Erfahrungsbericht Montpellier 2011/2012
Transcrição
Erfahrungsbericht Montpellier 2011/2012
Erfahrungsbericht Montpellier 2011/2012 Mit folgendem Bericht über meine Erfahrungen während meinem Auslandsjahr in Montpellier möchte ich all denjenigen, die sich für einen Erasmus-Aufenthalt in Südfrankreich entschieden haben, ein paar Einstiegstipps geben. Zur Stadt Montpellier Montpellier mit seinen 250 000 Einwohnern ist eine der größeren Städte in Frankreich. Die Größe der Stadt ist zugleich eine ihrer Stärken: Durch die 60 000 Studierenden vor Ort fällt es nicht schwer, sich in kurzer Zeit ein soziales Netzwerk aus französischen und internationalen Studierenden aufzubauen. Nichtsdestotrotz, oder gerade deswegen, ist Montpellier noch eine französische Stadt geblieben, in der das typisch französische savoir vivre lebbar ist. Von einer doch relativ leicht austauschbaren Weltstadt à la Paris ist Montpellier noch weit entfernt. Die Städte Montpellier und Heidelberg verbindet eine seit 1961 bestehende Städtepartnerschaft. Der erste offizielle Austausch zwischen den Universitäten beider Städte geht sogar bis in das Jahr 1957 zurück. Seit dieser Zeit waren der Austausch und die Freundschaft zwischen den juristischen Fakultäten in besonderem Maße prägend für die Städtepartnerschaft. Vorbereitung auf die Bewerbung / Vorbereitung auf den Aufenthalt Generell ist der Besuch von Sprachkursen, beispielsweise im Zentralen Sprachlabor der Universität Heidelberg, vor Antritt des Aufenthaltes empfehlenswert. Weiterhin kann man sein „schon immer vorhandenes Interesse am französischen Rechtssystem“ durch den Besuch der Vorlesungen des französischen Rechts und seiner Rechtssprache (Zivilrecht und Öffentliches Recht) mit den entsprechenden Prüfungen belegen. Mein Tipp: Während der Teilnahme am jährlich stattfindenden Montpellierseminar können schon erste hilfreiche Kontakte zu Franzosen geknüpft werden. Learning Agreement Nach der Zusage durch die Universität Heidelberg wird man aufgefordert, ein ausgefülltes Learning Agreement abzugeben. Da die aktuellen Stundenpläne jedoch erst ein bis zwei Tage vor Semesterbeginn verfügbar sind, empfiehlt es sich, das Learning Agreement in Deutschland nach bestem Gewissen auszufüllen (= alte Stundenpläne) und in Frankreich dann nach der endgültigen Kurswahl das ursprüngliche Learning Agreement mittels eines „Changes“ zu ändern. Wohnen Die Entscheidung zwischen einer WG oder einem Zimmer in einem Wohnheim ist eine persönliche. Die sicherlich stressfreiere Variante ist, mit einem Wohnheimzimmer zu beginnen. Ein solches wird einem per Mail angeboten. Ich persönlich kann die „Cité Universitaire des Arceaux“ empfehlen. Hier erhält man für circa 250 € / Monat (von diesem Betrag kann dann noch der CAF-Zuschuss abgezogen werden) ein Zimmer mit eigenem Bad. Bankkonto Eine der ersten Dinge, die klassischerweise zu einem Auslandsaufenthalt gehören ist die Kontoeröffnung. Hierzu benötigt man einen Nachweis über einen französischen Wohnsitz. Im Sekretariat des Arceaux-Wohnheims wurde ein solcher ohne Probleme ausgestellt. Ansonsten mit dem Vermieter sprechen. Zu Semesterbeginn werben viele Banken mit speziellen Studententarifen. Grob gesagt sollte man sich nicht unter einer 50 €-Kontoeröffnungsprämie und einer kostenlosen Kontoführung für ein Jahr zufrieden geben. Bei den Banken gibt es auch preisgünstige Wohnungs-- und Haftpflichtversicherungen (circa 1 € / Jahr). Mein Tipp: Die Kontoeröffnung bei der Bank „Le Crédit Lyonnais (LCL)“ war für mich ein Lehrstück ineffizienter Bürokratie. Kurz gefasst: Übertrieben lange Wartezeiten; unübersichtliche Auf – und Abbuchungen; man wird quasi gezwungen, ein Probeabo der (Werbe-)Zeitschrift „i comme info“ abzuschließen, das die ersten drei Monate kostenfrei geliefert wird, danach 39,60 € / Jahr kostet (an Kündigung denken!); 50 €- Kontoeröffnungsprämie von August wird Ende Dezember überwiesen. Da man die Mitarbeiter von LCL mit der Zeit nur noch mit einem bemitleidenden Lächeln aushält: Sucht euch falls möglich eine andere Bank! CAF / Caisse d'Allocations Familiales / Wohngeldzuschuss Der französische Staat zahlt jedem Studenten einen Wohngeldzuschuss. Auch Studenten in Wohnheimen. Es lohnt sich, zügig nach Beginn des Aufenthaltes einen CAF-Antrag zu stellen. Zwar bleibt die Berechnungsgrundlage bis zum Schluss unklar. Jedoch wird wohl der Monat, in welchem der Antrag gestellt wird, nicht mitberechnet. Mein Tipp: Schon in Deutschland eine Kopie der Geburtsurkunde / einer Geburtsbescheinigung besorgen. Eine solche wird im Laufe des Jahres wohl von jedem CAF-Empfänger angefordert. Internetpräsenz: www.caf.fr Sprachkurs in Montpellier Vor und während dem ersten Semester wurden von „Le Pôle de Recherche et d'Enseignement Supérieur „Université Montpellier Sud de France“ (PRES – UMSF)“ Sprachkurse angeboten. Man wird hierauf rechtzeitig von Frau Crouzet (Erasmuskoordinatorin an der Juristischen Fakultät) per Mail hingewiesen. Der Sprachkurs findet etwas außerhalb der Innenstadt an der Universität Paul-Valéry statt (→ Fahrrad!) Mein Tipp: Falls möglich sollte man sich schnellstmöglich bei dem Sprachkurs, der zwei Wochen vor Vorlesungsbeginn stattfindet, anmelden. Hier kennt noch niemand niemanden. Hier werden nützliche Kontakte geknüpft. Hier lernt man Gesichter kennen, die man das ganze Jahr wieder treffen wird. Einschreibung Die Einschreibung erfolgte in drei Schritten: Zuerst holt man ein Dossier zum Ausfüllen im Hof der Juristischen Fakultät ab. Man benötigt nur Passbilder und einen Personalausweis. Dort bekommt man auch einen Termin, wann das Dossier und die darin angeforderten Nachweise (Versicherung etc.) wieder abzugeben sind. An diesem Termin gibt man das Dossier ab, zahlt die Gebühren und meldet sich eventuell zum Unisport an. Als dritter Schritt wird die Einschreibung bei der Erasmuskoordinatorin Frau Crouzet abgeschlossen. Sie erklärt aber schon vorher bei einem Treffen das ganze Prozedere bezüglich der Einschreibung. Mein Tipp: Beim Einschreiben wird die Vorlage der Europäischen Krankenversichertenkarte verlangt. Dies ist für Privatversicherte nicht möglich, da die deutschen privaten Krankenversicherung eine solche nicht ausstellen. Bei der Einschreibung wird einem gesagt werden, dass man deshalb leider als „Nicht-Europäer“ klassifiziert werden muss und deshalb 203 € zu zahlen hätte. An dieser Stelle benötigt es eines Nachweises eurer privaten Auslandsversicherung in französischer Sprache (!), dass ihr auch im Ausland versichert seid. Am besten habt ihr folgenden Wortlaut auf der Bestätigung stehen: „La protection de l'assurance de XXXX XXXX est - dans le cadre du contrat – valable en France aussi bien qu'en Allemagne sans limitation temporelle. La protection d'assurance correspond à celui de I'assurance-maladie légale en Allemagne.“ Sollt ihr trotzdem die 203 € zahlen, brecht an dieser Stelle lieber ab und kommt an einem anderen Tag zu einem anderen Sachbearbeiter wieder. Es ist möglich, sich als Privatversicherter auch ohne die Zahlung von 203 € (= nochmaliger Versicherung in Frankreich!) einzuschreiben. Im Notfall lieber noch einmal mit Frau Crouzet sprechen. Falls alles nichts nützen sollte, kann man sich bei der Sécurité Sociale (29 Cours Gambetta, 34934 Montpellier) einen „lettre de rejet“ organisieren und den Betrag danach bei der URSSAF (35 Rue de la Haye, 34080 Montpellier) zurückfordern. Dieses Prozedere wird einen dann allerdings von September bis Januar beschäftigen. Kurswahl Ein zentrales Vorlesungsverzeichnis scheint nicht zu existieren. Ab etwa zwei Tage vor Vorlesungsbeginn sind die Stundenpläne für die jeweiligen Jahrgänge im Internet frei abrufbar. Von französischer Seite gibt es die Bedingung, dass von ausländischen Studierenden „nur“ Vorlesungen der ersten vier Jahre („Licence 1“, „Licence 2“, „Licence 3“, „Master 1“) besucht werden dürfen. Die Teilnahme von ausländischen Studierenden an den Arbeitsgemeinschaften („TD“ = „travaux dirigés“) ist nicht gewünscht. Ansonsten besteht völlige Freiheit bzgl. der Zusammenstellung der individuellen Stundenpläne. Es empfiehlt sich, am Anfang des Semesters ein kurzes Gespräch mit dem Professor zu suchen. Aus der Reaktion kann man oftmals ablesen, ob man nicht lieber in eine Parallelveranstaltung (gerade in den Anfängersemestern wird der gleiche Stoff zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen Dozenten gelesen) wechseln sollte. Mein Tipp: Für Heidelberger Studenten ist ein solches Gespräch zwingend notwendig, soweit mit schriftlichen Prüfungsleistungen ein „Heidelberger Schein“ ersetzt werden soll! Studentenvereinigungen / Parties / Städtetouren Es empfiehlt sich, sich via Facebook o.Ä. mit den Studentenvereinigungen „Corpo Droit Montpellier“ und „Asso Erasmus Montpellier“ zu verbinden. Gerade Asso Erasmus organisiert viele Veranstaltungen (Parties, Skifahren, Städtetouren, Schlittschuhlaufen...) für ausländische Studierende. So bleibt man immer im Kontakt mit den Kommilitonen der anderen Fakultäten. Mein Tipp: Manchmal lassen sich Städtetouren auch einfach im Freundeskreis schneller organisieren. Eine hilfreiche Internetadresse kann www.eurolines.fr sein. Bibliotheken / Drucken In Gebäude 3 der Juristischen Fakultät befindet sich eine kleine Bibliothek, zu der nur Studenten der Juristischen Fakultät Zutritt haben. Viel größer und auch architektonisch imposanter ist die Richter-Bibliothek am Ufer der Lez neben dem „Hôtel de Région“. Hier kann man im Erdgeschoss auch für 8 Cent / Din A4-Seite Dokumente drucken. Allerdings kann nicht mit dem Studentenausweis gezahlt werden. Im Foyer neben der Ausleihe befindet sich ein Automat, an welchem man Druckerkarten kaufen kann. Mein Tipp: In den zahlreichen Copyshops in der Innenstadt unbedingt vor dem Drucken die Konditionen erfragen, klarstellen und notfalls nach verhandeln. So wird man auch davon verschont, alleine für das Einstecken des USB-Sticks einen Euro zu zahlen... Fahrrad / Fortbewegung Montpellier hat vier Straßenbahnlinien und ein gut ausgebautes Busnetz. Jedoch mutet die Streckenführung der Straßenbahn zuweilen etwas umständlich an, sodass das Fahrrad das perfekte Fortbewegungsmittel in Montpellier ist. Es gibt hauptsächlich zwei Beschaffungskanäle: Der erste, langwierigere Weg führt zu „Vélomagg“ am Hauptbahnhof. Dort kann man robuste und dementsprechend schwere Fahrräder zu einem Preis von 30 € pro Jahr mieten. Jedoch sind hier gerade zu Semesterbeginn Wartezeiten von 4 bis 5 Stunden keine Seltenheit - um einen Termin zu vereinbaren. Der schnellere Weg führt auf den Flohmarkt von Mosson. Dieser findet jeden Sonntag ab circa 7 Uhr statt. Einfach mit der ersten blauen Straßenbahn (Linie 1) bis zur Endhaltestelle Mosson fahren. Dort kann man alle möglichen Fahrräder zu allen möglichen Preisen (5 € bis 50 €) erstehen. Verhandeln! Sonst fühlen sich die Verkäufer im Zweifel noch persönlich beleidigt. Mein Tipp: In Mosson fängt der frühe Vogel den Wurm! Wenn möglich, gleich am ersten möglichen Sonntag nach Mosson fahren. Vielleicht kann man den Mosson-Flohmarkt auch bei den Anreiseplänen berücksichtigen? Gerade die erste Woche mit einem eventuellen Sprachkurs am anderen Ende der Stadt kann mühsam werden! Bei allen Mosson-Fahrrädern unbedingt (!) alle (!!) möglichen (!!!) Schrauben nachziehen!!! Vielleicht kann man das ein oder andere Werkzeug von zuhause mitbringen? Über das Jahr gesehen sind die Vélomagg-Räder jedoch sicherlich zuverlässiger, der Abenteuerfaktor hält sich allerdings auch in Grenzen. Handy Im Januar 2012 wurde der französische Handymarkt revolutioniert. Mit „free“ kam ein neuer Anbieter auf den Markt. Er unterbot die bisherigen Anbieter oftmals bis um die Hälfte. Bisher sind / waren Prepaid-Karten zeitlich stark begrenzt (so verfallen / verfielen 5 € Guthaben auch ungenutzt nach 3 bis 4 Tagen). Da ich keine französische Handynummer hatte, habe ich die Marktentwicklung nicht weiter verfolgt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass alles hier und jetzt Geschriebene schon bald nicht mehr aktuell sein wird. Deshalb... Mein Tipp: Vergleicht selbst! Mittagessen Die Juristische Fakultät in Montpellier verfügt über eine kleine Cafeteria. Möchte man ein warmes Mittagessen, so führt der Weg an den Mensen nicht vorbei. Dort gibt es für 3,05 € eine Vorspeise, einen Hauptgang, ein Dessert und ein kleines Baguette. Die von der Juristischen Fakultät aus nächstgelegenen Mensen sind dieselbigen in Boutonnet und an der Richter-Bibliothek. Beide Mensen sind mit dem Fahrrad in ca. 7 Minuten zu erreichen. Zu Beginn des Uni-Jahres kann man dort auch bar bezahlen, nach etwa drei Wochen aber nur noch mit dem Studentenausweis. Die Studentenausweise / Mensakarten können an Aufladestationen mit einer Kreditkarte aufgeladen werden. Am Lieferanteneingang der Richter-Mensa (einmal um das Gebäude herum laufen!) werden zwischen 11.30 Uhr und 12.15 Uhr die Mensakarten auch gegen Bargeld aufgeladen. Mein Tipp: Falls man kurz nach der „Bargeldphase“ zu Beginn des Semesters noch keinen Studentenausweis hat kann man gegen ein Lächeln (gegebenenfalls auch gegen eine kleine Diskussion) immer noch mit Bargeld bezahlen. Sport Neben diversen Sportvereinen gibt es in Montpellier auch noch den Unisport („S.U.A.P.S.“). Für 30 € pro Jahr bietet die Universität ein vielfältiges Sportangebot. Die Sportstätten sind in ganz Montpellier verteilt. Ob man am Unisport teilnehmen möchte muss man bei der Einschreibung erklären, hier werden dann auch gleich die 30 € fällig. Danach muss man an einer (kostenlosen) ärztlichen Untersuchung („médicine préventive“) im Biologischen Institut (nahe der Juristischen Fakultät) teilnehmen (Adresse: Service Universitaire de Médicin Préventive et de Promotion de la Santé – Institut de Biologie – 4 Boulevard Henri IV – CS 19044 – 34967 Montpellier). Mit dem Nachweis der ärztlichen Untersuchung und dem Nachweis der Zahlung der 30 € bekommt man beim S.U.A.P.S.Büro auf dem Gelände der pharmazeutischen Fakultät einen Sticker für den Studentenausweis. Gleich danach könnt ihr alle Sporteinrichtungen der Universität nutzen. Mein Tipp: Schon frühzeitig einen Termin für die ärztliche Untersuchung vereinbaren. Der Arzt ist nicht jeden Tag im Hause und gerade zu Semesterbeginn sind Wartezeiten von 2 Wochen keine Seltenheit. Strand / Meer Ein beliebtes Ausflugsziel ist natürlich das Meer. Es ist sogar mit dem Rad zu erreichen. Startet man am Hôtel de Région, fährt man einfach parallel zum Fluss Lez (mit der Fließrichtung des Wassers) am neuen Rathaus vorbei (riesiges blaues Haus dann auf der rechten Seite). Nach circa 45 bis 60 Minuten sollte man angekommen sein. Die neue Straßenbahnlinie 3 soll wohl auch zu einem Strand fahren. Weiterhin sind sowohl Palavas als auch andere Strände („Grande Motte“, „Petite Motte“) mit dem Bus erreichbar. Weitere Tipps: – Alle (!) möglichen Dokumente und Nachweise sollten (besser: müssen) in französischer Sprache verfasst sein! Gebt euch schon in Deutschland nicht mit englischen Nachweisen zufrieden – das erspart Stress. – Schon in Deutschland möglichst viele Kopien von möglichst allen bis dahin existierenden Nachweisen erstellen – ihr werdet sie brauchen! – Es empfiehlt sich immer, Passfotos in ausreichender Anzahl bei sich zu führen. – Der „Pass Culture“ für 9 € ermöglicht viele verbilligte Eintritte in das Kino, bei Konzerten etc. – Sollte wieder ein Partenschaftsprogramm (französischer Student betreut deutschen Studenten) angeboten werden: Unbedingt teilnehmen! Wenn ihr Glück habt findet ihr einen Begleiter für ein Jahr; falls ihr Pech habt könnt ihr immer noch den Kontakt abbrechen. Diejenigen Franzosen, die an diesem Programm teilnahmen waren eigentlich alle sehr motiviert. – Im Heidelberg-Haus in der Innenstadt werden Sprachtandems angeboten.