen die Dimension einer „Volkskrankheit“ erreicht. Erosionen sind Zahnschäden, die durch den direkten Kontakt eines sauberen Zahnes mit Säuren entstehen.
Die Säuren können Mineralien aus der Zahnoberfläche herauslösen, wodurch Zahnhartsubstanz abgetragen wird und Defekte in der Zahnoberfläche entstehen. Auch
Magensäure kann Zahnschäden verursachen, wenn sie häufig auf die Zähne einwirkt. Das kann beispielsweise der Fall sein bei Magenerkrankungen mit Reflux (z.B.
Sodbrennen) und bei regelmäßigem Erbrechen, beispielsweise bei Essstörungen.
Säuren kommen vor in Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln als Brause
oder Kautabletten (z.B. Vitamin C- oder Magnesium-Präparate) sowie in Obst, Säften, Erfrischungsgetränken und Zitrusfrüchten. Erste Anzeichen für Erosionen bleiben oft unbemerkt, da sie in der Regel keine Beschwerden verursachen. Wenn sich
kleine, muldenförmige Defekte auf den Kauflächen oder den Außenflächen der Zähne bemerkbar machen, kann es sich um Erosionen handeln. Im fortgeschrittenen
Stadium können Temperaturempfindlichkeit und Verfärbungen auftreten. Manchmal
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erscheinen die Schneidekanten durchscheinend oder kürzer. Schließlich können die
Zähne wie „abgeschmolzen“ aussehen. Auch mastikative Dysfunktionen, Knirschen
und die Veränderung der Bisslage können Gründe sein mit der Folge, dass Schmelz
und Dentin in erheblichem Umfang abradiert werden. Wird eine umfangreiche Veränderung der Zahnoberflächen nicht therapeutisch behandelt, können daraus Störungen der Phonetik und Kaufunktion im stomatognathen System entstehen sowie Kiefergelenksbeschwerden ausgelöst werden.
Die Rehabilitation von stark abradierten und erodierten Zähnen durch bisserhöhende
Veneers ist meist komplex und oft nur durch die Neugestaltung der Okklusalflächen
aller Zähne möglich. Dazu bieten sich relativ dünne, keramische Restaurationen an,
die bei minimaler Präparation an der noch verbliebenen Zahnhartsubstanz adhäsiv
befestigt werden. Die Substitution einer kompletten, okklusalen Kaufläche kann je
nach Ausdehnung durch Onlays, Onlay-Veneers oder Teilkronen vorgenommen werden. Der Vorteil ist, dass die relevanten Kauflächenanteile des Zahns ersetzt werden
können, ohne die invasive Präparation für eine Vollkrone. Die Verwendung einer defektorientierten, keramischen Kaufläche in Form einer adhäsiv befestigten Okklusionsschale gewährleistet eine ästhetische Adaptation an die Restzahnhartsubstanz
sowie eine gute chemische und mechanische Beständigkeit.
Angezeigt sind Kauflächen-Veneers – auch Table Tops genannt – im Abrasionsoder Erosionsgebiss zur Wiederherstellung von anatomischen Kauflächen nach funktionsmorphologischen Prinzipien. Sie dienen ebenso zur Bisshebung, bei Bisslageänderungen und zur Wiederherstellung einer adäquaten statischen und dynamischen
Okklusion. Kontraindiziert sind Kauflächen-Veneers im kariesanfälligen Gebiss, bei
endodontischen Komplikationen oder bei noch aktiven erosiven Einwirkungen, da die
Gefahr einer Sekundärkaries, eines Rezidivs oder einer erosiven Schädigung (z.B.
approximal oder zervikal) im Vergleich zu einer Vollkrone größer ist. Die Anwendung
wird eingeschränkt, wenn die Schmelzmenge eine unzureichende Haftfläche bietet
oder die Restkronenlänge aufgrund einer ungünstigen anatomischen Form zu kurz
ausfällt. Problematisch sind Veneers auch dann, wenn Zähne rotiert sind oder zu eng
stehen (Kern et al., 2012).
Bei Bisslageänderungen bzw. Bisserhöhungen aufgrund von Erosion bzw. Abrasion
kann man die erforderliche Bisserhöhung auch dadurch erzielen, in dem nur ein Kiefer (OK oder UK) versorgt wird. Die Entscheidung, nur einen Kiefer zu rekonstruieren,
wird von einer vorherigen funktionellen und ästhetischen Analyse der Ausgangssituation sowie vorhandener, intakter Restaurationen beeinflusst. Unter ästhetischen Gesichtspunkten sind die Übergänge zwischen den Kauflächen-Veneers und der natürlichen Zahnhartsubstanz im Unterkiefer weniger auffällig als im Oberkiefer.
Um den therapeutischen Erfolg komplexer Rehabilitationen vorhersagbarer zu machen, kann eine Zwischenversorgung mit Langzeitprovisorien, d.h. KauflächenVeneers aus Polymer, zum Einsatz kommen (Schweiger et al., 2011). Die einzeln
CAD/CAM-gefertigten Veneers werden adhäsiv eingesetzt, so dass der Patient die
neue Situation funktionell und ästhetisch testen und den Behandlungserfolg im Vorfeld verifizieren kann. Alternativ werden Methoden unter Zuhilfenahme von laborgefertigten Eierschalenprovisorien (Otto, 2004) und chairside gefertigten Provisorien mit
Tiefziehschienen vom diagnostischen Wax-up (Lerner, 2008) in der Literatur beschrieben. Bei klassischen Verfahren ist es erforderlich, die Zähne zeitgleich zu
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beschleifen. Durch den Einsatz adhäsiv befestigter langzeitprovisorischer,
zahnfarbener Restaurationen kann eine segmentierte Überführung in die definitiven
Versorgungen vorgenommen werden. Auf diese Weise können entsprechend den
individuellen Präferenzen des Patienten zunächst die Seitenzähne und später die
Frontzähne eines jeden Kiefers in keramische Restaurationen überführt werden (Bonilla et al., 2001). Die langzeitprovisorischen Versorgungen können durch die
CAD/CAM-Technik qualitativ hochwertig zu wirtschaftlichen Bedingungen hergestellt
werden. Sie sind einer klassischen Schienentherapie klar überlegen, da sie „rund um
die Uhr“ in Funktion bleiben und die neuen Zahnproportionen und das angestrebte
Okklusionskonzept „zur Probe gefahren“ und gegebenenfalls modifiziert werden können (Kavoura et al., 2005). Ziel dieser neuen Behandlungskonzepte ist die Verbesserung der Vorhersagbarkeit der Ergebnisse und eine minimalinvasive Behandlung.
Rehabilitation der vertikalen Kieferrelation
Für eine gute Langzeitprognose der neuen Kauflächen ist die genaue Planung der
neu einzustellenden Okklusion von entscheidender Bedeutung (Keough, 2003).
Wichtig hierbei sind die Bestimmung der Zentrikrelation (Abduo, 2012), eine adäquate Einstellung der Vertikaldimension und der Okklusionsebene, die maxilläre und
mandibuläre Inzisalkanten-position und die okklusale Oberflächenmorphologie der
Seitenzähne (Edelhoff et al., 2013; Schweiger et al., 2011).
Abb. 1: Die Frontzähne zeigen in der Ausgangssituationm überwiegend abrasive Defekte mit
einer geringfügigen erosiven Komponente. Zwei wichtige Hilfslinien sind beim Waxup zu
berücksichtigen: die Bipupillarlinie (1.) und die Unterlippenlinie beim Lächeln (2.). Von
Letzterer weicht die bestehende Zahnlänge in Form einer negativen Lachlinie (3.) deutlich
ab. Quelle: Edelhoff
Nach einer klinischen Funktionsanalyse (Abb. 1, 2) werden Situationsmodelle hergestellt und diese anhand einer arbiträren Scharnierachsbestimmung und eines
Zentrikregistrats im Artikulator montiert. Die für die spätere Versorgung funktionell
und ästhetisch ideale Vertikaldimension wird durch ein analytisches Waxup eingestellt (Abb. 3). Dieses wird in eine diagnostische Schablone (Tiefziehfolie) für eine
„ästhetische Evaluierung“ durch den Zahnarzt und den Patienten überführt. Dazu
kann die Schablone mit Komposit gefüllt und reversibel auf die mit flüssiger Vaseline
isolierten Zähne gesetzt werden. Findet dieser Restaurationsvorschlag Zustimmung
durch den Patienten, wird im zahntechnischen Labor eine in der Höhe und Bisslage
dem Waxup entsprechende Repositionsschiene mit Front-Eckzahn-Führung angefertigt. Diese Schiene sollte ca. drei Monate möglichst permanent getragen werden um
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zu prüfen, ob der Patient die neue Bisslage beschwerdefrei toleriert (Edelhoff et al.,
2013; Harper, 2000; Rivera-Morales et al.,1992).
Abb. 2: Ausgangssituation - Generalisierte Abrasionen mit erosiver Komponente an allen
OK- und UK-Zähnen. Quelle: Edelhoff
Abb. 3: Für das Mockup auf OK- und UK-Zähnen wurde zur ästhetischen Evaluierung eine
vom Waxup abgeleitete Schablone (Tiefziehfolie) mit Komposit (flowable) gefüllt und reversibel auf die mit flüssiger Vaseline isolierten Zähne gesetzt. Quelle: Edelhoff/Brix
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Wird die Bisslage vom Patienten beschwerdefrei akzeptiert, kann die Übertragung
der Situation entweder direkt in vollkeramische Restaurationen oder zunächst in
CAD/CAM-gefräste, langzeitprovisorische Repositions-Veneers oder -Onlays aus
Hochleistungspolymer- meist PMMA-Material - erfolgen (Abb. 4). Für die Konstruktion können die Datensätze der Waxup-Modelle verwendet werden. Die Table Tops
werden gewöhnlich mittels Adhäsivtechnik auf natürlichen Zähnen und Kunststofffüllungen befestigt, können allerdings auch bei entsprechender Vorbehandlung (intraorales Anstrahlen) auf metallischen und keramischen Versorgungen eingesetzt werden (Bertolotti et al., 1994). Da die neue Bisssituation nun permanent inkorporiert ist,
können sich die neuronalen Bewegungsmuster besser etablieren. Um künftig funktionelle Beschwerden nach definitiver Rekonstruktion der vertikalen Kieferrelation
möglichst auszuschließen, sollte diese semipermanente Phase für ca. 6 bis 12 Monate beibehalten werden.
Abb. 4: Langzeitprovisorische Versorgung - Situation nach adhäsiver Eingliederung von
CAD/CAM-gefertigten PMMA-basierten Provisorien aus CAD-Temp (Vita Zahnfab.). Quelle:
Edelhoff/Schweiger
Wurde die provisorische Restauration funktionell und ästhetisch vom Patienten akzeptiert, kann mit der definitiven Versorgung begonnen werden. Es bietet sich ein
quadrantenweises Vorgehen an, wobei die vertikale und horizontale Kieferrelation
nicht mehr verändert wird. Die definitive Versorgung, z. B. mit glaskeramischen Einzelzahnrestaurationen, kann konventionell mit der Presstechnik oder mit der
CAD/CAM-Technik erfolgen. Im Idealfall könnten bei der CAD/CAM-Technik die Datensätze der langzeitprovisorischen Onlays für die Konstruktion der vollkeramischen
Kauflächen verwendet werden.
Präparation und Materialien
Als Werkstoff für die provisorischen Kauflächen-Veneers sind PMMA-basierte Poly5
mere (z.B. Telio CAD, Ivoclar; artBloc Temp, Merz; CAD-Temp, Vita Zahnfab.) verwendbar, die mit verschiedenen CAD/CAM-Systemen gefräst werden können (Edelhoff et al., 2012). Für die Umsetzung in die definitiven Kauflächen-Veneers bieten
sich folgende Materialien an: Presskeramik (IPS e.max Press, IPS Empress Esthetic)
oder die CAD/CAM-Fertigung mit vorkristallisierten Blöcken (IPS e.max CAD). Aufgrund der hohen Belastung im Kauflächenbereich ist Lithiumdisilikat (LS2) zu bevorzugen (Abb. 5) (Güß, 2010). Bei der Präparation ist zu beachten, dass der Verbund
Abb. 5: Definitive Versorgung - Nach eingehender funktioneller und ästhetischer
Evaluierungsphase wurden die semipermanenten Versorgungen in definitive Restaurationen
aus Lithiumdisilikat (IPS e.max Press) überführt. Schichttechnik im Frontzahnbereich und
monolithische Onlays im Seitenzahnbereich. Quelle: Edelhoff/Brix
zum Schmelz besser ist als zu Dentin. Gleichzeitig stabilisiert das im Vergleich zum
Dentin höhere E-Modul von Zahnschmelz die Keramik. Im Zweifelsfall sollte daher
Schmelz erhalten und statt dessen eine geringere Keramikschichtstärke realisiert
werden. Falls erforderlich, wird die Okklusalfläche mit einem Finierdiamanten (25-40
µm Korn) geringfügig abgetragen; unter okklusalen Kontaktpunkten maximal 1,5 mm
unter Berücksichtigung der dynamischen Okklusion. Die Präparationstiefe sollte auf
die durch einen Silikonschlüssel oder eine Tiefziehfolie darstellbare Außenkontur der
definitiven Restauration (Waxup) ausgerichtet sein und kontrolliert werden. Ein zirkulärer Stützrand ist nicht erforderlich; die Präparationsgrenze sollte jedoch nach Möglichkeit vorhandene Füllungskavitäten überdecken (Edelhoff et al., 2013; Kern et al.,
2012). Die okklusale Schichtstärke von Polymer- und Keramikonlays konnte in einer
in-vitro Untersuchung bis zu 0,3 mm reduziert werden (Schäfer, 2014). Hinsichtlich
der klinischen Bewährung von vollkeramischen Kauflächen-Veneers ist die Datenlage noch unzureichend. Für monolitische Kauflächen-Veneers aus Lithiumdisilikat bestehen auf Molaren günstige Prognosen (Clausen et al., 2010).
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Manfred Kern – Schriftführung AG Keramik - Postfach 100 117, 76255 Ettlingen [email protected]
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