1 Lack for you Ausstellung mit Arbeiten von Gabriela
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1 Lack for you Ausstellung mit Arbeiten von Gabriela
Lack for you Ausstellung mit Arbeiten von Gabriela Oberkofler und Stefan Rohrer Einführung in die Ausstellung von Melanie Ardjah bei der Eröffnung am Dienstag, 27. April 2008 in der Stadtbücherei Stuttgart Auf den ersten Blick verbindet die Arbeiten von Gabriela Oberkofler und Stefan Rohrer wohl kaum etwas, das Gegensätzliche scheint zu überwiegen, bei längerer Beschäftigung mit ihnen wird aber deutlich, dass sie es beide, in ihrer Weise, auf die Spitze treiben. Überspitzt, fantastisch, verspielt und treffend. Stefan Rohrers Objekte aus Stahl und Blech spielen mit der Vielfalt der Formen und Bewegungen, verschlingen sich kapriziös oder wie manche seiner Wandarbeiten arabeskengleich, zeigen mit viel Wirbel was in ihnen steckt. Manch verstecktes Talent kommt da zu Tage, manche Sehnsucht bekommt ein Gesicht. Gabriela Oberkofler geht den Dingen auf den Grund, untersucht in ihren Zeichnungen, Videos und Aktionen Handlungsweisen, existenzielle Bedürfnisse und Gefühle und trifft dabei ins Schwarze. Beide bringen sie auf verschiedene Weise Verborgenes zum Ausdruck, geben ihm eine Form und ein Bild. „Lack for you“ ist die Ausstellung betitelt, und allein schon die Einladungskarte treibt es farblich auf die Spitze. Knallig und laut tanzen hier die Buchstaben in schreiend pink auf blau. Verspielt und auch ein wenig dick aufgetragen ist der Lack der wohl beide verbindet. Im ersten Obergeschoss begegnet uns Stefan Rohrers getuntes Rennfahrzeug in Easy-Rider-Manier. Erst auf den zweiten Blick entlarvt sich das „Helltool“ als stark aufgemotzt, denn hier wartet keine Harley Davidson auf einen heißen Reifen, sondern der Schubkarren hat sich verkleidet. Ein doch eher aus dem Hausgebrauch bekanntes Objekt. Es sieht nach Geschwindigkeit und Sehnsucht aus, ist angeberisch und wohl ein wenig übertrieben. Funktion hat weder der Schubkarren, noch die Sackkarre, die auch in diese Reihe gehört, denn aller Mühe zum Trotz wird aus dem Schubkarren kein Rennwagen. Ein wenig davon träumen dürfen sie aber und deshalb haben die aufwendige Flammen – Lackierung in dunklem pink, die breiten Reifen und das Tiefergelegte eine eigene Romantik. Stefan Rohrers Arbeit spricht aber auch von der Lust am Bauen und Basteln, vom Erdenken und Erfinden einer Form und vom Schaffensprozess, der bei seinen Arbeiten einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Selbst als Kind Autos entworfen und davon geträumt Autodesigner zu werden, baut er seine oftmals phantastisch anmutenden Objekte 1 jetzt real, kann in seinen Entwürfen die engen Regeln des Machbaren aber übertreten. Bei ihm bekommt das nicht Mögliche eine Form. Bei den Höllenfahrzeugen wie bei seiner Plastik im öffentlichen Raum mit dem Titel „Manta“ oder auch in seinen Zeichnungen wird ein bestimmtes Lebensgefühl angesprochen. Schnell denkt man an Fuchsschwanz und Halbstarke. Stefan Rohrer verarbeitet vielleicht auch das in seiner Jugend fehlende Bonanza–Rad, das seinem Fahrer, gleichgültig welchen Alters, allein schon durch die Haltung am Lenker vollendete Lässigkeit und damit das unmittelbare Gefühl von absoluter Freiheit und Unabhängigkeit verleiht. „Manta gegen Capri“, Roheres Zeichnungen aus Altöl mit Bleistift nehmen genau dies auf. Von weitem nur als braun-graue Formation, als Fleck erkennbar, fügt sich die Form beim Nähertreten zur Karosserie. Um diese legt sich als zarter Kranz ein Rand aus Altöl. Der Ford Capri war in den 60er und 70er Jahren der Untersatz für den rasanten Fahrer, im Rausch der Geschwindigkeit dann von Ferrari und Porsche kaum zu unterscheiden. Die Dinge tun bei Stefan Rohrer etwas, was sie gemein nicht tun oder besser gesagt nicht tun dürfen. Züge, Autos, Motorräder flitzen aus ihrer Form heraus, pfeilschnell verschlanken sie sich, verwickeln, entblättern oder spreizen sich. Die Geschwindigkeit macht mit ihnen was sie will. Das Unmögliche wird ausprobiert, die Schwerkraft außer Gefecht gesetzt. Mit Tempo kommen einem seine Arbeiten entgegen, sind voller Dynamik und Kraft. Die Bewegung macht etwas mit ihnen, sie verselbstständigt sie und lässt sie zu einem eigenwilligen und autarken Körper werden. Bewegung heißt hier Fantastisches, Unmögliches, wenn der Golf sich im Strudel nach oben schraubt, pirouettengleich. Oder der signalrotorangefarbene Roller hier im Foyer sich loupingartig nach oben kringelt oder einer Blume gleich elegant das Blütenblatt spreizt. Glänzend und verführerisch zieht der Roller die Blicke auf sich, reizt durch Form und Vermögen. Wie gerne befühlen vornehmlich männliche Besucher den gelängten Hals des Gefährts und seinen Lenker, prüfen die Reifen oder (!) klopfen gegen die Karosserie. Die Bewegung in Stefan Rohrers Arbeiten wirkt gelenkt und willkürlich zugleich. Alle nehmen eines in sich auf: die Ästhetik der Bewegung und die gleichzeitige Gefahr derselben. Der „ICE“, das Wandobjekt hier auf der Seite, erscheint von weitem wie ein Fries, ein fast abstraktes Gebilde, das sich aus Fläche und Linie zusammensetzt. Es beschreibt in seiner Anlage und Form die des verunglückten ICE von Eschede. Das Bild des aus den Gleisen gesprungenen Zuges, der ineinanderverschachtelten 2 und gedrückten Wagons prägte sich durch die Medien ein. Rohrer setzt als Bildhauer an, experimentiert mit dem Zusammenspiel von Faltungen, Schichtungen, dem Zusammen und Auseinander einer Form. Gezogen und gedrückt zugleich wird der Zug zum Relief. Von weitem ist seine gestauchte Mitte wie der Ausschlag des Herzens in einer EKG-Linie zu lesen. Abstraktion und Gegenständlichkeit liegen dicht beieinander und lassen Raum für eigene Assoziationen. In Rohrers Werken trifft die Ästhetik der Bewegung auf die Gefahr, die sie ausübt. Denkt man in einem Moment an die Schönheit der Form, der Bewegung, muss man im nächsten an die Konsequenz derselben denken. Wohin mit der Pirouette, die der Golf oder die Vespa dreht? Zuerst verführt beim Betrachten der Lauf der Bewegung, ihre Ästhetik, fasziniert folgt man den Linien, geht der Form nach, um dann zu überlegen: wohin nur damit? Seine Objekte können sich in Länge und Breite ziehen, jegliche irreelle Bewegung wird umgesetzt, seine Vespa ist somit wie der Superheld in einem Comicstrip, der eben noch ganz real und menschlich sich mit übernatürlichen Kräften nun in die Lüfte schwingt. Die Details verraten das Verborgene, erzählen ein bisschen von der Sehnsucht, wie die Zierleiste an den Rockschößen der Vespa oder die Lederfransen am Lenker des Schubkarrens. Ein bisschen größer und schneller und damit auch auffallender sein zu wollen ist fast schon ein menschlicher Zug. Während Stefan Rohrer hier der klassisch männlichen Manier etwas zu verschönern, aufzumotzen doch sehr nahe kommt, zeigt Gabriela Oberkofler dies klar weiblich konnotiert. Ein Traum in Rosa: Taftstoff umspielt die spiegelnd glänzende Oberfläche des Tisches, blinkende Leuchtschrift, Fläschchen an Fläschchen aneinandergereiht, Wattebäusche – Gabriela Oberkofler verführt uns in ihrem Nagelstudio mit seiner eigenen plüschigen Aura. Der Gast nimmt Platz auf dem weiß-rosa Hocker und legt die Hand auf – auf ein Kissen. Jetzt legt die Künstlerin Hand an, durchaus ein Moment der Intimität des Austausches, der Nähe. Zuvor hat der Gast die Qual der Wahl. Einen Ritt durch die Kunstgeschichte unternimmt die Künstlerin, nicht rot oder durchsichtig, dezent oder knallig ist die Frage sondern Dürer oder Mondrian. Man kann sich Günther Üecker`s Nägel in ebensolche schlagen, Lucio Fontanas Schlitz in sich aufnehmen, sich für Rothkos meditative Farbverläufe oder für Sylvie Fleurys Puschelpelz entscheiden. Marginale Standpunkte der Kunstgeschichte werden im doppelten Sinne greifbar, in minutiöser Kleinarbeit auf den Nagel gepinselt, geht der Träger mit einem Meilenstein der Kunstgeschichte nach Hause. Monets Seerosenteich auf dem Zeigefinger 3 gebannt, eine Strickarbeit von Rosemarie Trockel, Duchamps Pissoir oder doch das Beuysche Fett? Ordentlich aneinandergereiht stehen die Kunstwerke in der Vitrine, sorgsam mit Glas geschützt. Und doch werden sie vergänglich sein, so sehr der Träger auch sorgsam mit ihnen umgehen wird, ein falscher Griff und das Yves Klein Blau splittert, der Schrei Munchs bekommt einen Riss. Das sorgsam Aufgemalte hat temporären und damit vergänglichen Reiz – nur für kurze Zeit kann man ein Kunstwerk sein Eigen nennen. Mit Ironie nimmt sich Gabriela Oberkofler dem Thema der Verschönerung an und überspitzt deren Bedeutung. Bedenkt die allgemeine Besucherin eines Nagelstudios vor ihrer Sitzung die Komplexität des Beuysschen Gesamtwerks oder die Bedeutung des Aktes der Schlitzung der Leinwand für die gesamte Kunstgeschichte? Oder könnte nicht eher eine Diskrepanz bestehen zwischen der Kunstauffassung der Besucherin und dem was Gabriela Oberkoflers Nagelstudio hier bietet. In ihrer Herangehensweise verweist sie auf eine lange Tradition innerhalb der Kunst, indem sie mit bereits Vorhandenem umgeht und Kunst über Kunst thematisiert. Sich an den Vor-bildern abzuarbeiten, sie in einen neuen Kontext zu stellen, sie und ihre Stellung zu hinterfragen. Wie es Marcel Duchamp mit seiner bärtigen Mona Lisa tat, wie der Dürerhase von Dieter Roth, Sigmar Polke und Ottmar Hörl auf unterschiedlichste Weise umformuliert wurde und wie Marlene Dumas gleich die gesamte Kunstwelt in Monets Seerosenteich stellt. (Oder Sylvie Fleury, die Piet Mondrians minimalistische Rasterung in Plüsch umsetzt.) Eine Frage sei dennoch gestellt, was bewegt die Frau an sich, ein Nagelstudio zu betreten, welchen Sinn soll die Verlängerung, Modellierung mit künstlicher Materie haben? Ist auch hier ein verborgenes Verlangen der Grund, eine Verheißung danach anders zu sein, hervorzutreten aus der Masse? Und ist es nicht auch eine immer wieder neue Suche nach Identität, wenn man sich meint ständig neu erfinden oder formen zu müssen. Ein Bedürfnis muss damit gestillt werden, betrachtet man die Anzahl der wie Pilze aus dem Boden schießenden Nagelstudios. Gabriela Oberkofler gibt dieser Sehnsucht ein Äußeres. Auch die Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury kreist in ihren Arbeiten um die Begierde nach dem Schönen und Glamourösen – Luxus Konsumgüter werden in den Kunstkontext transferiert. Peter Weibel konstatiert, dass Fleury „an die utopischen Hoffnungen und Wünsche auf Lebenserfüllung erinnere, die die populäre Kultur – wenn auch in verzerrter Form – verspricht. 4 Die Dolomiten – hoch, gewaltig, imposant, im Kameraflug bewegen wir uns um die 7 Zinnen und die Seiser Alm in Südtirol, dazu grüne Wiesen, Sonnenuntergang und ... Musik. Betrachtet man Gabriela Oberkoflers Videoarbeit, vielleicht auch mehrere Male, dann begibt man sich in diesen Strudel aus Pathos, Kitsch und Gefühl. „Jedes Abendrot ist wie ein Gebet“ singt die Künstlerin im Duett mit dem Sänger der Kasthelruter Spatzen Seite an Seite. Im Dirndl reiht sie sich ziehharmonikaspielend ein in die Runde der Musiker. Die Schürze weht im Wind, die Berge erglühen im Abendrot und die Künstlerin reitet zum Refrain auf dem Haflinger durch den Schnee. Auch hier überspitzt sie, trifft den Ton so präzise. Und doch lässt sie dem Gefühl noch seinen freien Lauf. Denn man muss nach einem ersten Einblick in die Arbeit noch ein zweites Mal hinsehen und kann dann nicht genug bekommen. Aber warum? Weil die Ironie so trifft oder man gar Gefallen findet? Heimat ist das immerwiederkehrende Thema in Gabriela Oberkoflers Arbeiten und wie sehr ist ein Heimatgefühl, das Heimweh mit der vertrauen Umgebung verbunden. Mit Ernsthaftigkeit, Witz und Ironie zugleich nähert sie sich immer wieder diesem Thema und erforscht es auf eigene Weise. Sich einer Sache vertraut zu fühlen und doch seine Strukturen auf die Schippe zu nehmen, das versteht sie in einer wunderbaren Mischung aus Nachdenklichkeit und Leichtigkeit umzusetzen. Ihre Arbeiten sind mit einem Augenzwinkern der besonderen Art versehen. Dieses findet man sicherlich auch in den Ahnenportraits. Ziege und Kuh verewigt. Wie in traditionsreichen Gemälden Adelige und Repräsentanten des Königshauses sehen wir aber hier das Portrait eines Tieres. Und dann auch noch Ziege und Kuh. Nach längerem Hinsehen vermenschlichen sich die Züge, bis man sich nicht ganz so sicher ist, vielleicht doch eine junge Frau vor sich zu haben. Die Mimik verschwimmt: das Neigen des Kopfes, die Art zu lächeln, sich zu kleiden wirkt selbstbestimmt und selbstgewählt. Geheimnisvoll erscheint die Ziege, ihr Blick fast dämonisch. Wer stand nicht schon vor dem Portrait eines Fürsten, einer Gräfin und erdachte sich das dazu passende Leben. Ein merkwürdiges Eigenleben entwickelt sich, nur der eine Blick des Gegenübers erzählt Geschichten. Verborgenes kann in einem angedeuteten Lächeln, einem Glanz in den Augen angedeutet werden, ist da und doch nicht da. Gabriela Oberkofler zeichnet ihre Ahnenportraits wie auch die Kuhzeichnungen mit Filzstift, dessen Qualität einen besonderen Reiz ausmacht. Schrill und fein zugleich kommen sie daher, sind auch hier mit großem Ernst und Witz versehen. Wenn sich der Schmuckrahmen im Blümchenmuster artig um das Portrait legt, dann sind hier 5 Niedlichkeit und Vorsicht ganz nah beieinander. Ist alles wirklich rosa geblümt oder auch hier nur eine Verkleidung? Darunter doch der Wolf im Schafspelz? Auch Rosa, die Kuh, hier in Variationen und Kostümen, wirkt menschlich. Auch sie hat sich geschmückt. Blickt sie einem en face entgegen, leicht misstrauisch und unverständlich, dann hat sie auf der nächsten Zeichnung einen träumerischen Ausdruck, den ihre langen Wimpern, die großen Augen und der rote Kussmund unterstreichen. Mit Blümchen am Horn und Ponyfrisur, das Fell mit Ornamenten besetzt, flirrt ihr das Muster beschwingt um die Ohren. Entweder die Hörner mit Pelz oder fingernagelgleich mit Lack versehen bekommt der menschliche Drang nach ständiger Verschönerung ein wunderbares Ebenbild. Gabriela Oberkofler und Stefan Roher untersuchen beide Strukturen und Formen, experimentieren mit dem Vorhandenen und seinen Möglichkeiten, mit einem gewissen Hang zur Verspieltheit lassen sie uns Raum für eigene Entdeckungen. 6