und Handelssachen in Grossbritannien

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und Handelssachen in Grossbritannien
Stand: Februar 2016
23 Belgrave Square
London SW1X 8PZ
Internet: www.uk.diplo.de
Tel.: + 44 (0) 20 7824 1300
Fax: + 44 (0) 20 7824 1449
Merkblatt
zur Rechtsverfolgung in Zivil- und Handelssachen im
Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland*
Inhalt:
I.
Vollstreckung von Titeln in Zivil- und Handelssachen nach der Verordnung (EU)
1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
1. Anwendungsbereich
2. Verfahren
3. Zuständige Behörden
4. Versagung der Vollstreckung
II.
Vereinfachte Vollstreckungsverfahren auf europäischer Ebene
1. Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
2. Vollstreckung im Rahmen des europäischen Bagatellverfahrens
3. Vollstreckung im Rahmen des europäischen Mahnverfahrens
*
Hinweis: Dieses Merkblatt stellt die Rechtslage für England, Wales und Nordirland dar. In Schottland gibt es einige
Besonderheiten und abweichende Regelungen, auf die nur teilweise eingegangen worden ist. Wegen weiterer Einzelheiten sollte
das Deutsche Generalkonsulat in Schottland, 16 Eglington Crescent, GB-EDINBURGH, EH12 5DG, Tel: 0131 337 2323, Fax: 0131
346 1578 kontaktiert werden, das auch eine eigene Liste mit schottischem Recht vertrauter Anwälte zur Verfügung stellen kann.
-2-
I.
Vollstreckung von Titeln in Zivil- und Handelssachen
Deutsche Gerichtsentscheidungen und sonstige Titel im Bereich Zivil- und Handelssachen
werden im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland vollstreckt nach der
Verordnung (EU) 1215/2012 vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen1, die in
beiden Ländern unmittelbare Anwendung findet. Sie ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001
vom 22.12.2000 (sog. Brüssel-I Verordnung), die jedoch weiterhin auf Verfahren, die vor dem
Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 am 10.01.2015 eingeleitet wurden,
Anwendung findet.
1.
Anwendungsbereich und Zuständigkeit
Die Verordnung (EU) 1215/2012 ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden.
Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen, Verwaltungsrecht sowie die Haftung des Staates für
Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte.
Die Verordnung ist nicht anzuwenden auf den Personenstand, die Rechts- und
Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, den Güterstand
aufgrund Ehe oder eheähnlicher Gemeinschaft, Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren,
die soziale Sicherheit, die Schiedsgerichtsbarkeit, Unterhaltspflichten sowie das Gebiet des
Testaments- und Erbrechts.
Die Anwendbarkeit der Verordnung setzt bis auf wenige Ausnahmen voraus, dass der Beklagte
seinen Wohnsitz in einem der EU-Mitgliedstaaten hat. Die Staatsangehörigkeit ist dabei ohne
Belang.
2.
Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung
Nach der VO (EU) 1215/2012 erfolgt die Anerkennung und die Vollstreckung einer in einem
Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines
besonderen Verfahrens bzw. einer Vollstreckbarerklärung bedarf.
Voraussetzung ist, dass es sich um eine „vollstreckbare Entscheidung“2 handelt. Von diesem
Begriff werden auch Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mit erfasst.
Zur Einleitung der Vollstreckung aus einem deutschen Titel müssen der in Großbritannien
jeweils zuständigen Behörde (siehe Ziffer 3.) die in Art. 42 VO (EU) 1215/2012 genannten
1 Amtsblatt der EU Nr. L 351 vom 20.12.2012, S. 1
2 Art. 2 a) VO (EU) 1215/2012
-3Unterlagen vorgelegt werden. Dies sind die Ausfertigung der vollstreckbaren Entscheidung sowie
die nach Art. 53 i.V.m. Anlage I der VO (EU) 1215/2012 ausgestellte Bescheinigung. Beide
Dokumente sind dem Schuldner vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zuzustellen.
Während die zuständige britische Behörde eine Übersetzung der Bescheinigung jederzeit
anfordern kann, darf sie eine Übersetzung der Entscheidung nur verlangen, wenn sie das
Verfahren ohne eine solche Übersetzung nicht fortsetzen kann.
Um Verzögerungen im Verfahrensablauf zu vermeiden, dürfte es für den
Vollstreckungsgläubiger ratsam sein, von Beginn an eine Übersetzung beider Dokumente bereit
zu halten, da auch der Schuldner eine Übersetzung verlangen kann und in diesem Fall die
Zwangsvollstreckung bis zu deren Erhalt auf Sicherungsmaßnahmen beschränkt ist.3
3.
Zuständige Behörden
- in England und Wales:
High Court of Justice, Enforcement Section, Queens Bench Division, Strand, London WC2A
2LL
- in Schottland:
Court of Session, Deputy Principal Clerk of Session, Parliament House, Parliament Square,
Edinburgh EH1 1RQ
- in Nordirland:
High Court of Justice, The Royal Court of Justice, Chichester Street, Belfast BT1 3JF
- in Gibraltar:
The Supreme Court, 277 Main Street, Gibraltar
4.
Versagung der Vollstreckung
Der Vollstreckungsschuldner kann gemäß Art. 46 VO (EU) 1215/2012 bei dem unter Ziffer 3.
genannten zuständigen Gericht die Versagung der Vollstreckung beantragen. Die möglichen
Versagungsgründe sind in Art. 45 VO (EU) 1215/2012 genannt. Beispielsweise zählt dazu ein
Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
II.
Vereinfachte Vollstreckungsverfahren auf europäischer Ebene
Neben dem in der Verordnung (EU) 1215/2012 geregelten allgemeinen Verfahren zur
Vollstreckung von Titeln hat der europäische Gesetzgeber für bestimmte Fälle Spezialregelungen
erlassen, die die Vollstreckung weiter erleichtern sollen. Dazu gehören:
3 Art. 42 Abs. 2 VO (EU) 1215/2012
-4- Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
- Vollstreckung im Rahmen des europäischen Bagatellverfahrens
- Vollstreckung im Rahmen des europäischen Mahnverfahrens
1.
Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen
Durch die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.04.20044, nachfolgend EuVTVO genannt, hat
der europäische Gesetzgeber einen europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene
Forderungen eingeführt. In Deutschland wurde die Verordnung durch das EGVollstreckungstitel-Durchführungsgesetz (Bundesgesetzblatt 2005 Teil I Nr. 51, Seite 2477)
umgesetzt, das am 21.10.2005 in Kraft getreten ist.
Die EuVTVO ermöglicht die vereinfachte Vollstreckung von unbestrittenen Geldforderungen in
den anderen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark.
a) Anwendungsbereich
Die Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Sie gilt nicht für Steuer- und
Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für
Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte ("acta iure
imperii").
Die Verordnung ist nicht anzuwenden auf
−
−
−
−
den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche
Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des
Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts
Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren
die soziale Sicherheit
die Schiedsgerichtsbarkeit
Nach der EuVTVO gilt eine Forderung als unbestritten, wenn der Schuldner
•
•
•
•
ihr im Gerichtsverfahren ausdrücklich durch Anerkenntnis oder durch vor einem
Gericht geschlossenen oder von einem Gericht gebilligten Vergleich zugestimmt hat
ihr im Verfahren im Einklang mit den einschlägigen Verfahrensvorschriften des
Ursprungsmitgliedstaats zu keiner Zeit widersprochen hat
nicht zur Verhandlung erschienen ist oder sich nicht hat vertreten lassen, nachdem er
zuvor die Forderung im gerichtlichen Verfahren bestritten hatte
die Forderung ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat
4 Amtsblatt der EU Nr. L 143 vom 30.04.2004, S. 15
-5-
b) Verfahren
Der Gläubiger muss im Ursprungsstaat eine Bestätigung seines Titels als Europäischer
Vollstreckungstitel (EuVT) beantragen. In Deutschland sind dafür die Gerichte, Behörden oder
Notare zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt. Die
Form der Bestätigung ergibt sich aus den Anlagen zur EuVTVO. Für die Vollstreckung in
Großbritannien ist die Bestätigung in englischer Sprache zu erstellen.
c) Zuständige Behörden
Der Vollstreckungstitel ist einzureichen
-
in England und Wales:
Royal Courts of Justice, Foreign Process Section, Strand, London WC2A 2LL
-
in Nordirland:
Enforcement of Judgments Office, Laganside House, 23-27 Oxford Street, Belfast BT1 3LA
-
in Gibraltar:
The Supreme Court, 277 Main Street, Gibraltar
In Schottland sind die „Sheriff Courts“ (Amtsgerichte für Zivilsachen) zuständig.
d) Weitere Informationen
Ausführliche Informationen zu den Vollstreckungsarten und -verfahren in Großbritannien sind
auf folgender Webseite erhältlich:
https://e-justice.europa.eu/content_procedures_for_enforcing_a_judgment-52-ewen.do?member=1
2.
Vollstreckung im Rahmen des europäischen Bagatellverfahrens
Seit dem 01.01.2009 ist die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.07.2007 zur Einführung
eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen („europäisches Bagatellverfahren“)
in Kraft5. Die Verordnung dient dazu, Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfacher,
schneller und kostengünstiger beizulegen.
5 Amtsblatt der EU Nr. L 199 vom 31.07.2007, S. 1
-6-
a) Anwendungsbereich
Die Verordnung gilt für grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen, wenn der Streitwert
der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen
Gericht EUR 2.000,- nicht übersteigt.
Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die
Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher
Rechte ("acta iure imperii").
Die Verordnung ist nicht anzuwenden auf
•
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•
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•
•
den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche
Vertretung von natürlichen Personen
die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des
Testamentsrechts, Unterhaltssachen
Konkurse, Verfahren im Zusammenhang mit der Abwicklung zahlungsunfähiger
Unternehmen oder anderer juristischer Personen, gerichtliche Vergleiche, Vergleiche
und ähnliche Verfahren
die soziale Sicherheit
die Schiedsgerichtsbarkeit
das Arbeitsrecht
die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen, mit Ausnahme von Klagen wegen
Geldforderungen
die Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der
Verletzung der Ehre
b) Verfahren
Das Verfahren wird grundsätzlich schriftlich durchgeführt und durch Einreichung eines
Formblattes entsprechend Anlage I der Verordnung eingeleitet. Das Klageformblatt sowie die
diesem ggf. beizufügenden Unterlagen sind in Großbritannien in englischer Sprache vorzulegen.
Die relevanten Formblätter sowie die in Großbritannien für das europäische Bagatellverfahren
zuständigen Gerichte sind auf folgender Webseite zu finden:
https://e-justice.europa.eu/content_small_claims-354-de.do.
-7-
3.
Vollstreckung im Rahmen des europäischen Mahnverfahrens
Mit der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12.12.20066 wurde ein Europäisches
Mahnverfahren eingeführt, das zur Vereinfachung und Beschleunigung der Beitreibung
unbestrittener Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen führen soll.
Der sogenannte Europäische Zahlungsbefehl wird in allen Mitgliedstaaten - mit Ausnahme
Dänemarks - anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf.
Ausführliche Informationen zum europäischen Mahnverfahren sind auf folgender Webseite
erhältlich:
https://e-justice.europa.eu/content_european_payment_order-353-de.do
Haftungsausschluss:
Alle Angaben dieses Merkblattes beruhen auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Deutschen
Botschaft London zum Zeitpunkt der Abfassung des Merkblattes. Für die Vollständigkeit und
Richtigkeit kann keine Gewähr übernommen werden.
6 Amtsblatt der EU Nr. L 399 vom 30.12.2006, S. 1