Button Gump Shrimps - Ein analytischer Vergleich von „Forrest
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Button Gump Shrimps - Ein analytischer Vergleich von „Forrest
Johannes Gutenberg-Universität Mainz Institut für Filmwissenschaft Seminar: Individualstile: David Fincher, Darren Aronofsky Leitung: PD Dr. Andreas Rauscher Wintersemester 2011/12 Button Gump Shrimps Ein analytischer Vergleich von „Forrest Gump“ (1994) und „The Curious Case of Benjamin Button“ (2008) David Schröder BA Filmwissenschaften/Publizistik 3. Semester/1.Semester [email protected] Abgabedatum: 15. Februar 2012 Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung S.2 2. Gegenüberstellung zentraler narrativer Perspektiven S.2 3. Charakterisierung und Gegenüberstellung der Hauptcharaktere S.4 3.1 Die Jugendliebe 3.2 Beziehungen zur Mutter und das viel belebte Haus 3.3 Selbsteinschätzungen der Protagonisten 3.4 Verantwortung als Väter 3.5 Im Krieg 4. Von den Vorlagen zu den Filmen S.8 5. Produktionsaspekte im Vergleich (Die Ästhetik des Alterns) S.9 6. Schluss S.9 7. Literaturverzeichnis S.10 8. Echtheitserklärung S.11 1 1. Einleitung Schon kurz nach dem Erscheinen von „The Curious Case of Benjamin Button“ wurde in zeitgenössischen Kritiken von „"Forrest Gump"-Parallelen (Einbettung in die Geschichte, eine "du kannst laufen"-Szene)“1 gesprochen und auf den Umstand des selben Drehbuchautors beider Filme, Eric Roth, hingewiesen2. Dies wurde jedoch in der Regel nur am Rande erwähnt und provozierte eher die Debatte, welcher Film denn der 'bessere' sei. Von daher steht ein direkter formaler Vergleich beider Filme im Mittelpunkt dieser Arbeit und ich möchte eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten, die bisher noch nicht in den Betrachtungsfokus der Kritik gelangt sind, herausarbeiten. Auf eine nochmalige Zusammenfassung beider Filme wird in an dieser Stelle verzichtet, da sie als bekannt vorausgesetzt werden. Im Kern meiner Analyse werde ich zunächst anhand der Gegenüberstellung von den zentralen narrativen Mustern, wie Aufbau, Handlung und Setting, die Übereinstimmungen beider Filme herausstellen. Im weiteren Verlauf wird das Hauptaugenmerk auf die titelgebenden Charaktere gelegt und anhand gleicher Motive wie ihrer Jugendliebe, den Beziehungen zu ihren Müttern, ihren Selbsteinschätzungen sowie Verantwortungen als Väter eine klare Gegenüberstellung ermöglicht. Aber auch weitere Aspekte der Filme, wie die Kriegseinsätze beider Protagonisten und ihr agieren vor dem Hintergrund der tatsächlichen Geschichte, sollen analysiert und einem Vergleich unterzogen werden. Interessanterweise hört bei dem rein inhaltlichen Vergleich beider Filme die Reihe von Gemeinsamkeiten nicht auf. Mehr noch als der bereits erwähnte Umstand des selben Drehbuchautors, weisen beide Filme in ihrer Produktionsgeschichte, wie Mark Browning in seinem Buch „David Fincher, Films that scar“3 erwähnte, noch mehr Parallelen auf. Diese werden in zwei gesonderten Kapiteln zu den jeweiligen Adaptionen der Vorlagen und der Produktionsgeschichte analysiert. Einen Großteil der Argumentationsgrundlage werden die Filme selber bieten, da es sich hier um originäre Literatur handelt. Folgend werden aufgrund der Häufung die vollständigen Titel „The Curious Case of Benjamin Button“ mit „BB“ und „Forrest Gump“ mit „FG“ verkürzt. 1 Spiess, Marco: The Curious Case of Benjamin Button. 2009. http://www.molodezhnaja.ch/curiouscaseofbenjaminbutton.htm (11.02.2012). 2 Vgl. Unkel, Julian: Der seltsame Fall des Benjamin Button > Filmstarts-Kritik. 2009. http://www.filmstarts.de/kritiken/93131-Der-seltsame-Fall-des-Benjamin-Button/kritik.html (11.02.2012). 3 Vgl. Browning, Mark: David Fincher, Films that scar. 1.Auflage. USA: Praeger 2010. S. 116. 2 2. Gegenüberstellungen zentraler narrativer Perspektiven Schon in den jeweils ersten Szenen beider Filme beginnen die Gemeinsamkeiten. Ist es bei „FG“ Tom Hanks, welcher auf der Bank einer Bushaltestelle sein Leben in episodischen Rückblicken willkürlichen Passanten zu erzählen beginnt, ist es bei „BB“ Benjamins Tochter, die ihrer Mutter Daisy aus dem Tagebuch des Vaters vorliest. Beide Filme erzählen durch eine gegenwärtige Rahmenhandlung das Leben der beiden außergewöhnlichen Titelfiguren in Rückblenden bis zu dem jeweils aktuellen Zeitgeschehen (im Fall von „FG“ sogar darüber hinaus). Hierbei ist zu betonen, dass „BB“ einen wesentlich düsteren Grundton durch das gegenwärtige Setting liefert, da Benjamin bereits verstorben ist, Daisy im Sterben liegt und sie in dem dunkel ausgeleuchteten Krankenhaus der Bedrohung durch den heranziehenden Hurrikan Katrina ausgesetzt sind (im Vergleich zu dem sonnigem Setting in „FG“). In beiden Filmen erscheinen die Titelfiguren als allwissendes Voiceover (vgl. Jennys Beziehung zu ihrem Vater in „FG“ und Benjamins Wissen über den zufälligen Autounfall von Daisy in „BB“). Beide Filme enthalten zudem jeweils ein kleines, 'luftiges' Erzählmotiv für die Symbolik der Zeit. Bei „FG“ wird die Handlung durch eine fliegende Feder ein- und ausgeleitet, während bei „BB“ ein immer wieder auftauchender Kolibri aufgrund seines Flügelschlags zum Synonym für die Unendlichkeit wird (er behauptet sich vor dem Fenster des Krankenhauses gegen den Hurrikan, im Vergleich zu der von einer leichten Brise davongetragen Feder). Beide Protagonisten haben die Eigenschaften eines „slow speaking hero with Southern accent“4 und werden als real existierende Figuren, eingebettet im tatsächlichen Zeitgeschehen, inszeniert. Bei „BB“ geschieht dies eher beiläufig. Hier finden der Angriff auf Pearl Harbor und der Eintritt in den zweiten Weltkrieg eine besondere Erwähnung, während die späteren Jahre lediglich durch Jahreszahlen markiert werden. In „FG“ hingegen, greift Forrest aktiv in die amerikanische Geschichte ein. Er deckt die Watergateaffäre auf, prägt das „Smiley-Logo“, den „Shit Happens“Spruch und wird mehrmalig bei den verschiedenen Präsidenten der USA vorstellig. Dabei wurde zeitgenössisches Archivmaterial manipuliert, um den höchstmöglichen Realismus zu fördern. Zentral werden die bereits in früher Kindheit sichtbaren Besonderheiten beider Charaktere, wie Forrests Beinschienen und Benjamins greises Alter, gezeigt. Aber auch nicht sichtbare Attribute beider, wie Benjamins Bewusstsein ab der Geburt und Forrests niedriger IQ, werden als ungewöhnlich inszeniert. Schon sehr früh werden beide mit ihrem körperlichen Gebrechen als eine Herausforderung konfrontiert. Muss Forrest vor einer Gruppe Schulschläger fliehen, wobei ihm symbolträchtig die Beinschienen abfallen und ihm so das Rennen ermöglichen, muss sich Benjamin 4 Browning, Mark: David Fincher, Films that scar. 1.Auflage. USA: Praeger 2010. S. 115. 3 bei einer Messe das erste mal aus seinem Rollstuhl erheben, auf den er wegen seiner greisen Schwäche angewiesen war. Auch ist er ist für eine gewisse Zeit in den folgenden Szenen auf Beinschienen in Form von Krücken angewiesen. Früher als Forrest fängt Benjamin seine Arbeit auf einem Boot an und tritt genau wie dieser in einen Krieg ein (2. Weltkrieg in „BB“, Vietnamkrieg in „FG“). Beide überleben ihren Dienst und kommen in ihrem weiteren Leben zu unerwartetem Reichtum. Während Benjamin die Fabrik seines sich plötzlich bekennenden Vaters erbt, kommt Forrest zu Wohlstand durch seinen Shrimpkutter, welcher als einziges Boot einen schweren Sturm übersteht, sowie durch Lieutenant Dans Aktieninvestition bei der Firma „Apple“. Beide begegnen schon in frühester Kindheit der Liebe ihre Lebens (Jenny in „FG“, Daisy in „BB“), können die Beziehungen zu ihnen jedoch nie konstant aufrecht erhalten. Beide werden jedoch zu Vätern durch ihre Jugendlieben. Benjamin lernt seine Tochter Caroline (benannt nach seiner leiblichen Mutter) direkt bei der Geburt kennen, während Forrest mit seinem gleichnamigen Sohn im Alter von sechs Jahren konfrontiert wird. Im letzten Drittel ihres Lebens sind beide Charaktere mit ihren Situationen unzufrieden und begeben sich auf ausgedehnte Reisen (Forrest rennt drei Jahre von Küste zu Küste, Benjamin reist durch Asien). Während Benjamins Leben bis zu seinem Tod als Säugling erzählt wird, übernimmt Forrest nach dem Tod seiner Jugendliebe die Aufgabe der Erziehung seines Sohnes. Beide Filme arbeiten mit einem immer wiederkehrenden 'Running Gag'. Sind es bei „BB“ die sieben Geschichten des Mannes der vom Blitz getroffen wurde (wovon nur sechs erzählt werden), ist es bei „FG“ das sich wiederholende Aufzählen von artverwandten Dingen (Shrimpsrezepte, Regenarten, Kofferarten). 3. Charakterisierung und Gegenüberstellung der Hauptcharaktere 3.1 Die Jugendliebe Beide Protagonisten lernen ihre Jugendliebe etwa im Alter von sechs Jahren kennen (in „FG“ im Schulbus, in „BB“ im Altersheim). Ihr ganzes Leben wird von dieser Liebschaft geprägt und veranlasst sie zu speziellen Entscheidungen. Man kann sogar sagen, dass der Anlass des Erzählens der jeweiligen Lebensgeschichte diesen Liebschaften geschuldet ist. Forrest erzählt sie als er auf dem Weg zu Jenny ist um seinen Sohn kennen zu lernen, während Daisy ihre Tochter auffordert noch einmal Benjamins Geschichte vorzulesen. Beide Frauen reagieren auf eine über die Freundschaft hinausgehende Romanze lange Zeit mit einer abwehrenden Haltung. Auf ihren Reisen abseits der Geschichte der Titelfiguren, jagen beide Frauen 4 ihren Träumen nach (Jenny als Sängerin in „FG“, Daisy als Tänzerin in „BB“), scheitern aber dabei. Jenny wird zeitweilig drogenabhängig und plant kurzzeitig sogar einen Suizidversuch, während Daisy bei einem Autounfall das Bein mehrfach gebrochen wird, was ihre Tanzkarriere abrupt beendet. Beide treten im Laufe der Geschichte mehrfach in das Leben der Protagonisten ein und aus und lassen kurzweilig romantische Gefühle sowie sexuelle Annäherungen zu. Trotzdem verweigern sie Benjamin und Forrest lange Zeit die Rolle des Beschützers und entfernen sich wieder von ihnen. Forrest zeigt seine Gefühle für Jenny mehrfach offensiv indem er sich für ihr Wohlergehen einsetzt (er verprügelt zwei ihrer Freunde, da sie Jenny bedrohen und lässt das Haus ihres verhassten Vaters abreißen), während Benjamin auf einer eher 'telepathischen' Weise mit Daisy verbunden ist. Seine Worte „Gute Nacht Daisy.“5 werden an einem anderen Ort von Daisy wahrgenommen (zusätzlich wiederholt sie diese als ihre letzten Worte vor ihrem Tod). Dennoch sind beide Protagonisten immer in Gedanken bei ihrer Jugendliebe und schreiben ihnen Briefe (Forrest aus Vietnam, Benjamin vom Boot). Benjamin schreibt später sogar Briefe von seiner Asienreise an seine Tochter, welche sie jedoch erst nach dessen Tod erhält. Erst kurz vor ihrem Tod geht Jenny auf Forrests zweiten Heiratsantrag ein, während Benjamin aus Angst vor seiner Zurückentwicklung zu einem Kind, nach dem glücklichen Zusammenfinden mit Daisy diese wieder verlässt. Dennoch verbringt er unwissentlich seinen Lebensabend mit ihr, da sie ihn im Altersheim bis zu seinem Tod betreut. Im Unterschied zu dem sexuell scheuen Forrest lebt Benjamin seine Triebe mit mehreren Partnerinnen aus. Er besucht Bordelle und hat eine längere Affäre mit Elizabeth Abbot. 3.2 Beziehungen zur Mutter und das viel belebte Haus Ausschlaggebend für die Selbstachtung beider Protagonisten, sind die Beziehungen zu ihren Müttern. Benjamins leibliche Mutter verstirbt während seiner Geburt und wird durch die Altenheimleiterin Queenie ersetzt. Diese kümmert sich bedingungslos als Ersatzmutter um ihn und gibt ihm das Lebensmotto: „Lass dir von keinem einreden, dass du anders bist. Tu was du tun musst.“6. Auch Forrests Mutter gibt ihm einen ähnlichen Rat: „Lass dir von niemandem erzählen er wäre etwas besseres als du.“.7 Beide Mütter haben in ihrer Erziehung der Jungen ein Leben ohne Konsequenzen der körperlichen Besonderheiten zum Ziel. Sie zeigen ihnen die Welt, als eine Fülle unbegrenzter Möglichkeiten. Forrests Mutter nutzt den Satz: „Das Leben ist wie eine Schachtel 5 Der seltsame Fall des Benjamin Button. Regie: David Fincher. USA. 2008. 6 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 7 Forrest Gump. Regie: Robert Zemeckis. USA.1994. 5 Pralinen, man weiß nie was man bekommt.“8 Und auch Queenie nutzt ganz ähnliche Worte: „Man weiß nie was das Schicksal für einen bereithält.“9 Beide Charaktere hegen eine tiefe Zuneigung für ihre Mütter und auch hier reagiert Forrest offensiver. Als er Nachricht von der Erkrankung seiner Mutter bekommt, verlässt er ein Schiff auf offenem Gewässer durch einen Sprung und begibt sich ohne zu zögern direkt auf den Weg nach Hause, während Benjamin bei dem Tod von Queenie abwesend ist und dies erst im Nachhinein erfährt. Beide Protagonisten wachsen bei ihren Müttern in viel belebten Häusern mit ständig wechselnden Bewohnern auf. Forrest in einer Herberge und Benjamin in einem Altersheim. Dies ermöglicht beiden schon in frühester Kindheit einen Blick auf die Vielzahl der möglichen Lebenswege eines Menschen. Auch hier wurde bei „BB“ ein düstereres Setting gewählt, welches Benjamin mit den Worten kommentiert: „Der Tod war ein stetiger Besucher, Menschen kamen und gingen.“10 3.3 Selbsteinschätzungen der Protagonisten Beide Charaktere entwickeln trotz der anfänglichen Beeinträchtigungen körperliche Höchstleistungen. Forrest wird zu einem vom Präsidenten ausgezeichneten Footballspieler und Soldat. Er nimmt an den Tischtennismeisterschaften in China teil und wird auch durch sein Dauerjoggen zum Symbol der Nation. Benjamins Körper reift entgegen der anfänglichen Todesprognose zu einem Idealbild. Trotz aller Erfolge im Leben erfahren beide immer wiederkehrende Einsamkeit. Forrest scheint im Vergleich zu Benjamin nie ein Bewusstsein für die Konsequenzen seiner Handlungen und Bedrohungen des Lebens zu haben. Die wichtigsten Lebensstationen ergeben sich bei ihm immer aus logischer Konsequenz, selten aus freier Entscheidung. Er wird Footballspieler weil er schnell laufen kann, wird Soldat aufgrund seines Studienabschlusses und unfreiwillig zum Kriegshelden, indem er auf der eigentlichen Suche nach seinem Freund Bubba mehreren Soldaten das Leben rettet. Er spielt Tischtennis aufgrund seiner Kriegsverletzung und steigt bis zur Meisterschaft auf. Er kommt zu Wohlstand aufgrund des Versprechens an Bubba einen Shrimpkutter zu übernehmen. Lediglich die Entscheidung zum dreijährigen Marathonlauf stammt von ihm. Benjamin hingegen ist immer Taumel mit seinen Entscheidungen und reflektiert immer wieder sein Leben und die verstreichende Zeit: „Es ist als hätte ich ein ganzes Leben hinter mir und könnte 8 Forrest Gump. 9 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 10 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 6 mich nicht daran erinnern.“11 Abgesehen von seinem Kriegseinsatz ist sein Leben vielmehr von Alltäglichem geprägt und Zufällen unterworfen (er wird nach dem Krieg erst wieder zum Handeln durch Daisys Unfall motiviert). Seine Selbstreflexion seines Zustandes kommentiert er mit den leicht ironischen Worten gegenüber Daisy: „Ich habe nachgerechnet. Du bist 1918 geboren, vor 49 Jahren. Ich bin 43, wir treffen uns in der Mitte.“12 3.4) Verantwortung als Väter Beide Protagonisten haben mit ihren eigenen Vätern eine ungewöhnliche Beziehung. Während Benjamins Vater sich mehr als die Hälfte seines Lebens im Verborgenen hält, muss man annehmen, dass Forrests Vater entweder verstorben ist oder die Familie verlassen haben muss. Seine Mutter erwidert auf die Frage nach ihm: „Er ist auf Reisen.“ 13 Beide suchen sich jedoch Ersatzvaterfiguren in ihren Offizieren, denen sie während ihrer Kriegseinsätze unterstellt sind. In „FG“ schließt sich Lieutenant Dan nach dem Krieg Forrest auf seinem Shrimpkutter an und sorgt mit „Apple“ Aktien für Forests finanzielle Sicherheit. In „BB“ sorgt sich Captain Mike über das Arbeitsverhältniss hinaus um Benjamin und nimmt ihn mit zu Trinkgelagen und Bordellbesuchen. Überdies organisiert er eine Schifffahrt für ihn und Daisy. Beide reagieren bei der Nachricht, dass sie Väter seien mit Bestürzung, vermuten sie bei ihren Nachkommen doch die selben Beeinträchtigungen wie bei ihnen selbst. Diese Sorge ist in beiden Fällen unbegründet, kommen doch beide als gesunde Kinder zur Welt. Durch den beiderseitigen Wohlstand müssen sie sich für das Auskommen ihrer Kinder auch keine Sorgen machen. Während Forrest sich seinem Sohn gegenüber direkt offenbart, lässt Benjamin seine Tochter im Unwissen und überlässt die Vaterrolle Daisys neuem Ehemann. Er verkauft die Fabrik und hinterlässt Daisy den gesamten Erlös. Erst nach seinem Tod und ohne seinen Wunsch erfährt Caroline von seiner Vaterschaft. Benjamin begründet sein Weggehen mit den Worten: „Sie braucht einen Vater, keinen Spielkameraden.“,14 da er aufgrund seiner Entwicklung befürchtet ihr in ihrer Erziehung nicht gerecht werden zu können. 3.5 Im Krieg Wie bereits erwähnt, dienen beide Charaktere in Kriegen. Während Forrest bei seinem Einsatz in 11 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 12 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 13 Forrest Gump. 14 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 7 Vietnam angeschossen wird und erst wieder genesen muss, übersteht Benjamin die Versenkung des Schiffes unbeschadet. In Folge des Krieges verpflichten sich beide freiwillig ein Versprechen zu halten, dass sie während dem Krieg einem Kameraden gaben. Während Forrest für seinen Freund Bubba die „Bubba-Gump-Shrimp“ Kette gründet, sendet Benjamin in Folge des Versprechens der Familie von Pleasant Curtis dessen gesamten Lohn. Für beide scheinen ihre Kriegserfahrungen keine besonderen emotionalen Konsequenzen zu haben. Abgesehen von Forrests Narbe, die er vor dem Präsidenten entblößt, schafft es die Dramaturgie seine Reflexion von Vietnam auszublenden, in dem seine Ansprache mit einem Mikrofon manipuliert wird und der Zuschauer keine Möglichkeit bekommt ihn zu verstehen. Benjamins einzig Reflexion zum Krieg lautet: „Der Tod war hier draußen nichts Natürliches.“15 4. Von den Vorlagen zu den Filmen Es ist interessant zu sehen, dass die beiden auf literarischen Vorlagen basierenden Drehbücher von Eric Roth verfasst wurden, betrachtet man die Vielzahl von Übereinstimmungen.16 Wie Mark Browning schon feststellte, verfasste F. Scott Fitzgerald 1921 die Kurzgeschichte „The Curios Case of Benjamin Button“, welche ursprünglich Benjamins Geburtsjahr im Jahr 1860 festmacht, nicht in 1918. Roth entschied sich den Handlungszeitraum der Geschichte in die Neuzeit zu transportieren und den 2005 aufgetretenen Hurrikan Katrina als Gegenwartsrahmen zu nutzen. Damit verlagerte er auch den ursprünglichen Handlungsort von Baltimore nach New Orleans. Ebenso sah Roth einen Vorteil in der Mobilität der Neuzeit, was Benjamins Reisen in der Welt erleichtern soll. Einer der zentralen Unterschiede von Vorlage und Adaption liegt in Benjamins Erscheinung bei seiner Geburt. Im Original kommt er mit dem großen Körper eines Greises und mit der Fähigkeit zu Sprechen zur Welt. Es wurde auch das Button Familienunternehmen von einer Wäscherei in eine Knopfmanufaktur abgeändert. Der Film lässt aber einige Passagen der Vorlage aus, wie etwa Benjamins Harvard-Studium oder seine Ausbildungszeit beim Militär. Dafür wurde der Plot um Mr. Gateaus rückwärts laufende Uhr erweitert17. Hiermit wurde eine visuelle Metapher für Benjamins Entwicklung geschaffen. Bei der Adaption von Winston Grooms 1986 erschienen Roman „Forrest Gump“ wurden die Grundideen weitestgehend beibehalten. Der Aspekt der anfangs verkümmerten Beine wurde hinzugefügt, das ursprünglich vermehrte Fluchen Forrests weggelassen. Auch ist die Vorlage für Forrests Figur geistig unterentwickelter, was ihm den Abschluss des Studiums unmöglich macht. 15 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 16 IMDB: Eric Roth (I). 2012. http://www.imdb.com/name/nm0744839/ (11.02.2012). 17 Vgl. Browning, Mark: David Fincher, Films that scar. 1.Auflage. USA: Praeger 2010. S. 124-127. 8 Als größte Aussparungen aus der Vorlage nennt Hugo Giles einige Episoden wie etwa Forrest als Astronaut, Schachspieler und Wrestler. Im Buch wird er sogar, nachdem er als Astronaut abgestürzt ist, vier Jahre von einem Kannibalenstamm gefangen gehalten. Die Vorlage liefert in der Beziehung zu Jenny im Vergleich kein Happy End. Ursprünglich heiratet sie einen anderen Mann und zieht Forrests Sohn mit diesem groß18 (vgl. mit dem Filmende von „BB“, seine geistige Unterentwicklung und sein körperliches Gebrechen hindert ihn daran seinem Kind ein Vater zu sein).19 Die starke historische Verortung spielte in der Vorlage keine große Rolle (war aber die Voraussetzung von Tom Hanks für die Besetzung der Rolle). 20 Es ist außerdem zu erwähnen, dass die Vorlage erst durch den Film populär wurde. 5. Produktionsaspekte im Vergleich (Die Ästhetik des Alterns) Beide Filme nutzten zu ihrer Zeit die neueste Computertechnologie um die Umsetzung der phantastischen Hauptcharaktere so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen.21 Im Falle von „BB“ griff man auf gleich sieben verschiedene Darsteller zurück, welche die jeweiligen Lebensabschnitte von Benjamin, mit dem digital hinzugefügten Gesicht von Brad Pitt, porträtierten. Forrest Gump wird hingegen von 2 Schauspielern dargestellt, einem Kinderdarsteller und Tom Hanks. Es interessant zu beobachten, dass nach dem ersten Zeitsprung vom kindlichen zum jungen Erwachsenen Forrest in seiner Entwicklung keine Zeichen des Alterns mehr zu finden sind. Lediglich der Bart der ihm während seiner Joggingphase wächst zeigt das verstreichen von Zeit an (hier könnte man anfügen, dass dies eventuell eine Produktionsbedingung war, da die meisten der Rennszenen von Tom Hanks Bruder Jim Hanks gedoubelt wurden und der Bart sein Gesicht verdeckte).22 Vergleicht man aber beispielsweise das Altern seiner Mutter mit Forrests Erscheinung, so wird deutlich, dass sich nichts verändert hat. Der Forrest am Ende des Films ist nahezu identisch mit der Erscheinung nach dem ersten Zeitsprung zum Erwachsenen. Man kann also sagen, dass der zentrale Fokus auf die Ästhetik des Alterns bei „BB“ das exakte Gegenteil zu „FG“ bildet. 6. Schluss Es ist bei der Gegenüberstellung beider Film ersichtlich geworden, dass es bei ihnen eine Vielzahl 18 Vgl. Giles, Hugo: 'Sometimes there just Ain't enough Stones' - Forrest Gump. http://www.the-writestuff.com.au/archives/vol-1/reviews/gump.html (11.02.2012). 19 Der seltsame Fall des Benjamin Button. 20 IMDB: Forest Gump Trivia. 2012. http://www.imdb.com/title/tt0109830/trivia (11.02.2012). 21 Vgl. Browning, Mark: David Fincher, Films that scar. 1.Auflage. USA: Praeger 2010. S. 115. 22 IMDB: Forest Gump Trivia. 2012. http://www.imdb.com/title/tt0109830/trivia (11.02.2012). 9 von direkten und indirekten Parallelen sowie Variationen gibt. Beide Filme bieten im Kern die Lebensgeschichte eines körperlich eingeschränkten Menschen, der die Hürden des Lebens zu meistern hat, gepaart mit einer Liebesgeschichte. Beide stellen die Frage wie kostbar unsere Zeit im Leben ist und wie wir sie nutzen. Robert Zemeckis verpackt diese Frage in einen stimmungsvollen, bunten, gar poppigen Film, während David Fincher, eingliedernd in seinem Gesamtwerk, einen reflexiv melancholischen Ansatz wählte. Beide Filme rückten in den Fokus der jährlichen Oscarverleihungen und wurden jeweils 13 mal nominiert. Während „FG“ sich in den Hauptkategorien bester Film, Regisseur und Hauptdarsteller behaupten konnte und insgesamt fünf Auszeichnungen bekam, musste sich „BB“ in Nebenkategorien wie visuelle Effekte, Makeup und Art Direction mit drei Oscars begnügen. Dies soll aber keinesfalls ein Argument in der anfangs erwähnten Debatte um die Qualität der Filme darstellen. Eine persönliche Antwort zu der Frage welcher Film im direkten Vergleich nun der 'bessere' sei, muss jeder Zuschauer für sich selbst finden. Argumentationspotential ist mit dieser Arbeit ausreichend gegeben. Mit diesem Gedanken schließe ich, mit einem in diesem Kontext ironischen Zitat, von dem Kriegsheimkehrer Forrest Gump: „...und das ist alles was ich dazu zu sagen habe.“23 7. Literaturverzeichnis Filme Forrest Gump / Forrest Gump. Regie: Robert Zemeckis. USA.1994. The Curious Case of Benjamin Button / Der seltsame Fall des Benjamin Button. Regie: David Fincher. USA. 2008. Literatur Browning, Mark: David Fincher, Films that scar. 1.Auflage. USA: Praeger 2010. S. 115 – 129. Internetquellen Spiess, Marco: The Curious Case of Benjamin Button. 2009. http://www.molodezhnaja.ch/curiouscaseofbenjaminbutton.htm (11.02.2012). Unkel, Julian: Der seltsame Fall des Benjamin Button > Filmstarts-Kritik. 2009. http://www.filmstarts.de/kritiken/93131-Der-seltsame-Fall-des-Benjamin-Button/kritik.html (11.02.2012). 23 Forrest Gump. 10 Giles, Hugo: 'Sometimes there just Ain't enough Stones' - Forrest Gump. http://www.the-writestuff.com.au/archives/vol-1/reviews/gump.html (11.02.2012). IMDB: Eric Roth (I). 2012. http://www.imdb.com/name/nm0744839/ (11.02.2012). IMDB: Forest Gump Trivia. 2012. http://www.imdb.com/title/tt0109830/trivia (11.02.2012). 8. Echtheitserklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende schriftliche Leistung selbständig verfasst und keine anderen als die genehmigten und angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. [Ort und Datum] [David Schröder] 11