Wenn ich Du wär - Junges Theater Bonn
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Wenn ich Du wär - Junges Theater Bonn
Das JUNGE THEATER BONN präsentiert: Das Material ist konzipiert... • ...für die Jahrgangsstufen 7 bis 10 • ...für verschiedene Fächer, insbsd. - Deutsch - Sozialkunde / Politik - Erziehungswissenschaften - (praktische) Philosophie / Ethik - Religion Didaktisches Begleitmaterial für die Behandlung von Wenn ich Du wär im Unterricht von Reimar Seibert-Kemp Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, wie schon zu vielen Produktionen in der Vergangenheit präsentieren wir Ihnen wieder ein umfangreiches Materialheft zu unserer aktuellen Produktion Wenn ich Du wär. Mit der Premiere dieses Stückes steht die Uraufführung eines Bühnenstücks bevor, das auf ungewöhnliche Weise entstanden ist – und hoffentlich auf ganz besondere Weise bei unserem Publikum ankommt! Wir haben uns entschieden, eine Gruppe erfahrener jugendlicher Schauspieler/innen unseres Theaters in die Ideenfindung und die Entwicklung dieses neuen Stücks mit einzubinden. Herausgekommen ist ein Stück, von dem wir hoffen, dass es die Zuschauer besonders ansprechen wird. Wir würden uns freuen, wenn wir Sie mit diesem Materialheft bei der unterrichtlichen Vor- oder Nachbereitung Ihres Besuchs unserer neuen Produktion unterstützen können. Wenn ich Du wär erzählt die fiktive Geschichte des 15-jährigen Jan, eines ‚ganz normalen‘ Teenagers, dessen größte Sorge es bis dato ist, wie und wann es ihm endlich gelingt, mit seiner Freundin Lea zu schlafen. Bis zu dem Tag, an dem er Jeremiah kennen lernt, einen etwa gleichaltrigen Jungen, der – nach Abschiebung seiner Eltern in ihre Heimat, den Sudan – nun alleine illegal in Deutschland lebt. Jan ist fasziniert von Jeremiah und dem Geheimnis, das ihn zunächst umgibt. Er gerät darüber in Konflikte sowohl mit seinen Freunden als auch mit seiner Freundin Lea – und die technischen Errungenschaften des Internets machen das Ganze nicht unbedingt einfacher... Für Jan wird der Gedanke 'Wenn ich Du wär' zur schwierigsten Frage seines Lebens. Aufgrund der aktuellen und vielseitigen Themen des Stücks eignet es sich besonders gut für die Behandlung im Unterricht. Es geht um Migration, Asyl und illegales Leben in Deutschland, um Kommunikation im Internet in Sozialen Netzwerken und Cybermobbing, vor allem aber geht es um Freundschaft, Ehrlichkeit, Vertrauen und Liebe. Das didaktische Begleitmaterial will zur Behandlung von Wenn ich Du wär und seinen Themen insbesondere in den Fächern Deutsch, Religion, (praktische) Philosophie/Ethik, Sozialkunde/Politik und Erziehungswissenschaften der Jahrgangsstufen 7 bis 10 anregen. Die Broschüre besteht im Wesentlichen aus verschiedenen Arbeitsblättern, die Sie als Kopiervorlagen verwenden können. Die Arbeitsaufträge verfolgen z.T. einen fächerübergreifenden Ansatz und versuchen, analytisches mit handlungs- und erfahrungsorientiertem Arbeiten zu verbinden. Die Arbeitsblätter stellen keine Unterrichtsreihe dar, sondern ein Angebot zur eigenen Auswahl. Welche der Arbeitsblätter sich für welche Ihrer Lerngruppen eignen, können Sie natürlich besser beurteilen als wir, weswegen wir auch auf eine Kennzeichnung der Arbeitsblätter nach Fächern und Jahrgangsstufen verzichtet haben. Ergänzt wird das Material durch eine Sammlung interessanter Zitate von Jugendlichen zu den Themen unseres Stücks; sie stammen aus einer anonymen Online-Befragung, zu der das JTB aufgerufen hat. Am Ende stehen zwei Interviews: mit den jugendlichen Darstellern sowie mit Autor und Regisseur Moritz Seibert. Der Broschüre beigelegt finden Sie Anregungen für Nachgespräche von Schulklassen mit dem Theaterensemble. Sie finden diese Broschüre auch als pdf-Dokument zum Download unter www.jt-bonn.de. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auf dem beiliegenden Fragebogen von Ihrem Theaterbesuch und dem Einsatz des didaktischen Begleitmaterials berichten würden – womit Sie einen weiteren Theaterbesuch für Ihre Schüler/innen gewinnen können! Wir wünschen Ihnen viel Freude mit Wenn ich Du wär! Ihr Team vom Jungen Theater Bonn © Junges Theater Bonn und Reimar Seibert-Kemp, 2011 Die Arbeitsblätter dürfen zu Unterrichtszwecken kopiert werden. Herausgeber: Junges Theater Bonn, www.jt-bonn.de Der Autor, Reimar Seibert-Kemp, ist Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium in Köln-Weiden. Er ist in der Materialentwicklung tätig und erstellt seit 1998 didaktisches Begleitmaterial zu aktuellen Kinofilmen im Auftrag der Stiftung Lesen, seit 2003 auch zu Theaterproduktionen des JTB. Die Zitate aus dem Theaterstück sind entnommen Wenn ich Du wär von Moritz Seibert unter Mitarbeit von Jannik Beckonert, Gilda Masala, Carlo Hajek, Marie Bendig und Timo Rüggeberg (Alle Rechte beim Autor, 2011). Wenn ich Du wär... Das Stück Wenn ich Du wär „Wenn ich du wäre“ heißt ein eher harmloses Spiel, mit dem Teenager sich gegenseitig in die unmöglichsten, peinlichsten oder lustigsten Situationen bringen. Als der 15-jährige Jan den etwa gleichaltrigen Jeremiah kennen lernt, der aus Afrika stammt und sich illegal in Deutschland aufhält, wird der Gedanke ‚Wenn ich Du wär‘ zur schwierigsten Frage seines Lebens. Jan freut sich auf die Sommerferien: Seine Mutter muss nach einem Unfall überraschend zur Kur, seinen Vater kennt er gar nicht, für ein Ferienlager ist kein Geld da – er hat vier Wochen sturmfrei! Dass seine Freundin Lea bisher noch nicht mit ihm schlafen will, sollte sich also ändern lassen. Doch seine Zuversicht ist nur von kurzer Dauer: Eine merkwürdig gekleidete ältere Dame trifft ein und stellt sich ihm als seine Oma vor. Sie ist eigens aus Indien angereist, wo sie die letzten 20 Jahre in einer Hippiekommune gelebt hat. Jetzt will sie Haus und Sohn ihrer Tochter hüten. Jan findet seinen ersten Eindruck, dass sie dafür völlig ungeeignet und somit hier überflüssig ist, bald bestätigt: Seine Oma trägt ihm auf, ‚Gras‘ für sie zu besorgen. Bei dem Versuch, Omas Wunsch zu erfüllen, lernt Jan Jeremiah kennen, einen etwa gleichaltrigen Jungen, der offensichtlich aus Afrika stammt, aber fließend Deutsch spricht. Jan ist fasziniert von ihm und von dem Geheimnis, das ihn umgibt. Er folgt ihm heimlich und findet heraus, dass Jeremiah in einem Bretterverschlag haust und sich vor der Polizei verstecken muss, weil er illegal und völlig allein in Deutschland lebt, nachdem seine Eltern schon vor längerer Zeit in ihre Heimat, den Sudan, abgeschoben wurden. Nach und nach gewinnt Jan Jeremiahs Vertrauen und Freundschaft und kann ihn überreden, erst mal völlig geheim bei ihm zuhause unterzukommen. Durch einen dummen Zufall bekommen aber Jans Freundin Lea und sein Freund Robin heraus, dass Jan einen fremden Jungen bei sich beherbergt. Der Fall scheint klar: Jan ist schwul. Dank Facebook weiß das bald die ganze Klasse. Länger bei Jan zu bleiben, scheint keine Lösung zu sein, denn auch alte Bekanntschaften holen Jeremiah ein und bringen beide in höchste Gefahr... • • • • • Tauscht euch aus zu dem Spiel „Wenn ich du wäre“: Kennt ihr das Spiel? Könnt ihr seine Regeln erklären und Beispiele für die Aufgaben geben, die sich Jugendliche dabei stellen? Wo liegt der Unterschied zu „Wahl, Wahrheit oder Pflicht“? Was macht den Reiz aus? Habt ihr das Spiel selbst schon einmal gespielt? Haltet ihr das Spiel für harmlos? Wenn keiner von euch das Spiel kennt, informiert euch im Internet; bei YouTube und unter www.mtvhome.de (Joko und Klaas) findet ihr gefilmte Beispiele. Wenn ihr mögt, spielt das Spiel selbst einmal in der Klasse. VERBOTEN sind dabei Aufgaben, die mit Gefahren verbunden sind, zu Beleidigungen oder Beschädigungen führen, die die Mitspieler entwürdigen oder zu verbotenen / kriminellen Handlungen anstiften! Tauscht euch über das Erlebte aus. Lest euch die Inhaltsangabe des Stücks durch (s.o.) und erstellt ein MindMap mit allen Themen, die in dem Stück von Bedeutung sind. Tragt eure Themen zusammen und erklärt die Bedeutung der Themen für das Stück: Welche Themen sind für das Stück (wohl) besonders wichtig? Der Lernprozess der Inwiefern? Über welche Themen wisst ihr mehr, über welche weniger? Hauptfigur Jan ist meiner Welche der Themen interessieren euch am meisten? Meinung nach das Wichtigste am Stück. „Wenn ich JAN / JEREMIAH wär“: Stellt euch vor, ihr wäret Jan oder JereUm jemandem zu helfen, miah. Mit welchen Problemen / Konflikten werdet ihr in dem Stück konfronvernachlässigt er sein tiert? Wie würdet ihr in diesen Situationen handeln? Was glaubt ihr: Wie Ansehen bei anderen, wird das Stück für Jan / Jeremiah ausgehen? insbesondere bei Wenn ihr das Stück gesehen habt, tauscht euch dazu aus (z.B. in einem seinen Freunden. Stuhlkreis: die folgenden Fragen stehen auf A4-Karten, die in der Mitte auf Jannik Beckonert (15): JAN dem Boden liegen: einer fängt an, indem er eine Karte aufnimmt und sich zu der Frage äußert – nun wird die Karte herumgereicht, bis jeder, der möchte, sich dazu geäußert hat – dann nimmt jemand die nächste Karte – und so weiter): Wie hat euch die Story gefallen? Fandet ihr die Figuren überzeugend? Welche Szene ist eure Lieblingsszene? Wie findet ihr das Ende? Hat euch die Behandlung der verschiedenen Themen in dem Stück überzeugt? Ist die Handlung realistisch? ROBIN (zu LEA): Wenn ich Du wär, würd ich mir jetzt mal schnell den BH ausziehen... LEA (zu JAN): Wenn ich Du wär, würd ich jetzt die Hand da wegnehmen! Wenn ich Du wär, Sz. 2 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -3- Asyl – Wo Menschen Rechte suchen... Der griechische Begriff ‚Asylon‘ bezeichnet ursprünglich einen heiligen Ort, dessen Unverletzlichkeit es verbietet, Personen oder Sachen mit Gewalt von ihm zu entfernen, Zuwiderhandlung ist sakraler Frevel. Schon früh in der zivilisatorischen Entwicklung entstand ein Bedürfnis nach solchen ‚Freistätten‘. Heute bezeichnet der Begriff vor allem die Gewährung des Schutzes einer in ihrem eigenen Land verfolgten Person durch ein anderes Land. Die aktuelle Debatte um den Umgang mit den Flüchtlingsströmen besonders aus dem krisengezeichneten Kontinent Afrika zeigt die Wichtigkeit, aber auch die Problematik, die daran geknüpft ist... Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, Bürgerkriege – sie zwingen viele Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Doch wer zuhause schutzlos ist, sollte dies nicht in der Fremde sein. Internationale flüchtlings- und menschenrechtliche Verträge verpflichten Aufnahmestaaten, diese Menschen zu schützen. So auch in der Europäischen Union. Als der Europäische Rat im September 2008 seinen Pakt zu Einwanderung und Asyl verabschiedete, kündigte er an, ein „Europa des Asyls“ schaffen zu wollen. Soweit die politische Absichtserklärung. Ein Europa des Asyls müsste denen Schutz bieten, die ihn brauchen. Aber die Praxis sieht anders aus. Europäischen Regierungen geht es eher darum, die Zahl der Asylbewerber möglichst gering zu halten. Europas Grenzen sind kaum noch erreichbar. Wer es trotz Frontex-Patrouillen und restriktiver Visa-Bestimmungen dennoch schafft, muss sich gegen abweisende Verfahrensvorschriften und unter abschreckenden, oft unmenschlichen Aufnahmebedingungen behaupten. Kurzum: Abwehr statt Schutz ist die Devise. Tillmann Löhr, Schutz statt Abwehr – Für ein Europa des Asyls, Berlin, 2010, S. 8f. • • • • • Was beklagt T. Löhr in dem oben stehenden Textauszug? Was wisst ihr über die aktuelle Migrations- und Asylproblematik in Europa? Recherchiert (Stichwort: ‚Lampedusa‘). Wie kommt es zu der Abwehrhaltung? Informiert euch knapp über folgende Begriffe zum Thema Asylpolitik in Deutschland (und Europa) und versucht gemeinsam, die Zusammenhänge zu verstehen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Art. 14,1 und Genfer Flüchtlingskonvention – Asylrecht und Grundgesetz Art. 16A – Schengener Abkommen und Visumspflicht – Transitländer und (sichere) Drittstaaten – Frontex – Asylantrag und Asylverfahren – Flüchtlingslager und Asylbewerberheim – Ausweisung, Abschiebung, Zurückschiebung, Rück(über)führung und Rücknahmeabkommen – Aufenthaltstitel, Duldung und Bleiberecht – Wirtschaftsflüchtling, irreguläre Migration und sans papiers – illegale Migranten und Übermittlungspflicht öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörden Lest nun unter folgendem Link den Text der Bundeszentrale für politische Bildung zum Asylgrundrecht in Deutschland (mit dem Quellentext „Entwertung eines Grundrechts“) und versucht, den Inhalt zusammenzufassen: http://www.bpb.de/publikationen/45K092,16,0,Die_einzelnen_Grundrechte.html#art16 Informiert euch über aktuelle Zahlen abgelehnter und bewilligter Asylanträge in der Bundesrepublik und diskutiert die Situation in Deutschland. Hat Christian Bommarius (Quellentext – Internetlink: s.o.) Recht, wenn er behauptet, das Grundrecht auf Asyl sei in der Bundesrepublik de facto beseitigt? Lest die folgenden Zitate zum Thema und erklärt ihre jeweilige Aussage in eigenen Worten. Erstellt arbeitsteilig Bilder / Karikaturen zu den Zitaten, die deren Aussage bildlich veranschaulichen. Wer an schiffbrüchigen Flüchtlingen vorbeifährt und sie ersaufen läßt, ist ein Unmensch. Der Mensch aber, der sie aus dem Meer fischt und an Land bringt, wird verhaftet. Diese teuflisch-absurde Alternative kennzeichnet Geist und Praxis des europäischen Asylrechts. Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung (2004) Ob wir unser Wohlergehen in Europa langfristig sichern können, hängt auch vom Wohlergehen Afrikas ab... Die Bootsflüchtlinge zeigen: Armut braucht zum Reisen keinen Pass. Horst Köhler, ehem. Bundespräsident (2006) Heute fahren größere Schiffe einfach an kleinen Booten vorbei und ignorieren alle Hilferufe, weil sie automatisch davon ausgehen, dass darin illegale Migranten sitzen. Das verstößt gegen das Völkerrecht! Navanethem Pillay, UN-Kommissarin für Menschenrechte (2009) Lampedusa ist ein Testgelände für unsere Selbstdefinition als Europäer, für unser Verständnis von Europa. Dieser Fels im Mittelmeer ist so etwas wie ein Brennglas der Gegenwart. Heidrun Friese, Ethnologin (2009) zitiert nach www.borderline-europe.de • Diskutiert: Seht ihr eine Chance für ein „Europa des Asyls“ (vgl. oben im Text von T. Löhr)? Wie könnte es aussehen? Welche Schwierigkeiten und Interessen stehen dem entgegen? JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -4- Asyl...illegal – egal!? Die genaue Zahl illegal in Deutschland lebender Migranten ist nicht bekannt. Schätzungen zufolge liegt sie bei 500 000 bis 1,5 Millionen. Ein Großteil von ihnen sind Menschen, die aus politischen oder wirtschaftlichen Nöten heraus ihre Heimat verlassen haben. Entweder sind sie direkt illegal ins Land gekommen oder sie hatten zunächst legalen Status (mittels Touristenvisum oder Asylantrag), sind dann aber untergetaucht. Sie leben im Verborgenen, müssen z.T. menschenunwürdigen Tätigkeiten nachgehen, für die sie schlecht bezahlt werden, genießen keinerlei Schutz und leben in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Es ist immer wieder beeindruckend, dass die deutsche Öffentlichkeit, und in der Folge häufig auch die deutsche Politik, weitgehend einhellig für das Bleiberecht eines irregulären Migranten votiert, wenn dessen individuelles Schicksal und dessen individuellen Motivund Bedürfnislagen bekannt und nachvollziehbar werden. Daraus mag gefolgert werden, dass – anders als der Gesetzgeber – die deutsche Öffentlichkeit in dem Bemühen der Migranten, für sich und ihre Angehörigen ein halbwegs zufriedenstellendes und angstfreies Leben zu organisieren, selbst dann keine besonders strafwürdige Handlung sieht, wenn dies den individuellen Umständen entsprechend nur durch einen illegalen Grenzübertritt oder illegalen Aufenthalt möglich ist. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in Illegalität – Grenzen und Möglichkeiten der Migrationspolitik, Wiesbaden, 2006, S. 123f. • Lest euch das oben stehende Zitat durch und versucht zu erklären, wieso die Öffentlichkeit (und auch Politiker) in der beschriebenen Weise urteilt, obwohl es sich um Illegalität handelt. Was zeigt sich an dem Auseinanderklaffen von Recht/Gesetz einerseits und menschlicher Einschätzung andererseits? Recherchiert die Gründe und Befürchtungen, die zur aktuellen strengen Rechtslage/-praxis geführt haben. Teilt ihr diese Befürchtungen? Welche Gegenargumente gibt es? Lest euch den unten stehenden, aus der Perspektive eines Migranten geschriebenen Text von Björn Bicker durch und fasst seine Erlebnisse und Gedanken zusammen. Wie wirkt der Text auf euch? Versucht zu erklären, wie es zu dieser Wirkung kommt. Übt anschließend in Kleingruppen, den Text besonders gefühlsbetont vorzulesen, und präsentiert ihn den anderen Gruppen. Habt ihr Verständnis für die Gefühle des Sprechers sowie die Entscheidung unterzutauchen? Wie mag der Weg weitergehen? Schreibt Fortsetzungen der Erzählung. • • • • 1 5 10 15 20 25 30 nach der landung der blick aus dem fenster. die rollbahn der graue himmel. der begleiter gibt ein zeichen mit der hand. ihm folgen. das erste was du draußen spürst ist wärme. keine hitze. frische wärme. der wind bleibt kühl in deinem dunklen haar hängen. wie in den bergen. das gefühl so frei wie nie zuvor in deinem leben. ein kurzer moment freiheit. das absolute glück. der blick auf ein neues land. ein neuer mensch in einem neuen land. ein regentropfen kurz vor dem aufprall. die angst ist weg. die angst ermordet zu werden. dann auf einmal die neue angst. ein neuer mensch mit einer neuen angst. die angst zurückgeschickt zu werden. die männer hinter dir drängeln. die treppe ist steil. du sitzt in einem bus und liest deutsche wörter. während der fahrt bitte nicht mit dem fahrer sprechen. zwei männer summen. notfallhammer. noch ein deutsches wort. du siehst eine stadt. auf einem parkplatz halten sie an. sie sagen es noch mal. geh zu einem polizisten und sag das eine wort: asyl. dann schicken sie dich nicht zurück. dann fragen sie dich wo du herkommst. dann sagst du. dann sagst du. ich bin gefoltert worden. dann zeigst du ihnen die zeitung mit deinem namen. du willst nicht aus diesem bus raus. es ist nacht. die angst ist eine summe. eine summe aus allen ängsten die du kennst. sie ist dein zweiter körper. ein körper aus angst. und einer aus fleisch. das bist du. der neue mensch. der bus steht. die türen gehen auf. einer sagt das ist kein film. du sagst asyl. sie schicken dich nach hannover in ein lager. sie fragen hast du eine quittung dass sie dich gefoltert haben. du verstehst nicht was sie meinen. eine quittung dass sie dich gefoltert haben. eine quittung von wem. was weiß ich. nachweis. von der polizei. zum beispiel. du sagst die haben dich geschlagen. wo steht das. nirgends. schlecht. hier ist das drin in deinem kopf. erinnerung ist lüge. das genügt nicht. das kann jeder sagen. quittung. der beamte hat wirklich gesagt quittung. jeder kann das sagen ich bin gefoltert worden. sie sagen die zeitung ist gefälscht. sie sagen du hast dich vorbereitet. du kannst unsere sprache. sie sagen du hast nur einen plan: in deutschland bleiben. du sagst dass du eine schule besucht hast. du erzählst von deinem lehrer. sie sagen das interessiert uns nicht. warum haben sie dir nicht den roten teppich ausgerollt. sie reden von demokratie und freiheit und rechten. du hast tote männer aus dem staub geborgen. du hast kinder in erdlöchern versteckt damit sie das gas nicht einatmen. du hast geschossen. du hast gekämpft. für die freiheit. und als sie dir gesagt haben kämpf weiter. für allah. hast du nein gesagt. und dann bist du zu teuer geworden. und dann bist du weg. die einzige frage aber ist wirst du abgeschoben oder wirst du nicht abgeschoben. sie haben deinen vater umgebracht. deine schwester. sie haben dich gesucht in allen häusern deiner stadt. hier sagen sie der bürgerkrieg ist vorbei. diese leute die den tod nicht kennen. ... du sitzt hier in diesem container und wartest auf die entscheidung. du hast die nase voll. niemand soll über dich entscheiden. du hast einen einfachen traum. du sagst deinem freund ich werde studieren. dein freund hält dich für verrückt. du sagst deinem freund ich werde in münchen studieren. er sagt das ist verboten. du darfst diese stadt nicht verlassen. du musst warten bis sie entscheiden ob du bleiben darfst. du sagst ich glaube nicht an ihre gesetze du sagst dass du leute kennst in münchen. dein freund fragt. wo ist das. du sagst. ab jetzt bin ich illegal. Björn Bicker, illegal – wir sind viele. wir sind da. München, 2009, S. 17-20 Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott. Altes Testament, 3. Mose 19,34 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -5- Es fehlt etwas. Wenn ich Du wär, Sz. 8 (Auszug) JAN: Warum seid ihr denn eigentlich abgeschoben worden? JEREMIAH: Hab ich auch nicht ganz verstanden. Wir haben zehn Jahre lang hier gelebt, das hat keinen gestört… Aber jetzt können wir angeblich wieder im Sudan leben, weil der Bürgerkrieg aufgehört hat. JAN: Aber? JEREMIAH: Wir sind Christen. Deswegen sind wir ja geflohen. Die hätten uns sonst umgebracht. JAN: Wer – die? JEREMIAH: Im Prinzip die Regierung. Die geben das zwar nicht zu, aber sie bezahlen die, damit sie uns umbringen. JAN: Und warum? JEREMIAH: Keine Ahnung. Ich hab mich da nie besonders für interessiert… JAN: Und wie seid ihr nach Deutschland gekommen? JEREMIAH: Ganz normal… Mein Vater hat einen bezahlt, der hat uns mit dem LKW nach Tunesien gebracht, und von da sind wir mit einem Schiff nach Italien. Ich kann mich da nicht mehr dran erinnern. JAN: Glaubst du, du wirst sie wiedersehen? JEREMIAH: Wenn sie noch leben…? – Vielleicht irgendwann. Hoffentlich. • • • Lest den obigen Auszug aus Wenn ich Du wär, Szene 8 in Partnergruppen mehrfach mit verteilten Rollen laut vor. Tauscht dabei auch die Rollen und experimentiert mit ganz verschiedener Art der Betonung und Sprechweise. Tragt schließlich eine Version vor der Klasse vor und erklärt, warum ihr euch für die gewählte Vortragsweise entschieden habt. Welche Gefühle und Gedanken bringt ihr damit zum Ausdruck? Informiert euch über die aktuelle Lage im Sudan und deren Geschichte. Erstellt ein Informationsplakat, auf dem auch Daten zur Auswanderung von Flüchtlingen und deren Rückführung/Abschiebung enthalten sind. Passt Jeremiahs Familiengeschichte dazu? Was wir arbeiten. glaubt ihr: Warum ist Jeremiah noch in Deutschland? wir putzen. Wird er seine Eltern wiedersehen können? wir putzen eure wohnungen. Lest euch die Zitate von Flüchtlingen in Deutschland wir hängen am telefon. sowie das aus der Sicht eines illegal in Deutschland wir fragen wo das geld geblieben ist. lebenden Kurden verfasste Gedicht (rechts) durch. wir lachen mit euren kindern. wir bauen eure häuser. Was genau beklagen die Flüchtlinge? Könnt ihr ihre wir putzen die fenster von euren büros. Unzufriedenheit verstehen? Sollte der Staat ihnen wir laden eure lkws ab. helfen? Was könnte er tun? Warum tut er es nicht? „Sie sollen mir kein Geld geben, nur eine Arbeitserlaubnis.“ – „Ich darf mich nicht frei bewegen. Ich darf nicht reisen. Ich darf nicht arbeiten. Ich darf nicht lernen. Ich darf nur essen und schlafen.“ – „Ich habe nichts zu verlieren.“ – „Ich habe so viel Zeit verloren.“ – „Es fehlt etwas.“ Zitate afrikanischer Flüchtlinge in Deutschland, aus I Broke My Future – Paradies Europa (Dokumentarfilm von Carla Gunnesch, D 2007) • • morgens um vier. wir spülen eure teller. nachts um zwei. wir rennen weg wenn die kontrolle kommt. was wir nicht verraten. wo wir herkommen. wo wir wohnen. wer uns geholfen hat. ok. aus. aus. kurdistan. Sucht (oder erstellt) in Gruppen passende Bilder/ Fotos zu den Zeilen von Bickers Gedicht und erstellt eine Bild-Text-Collage, entweder auf einem Plakat zum Aufhängen oder als vertonte Diashow, die ihr Björn Bicker, illegal – wir sind viele. wir sind da. München, 2009, S. 14f. z.B. bei YouTube einstellen könnt. Präsentiert die Ergebnisse in der Klasse und kommentiert sie gegenseitig: Ist die Zusammenstellung von Text und Bild gelungen? Wie wirkt das Ergebnis auf euch? Erstellt zu zweit aus Jans und Jeremiahs oben stehendem Dialog ein Gedicht, angelehnt an Bickers Gedicht. Verfasst das Gedicht aus Jeremiahs Sicht. Druckt es aus und verteilt es in der Klasse oder tragt es euren Mitschülern mündlich vor. Worin ähneln und worin unterscheiden sich eure Gedichte? JAN (zu JEREMIAH): Wenn ich du wär, würd ich hier bleiben! Wenn ich Du wär, Sz. 13 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -6- Illegales Leben – illegale Kinder?!? Schließlich ist das ganze Sinnen und Trachten eines illegalen Migranten darauf ausgerichtet, um keinen Preis aufzufallen. ... Geh nach der Arbeit sofort nach Hause. Geh in der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße. Sei in der Wohnung so ruhig wie möglich. Beschwere dich nicht über laute Nachbarn. Meide den Hauptbahnhof mit seinen Zivilstreifen. Geh‘ nicht bei Rot über die Straße. Fahr‘ nie schwarz. Hab‘ im Kaufhaus immer alle Quittungen parat. Öffne nicht die Tür, wenn es überraschend klingelt. Melde dich am Handy nie mit Namen. Bewahre Pässe und Dokumente nicht zu Hause, sondern an einem sicheren Ort auf, denn wenn man deine Identität nicht feststellen kann, kann man dich auch nicht ausweisen. Zahle immer cash. Gib möglichst nie deine Adresse an. Und am wichtigsten: Lass dich in der Öffentlichkeit nie auf Streit oder Auseinandersetzungen ein. Will im Bus jemand deinen Sitzplatz, steh' einfach auf und sag' nichts. Gibt dir jemand zu wenig Geld heraus, schluck‘ es und mach‘ kein Aufhebens. Aus: Stefan Klein, "Die Angst vor roten Ampeln", Süddeutsche Zeitung, 20.10.2006 • • • • Lest den obigen Auszug aus Stefan Kleins Zeitungsartikel und versucht zu erklären, was er meint, wenn er an anderer Stelle in dem Artikel sagt: „Ein Leben als Illegaler muss man sich vorstellen wie Autofahren ohne Stoßdämpfer, wie Artistik ohne Netz.“ Was glaubt ihr: Was macht ein solches Leben mit einem Menschen? Sammelt mögliche Auswirkungen. Wo im Theaterstück Wenn ich Du wär wird deutlich, dass Jeremiah auch ein solches Leben führt? Was, glaubt ihr, geht in ihm vor, als er Jan trifft, der ihm Unterschlupf anbietet? Schreibt einen Tagebucheintrag oder inneren Monolog für Jeremiah. Die Illegalität führt nicht nur zu ständiger Furcht vor Entdeckung, sondern faktisch auch zum Einbüßen universeller Menschenrechte. Lest den folgenden Text und erklärt diesen Zusammenhang. Welche Probleme kommen so noch zu den oben genannten hinzu? Teilt ihr Josef Voß‘ Ansicht hinsichtlich einer anderen Aufgabenteilung im Staat? Tatsächlich können irreguläre Zuwanderer [ihre elementaren Menschenrechte] oft nicht durchsetzen. So sehen die aus dem alten Ausländergesetz unverändert ins Zuwanderungsgesetz übernommenen Regelungen vor, dass „öffentliche Stellen“ den Ausländerbehörden Personen melden müssen, wenn sie Kenntnis von deren fehlendem Aufenthaltstitel haben. „Öffentliche Stellen“: Das schließt Krankenhäuser bzw. deren Verwaltungen, Schulen und Gerichte ein. Und dies hat zur Konsequenz, dass medizinische Behandlung, Schulbesuch und das Einklagen von unterschlagenem Lohn nur unter dem großen Risiko möglich sind, entdeckt und ausgewiesen zu werden. Wir sind der Ansicht, dass die Kontrolle von Zuwanderung den dafür zuständigen Behörden (beispielsweise Polizei, Bundesgrenzschutz und Zoll) obliegt. Ärzte, Pädagogen und Arbeitsrichter haben hingegen andere Funktionen in der Gesellschaft zu erfüllen. Sie sollten nicht als Überwachungsapparat zur Kontrolle von Zuwanderung instrumentalisiert werden. Josef Voß (ehem. Weihbischof und Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz), in Illegalität – Grenzen und Möglichkeiten der Migrationspolitik, Wiesbaden, 2006, S. 28 Anm.: Es sei darauf hingewiesen, dass die Übermittlungspflicht für Schulen in den einzelnen Bundesländern gesetzlich unterschiedlich geregelt ist und dass die ärztliche Notfallversorgung in öffentlichen Krankenhäusern von der Übermittlungspflicht ausgenommen ist. • „Illegale Kinder“ – für viele eine absurde Vorstellung. Informiert euch über die UNKinderrechtskonvention und lest den neben stehenden Auszug aus dem Manifest des Schweizer Vereins für die Rechte illegalisierter Kinder. Würdet ihr eine solche Aktion in Deutschland unterstützen? Glaubt ihr, dass eine solche Aktion Chancen auf Erfolg hat? Plant und inszeniert ein Streitgespräch zwischen einem Kinderrechtler und einem Verfechter staatlicher Überwachung und Migrationskontrolle. KEIN KIND IST ILLEGAL. Kinder leben in einer Welt, die von den grossen Menschen mit Grenzen durchzogen worden ist. Sie haben sich nicht selbst entscheiden können, diesseits oder jenseits solcher Grenzen zur Welt zu kommen, respektive zu leben. Wir Unterzeichnenden stellen fest: • Es darf nicht sein, dass Jugendliche ihre schon gefundene Lehrstelle nicht antreten dürfen, weil ihnen keine Arbeitsbewilligung dazu erteilt wird. • Es darf nicht sein, dass 15-jährige Jugendliche ein Jahr lang in Ausschaffungshaft gesperrt werden. • Es darf nicht sein, dass Kinder, die in der Schweiz aufwachsen, Angst haben vor der Polizei. • Es darf nicht sein, dass Kinder nie ein anderes Kind zu sich nach Hause einladen dürfen, weil sie ihren Wohnort geheim halten müssen. • Es darf nicht sein, dass junge Menschen in der Schweiz von der Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben ausgeschlossen sind. • Es darf nicht sein, dass kranke Kinder nur im äussersten Notfall zum Arzt gebracht werden, weil das Risiko der Entdeckung zu gross ist. • Es darf nicht sein, dass unsere Migrationspolitik Kinder Infos zur Situation und Jugendliche diskriminiert. minderjähriger Flüchtlinge: Aus: Manifest Kein Kind ist illegal. des Vereins für die siehe www.proasyl.de (‚Themen‘ > ‚Basics‘) Rechte illegalisierter Kinder, Basel (Schweiz) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -7- Leben im Netz Nach der jüngsten Shell Jugendstudie Jugend 2010 (S. 96, 102 u. 104) haben 95-98 % der 12- bis 17-jährigen Zugang zum Internet. Die 12- bis 14-jährigen Jugendlichen sind im Schnitt 8,5 Stunden pro Woche online, bei den 15- bis 17-jährigen liegt der Wert bei 12,5 Std./Woche; das bedeutet einen durchschnittlichen Anstieg seit 2006 um 2,9 Stunden. Unter den häufigsten Freizeitbeschäftigungen aller Befragten (12- bis 25-jährige) liegen ‚Im Internet surfen‘ und ‚Sich mit Leuten treffen‘ mit 59 % gemeinsam auf Platz 1; 2006 lag das Surfen im Internet noch bei 38 %. Das Internet nimmt einen immer größeren Raum im Leben der Jugendlichen ein – das Internet biet aber auch zunehmend mehr Möglichkeiten – auch die, sich mit Leuten zu treffen... • Macht eine entsprechende anonyme Umfrage zu wöchentlichen Online-Zeiten in eurer Klasse/Schule und vergleicht die Ergebnisse mit denen der Shell Jugendstudie. Decken sich die Ergebnisse? Wie beurteilt ihr die Tatsache, dass Jugendliche immer mehr Zeit im Internet verbringen? Seht ihr darin eine Gefahr? • Internet und Handy haben das Leben in den letzten Jahren deutlich verändert: Jugendliche haben mehr Möglichkeiten, sie sind aber auch neuen Gefahren ausgesetzt. Füllt die folgende Tabelle mit Stichpunkten zu positiven und negativen Nutzungsmöglichkeiten aus und erläutert euch gegenseitig eure Einträge. Technologie Positive Nutzungsmöglichkeiten Negative Nutzungsmöglichkeiten Foto-Handys Instant Messenger u.ä. Chatrooms E-Mails Webcams Soziale Netzwerke (schülerVZ u.ä.) Video-Portale (YouTube u.ä.) Virtuelle Lernumgebungen Gaming-Seiten, Virtuelle Welten (World of Warcraft u.ä.) nach Was tun bei Cyber-Mobbing? – Zusatzmodul..., hg. klicksafe.de (22009), S. 6f. (kostenloser Download; dort Tabelle mit Eintragungen) • • • Erstellt einen „Ehrenkodex für verantwortungsvolle Internetnutzer“: Was ist erlaubt, was ist verboten? Könnt ihr euch ein Leben ohne Handy und Internet noch vorstellen? Erfindet einen typischen Tagesablauf für euch selbst, in dem Handy und Internet nicht vorkommen. Oder probiert doch einmal selbst aus, wie sich ein solches Leben anfühlt: Vielleicht einigt ihr euch in der Klasse auf einen handy- und Internet-freien Tag... Tauscht euch anschließend über das Erlebte aus: Was war gut, was war schlecht daran? Welche Rolle spielen Handy und Internet im Theaterstück Wenn ich Du wär? In welchen Szenen kommen sie vor? Werden sie positiv oder negativ genutzt? Welche Erlebnisse sind für die Hauptfigur Jan und die Handlung die bedeutenderen, die im „echten Leben“ oder die medialen? Entsprechend ist auch das Internet als Sozialisationsinstanz zu betrachten, das einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen hat. JIM-Studie 2010, S. 44 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -8- Internet Communitys – Mir gefällt das!? Wenn ich Du wär, Sz. 11A (Auszug) Dann setzt er [JAN] sich wieder an den PC. JEREMIAH sieht ihm unbemerkt über die Schulter. JEREMIAH: Was ist denn das? JAN: Mein bester Freund. JEREMIAH: Hast du das gemacht? JAN: Was? – Nee, die hat der selbst gemacht. Moment mal… Ich hab sie ihm nur geklaut. Scheiße, wie erklär ich dir das denn? Also mein bester Freund, die dumme Drecksau, hat mich beim Wichsen fotografiert – also ich hab nur so getan als ob, aber egal – jedenfalls hat er das Foto auf Facebook gestellt und seitdem krieg ich ständig Post von irgendwelchen Schwuchteln. Einer von denen nervt ständig, weil er unbedingt noch mehr so Fotos will… JEREMIAH: Versteh ich nicht… JAN: Der hat sogar Kohle dafür geboten… Ich schick ihm jetzt die von Robin, dann gibt er hoffentlich Ruhe. Dem ist garantiert egal, wer auf den Fotos ist… Und die hier gibt’s sogar gratis, und die Handynummer noch dazu. (zu JEREMIAH) Toller Service, oder? (tippt) Vielen Dank, und beehren Sie uns bitte nie wieder! (schickt die Mail ab) Die wichtigsten Tipps: JEREMIAH: Spinnst du? ¾ Hol dir Infos! Informiere dich vor der Anmeldung über JAN: Wieso? Sicherheitsfunktionen, Beschwerdemöglichkeit und JEREMIAH: Hast du dem jetzt echt die Bilder geschickt? Kosten. ¾ Schütz deine Daten! Bei der Anmeldung nur das NöJAN: Wer hat denn mit dem Scheiß angefangen? tigste angeben. Das Profil möglichst nur Freunden zuJEREMIAH: Trotzdem mies. • • • • gänglich machen und darin nicht zu viel preisgeben. Auf Fotos besser nicht erkennbar sein (z.B. mit SonnenLest den Auszug aus Wenn ich Du wär. Warum brille). sagt Jeremiah am Ende „Trotzdem mies“? Ver¾ Bleib misstrauisch! Du weißt nie, wer wirklich hinter sucht zu erklären, was genau sich zwischen Jan einer Internet-Bekanntschaft steckt – Profilfotos können und seinem besten Freund im Internet abgespielt geklaut sein. Keine Fremden als Freunde annehmen. hat und was Jan in dieser Szene tut. Nicht auf unbekannte Links klicken. ¾ Geh nicht allein! Bekannte aus dem Internet niemals Welche Rolle spielen Internet Communitys wie alleine treffen! Am besten Eltern mitnehmen und öffentschülerVZ oder Facebook in eurem Leben: Nutzt lichen Ort wählen. ihr sie überhaupt? Wenn ja, bei wie vielen seid ihr ¾ Lass dir nichts gefallen! Bei komischen oder unangeMitglied? Wie viel Zeit am Tag verbringt ihr dort? nehmen Nachrichten und Beiträgen: Kontakt abbrechen, Inhalte und User melden und mit den Eltern reWas macht sie attraktiv für euch? Erstellt eine den! Klassenstatistik auf einem Plakat. ¾ Aktiv werden gegen Mobbing! Nicht mitmachen bei Lest den Text aus der JIM-Studie (s.u.). Decken Lästereien. Fordere andere auf, mit den Beleidigungen sich die Ergebnisse mit euren Nutzungsgewohnaufzuhören oder informiere den Betreiber. heiten? Wie erklärt ihr den Erfolg von Facebook? ¾ Beachte Spielregeln! Keine ekligen Dinge einstellen oder verschicken. Keine Bilder von anderen hochladen, Habt ihr selbst schon negative Erfahrungen mit ohne sie vorher zu fragen. Auch Bilder von Stars sind dem Internet allgemein und speziell mit Internet meist urheberrechtlich geschützt. Communitys gemacht? Was ist passiert? Konnte Entnommen der Broschüre Sicher vernetzt – Kinder und Jugendliche in Internet-Communitys von jugendschutz.net das Problem gelöst werden? Wie? Wieso nicht? Lest die Tipps (siehe rechts) zur Nutzung von Internet Communitys und diskutiert den Sinn und Nutzen der einzelnen Tipps. Habt ihr noch weitere Tipps, die hier fehlen? Erstellt Plakate, auf denen ihr die Tipps mit Bildern, Symbolen, Icons o.ä. veranschaulicht, und hängt sie in der Klasse / Schule auf. Kommunikation – ob direkt oder indirekt, ob in eher öffentlichen oder in eher geschlossenen klicksafe.de bietet als kostenlosen Download Leitfäden zum Schutz der Privatsphäre Räumen – ist das zentrale Element der Internetnutzung Jugendlicher. ... Für den Großteil ... gilt, dass Online-Communities ganz selbstverständlich zum Alltag gehö- in Sozialen Netzwerken wie schülerVZ, ren. 71 Prozent suchen mindestens mehrmals pro Woche entsprechende Plattformen im Facebook u.a.: www.klicksafe.de Internet auf, wobei Mädchen dieses „Ritual“ stärker verinnerlicht haben als Jungen. Die jüngsten Onliner im Alter von 12 und 13 Jahren sind etwas weniger aktiv, aber auch hier zählt mehr als die Hälfte zu den intensiven Nutzern von Online-Communities. Die täglichen Besucher der sozialen Netzwerke – das sind mit 50 Prozent die Hälfte der Online-Nutzer – nutzen diese zu 41 Prozent nur einmal am Tag, der mit 59 Prozent größere Teil schaut aber mehrmals am Tag nach, ob irgendwelche Neuigkeiten vorliegen ... Als Marktführer bei den 12- bis 19-Jährigen kann sich trotz leichter Verluste nach wie vor die Plattform „schülerVZ“ behaupten, die von 53 Prozent der Onliner genutzt wird (2009: 59 %). Einen kometenhaften Anstieg verzeichnet allerdings die Plattform „Facebook“: Gaben 2009 gerade einmal sechs Prozent der Jugendlichen an, dieses Angebot zu nutzen, hat sich dieser Anteil 2010 auf 37 Prozent erhöht. JIM-Studie 2010, S. 41f. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' -9- Cybermobbing Beschimpfungen und Beleidigungen hat es schon immer gegeben, vermutlich auch das Phänomen, das man heutzutage „Mobbing“ nennt. An vielen Schulen bemüht man sich, dieses Problem in den Griff zu bekommen – durch Anti-Gewalt-Trainings, Streitschlichtung, spezielle Anti-Mobbing-Projekte. Doch im Zeitalter von Handy und Internet hat sich das Problem deutlich verschärft... • Recherchiert im Internet und erstellt eine Definition des Phäno- Jeder vierte Internet-Nutzer berichtet, mens „Mobbing“. Grenzt es ab von harmloseren Formen des dass es bei Personen aus dem Freundeskreis schon Ärger gegeben hat, sei es gelegentlichen, gegenseitigen Hänselns, Ärgerns o.ä. Informiert weil es zu Beleidigungen im Internet kam, euch unter http://www.mpfs.de/fileadmin/Gemeinsam_allein/Mate weil Bildmaterial entweder unerlaubt eingestellt wurde oder die Betroffenen rialien/08_5_Infobogen_5.pdf über die Rechtslage. unvorteilhaft auf dem Bildmaterial dar• Was glaubt ihr: Wie kommt es zum Mobbing? Wer sind die typi- gestellt waren. Vereinzelt kam es aber schen Mobber? Was übt den Reiz aus? Welche Möglichkeiten auch vor, dass nicht nur Lügen und Versich zu wehren hat der/die Gemobbte? unglimpfungen in Umlauf gebracht, sonauch Fake-Accounts unter falschem • Lest den Auszug aus der JIM-Studie 2010 zum Thema dern Namen erstellt wurden. Über Ärger im Cybermobbing (Kasten rechts). In welchen Fällen würdet ihr von Freundeskreis berichten Mädchen (28 %) Cybermobbing sprechen? Warum sind Beleidigungen etc. im häufiger als Jungen (21 %), bei den 12Internet für den Betroffenen unter Umständen deutlich schlim- bis 13-Jährigen immerhin schon 16 % ... JIM-Studie 2010, S. 48 mer, als wenn sie sich auf dem Schulhof abspielen? • Informiert euch über den Mobbing-Fall Joel (siehe Zeitungstext unten; TV-Video unter http://www.youtube. com/watch?v=zLmjWiGUD2g). Was denkt ihr: Wie kam es dazu, dass Joel sich das Leben genommen hat? Wie könnte verhindert werden, dass es zu so etwas kommt? Auf Facebook gemobbt – Selbstmord! Er war bei seinem besten Freund Philip gerade erst angekommen. Bevor sie zu einem GTI-Treffen wollen, klickten die Jungs „nur mal kurz“ bei Facebook rein. Wie Millionen Jugendliche auf dem größten Online-Netzwerk der Welt. Der Link-Text, den Joel H. (13) dort liest, ist ein Schock: „Joel, Du bist ein a... Homo! Du bist schwuler, als die Polizei erlaubt.“ Joel ist tief getroffen. „Ich wusste, dass er gehänselt wird, wegen seiner paar Kilos zu viel, seiner Kleidung“, sagte Mutter Michaela H. der „Kleinen Zeitung“. „Aber er sprach nie darüber.“ Stattdessen verzweifelte er. Diesen Link konnten alle seine Freunde auf Facebook lesen, sie würden ihn jetzt noch schlimmer fertig machen. Waren das die Gedanken, die den Schüler auf die Bahngleise trieben? Er rannte aus dem Haus seines Freundes, legte sich vor den ersten Zug – und ließ sich überrollen. Das Facebook-Drama – es sollte anderen Eltern eine Warnung sein, findet Michaela H. „Mein Sohn ist seelisch zerbrochen.“ Das könne auch anderen passieren. Social-Media-Experte Thomas Knüwer weiß: „Viele Jugendliche verbringen extrem viel Zeit im Internet und auf Facebook, dementsprechend wichtig ist für sie, was dort passiert.“ Facebook dient als Verstärker: „Dort werden Nachrichten geteilt und nach dem Schneeballsystem weitergereicht.“ Heißt: Ein dummer Spruch hat eine viel größere Reichweite als auf dem Schulhof – wo nur einer mithört, Hänseleien schneller verblassen. Joels Vater löschte nach dem Freitod seines Sohnes alle Spuren bei Facebook. An die Seite mit den Beleidigungen kam er aber nicht ran, der Betreiber sitzt in Washington. Michaela H. bat die Polizei, sie löschen zu lassen. Lapidare Antwort: „Das ist nicht einfach.“ Der Schmutztext steht bis heute online. www.express.de (13.02.2011) • • Im März dieses Jahres machte die Internetseite Isharegossip Schlagzeilen: Ein 17-jähriger wurde in Berlin von 20 Jugendlichen bewusstlos geprügelt, als er die Internet-Hetze „Nummer gegen Kummer“ auf seine Freundin mit einem Gespräch beenden wollte. Informiert (Kinder- und Jugendtelefon) euch über diese Seite: Was unterscheidet sie von Facebook und 0800 – 111 0 333 schülerVZ? Was bedeutet es, dass sie nun „indiziert“ ist? Und was Mo.-Sa., 14-20 Uhr, kostenfrei haltet ihr von Seiten, auf denen die Nutzer anonym agieren können? www.nummergegenkummer.de Warum ist online-Lästern so interessant? Warum scheuen viele diese Feigheit nicht? Verfasst gemeinsam einen offenen Brief „An alle Mobber an unseren Schulen“. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Internet eben auch hinsichtlich der negativen Erfahrungen im Alltag der Jugendlichen angekommen ist. Auseinandersetzungen im Freundeskreis – eigentlich normale und wichtige Vorgänge der Identitätssuche und Identitätsfindung Heranwachsender – verlagern sich in die elektronischen Medien hinein, allen voran das Internet. Problematisch dabei ist allerdings, dass dies durch Speicherung und Weiterverbreitung eine ganz neue Dimension erhält, die leicht außer Kontrolle geraten kann. JIM-Studie 2010, S. 49 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 10 - ÜBERlebst du noch oder lebst du schon? Theater bietet oft Einblick in verschiedene Lebensentwürfe, Vorstellungen davon, wie man ein erfülltes Leben führt, und in mal mehr, mal weniger erfolgreiche Versuche, diese Vorstellungen in die Tat umzusetzen, nach einer „Lebensphilosophie“ zu leben. In Wenn ich Du wär begegnen dem Zuschauer gleich mehrere Figuren, die jeweils sehr verschieden leben – mal mehr, mal weniger bewusst: an erster Stelle Jan und Jeremiah sowie Jans extravagante Oma... • Teilt euch in Gruppen auf – jede Gruppe arbeitet an einer dieser drei Figuren (Jan, Jeremiah und Jans Oma): Erstellt je ein Charakterprofil (z.B. als Plakat) mit allen wichtigen Angaben zu der Person (Name, Alter, Familie, Lebensumstände, Freunde, Charaktereigenschaften, Hobbys, Was er/sie mag, Was er/sie nicht mag, Besonderes und „Lebensphilosophie“) und – wenn ihr euch erinnern könnt – mit einigen interessanten Zitaten der Person aus dem Theaterstück. • Präsentiert euch anschließend die Figuren gegenseitig und diskutiert eure Profile, insbesondere die jeweilige „Lebensphilosophie“. Was macht welche Figur sympathisch für euch? Habt ihr eine Lieblingsfigur? Hat das etwas mit der „Lebensphilosophie“ dieser Figur zu tun? • In Sz. 10 erzählt Jeremiah, nachdem er von dem Dealer geschlagen worden ist, die Geschichte „Wie das Elefantenkind seinen Rüssel bekam“, die ihm seine Mutter früher oft erzählt habe. Lest Jeremiahs Version der Geschichte (s.u.) und versucht zu erklären, warum sie ihm wichtig ist und er sie Jan in dieser Situation erzählt. Passt die Geschichte auch zu Jans Situation? Wenn ich Du wär, Sz. 10 (Auszug) JEREMIAH: Vor langer Zeit, als die Elefanten noch keinen Rüssel hatten, sondern eine riesige Knollennase, lebte ein kleiner Elefant, der war sehr neugierig und ging damit allen großen Elefanten total auf den Wecker. Eines Tages wollte der kleine Elefant unbedingt wissen, was Krokodile am liebsten essen. Statt einer Antwort bekam er immer nur eins auf die Mütze, egal wen er fragte. Also ging der kleine Elefant zu einem Vogel, der angeblich sehr klug war, und fragte den. Der Vogel meinte, er soll doch mal runter zum Fluss gehen, und die Krokodile selbst fragen. Das hat er auch gemacht. Aber statt ihm zu antworten, biss das Krokodil ihm in seine Knollennase. Mit aller Kraft wehrte sich der kleine Elefant, zog und zog, und seine Nase wurde dabei länger und länger. Irgendwann gab das Krokodil auf, und ließ los. Weinend ging der kleine Elefant nach Hause zu seiner Herde, und die großen Elefanten lachten ihn aus, weil seine Nase bis auf den Boden hing. Doch als die Schmerzen weg waren, merkte der kleine Elefant, was er mit seiner wahnsinnig langen Nase so alles machen kann. Er konnte damit Wasser saugen und trinken, und sich sogar damit duschen, oder sich Essen in den Mund schieben. Und als einziger kam er jetzt sogar an die leckeren Blätter heran, die für alle anderen Elefanten nicht zu erreichen waren. Und jetzt beneideten ihn alle Elefanten und wollten auch so einen Rüssel haben. (Die Originalfassung von Rudyard Kipling in deutscher Übersetzung findet man unter http://www.kindermaerchen.net – Suchwort „Rüssel“) • Wie gefällt euch diese Geschichte? Kennt ihr Geschichten mit ähnlicher Aussage? Kennt ihr originalafrikanische Märchen? (zu finden z.B. in Nelson Mandela, Meine afrikanischen Lieblingsmärchen, München, 52010 und Nasrin Siege, Kalulu und andere afrikanische Märchen, Frankfurt/M., 32007) • Hat Jans extravagante, eigentlich in Indien lebende Oma Recht mit ihrer Kritik an der westlichen Welt („so viel Neid und Missgunst...“ – siehe Textauszug rechts)? Wird das, was sie kritisiert, in dem Theaterstück deutlich? Teilt ihr die Meinung des Dalai Lama bezüglich der Wichtigkeit von Mitgefühl und Liebe (siehe Zitat unten)? Warum (nicht)? Erstellt eine Liste mit 10 Leitsätzen, die eure persönliche „Lebensphilosophie“ darstellen. Stellt sie euch gegenseitig vor. Berichtet nach ein paar Wochen, ob sie alltagstauglich ist. • • Wenn ich Du wär, Sz. 12 (Auszug) JEREMIAH: OMA: JEREMIAH: OMA: Was machen Sie denn eigentlich in Indien? Leben! Leben und Lieben. Das kann man doch auch hier… Nein. Nein! Hier kann man bestenfalls ÜBERleben. In deinem Alter hatte ich das auch noch nicht begriffen… Ich bin kaum eine Woche wieder hier und habe das Gefühl, ich ersticke. So viel schlechtes Karma überall, so viel Neid und Missgunst, nein, mit Leben hat das hier nichts zu tun. Sieh dich doch mal um. Nichts als Hast. Nichts als Gier. Jeder nur für sich! Ich glaube, dass die Übung von Mitgefühl und Liebe – ein aufrichtiges Gefühl für Bruderschaft und Schwesternschaft – die allumfassende Religion ist. Es kommt nicht darauf an, ob Sie Buddhist, Christ, Moslem oder Hindu sind oder ob Sie überhaupt eine Religion ausüben. Worauf es ankommt, ist Ihr Gefühl der Verbundenheit mit dem Menschen. Dalai Lama, So einfach ist das Glück, Freiburg, 82009, S. 101 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 11 - Freundschaft & Lüge „Gute Freunde haben, die einen anerkennen“ erachten nach der Shell Jugendstudie Jugend 2010 (S. 197) 94 % der Befragten (12- bis 25-jährige) als besonders wichtig, „Einen Partner haben, dem man vertrauen kann“ 90 %. „Das Leben in vollen Zügen genießen“ hingegen gilt nur bei 57 % der Befragten als besonders wichtig. Diese Zahlen machen Mut: Die Jungen in der Gesellschaft legen nach wie vor viel Wert auf soziale Beziehungen und einen respekt- und vertrauensvollen Umgang – eine reine „Spaß-Gesellschaft“ käme hier zu anderen Werten. Gleichzeitig ist die Bereitschaft im Alltag zu lügen eher nicht gesunken: Je nach Zählung lügt der Mensch bis zu 200 Mal am Tag! Wie passt das zusammen? • Gestaltet eure persönliche Bild-Text-Collage zum Thema Freundschaft, in deren Mitte „Freundschaft heißt...“ steht. Drum herum arrangiert ihr Fortsetzungen dieses Satzes und dazu passende Bilder/Fotos. • Ein bekanntes Zitat aus der Antike lautet „Dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen, das erst ist wahre Freundschaft“. Kommentiert diese Vorstellung. • Welche Arten von Freundschaft werden in dem Theaterstück Wenn ich Du wär gezeigt? Beschreibt und vergleicht im Detail Jans Verhältnis zu Jeremiah, Robin, Marc und Lea. Erstellt eine grafische Darstellung der Beziehungen (mit dünneren und dickeren Pfeilen/Doppelpfeilen zur Kennzeichnung der Beziehungen). • Lest den folgenden Auszug aus Sz. 8 von Wenn ich Du wär und kommentiert Jans Verhalten in puncto Ehrlichkeit. Warum lügt Jan seine Freundin an? Vertraut er ihr nicht? Glaubt ihr Lea merkt, dass er lügt? Wieso kommt Jan trotz der Lügen, die er anderen auftischt, als Hauptfigur positiv herüber? Wenn ich Du wär, Sz. 8 (Auszug) JAN: Aber… Egal. – Ich muss nur mal kurz telefonieren. – (nimmt sein Handy) Ich bin’s. Ich komm doch nicht mit schwimmen. – Kann ich dir jetzt nicht erklären. – Nee, ich muss noch was besorgen. – Nee, für mein Skateboard. Aber das gibt’s nur in Köln. – Ich mach doch gar kein Geheimnis draus. – Bitte sei nicht sauer. – Ich ruf dich heut Abend an, ja? Ich hab dich lieb. Währenddessen öffnet JEREMIAH die Raviolidose und erhitzt sie auf einem Campingkocher. JEREMIAH: Tut mir leid, wenn ich dich in Schwierigkeiten bringe. JAN: Ach, nicht so schlimm. Lüge ist ein hartes Wort, aber vielJEREMIAH: Deine Freundin? leicht muss man es so nennen, wenn man sich toller darstellt, als JAN: Genau. man ist, oder Ausreden für Lehrer JEREMIAH: Danke. und Eltern erfindet; das macht doch JAN: Wofür? jeder! Gerade im Internet stellen JEREMIAH: Dass du ihr nichts von mir erzählt hast. sich alle anders da, um cool oder JAN: Woher weißt du das denn? besonders originell zu wirken. Aber JEREMIAH: Sonst hättest du sie grad nicht angelogen. jeder weiß auch, dass es so ist. Leon Döhner (15): ROBIN JAN: Ich hab’s dir versprochen. • • Was ist eine „Lüge“? Einigt euch auf eine gute Definition. Und: Was bedeuten „Notlüge“, „weiße Lüge“, „Flunkerei“, „Aufschneiderei“, „notorisches Lügen“, „Hochstapelei“, „Verleumdung“? Definiert die Begriffe und findet Beispiele. Diskutiert anschließend: Gibt es „gutes Lügen“? Wie haltet ihr es mit der Ehrlichkeit, im Allgemeinen und unter Freunden? Was haltet ihr von Jürgen Schmieders Plan (s.u.)? Was wird er wohl erleben? Schreibt eine Episode aus seinem ‚bedingungslos ehrlichen Leben‘. Wollt ihr selbst ein solches Leben einmal testen?! Es ist mein Vorsatz für die kommenden 40 Tage: Ehrlichkeit um jeden Preis. Jederzeit. Kein Taktgefühl, keine Diplomatie, keine Beschönigungen. Ohne Filter zwischen Gehirn und Mund. Radikale Ehrlichkeit, immerzu. „Wenn dir das Wort Arschloch durch den Kopf geht, dann sage nicht Idiot, auch wenn der andere beleidigt ist und dir aufs Maul haut. Nenn ihn Arschloch“, sagt Brad Blanton, der Begründer der amerikanischen Bewegung, die sich Radical Honesty nennt ... Sein Satz ist die MTV-Version des Aufklärers Immanuel Kant, der in seinem Werk „Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen“ schrieb: „Wahrhaftigkeit ist formale Pflicht des Menschen gegen jeden, es mag ihm oder einem anderen daraus auch noch so ein großer Nachteil erwachsen.“ Die neuseeländische Schriftstellerin Katherine Mansfield schrieb in ihrem Tagebuch gar: „Ehrlichkeit ist das Einzige, was höher steht als Leben, Liebe, Tod, als alles andere. Sie allein ist beständig. Sie ist aufwühlender als Liebe, freudvoller und leidenschaftlicher. Sie kann einfach nicht versagen. Alles andere versagt. Ich jedenfalls weihe den Rest meines Lebens der Wahrheit, und ihr allein.“ Dass sie vereinsamt starb, mag auch mit Sätzen wie diesem zu tun haben. Sie alle meinen das Gleiche: Sei ehrlich! Immer und überall! Das werde ich versuchen. Ich bin ehrlich zu meinen Mitmenschen, ob es ihnen nun passt oder nicht. Ob es mir nun passt oder nicht. 40 Tage und 40 Nächte lang. Und da der Mensch laut mehreren Studien etwa 200-mal pro Tag lügt, werde ich auf insgesamt 8000 Lügen verzichten. Jürgen Schmieder, Du sollst nicht lügen! – Von einem, der auszog, ehrlich zu sein, München, 2010, S. 19f. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 12 - Liebst du mich? – Ja, klar. Und wie... Liebe und Sexualität spielen im Erleben Jugendlicher eine nicht zu unterschätzende, sehr ernste Rolle, auch wenn im Alltag oft witzelnd mit dem Thema umgegangen wird. Das Erleben der eigenen Sexualität und Liebesfähigkeit in der vertrauensvollen und intimen Zuwendung zu einem Partner sind wichtige Prozesse der Identitätsfindung. Es spielen in diese Prozesse zusätzlich in hohem Maße gesellschaftliche Erwartungen und denen ent- oder widersprechendes Verhalten des Heranwachsenden hinein. Was Liebe und Sexualität bedeuten, beantwortet jeder anders – und doch sind sie so alt wie die Menschheit... • Lest die folgenden Aussagen zu Liebe und Sexualität und bezieht Stellung dazu. Tauscht euch zu den Meinungen aus und erläutert eure eigene Meinung (z.B. in Form eines ‚Ja/Nein-Spiels‘: eine Wand bedeutet Zustimmung, die Wand gegenüber Ablehnung, nach Vorlesen einer Aussage geht jeder zur passenden Wand, nach Bedarf erläutern Teilnehmer ihre Position). Die Liebe hat im (1) Partner müssen dieselben Interessen haben, wenn die Liebe andauern soll. (2) Wer sich nicht selbst liebt, kann auch keinen anderen lieben. (3) Nur wer einsam sein kann, kann auch lieben. (4) Eifersucht ist ein Beweis für große Liebe. (5) Wer liebt, tut alles für den anderen. (6) Liebe und Sexualität gehören zusammen. (7) Man kann zwei Menschen zur gleichen Zeit lieben. (8) Je mehr du jemanden liebst, desto zorniger kannst du auf ihn sein. nach Klaus W. Vopel, Interaktionsspiele für Jugendliche – Teil 3, Salzhausen, 102009, S. 113 • • jugendlichen Alter viele Facetten. Sex spielt sicherlich eine bedeutende Rolle ... Man macht sich nicht nur Gedanken über sich selbst, sondern auch darüber, wie andere über das Paar urteilen. Männlich, 15 J. (JTB-Online-Befragung) Lest den unten stehenden Auszug aus Wenn ich Du wär mit verteilten Rollen vor. Was glaubt ihr, meint Lea, als sie sagt: „Wenn ich du wär, würd ich mich jetzt fragen, ob wir in dein Zimmer gehen“? Erklärt, warum Jan hochschreckt und warum Lea am Ende „Dann eben nicht...“ sagt. Glaubt ihr, Jan ist ehrlich, wenn er „Ja, klar. Und wie...“ sagt? Warum lässt er sich die Chance entgehen? • Wenn ich Du wär, Sz. 11B (Auszug) LEA: Gib zu, dass du komisch bist. (sie kitzelt ihn) JAN: (lacht) Nein! Hör auf! Ich bin nicht komisch. LEA: Gib es zu! JAN: Na gut, ich geb‘s zu! Sie liegen einen Moment ruhig beieinander. LEA: Ist es, weil ich noch nicht will? JAN schreckt hoch. JAN: Nein! Nein, quatsch, es ist wirklich nichts… LEA: Liebst du mich? JAN: Ja, klar. Und wie… JAN umarmt sie, sie küssen sich. JEREMIAH steckt vorsichtig den Kopf durch die Tür. LEA kann ihn nicht sehen, JAN gibt ihm ein dringendes Zeichen, wieder zu verschwinden. LEA: Wenn ich du wär, würd ich mich jetzt fragen, ob wir in dein Zimmer gehen… JAN: (zögert lang) Wollen wir in dein Zimmer gehen? LEA: In meins? JAN: Hast du doch gesagt… LEA: Dann eben nicht… LEA steht auf und geht zielstrebig zur Tür. Falls ihr das Stück noch nicht kennt: Wie könnte die Szene weitergehen? Schreibt eine Fortsetzung in Dialogform (mit Regieanweisungen). Betrachtet die unten stehende Statistik zu Zärtlichkeit und Sex. Wertet sie aus und verfasst einen sachlich-informativen Text, in dem ihr auffällige Befunde zusammenhängend darstellt. Stimmt ihr der unten stehenden anonymen Äußerung einer Siebzehnjährigen zu? • • Selbstauskunft zum Thema Zärtlichkeit & Sex 13- bis 16-jähriger Jugendlicher (Angaben in Prozent) Quelle: BRAVO Dr.-Sommer-Studie 2009, S. 10 Jeder sehnt sich innerlich nach Liebe und Anerkennung. Ich denke, dass viele Jugendliche heute schon viel zu früh glauben zu wissen, was Liebe bedeutet. Sie denken, der erste Partner ist die große Beziehung und hält für immer, oder dass es Liebe bedeutet, wenn man mit jemandem schläft. Weiblich, 17 J. (JTB-Online-Befragung) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 13 - Hetero, homo, bi... Unser Leben ist bestimmt von kulturellen und gesellschaftlichen Normen, in denen sich Traditionen und Erwartungen im Hinblick auf angemessenes Verhalten der Mitglieder der Gesellschaft ausdrücken: Man rülpst nicht laut in der Öffentlichkeit, man läuft nicht nackt über die Straße, man sagt einem Fremdem nicht einfach, dass er gut aussieht. Normen geben Orientierung und halten unser Zusammenleben in mehr oder weniger geordneten Bahnen. Doch unser Leben ist auch voll von Regeln, die nicht zu menschlichen Bedürfnissen und Neigungen passen, ohne dass bei ihrer Nichteinhaltung anderen dadurch Schaden entstünde. Im Bereich der Sexualität führt die „Norm der Heterosexualität“ dazu, dass Homosexualität – trotz vieler bekennender prominenter Homosexueller – auch heute noch vielfach als nicht angemessenes Verhalten betrachtet wird. • Informiert euch über die folgenden Begriffe: Was bedeuten sie? Welches Verhalten davon ist in unserer Gesellschaft im Allgemeinen akzeptiert bzw. nicht akzeptiert? Worin seht ihr den Grund für entsprechende gesellschaftliche Normen? homosexuell – homoerotisch – homosozial – homophob • Was assoziiert ihr mit dem Thema ‚Homosexualität‘? Welches Bild habt ihr von Homosexuellen und wie ist dieses Bild entstanden? Kennt ihr – persönlich oder aus den Medien – Homosexuelle? Was wisst ihr über ihre Situation? Welche Einstellungen zu Homosexualität erlebt ihr in eurem Alltag (Familie, Schule, Freunde, Medien)? Welche Einstellung habt ihr selbst? • Eine ganze Reihe von Menschen verspüren in sich – mehr oder weniger bewusst – homosexuelle Neigungen, unterdrücken dieses Gefühl aber, weil Homosexualität im Alltag vielfach nicht als angemessenes Verhalten angesehen wird. Lest den folgenden Textauszug. Was, glaubt ihr, kann es für Folgen für einen Menschen haben, wenn er/sie seine/ihre Homosexualität unterdrückt? Erstellt mögliche Lebensläufe. Manche wissen „es“ schon immer. Sie würden von sich behaupten, schon im Kindergarten schwul oder lesbisch gewesen zu sein. Andere werden von ihrer Zuneigung zum eigenen Geschlecht erst als Erwachsene überrascht – oft nach mehreren heterosexuellen Beziehungen. Die meisten ... aber stellen in der Pubertät zum ersten Mal fest, dass sie homosexuelle Gefühle haben. Nicht immer heißt das, dass sie ihr Leben lang nur Menschen des gleichen Geschlechts lieben werden. Es gibt Fälle, in denen sich ein Mädchen einmalig in ein anderes Mädchen verliebt und für den Rest seines Lebens nie wieder. Und es gibt bisexuelle Menschen, die beiderlei Geschlecht gleichermaßen lieben können. Wenn du dich über längere Zeit, also monate- oder jahrelang, eindeutig nur von Leuten deines Geschlechts angezogen fühlst, wenn du gerne ihre Fotos betrachtest, dir vorstellst, ihnen auf irgendeine Art nahe zu sein, und wenn sie dir bis in deine nächtlichen Träume folgen, kannst du davon ausgehen, dass du schwul beziehungsweise lesbisch bist. Vielleicht bist du nicht ... hat Magnus den Eindruck, dass das Thema sofort begeistert von dieser Entdeckung. Das geht vielen Jungs und Homosexualität im Unterricht gemieden wird. Beate empfindet das genauso: "In der Schule Mädchen so. Die Zeit, in der du lernst die eigenen Gefühle zu akzeptieren, nennt wird man über alles aufgeklärt, zum Beispiel über Aids und Suchtprobleme. Aber nie über man „inneres Coming-out“. Marie-Luise Kunst, Wenn Jungen Jungen und Mädchen Mädchen lieben – schwule oder lesbische Menschen." Dabei sind Alles rund um Homosexualität, Wien, 2007, S. 11 nach Schätzungen fünf bis zehn Prozent der • Warum wird das Thema ‚Homosexualität‘ in der Schule Bevölkerung homosexuell. In einer Klasse mit 30 Schülern sind das immerhin zwei bis drei selten, wenn überhaupt, behandelt? (Vgl. Zitat rechts) Schüler. • Sollten Schulen mehr tun? Was können sie tun? Verfasst Dorothée Quarz, „Alles total verweichlichte Tunten einen Brief an die Verantwortlichen in der Schulpolitik. hier“, www.spiegel.de, 12.05.2009 Lest das folgende Zitat von E. Haeberle zu Alfred C. Kinseys Erkenntnissen zur Sexualität des Menschen und gebt es in euren eigenen Worten wieder. Fallen euch weitere Lebensbereiche ein, bei denen eine Einteilung in „Schafe und Ziegen“ nicht passt? Erstellt eine Liste – gestaltet, wenn ihr mögt, ein Plakat. Die Statistiken zeigten einfach, dass „Heterosexualität" und „Homosexualität" keine klar umrissenen, trennbaren und unvereinbaren Eigenschaften sind. Kinsey hat es einmal so ausgedrückt, dass es falsch sei, „zwischen zwei deutlich verschiedenen Gruppen, Heterosexuellen und Homosexuellen, zu unterscheiden. Man kann die Welt nicht in Schafe und Ziegen einteilen. Nicht alle Dinge sind schwarz oder weiß ... Die Natur kennt keine scharfen Einteilungen. Nur der Mensch erfindet Kategorien und versucht, die Wirklichkeit in verschiedene Schubfächer zu zwingen. Alles Leben ist in jeder Hinsicht ein Kontinuum. Je früher wir dies im Hinblick auf das menschliche Sexualverhalten lernen, um so eher werden wir die Wahrheit über die Sexualität begreifen." Erwin J. Haeberle, Die Sexualität des Menschen, Kap. 7.3 – siehe unter http://www2.hu-berlin.de/sexology/ATLAS_DE/index.html (Magnus-Hirschfeld-Archiv für Sexualwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 14 - Homophob... In der sechsteiligen Reportagereihe „S.O.S. Schule“ berichtete das ZDF am 3. Mai 2006 neben anderen Schwierigkeiten des pädagogischen Alltags ausführlich darüber, wie ein Schüler in einer Berliner Hauptschule von seinen Klassenkameraden massiv gemobbt wurde, weil er über seine Verliebtheit in einen Mitschüler erzählt hatte. Von diesem Zeitpunkt an will niemand mehr neben ihm sitzen. Er wird zur Zielscheibe von Spott und Hass, wird verbal und körperlich angegriffen. Den Lehrkräften, die in dieser Klasse unterrichten, sowie einem externen Sozialarbeiter, der für die generell als schwierig geltende Klasse zu Hilfe geholt wurde, gelingt es nicht, über Ängste und Vorurteile der Jugendlichen zu sprechen, geschweige denn, den schwulen Schüler aus der sozialen Isolation zu befreien. Am Ende kapitulieren die ausgebildeten Pädagogen und dem schwulen Jugendlichen bleibt als letzter Ausweg nur, die Schule zu verlassen. Der einzige Rat, den seine Lehrerin für ihn hat, ist, dass er seine Neigung an der neuen Schule nicht öffentlich machen solle, um sich vor erneuten Anfeindungen zu schützen. Stefan Timmermanns, in Sexuelle Vielfalt lernen – Schulen ohne Homophobie, hg. L. van Dijk/B. van Driel, Berlin, 2008, S. 59 • • • • Sammelt in einer Tabelle nach „Sorten“ getrennt alle euch geläufigen Schimpfwörter/Beleidigungen: z.B. Sexuelles – Fäkales – Aussehen – Sonstiges Körperliches – Geistiges – Sonstiges. Wie hoch ist der Anteil der Schimpfwörter, die Homosexualität zum Thema haben? Welche der Schimpfwörter werden mehr oder weniger unabhängig vom Thema verwendet, nur weil sie „gut“ klingen? Lest den oben stehenden Textauszug und den Gedichtauszug (rechts): Wieso ist homophobes Mobbing für die Betroffenen – ob sie nun homosexuell sind oder nicht – besonders schwer zu ertragen? Erklärt die Worte und die Gefühlslage des Sprechers in dem Gedicht. Seht euch die unten stehende Statistik zur Einstellung Jugendlicher Kranke Worte (Auszug) zur Homosexualität an. Welche Werte fallen auf? Habt ihr eine Erklärung für die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen? ihr sagt die kranken Worte und manchmal glaube ich, Warum sind offenbar – in unserer fortschrittlichen, aufgeklärten Welt ihr hättet mit dem Hassen – viele Menschen negativ gegenüber Homosexualität eingestellt? ein ganz klein wenig recht Was könnte man im Sinne Desmond Tutus (vgl. Zitat unten) dafür tun, dass Homophobie überwunden wird? ich lieg in dunklen Ketten und zweifle an mir selbst an meiner Wahrheit meinen Schatten an meinem toten Traum am Leben und der Liebe und an meinem Ich und eure Worte treffen wie eine Faust in mein Gesicht Schwuchtel Faggot Tunte xxHugixx Antworten 11- bis 17-jähriger auf die Frage „Wie findest du gleichgeschlechtliche Liebe?“ (in Prozent, Mehrfachnennungen möglich) Quelle: BRAVO Dr.-Sommer-Studie 2009, S. 33 (25.11.2009) http://www.straighter.de (Forum: Mobbing-Geschichten und -Gedichte) Homophobe Stimmen gibt es noch immer an vielen Orten der Welt ... Diskriminierung und Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ist ein Unrecht genau wie Rassismus. Homophobie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir haben die Apartheid in Südafrika überwinden können. Wir werden auch Homophobie überwinden. Es geht tatsächlich zuerst um einfache Gerechtigkeit: Wir kämpften gegen die Apartheid, unterstützt von Menschen aus aller Welt, weil schwarzen Menschen etwas vorgeworfen wurde, wofür wir nicht das Mindeste konnten – unsere Hautfarbe. So ist es auch mit sexueller Orientierung. Sie ist eine Tatsache. Desmond Tutu, in Sexuelle Vielfalt lernen – Schulen ohne Homophobie, hg. L. van Dijk/B. van Driel, Berlin, 2008, S. 7 MUTTER: Liebst du ihn denn? JAN: Ja. ... MUTTER: Bist du denn schwul? JAN: Ist das denn so wichtig? Wenn ich Du wär, Sz. 20 JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Wenn ich Du wär' - 15 - Jugendliche zu Themen aus Wenn ich Du wär Das JTB hat einige Wochen vor der Premiere von Wenn ich Du wär Jugendliche zur Teilnahme an einer anonymen Online-Befragung zu Themen des Stücks aufgerufen, die sie im Alltag betreffen (Fragen unter: http://www.surveymonkey.com/s/QRJR8TX). Hier eine Auswahl aus den vielen interessanten Antworten, die uns erreichten: Meinem besten Freund kann ich einfacher erzählen, was mich bedrückt oder total glücklich macht, als meinen Eltern. Weiblich, 15 J. Zu wem soll ich ehrlich sein, wenn nicht zu meinen Freunden? Weiblich, 15 J. Viele identifizieren sich darüber, wie viele Freunde sie haben, anstatt darüber nachzudenken, ob die Freundschaften echt sind. Weiblich, 17 J. Freunde sind die, die einen kennen, und bemerken, wenn es einem schlecht geht! Weiblich, 14 J. Manche sind auch stark darauf bedacht, möglichst immer die Wahrheit zu sagen. Ich hab sogar schon mitbekommen, dass ihnen das hinterher vorgeworfen worden ist, weil es manche Leute gar nicht mehr gewohnt sind, dass man ihnen die eigene Meinung oder die Wahrheit ins Gesicht sagt. Weiblich, 15 J. Bei großen Lügen hat man ein schlechtes Gewissen, kleinere sind okay. Naja, vielleicht wird "klein" heutzutage etwas anders definiert als früher. Weiblich, 15 J. Ich denke Ehrlichkeit ist wichtig, obwohl manche vielleicht nicht ehrlich zu sich selbst sind und vorgeben, jemand zu sein, der sie nicht sind. Sie würden lieber anders handeln, aber das ist schwer. Weiblich, 17 J. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Jugendliche fast keine Freunde, sondern fast nur Bekannte haben. Männlich, 15 J. Ehrlichkeit ist sehr wichtig, wird jedoch meiner Meinung nach oft überbewertet. Lügen gehören zum Alltag. Niemand sagt immer die Wahrheit. Männlich, 15 J. Wir haben in der Schule eine Umfrage gemacht, wo wir unter vielen Dingen unsere 5 Favoriten aussuchen sollten. Freunde (und ein treuer Partner) wurden am häufigsten genannt. Weiblich, 15 J. Man muss aufpassen, was man auf Sozialen Netzwerken öffentlich preisgibt. Das ganze Für mich hat Ehrlichkeit einen sehr hohen ist sehr gefährlich. Höllische Stellenwert, ich lüge nicht und sage auch ganz Vorsicht ist geboten. ehrlich, wenn mir etwas nicht gefällt. Echte Freunde Weiblich, 17 J. verstehen so etwas, sonst sind sie mir egal. Wer investiert denn noch viel Zeit und Geld in EINE Person, wo er in einem sozialen Netzwerk VIELE "Freunde" (eher lose Bekannte) hat, die er "bei Bedarf" kontaktieren kann. Männlich, 18 J. Männlich, 15 J. Klar muss man sich hin und wieder irgendwelche anonymen Beleidigungen anhören. Doch im Internet sollte man sich diese nicht zu Herzen nehmen..., und wenn man es doch tut...dann weg von den Online Portalen! Männlich, 17 J. Ich bin zur Zeit in keinem Sozialen Netzwerk zu finden, weil ich dieses gegenseitige Bewerten nicht mag, das schnell unkontrollierbar wird. Weiblich, 17 J. Ich kann mir mittlerweile eine Freundschaft ohne Kontakt auf Facebook nur noch schwer vorstellen. Männlich, 15 J. Ich glaube, dass die falsche Darstellung der eigenen Person durch andere die größte Furcht in Sozialen Netzwerken darstellt. Männlich, 15 J. Ein Leben ohne Facebook kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Weiblich, 15 J. Im Internet lügt man eher, als wenn man mit jemandem persönlich redet, weil man keine Angst haben muss, sich durch Rotwerden oder sowas zu verraten. Weiblich, 17 J. Anonyme Online-Befragung des JTB Ich bin selbst erst siebzehn und mir ist Freundschaft sehr wichtig! Wichtiger als Beziehungen. Freunde bleiben ein Leben lang, Beziehungen halten unter Umständen nur Wochen oder Monate. Weiblich, 17 J. Ich persönlich verbinde mit Liebe, wenn man sich in der Gegenwart des anderen wohl fühlt und man einander vertraut. Weiblich, 13 J. Viele Jugendliche sagen heute sehr schnell "Ich liebe dich" und ich habe den Eindruck, dass sie die Liebe oft auf die leichte Schulter nehmen. Weiblich, 15 J. Die Liebe hat im jugendlichen Alter viele Facetten. Sex spielt sicherlich eine bedeutende Rolle – schließlich macht man seine ersten sexuellen Erfahrungen. Man macht sich nicht nur Gedanken über sich selbst, sondern auch wie andere über das Paar urteilen. Und daran gehen viele Beziehungen kaputt. Männlich, 15 J. Meinem besten Freund wird seit Jahren unterstellt, er sei homosexuell. Am Anfang war es für ihn schwer, es zu ignorieren oder sich zu wehren, und es hat ihn hart getroffen. Aber er ist dadurch stark geworden. Mittlerweile steht er über den dummen Sprüchen und kann sogar drüber lachen. Weiblich, 17 J. Mobbing wegen Homosexualität ist meiner Meinung nach nur eine Ausgeburt der Pubertät. Männlich, 15 J. In der Schule kommt es oft vor, dass jemand als Schwuler gemobbt wird, obwohl er gar nicht schwul ist, sondern nur für schwul gehalten wird. Männlich, 15 J. Einen haben wir zwar in der Klasse, dem man nachsagt, schwul zu sein, aber zur Sprache kommt das nur bei Meinungsverschiedenheiten als letztes, verzweifeltes Argument. Weiblich, 15 J. Ein jeder sollte offen und respektvoll mit dem Anderen umgehen. (Die eigene Ansicht über das Leben muss ja nicht die einzig richtige sein!) Männlich, 18+ J. Ich bin der Meinung, dass sich Immigranten mehr dem deutschen Lebensstil anpassen sollten, dann wäre es leichter für viele, sie in der Gesellschaft zu tolerieren. Andererseits müsste man auch eine gewisse Grundtoleranz gegenüber den Migranten und ihrer Kultur haben. Männlich, 15 J. Aufgrund meiner femininen Stimme wurde ich in meiner Jugendzeit und manchmal auch heute noch in der Öffentlichkeit als Schwuchtel/Tunte/Transe bezeichnet. Männlich, 18+ J. Ich verbinde alles mit Liebe. Liebe steckt in jedem Blatt, in jedem Lächeln und ich liebe sehr viel... Männlich, 15 J. Jeder sehnt sich innerlich nach Liebe und Anerkennung. Ich denke, dass viele Jugendliche heute schon viel zu früh glauben zu wissen, was Liebe bedeutet. Sie denken, der erste Partner ist die große Beziehung und hält für immer, oder dass es Liebe bedeutet, wenn man mit jemandem schläft. Weiblich, 17 J. Keiner soll sich für das schämen, was er ist. Weiblich, 17 J. Warum sollen Heterosexuelle Hand in Hand rumlaufen dürfen, wenn Homosexuelle es nicht dürfen? Männlich, 15 J. Homosexualität ist doch nichts Schlimmes! Man sollte sich keine Sorgen um die Reaktion anderer machen. Wenn diese dies komisch finden, ist das doch deren Problem. Weiblich, 14 J. Wenn im Bus ein Platz neben einem Deutschen und einer neben einem Türken frei ist, dann wird doch in 3 von 4 Fällen der Platz neben dem Deutschen gewählt. Weiblich, 15 J. Manchmal bemerke ich Ausländerfeindlichkeit im Bus oder in der Stadt. Dunkelhäutige werden "dumm angegafft" oder ähnliches. Weiblich, 14 J. Die Menschen sollten lernen, einander so zu akzeptieren, wie sie sind. Weiblich, 17 J. Vorschläge zum unterrichtlichen Einsatz der Zitate: • Jeder wählt vier Zitate aus – zwei, denen er zustimmt, und zwei, denen er widerspricht – und erklärt seine Auswahl. • In einer Gesprächsrunde (z.B. Stuhlkreis, ggf. als ‚Blitzlicht‘) erklärt jeder zu einem Zitat, inwiefern es gut zu dem Stück passt. Anschließend wird diskutiert. • Zuordnung: Zu welcher Figur im Stück passen welche Zitate? (evtl. als Plakat) Interview mit jugendlichen Darstellern aus Wenn ich Du wär Gefällt euch euer Stück? Wie ist das Gefühl, in einem Stück mitzuspielen, das man selbst mit erschaffen hat? Gilda: Ja, ich finde es gut, da in diesem Stück sehr wichtige Themen angesprochen werden, die auch öfters im Alltag auftauchen. Und es ist ein gutes Gefühl in einem selbstgeschriebenen Stück mitzumachen, da ich mich besser in meine Rolle hineinversetzen kann, weil ich sie selber entwickelt habe. Jannik: Mir gefällt es. Wir wollen schließlich mit Gilda Masala (14): dem Stück Erfolg haben, zu viel Skepsis und LEA Zweifel an uns selbst wäre kontraproduktiv. Was an euren Rollen, welche Szenen findet ihr besonders reizvoll? Brice: An Jeremiah gefällt mir seine „mysteriöse“ Art, wie geheim er immer wirkt und wie er sich dann mit der Zeit Jan immer mehr öffnet. Mir gefällt die Szene 10, wo Jeremiah von seinem Dealer zusammengeschlagen wird. Ich werde mit dem Kopf an einen Hocker geknallt, wobei ich mir dann eine Platzwunde zufüge. Ich liebe Actionszenen. Gilda: Ich finde es sehr interessant, wie Lea versucht, ihren Freund nicht zu verlieren, und dafür auch Opfer bringt. Mir machen die Szenen 2, 2A, 3 und 3A am meisten Spaß zu spielen, weil ich in diesen Szenen betrunken sein muss und daher viel lachen und rumalbern kann. Leon: Ich finde es toll, dass ich einen Charakter wie Robin spielen darf, der ein bisschen Macho und Angeber und obendrein noch ziemlich versaut ist. Jannik: Die Rollen leben genau die Situationen, die wir auch jeden Tag leben. Und doch erleben sie Konflikte, die uns größtenteils fremd sind. Es ist viel leichter, sich mit den Personen zu identifizieren, was dem jugendlichen Publikum sicher sehr hilft. Und auch dem Leon Döhner (15): erwachsenen Publikum gewähren die Rollen ROBIN auf möglichst authentische Weise Einblick in das Leben ihrer eigenen Kinder und in ihre gedanklichen Vorgänge. Welche Szenen fielen euch bei den Proben am schwersten? Brice: In Szene 6 muss Jeremiah weinen. Sowas fällt mir auf Knopfdruck oft schwer. Marian: Mir fielen die Szenen 13A und 19A am schwersten, weil man dort die Ernsthaftigkeit und Ironie rüberbringen und diese trotzdem komödiantisch spielen muss. Jannik: Am schwierigsten zu proben sind für mich die Szenen, die eigentlich am meisten Spaß machen, nämlich die Szenen, wo wir Jugendliche unter uns sind. Man macht sich Jannik Beckonert (15): Gedanken, wie das wohl auf das Publikum JAN wirkt – und auf die eigenen Eltern... Welches Thema des Stückes haltet ihr für das wichtigste? Gilda: Ich denke, Abschiebung ist für mich das wichtigste Thema, da es oft vorkommt, aber nicht angesprochen wird. Außerdem sind viele Menschen in Deutschland davon betroffen. Jannik: Der Lernprozess der Hauptfigur Jan ist meiner Meinung nach das Wichtigste am Stück. Um jemandem zu helfen, vernachlässigt er sein Ansehen bei seinen Freunden. Anfangs hält er dies für unmöglich, aber mit der Zeit lernt er, dass eine gute Freundschaft nicht aufrecht erhalten wird, indem man sich verstellt, sondern indem man den anderen mitsamt all seinen Interessen toleriert und ihm sein Vertrauen schenkt. Leon: Das Thema der illegalen Einwanderung ist für mich das Hauptthema, da es viele Menschen auf der ganzen Welt betrifft. Ehrlichkeit und Lüge spielen auch eine Rolle in dem Stück. Wie wichtig ist das Thema unter Jugendlichen heute? Leon: Lüge ist ein hartes Wort, aber vielleicht muss man es so nennen, wenn man sich toller darstellt, als man ist, oder Ausreden für Lehrer und Eltern erfindet; das macht doch jeder! Gerade im Internet stellen sich alle anders da, um cool oder besonders originell zu wirken. Aber jeder weiß auch, dass es so ist. Marian: Mir ist es sehr wichtig, dass man ehrlich zueinander ist und sich alles sagt. Ich vertraue meist auch nur den Leuten, mit denen ich telefoniere oder persönlich spreche, da man mittlerweile wirklich nicht mehr allen Personen im Internet trauen kann. Biniam: Für mich hat Ehrlichkeit einen sehr hohen Stellenwert, ich lüge nicht und sage Marian Lehnberg (14): auch ganz ehrlich, wenn mir etwas nicht geROBIN fällt. Echte Freunde verstehen so etwas, sonst sind sie mir egal. Welche Bedeutung hat Cyber-Mobbing im Alltag Jugendlicher? Ist es ein tägliches Problem? Gilda: Es ist auf jeden Fall ein tägliches Problem, weil sehr viele Teenager davon betroffen sind, aber auch selbst Cybermobbing verursachen. Es wird zwar schon dagegen vorgegangen, aber trotzdem wird unter Jugendlichen noch sehr viel gecybermobbt. Biniam: Ja, es ist ein ständiges Problem, weil viele einfach nicht mit den vielen Daten umgehen können und zu viel preisgeben. Homosexualität ist ein wichtiges Thema für viele Jugendliche, wird aber immer noch selten unvoreingenommen und sachlich thematisiert. Wie erlebt ihr den Umgang mit diesem Thema? Biniam: Ich hänge generell nicht mit Leuten ab, die so oberflächlich sind, dass Sie sich von der Sexualität eines anderen abschrecken lassen. Aber in der Schule merkt man schon, dass „Schwuchtel“ ein beliebtes Schimpfwort ist. Gilda: Ich persönlich habe gar nichts gegen Homosexuelle, doch in der Schule ist das ganz anders. Die meisten Leute in meiner Schule lachen schwule Leute aus oder beschimpfen sie. Leon: Ich habe überhaupt keine Vorurteile gegenüber Homosexuellen, jedoch wird in der Schule eher abwertend über Schwule gesprochen. Wenn durch das Stück das Thema Homosexualität in den Klassenzimmern offen und unter Anleitung diskutiert wird, kann es ganz bestimmt einen positiven Beitrag leisten. Brice: Der letzte Satz, den Jan in dem Stück Brice Rugira (16): sagt, bekräftigt – find ich – nochmal die NormaJEREMIAH lität von Homosexualität. Ist deiner Meinung nach das Stück realistisch genug, um das Publikum zu überzeugen? Jannik: Das will ich doch hoffen! Es ist spannend zu erwarten, wie die erarbeiteten Themen auf das Publikum wirken. Wir selber können das nicht einschätzen, also müssen wir die Reaktionen des Publikums abwarten. Jeder einzelne von uns arbeitet aber jeden Probentag daran, dass die Reaktionen positiv sein werden! Hat die Arbeit am Theater euch verändert? Leon: Ja, ich glaube die Arbeit hat mich ein bisschen erwachsener gemacht. Die Arbeit am Theater macht einen reifer oder öffnet einem, durch den Umgang mit so vielen Themen, die Augen. Brice: Ich würde nicht sagen „verändert“, eher nochmal „darauf hingewiesen“, welche Probleme sich in meiner Umgebung finden. Biniam: Ja, man kann sich besser in andere hineinversetzen und manchmal färbt die Rolle, die man spielt, etwas auf einen ab. Biniam Graffé (15): Jannik: Es braucht jetzt immer ein paar GeMARC dankengänge mehr, bevor ich einen anderen Menschen aufgrund seiner Aussagen beurteile. Vielen Dank für das Interview. Interview mit Autor und Regisseur Moritz Seibert Moritz Seibert ist 1967 in Berlin geboren. Nach seinem Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg arbeitete er als Drehbuchautor und Regisseur mehrerer Spiel- und Fernsehfilme. Seit 2002 leitet er das Junge Theater Bonn. Viele der Stücke, die am JTB laufen, hat er für die Bühne bearbeitet, u.a. Cornelia Funkes Drachenreiter und die Tintenherz-Trilogie (gemeinsam mit Marco Dott), Oliver Twist und Die Unendliche Geschichte (gemeinsam mit Timo Rüggeberg). Wenn ich Du wär ist das erste Stück, das Seibert von der ersten Idee an gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Nachwuchsensemble des JTB selbst entwickelt und geschrieben hat. Wie würden Sie den Inhalt Ihres neuen Stückes Wenn ich Du wär in einem Satz zusammenfassen? Schwierig… Wenn es nur ein einziger Satz sein darf: Der 15-jährige Jan versucht, einem gleichaltrigen Jungen aus dem Sudan zu helfen, der illegal in Deutschland lebt, und gerät dabei in den Verdacht, schwul zu sein. Sie produzieren am Jungen Theater Bonn zum ersten Mal ein Stück für Jugendliche und Erwachsene, das auf keiner Vorlage basiert und das Sie extra für Ihr Theater und Ihr Publikum geschrieben haben. Wie kam es dazu? Insbesondere der Jugendbuchmarkt wird seit einiger Zeit dominiert von Fantasy-Themen – einige davon haben wir ja auch schon auf die Bühne gebracht. Jetzt haben wir aber gedacht, dass es höchste Zeit ist, auch mal wieder eine Geschichte zu erzählen, die mehr mit dem ‚Hier und Jetzt’ zu tun hat. Auf der Suche nach einem neuen Stoff sind wir nicht fündig geworden. Viele der aktuellen Themen, die Jugendliche beschäftigen, finden in der Literatur für diese Altersgruppe kaum statt. In Gesprächen mit den Jugendlichen, die in anderen Stücken bei uns mitspielen, ist die Idee entstanden, eine eigene Geschichte zu entwickeln. Diese Idee kam zum ersten Mal – eigentlich als Scherz – von Jannik Beckonert (JAN). Wir haben dann mit einer Gruppe von vier Jugendlichen, die ich alle als Darsteller aus den Inszenierungen Ronja, Geheime Freunde und Krabat schon sehr gut kannte, die Ideen für eine eigene Geschichte gesammelt, aus der dann Wenn ich Du wär wurde. Wie funktionierte dieser kreative Prozess? Waren die jungen Ideengeber auch an der Ausgestaltung des Stücks beteiligt? In einem ersten Schritt habe ich Themen und Interessen der Jugendlichen gesammelt: Was beschäftigt sie privat, was beschäftigt sie in der Schule? Welche Fragen sind ihnen wichtig? Wie hat sich das Erwachsenwerden in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert? Dann haben wir uns Anfang Januar 2011 für eine Woche ‚in Klausur’ begeben und haben aus den Themen und Ideen mögliche Konstellationen für ein Theaterstück erarbeitet. Wir haben angefangen, die konkrete Story zu erfinden, die Figuren zu charakterisieren und Szenen zu entwickeln. Ende Januar haben wir dann endgültig entschieden, das Wagnis einzugehen und Wenn ich Du wär auf den Spielplan zu setzen. Das Stück greift viele aktuelle Themen aus dem Leben Jugendlicher auf: Freundschaft, Liebe, Sexualität, Medien, Mobbing, Migration. Hat das Stück eine Botschaft? ‚Botschaft’ ist vielleicht zu viel gesagt. Das Stück wirbt durch das Verhalten seiner Hauptfiguren hoffentlich für Toleranz und dafür, allen Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Womit wird das Stück jugendliche Zuschauer besonders berühren? Ich hoffe, dass die jugendliche Bedingungslosigkeit, mit der Jan dafür kämpft, seinem Freund Jeremiah eine Perspektive zu geben und seine Situation zu verbessern, alle Zuschauer berühren wird, egal wie alt sie sind. Gibt es eine bestimmte Szene oder einen Moment in dem Stück, die bzw. der Ihnen ganz besonders wichtig ist? Ja, aber die kann ich hier nicht nennen, ohne das Ende des Stücks zu verraten... Glauben Sie, dass Theater die Welt verändern kann? Ja und nein. Theater hat nach allen meinen Erfahrungen durch das unmittelbare Zusammentreffen von Schauspielern und Publikum eine besondere emotionale Kraft und Wirkung. Der Identifikationsprozess läuft schneller und intensiver als etwa im Kino oder im Fernsehen. Dadurch kann ein gelungenes Theaterstück das Denken und Fühlen der Zuschauer hier und da mal ein kleines Bisschen verändern und prägen. Es ist aber nicht die eigentliche Aufgabe des Theaters, Menschen vorzugeben, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen oder müssen. Das Stück enthält sehr viel Ernstes, aber auch sehr viel Heiteres, es ist Problemstück und Komödie zugleich. Könnte man Ihnen vorwerfen, dass Sie die ernste und schwierige Problematik der Asylpolitik verharmlost darstellen? Ich hoffe nicht. Jede gute Komödie hat ein sehr ernstes Thema zum Inhalt. In Deutschland hat die Form der Komödie keinen besonders guten Ruf und wird oft verwechselt mit dem Schwank oder dem reinen Lustspiel. Wenn Sie sich Komödien aus anderen Ländern ansehen, werden Sie viele Beispiele dafür finden, dass sehr ernste und tragische Themen den Hintergrund bilden. Das Leben ist schön (vor dem Hintergrund des Holocaust), Pretty Woman (Straßenprostitution) oder Besser geht’s nicht (Zwangsneurosen) sind nur ein paar Beispiele dafür. Es ist nicht die Aufgabe des Theaters bzw. der Komödie, die Themen in ihrem Kern in dokumentarischer Ausführlichkeit umfassend darzustellen und zu bewerten. Das können andere Medien besser. Ich bilde mir ein, das Thema, das Schicksal und die Not illegal in Deutschland lebender Menschen in Wenn ich Du wär sehr ernsthaft darzustellen. Die Komik entsteht auch nicht in erster Linie aus diesen Notlagen der Figur Jeremiah, sondern meist aus den Schwierigkeiten, die Jan bekommt, weil er Jeremiah helfen will. Das halte ich für absolut zulässig und nicht für verharmlosend. Ich bin aber auch an diesem Punkt sehr auf die Rückmeldungen unseres Publikums gespannt. Wie haben Sie den Prozess der Proben mit den jugendlichen Darstellern erlebt? Gab es Überraschungen? Insgesamt haben mich die Jugendlichen sehr positiv dadurch überrascht, wie gut sie sich selbst und ihr Verhalten als Privatpersonen reflektieren können und wie mutig sie eigene Erlebnisse, Erfahrungen, Träume und Ängste in die künstlerische Arbeit eingebracht haben. Welche Szene war für Sie am spannendsten zu inszenieren? Am schwierigsten und spannendsten fand ich die Arbeit an den ersten Szenen zwischen Jan und Jeremiah, weil Jeremiahs Gefühlslage so kompliziert ist. Einerseits ist er völlig allein und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Freund, andererseits bedeutet jeder engere Kontakt für ihn die Gefahr, entdeckt und abgeschoben zu werden. Dieses Ringen um Vertrauen ist auch deswegen so schwierig zu inszenieren und zu spielen, weil es den jugendlichen Darstellern – zum Glück – weitgehend fremd ist und sich dafür kaum Entsprechungen aus dem persönlich Erlebten finden lassen. Vielen Dank für das Interview. Junges Theater Bonn Hermannstraße 50 53225 Bonn Tel. 0228-463672 [email protected] Anregungen für Nachgespräche von Schulklassen mit dem Theaterensemble Das JTB bietet allen Besuchergruppen an, im Voraus ein kostenloses Gespräch mit Mitgliedern des Theaterensembles im Anschluss an die besuchte Aufführung zu buchen. Diese Gespräche verlaufen sehr unterschiedlich. Immer wieder kommt es vor, dass es hauptsächlich die Lehrerinnen und Lehrer sind, die dann die Fragen stellen. Wirklich interessant wird es aber in der Regel für die Kinder und Jugendlichen, wenn sie selbst Impulse geben und in das Gespräch mit den Schauspielern oder dem Regisseur eintreten. Zur Vorbereitung eines ergiebigen Gesprächs finden Sie hier einen Katalog von mö glichen Gesprächsimpulsen, die als Anregung für eigene Fragen genutzt werden kö nnen. Es bietet sich bei einigen Fragen z.B. an, sie mit ersten eigenen Eindrücken zu verbinden. • Fragen an Schauspieler: • • • • • • • • • Fragen an den Regisseur: • • • • • • • • Fragen bezogen auf das jeweilige Stück bzw. die jeweilige Aufführung Was an Ihrer Rolle finden Sie besonders reizvoll oder interessant? Welche andere Rolle in dem Stück würden Sie auch gerne spielen? Welche Szene macht Ihnen am meisten Spaß ? Welche Szene fiel Ihnen bei den Proben am schwersten? Was gefällt Ihnen an der Figur, die Sie verkö rpern, was missfällt Ihnen? Gefällt Ihnen das Ende des Stückes im Hinblick auf die Rolle, die Sie spielen? Wie schwer ist es, unabhängig von der eigenen momentanen Laune, Ihre Rolle überzeugend zu spielen? Sind Ihnen schon Fehler unterlaufen? Welche? Gab es in der heutigen Aufführung Pannen? Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rolle vor jeder Aufführung vor? Was finden Sie an dem Stück besonders reizvoll? Was gefällt Ihnen an dem Stück nicht so gut? Wie sind Sie in Ihrer Inszenierung damit umgegangen? Haben Sie eine Lieblingsfigur in dem Stück? Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrer Inszenierung? Womit sind Sie nicht hundertprozentig zufrieden? Haben Sie in Ihrer Inszenierung stark gekürzt? Welche Szenen oder Momente? Welche Szenen haben besonders viel Probenzeit beansprucht? Warum? Was soll das Bühnenbild mehr vermitteln als bloß e räumliche Orientierung? Inwiefern passen die verschiedenen Kostüme besonders gut zur jeweiligen Figur, zur jeweiligen Szene und zum Stück im Ganzen? Mit welcher Absicht machen Sie in Ihrer Inszenierung besonderen Gebrauch von Lichteffekten, Toneffekten und gegebenenfalls Formen der Symbolik? Was sollen die Zuschauer aus dem Stück mit nach Hause nehmen? Was hat das Stück den Zuschauern zu sagen? Allgemeine Fragen • • • • • • • • • • • • Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen? Wie und wo haben Sie das Schauspielern erlernt? Wie schaffen Sie es, sich den Text von gleichzeitig bis zu sechs, sieben Stücken zu merken? Wie schafft man es, eine Figur zu spielen, die ganz anders ist als man selbst? Was ist Ihre Traumrolle? Warum finden Sie Theater wichtig? Wie erleben Sie Theateraufführungen, wenn Sie Zuschauer sind? Warum finden Sie Theater wichtig? Ist es heutzutage besonders wichtig? Was unterscheidet ein Kinder- und Jugendtheater von anderen Theatern? Wie sind Sie zur Theaterregie gekommen? Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe als Regisseur? Welches Theaterstück ist Ihr persö nliches Lieblingsstück? Feedback geben und einen weiteren Theaterbesuch gewinnen! Sie haben unsere Inszenierung von Wenn ich Du wär mit einer Schulgruppe besucht. Für unsere Arbeit ist es wichtig zu erfahren, wie Sie und Ihre Gruppe den Besuch erlebt und gegebenenfalls vor- oder nachbereitet haben. Deshalb möchten wir Sie bitten, unseren Fragebogen auszufüllen und ihn uns zu übersenden. Als Dankeschön verlosen wir unter allen teilnehmenden Gruppen den Besuch einer Abendvorstellung in unserem Theater in der Spielzeit 2011/12. Einsendeschluss: 31.12.2011. Datum und Uhrzeit des Besuchs: Name der Schule und Schulform: Bezeichnung der Gruppe (Klasse bzw. Jahrgangsstufe und Kurs): Anzahl der Gruppenteilnehmer: Name, Adresse und Tel. des/r Gruppenleiters/in: (1) Wie häufig besuchen Sie unser Theater mit Schulgruppen? o mehrmals jährlich o ungefähr einmal pro Jahr o alle 2-3 Jahre einmal o zum ersten Mal (Erläuterung: ___________________________________________________________________________________) (2) Welche anderen Theater besuchen Sie mit Ihren Schülern? ______________________________________________________________________________________________ (3) Wie sind Sie auf unsere Inszenierung von Wenn ich Du wär aufmerksam geworden? o unser Programmheft o Kollegen, Bekannten, etc. o Schüler o Presse o ________________ (4) Wie hat Ihnen unsere Inszenierung gefallen? ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ (5) Wie hat Ihrer Gruppe unsere Inszenierung gefallen? ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ (6) Haben Sie den Theaterbesuch in Ihrem Fachunterricht vor- oder nachbereitet? o ja (Fach: _____________ Vor- oder Nachbereitung? ____________________ Stundenvolumen: ____) o nein (7) Haben Sie die von uns bereit gestellten Arbeitsblätter im Zusammenhang mit dem Theaterbesuch im Unterricht eingesetzt? o ja (Welche Seiten? __________________________) o nein (8) Welche Arbeitsblätter gefallen Ihnen gut, welche weniger gut? gut: ________________________ weniger gut: _________________________ (Erläuterung: ___________________________________________________________________________________) (9) Haben Sie Wünsche an bzw. Vorschläge für Unterrichtsmaterialien, die wir für Schulklassen zur Vor-/Nachbereitung eines Theaterbesuchs erstellen lassen? ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ (10) Gibt es ein bestimmtes Werk, das Sie bzw. Ihre Schüler uns zur Inszenierung vorschlagen möchten? ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ (11) Sonstige Bemerkungen: ______________________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________________ Vielen Dank für Ihre Mühe! Bitte übersenden an: Junges Theater Bonn - Feedback zu Wenn ich Du wär Hermannstraße 50 53225 Bonn Fax: 0228-9739463 E-Mail: [email protected]