Children of Biedermeier - digitalBIEDERMEIER
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Children of Biedermeier - digitalBIEDERMEIER
nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 1 von 24 digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 nguyen van ngoc themenübersicht: von adlern und herdentieren biedermeier einst und heute (versuch einer kontextualisierung) parallelströmungen / digitalBIEDERMEIER all over the world einleitung: wir sprechen heute von einem digitalBIEDERMEIER und dem damit charakteristischen 'rückzugsphänomen' in das eigene heim zurück, von dem my-home-is-my-castle gefühl aus alles andere steuerbar und erfahrbar zu sein scheint. gesellschaftliche beziehungen werden über die ferne abgehandelt, es lebt nun alles teils durch die ferne und vorallem wegen der ferne - und hier haben wir schon die erste problematik angedeutet: diese koexistenz von mensch und technologie wird immer schwieriger in ihrer entstehungsgeschichte zu deuten: wo bedient sich der mensch noch an der technik und wo wird er bereits von der technik zu neuen verständigungsmodi 'geformt'? zu bedenken ist auch, dass der rückzug meiner meinung nach mehrere ursachen hat und man nicht direkt das schrumpfen der face-2-face kommunikation (als schmälerung der menschlichen beziehungen verteufelt) auf die technik zurückführen kann und soll, denn technik wird anfänglich aus einem sozialen gebrauch evoziert. ausserdem muss man das rückzugsphänomen/abschottung auch medienintern genauer betrachten! dieses hopping im gleichen medium, also nutzen und wechseln verschiedener möglichkeiten im gleichen medium noch, wird zentrales thema sein. wie die handhabung davon aussieht, so möchte ich erst später im dritten und letzten teil darauf näher eingehen, wo beispiele aus dem ausland zum vergleich heran gezogen werden; aus ländern, die scheinbar einen 'digitalen biedermeier' als phänomen einer technokulturellen lebensform bereits hinter sich gelassen oder noch vor sich haben. es sind politische und wirtschaftliche einschneidungen entscheidend, um die technik in ihrem wirkungsbereich einzusetzen und zu forcieren. fraglich ist jedoch warum die beschleunigung der wirtschaftlichen globalisierung meistens mit dem internet zusammenhängen muss, da zwar alles always on aber nur wenig ahead geht. dieses un/plugged dilemma ist diesjährig bereits bei der ars electronica anhand von afrika vorgestellt worden - indien hat zb. eine andere geschichte der involvierung im globalisierungsprozess nach zu weisen, wovon ich wie gesagt am ende auch noch berichten werde. ich möchte in diesem vortrag (der im verlauf eher zu einer großen diskussionsrunde werden sollte) mehrere schienen fahren und auch ad hoc fragen gleich inkludieren, um noch auf mehr schienen zu fahren. es soll aber keine wirtschaftliche http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 2 von 24 oder politische abhandlung sein, sondern wie immer von mir gewünscht, ein lockeres theory jockeying, das sich schwerpunktmäßig auf die technokultur stürzen soll. 'digitaler biedermeier' ist zwar nur eine metapher für den momentanen zustand einer technogeprägten kultur, kann aber in details mit dem damaligen biedermeier in vielerlei hinsicht verglichen werden (im zweiten teil), wie die machtverhältnisse waren, sprich: wie politische und soziale strukturen, die für ein neues aufkommen eines kulturellen kommunikationssystem sich doch verantwortlich zeigen und mit dem eindringen der technik in unser berufliches oder privates leben geistige haltungen nochmals ein unumgängliches 'up-date' benötigen, damit der mensch, so paradox dies klingt, in seiner eigens digitalisierten welt mit den maschinellen enviroments zurechtkommt. womit ich beginnen möchte, ist nun die frage zu stellen (und diese auch versuchen zu beantworten) wie eigentlich diese relation von privat <-> öffentlich und 'technologisierungsprozess' verhältnismäßig zu einander stehen. denn gerade das aufkommen neuer technologien wird selten in frage gestellt, sondern gleich weitergegeben, wie man diese letztendlich anwendet oder weiter verbessern kann. ob wir bereits technik für so selbstverständlich halten, dass alles gleich in ein sozio/kulturelles geflecht mitgewoben wird und die muster oder gar die funktion nicht von wesentlicher bedeutung sind? zudem muss klar unterstrichen werden, dass alle erfindungen, die zur massenware werden ihre wurzeln in einem kleinen expertenkreis (elite) haben, sei es wegen der nutzbarkeit, des gebrauchs oder finanzieller einschränkung, und erst von dort aus sich der weg zur masse bahnt. *** von adlern und herdentieren: es ist alles somit eine frage der distribuierung aber auch eine wesentlichere frage der anerkennung einer ideologie. schon rene descartes wollte dem akademischen kanonisierungszwängen entfliehen und strebte nach öffentlicher meinung, die zum prüfstein seiner thesen werden sollte. seine ideen und ausbildung hatte er aber aus einem akademischenkreis (also aus einem damals elitären kreis), der streng von dem einfachen volk (in dem früher nur ein geringer teil überhaupt schreiben und lesen konnte) abgeschottet war. lesen und schreiben waren somit eine prestigeträchtige tätigkeit, die großteils nur von reichen oder geistigen praktiziert wurde. mit seiner idee der veröffentlichung auf französisch wollte descartes sich zu einer größeren masse hinwenden. die probleme, denen er gegenüberstand waren nun folgende: es konnte keine größere masse sich dafür begeistern, wie auch, denn alles schien aus einer anderen welt zu kommen; der intellektuelle, viel kleinere anteil, der letztendlich descartes hauptklientel war, bevorzugte latein, da anscheinend ihm französisch doch zu ordinär war (komischerweise wird heutzutage französisch als allgemeinsprache der politiker gepflegt, hier sieht man deutlich wie wert-systeme sich schnell ändern können). die erfindung des buchdruckes verbesserte wie wir wissen die veröffentlichungsstrategie, indem niedergeschriebenes auf papier gespeichert wird, wird das weitertragen der thesen und ideen in der 'verwaltung' vereinfacht, manifestierbar und vor allem verifizierbar, was ja bei der oralität wegfällt (ausser man nimmt dies auf band auf). und natürlich war davor schon ein großes verlangen nach publizität, doch alle strategien der veröffentlichung würden aber wie wir bei descartes sehen wenig nützen, wenn kein empfänger, klientel http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 3 von 24 oder interesse dafür zu finden ist. das öffentliche steht somit mit dem elitären kreis (dem privaten) in wechselwirkung - insofern, dass 'neue' ideen der breiten masse vorgesellt werden (vgl. descartes) und umgekehrt, dass ein bestimmter kreis von experten sich durch die masse inspirieren lässt oder indirekt dazu fast 'gedrängt' wird verbesserungsvorschläge zu liefern. diese verbesserungsvorschläge führen dann zu einer temporären lösung (erfindung), die auf die bedürfnisse der breiten masse eingeht. einsatz und gebrauch einer erfindung werden umso populärer, je 'kunden' orientierter die produktion geschieht. aus diesen gegebenheiten heraus entwickeln sich in einer kettenreaktion neuere erfindungen, die die ersteren erfindungen in funktionalität, design etc übertreffen - hierzu findet sich eine neue elite oder die alte setzt dies fort. unter diesen betrachtungen wird der kern jeder technischen, medizinischen oder philosophischen errungenschaft (sofern man davon sprechen kann...) in einem expertenkreis zu finden sein, der sich natürlich auch expandieren kann aber im verhältnis zur masse eben minorität bleibt. das schema ist nun folgendes: entstehungsgeschichtlich zu allererst im privaten (expertenkreis) -> öffentlichkeit -> wieder zum privaten -> öffentlichkeit usw. das private hat aber auch den beigeschmack des gewollten abgrenzens, der abspaltung, sei es durch bewußtwerden einer sackgasse oder aus snobistischen, faschistischen gründen. man muss sich auch vor augen halten, dass nicht jede gruppierung, also jede privatisierung sich darin äußert neue erfindungen zu kreieren, die für die menschheit nützlich(er) werden, doch auch diese abgrenzungen hinterlassen spuren in der breiten masse und führen zu neuen (oder gar auch gleichen) verlangen. buchdruck hat die lese und schreibbereitschaft beschleunigt. drang und notwendigkeit lösten die erfindung des buchdruckes aus, sowie es eine notwendigkeit war die rechenmaschine in eine datenverarbeitende maschine zu erweitern und später computer aus sozialer notwendigkeit und drang für fast jedermann erschwinglich wurden, sodass sie jetzt fast als selbstverständlichkeit angesehen und überall miteinbezogen (sei es privat, arbeit, schule etc) werden. in diesem verlauf kommen wir zum internet und gleichfalls der damit meist assoziierten globalisierung; aber es gilt noch die alte regel: wo keine breite masse zu finden ist, die mit dieser erfindung umgehen kann oder muß, bleibt der erfolg der verbreitung auch aus (vgl. zu den wirtschaftlich und speziell industriell schwachen ländern der welt, wie afrika, die mit diesem netzhype noch sehr wenig an zu fangen wissen). technologien werden somit großteils durch einen sozialen (und sei es auch nur ein kleiner teil im sozialen gefüge)gebrauch zum leben erweckt, wobei aber letztlich passieren kann, dass neue erkenntnisse (durch einsatz der technik) zu weiteren erkenntnissen führen oder ein altes problem dank diverser errungenschaften in einem völlig neuen licht erscheinen lässt. dies muss nicht immer bedeuten, dass sie auch populär werden und in der breiten masse zum einsatz kommen. das beispiel internet ist wie bereits vorher erwähnt zu einem zwiespältigen thema geworden. einerseits ist es auch aus einem expertenkreis enstanden (militärisches nutzen) und dient später als 'weltweites' und vorallem beliebtes kommunikationsmedium, andererseits lebt es vom sozialen gebrauch und tiefergehend noch von den bestimmenden politischen und vor allem wirtschaftlichen bedingungen. auch in ärmeren ländern möchte man gern (wie häßlich das jetzt auch klingen mag) herumsurfen und die vorteile der elektronischen medien genießen, doch es sind insgesamt andere zustände und probleme, die sie vor augen haben, und eine flucht in ein unterhaltungs system scheint ihnen angesichts verschiedener problemfelder noch utopisch zu sein. ich habe hier die elektronischen/digitalen medien in bezug auf ihre popularität in kontext der unterhaltung gebracht und von einem nicht fruchtend werden gesprochen - auf einer anderen ebene werden sie aber, je mehr freiheiten das medium bietet, als politische instrumente sehr wohl http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 4 von 24 genutzt (vgl. indien, mit seinen faschistischen tendenzen in der netzrepräsentation), was aber die verbreitung der medien jedoch nur gering beschleunigt, da nur die massenadaption der medien ein efolgsgarant sein kann. was zeichnet einen digitalen biedermeier bürger wirklich aus? eine breite masse kann an und für sich keine dynamik in der produktion oder ideenbildung entwickeln, wohlgemerkt aber ideen 'fordern', diese lancieren oder eben abstoßen. das thema digitalBIEDERMEIER verrät uns schon im titel, dass hier wiederum nur ein kleiner prozentteil angesprochen wird, der sich als kleiner (spieß) bürger wiederfindet. ich bin mir in diesem vortrag noch im unklaren, ob nicht diese titulierung eines digitalen biedermeiers umgedeutet werden sollte. wieder einmal haben wir eine binäre situation: der passive user (politisch ohnmächtige biedermeier), der eine repräsentation der breiten masse ist, die sich nicht großartig für technik und politik der mediensituation interessiert und sein pendant dazu: der aktive user, der die vorteile der elektronischen/digitalen medien zu seinem persönlichen nutzen zu schätzen weiss. die genauere gegenüberstellung mit der damaligen biedermeiersituation werde ich im zweiten teil starten. was also ist der digitale biedermeier mensch? die repräsentation einer trägen masse, die sich durch die fun-medien berieseln lässt oder eine dünnere schicht, die aktiv ins geschehen eingreift und das netz mitgestaltet oder durch fernsehpräsenz in talkshows & co. medienwelten kolonialisiert? wenn wir aus sozio/kultureller sicht diese frage beantworten müssen, so meinen wir den 'aktiven' user, der sich durch die medienwelten zu seinen eigenen gunsten oder vorhaben geschickt manövrieren kann (sei es wirtschaftlich oder gestalterisch), als digitalen biedermeier bürger. geschichtlich gesehen ist es der gefrustete, gelangweilte, politisch schwache, passive user aus der breiten masse, der die produktionen in sich saugt und diese medien als fun-welten (orte, wo er dem alltagsstress entfliehen kann) sieht. technisch gesehen sind alle beide 'passiv' und übersehen leicht dabei, dass sie von einem höheren (wirtschafts) politischen organ kontrolliert werden (staat, software riesen, technische einschränkungen, undichte netzwerke etc). politische aktivisten bleiben wie einst und jetzt aktivisten und instrumentalisieren medien wie einst die flugblätter für einen politischen zweck. die nächste frage wäre wie man menschen bezeichnet, die keinen fernseher oder internetanschluss haben, genauer: jene, die sich nicht an einem medienversierten socializing beteiligen? als arbeiterschaft, wie sie damals in der blühenden industrialisierung zu finden war, kann man sie kaum bezeichnen, da teilweise der computer in viele arbeitswelten bereits eingesetzt wird. und unter diesem aspekt wären auch alle bürger, die mit computer in irgend einer weise arbeiten digitale (biedermeier) bürger, auch wenn sie dem medienhype nicht viel abgewinnen können - oder wären diese eben nur bürger in einer stark eindigitalisierten welt? in diesem abschnitt noch werde ich später von der kalifornischen ideologie sprechen, die scheinbar die 'metapher' digitaler biedermeier anders interpretiert hat und sehr stark mit elitärem gedankengut ihre 'virtuelle klasse' verteidigt, in der besonders aber klassenintern die krise einer computergläubigkeit zu finden ist. was unterscheidet nun den adler vom herdentier? heutzutage wird wie oben schon oft erwähnt der technische fortschritt immer rasanter, dem man scheinbar im gebrauch teilweise auch nicht mehr nachkommt. es werden dinge erfunden und produziert aber nicht alles findet gefallen http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 5 von 24 und wird teilweise im modell überdacht oder einfach beiseite gelegt. der mensch als kunde hat nun eine gigantische palette an soft und hardware zur auswahl; es ist alles da, was das herz begehrt und viel schlimmer noch: jeder kann alles haben, man ist diesbezüglich nichts spezielles mehr. was noch früher als chici mici gerät beschimpft wurde (handy), schenkt man heute einem 12 jährigen zum geburtstag, wer noch damals über eine gute homepage staunte sitzt womöglich jetzt in einer werbe agentur und muss nun um seinen job zittern, da andere und viel engagiertere einst auch gestaunt haben. den super-stau erlebt momentan die IT branche, wo es noch damals an fachkräften gefehlt hat und ihnen nun die kunden langsam fehlen. was ich damit zusammenfassen will, ist dass diese wechselwirkung von privat zu öffentlich und umgekehrt immer schneller vorangetrieben wird, so schnell, dass man sehr leicht die übersicht über nachfrage und angebot verliert. so ergeht es nicht nur dem arbeitgeber und arbeitnehmer (privat), sondern vor allem jenen menschen, die diese produkte konsumieren (öffentlich), welche teilweise schon die nase genug haben und einfach nur ihre ruhe haben wollen (zb nervende pop-ups sind nicht wirklich der werbe knaller, jetzt gibt es mit dem verbunden ironischerweise pop up killer software im angebot) oder etwas ganz neues erleben möchten - was aber die gefahr mit sich bringt, dass das ganz ganz neue so faszinierend ist, dass es wieder überproduziert und überangeboten wird und bald wieder langweilig wird. chat war ja damals eine tolle sache, nun weiss man gar nicht mehr in welches portal man einsteigen soll vor lauter überangebot. medieninternes hopping als antwort auf eine übersättigung oder elitäres denken? und gerade durch diese mediale übersättigung entsteht eine abschottung medienintern - man will zu einem kreis gehören, wo noch 'qualität' geboten wird - die firmen bemühen sich da im netz sichtlich, was aber auch zu dem bekannten 'zuvieldesguten' ausarten kann. es beginnt durch diese gründe eine abschottung, nochmals zurück zum 'privaten' im privaten, oder zumindest zu einem areal, wo man sich wohl fühlt und wo noch eine subjekt rekonfiguration möglich ist(vgl. communities mit passwordvergabe oder telekino). dies geschieht im medienbereich schneller als zb. in der architektur, da das wechseln der umgebung meistens keine größere finanzielle frage ist. wovon ich hier nicht spreche ist die flucht von der aussenwelt in die innenwelt (dieses phänomen haben kollegen vor oder nach mir wahrscheinlich ausführlicher behandelt), sondern eine flucht von einem umfeld ins andere, aber noch immer im selben medium. die handhabung der medien scheint ausser kontrolle zu geraten. wenn sich der digitale biedermeier bürger mit diesem multimedia gangbang zufrieden gibt, so ist dies seine sache - es haben sich aber gerade durch diese übersättigung und teilweise auch dominanz großer soft/hardware riesen gegenströmungen gebildet, die für frischen wind sorgen (einige länder stehn mit optimistischer haltung gegenüber einer zukünftigen digitalen und medialen revolution in ihrer kultur - einige menschen in anderen ländern streben bereits intern eine zweite revolution an). wenn man dies nun mit dem vergleicht, was ich anfangs in der einleitung beschrieben habe, so könnte man meinen, dass dies alles ein teufelskreis sein könnte, denn wenn der mensch sich immer neu an die technische situation anpassen muss und er darauf hin auch in gewisserweise trainiert wird, weil ja komischerweise alles nur zu unserem vorteil sein sollte, was uns die technologie an möglichkeiten zur kommunikation bietet - so hat sie uns derzeit zu viel geboten, dass wir uns finanziell übergangen und genervt fühlen und selber aktiv werden (vgl. mit der linux bewegung) und die fehler nicht machen möchten, die bill gates mit seiner heim computer idee als 'wohltat' http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 6 von 24 begonnen hat. zwar ist nun alles kostenlos und wirtschaftspolitisch nicht zu sehr beeinflußt, doch es bleibt wie erwartet alles bei einem kleinen expertenkreis (der sich ursprünglich abschotten wollte) solange bis auch diese idee saloonfähig geworden ist und der einfache compibenützer gern in seine geldtasche greift, um auch frei und cool zu werden. bei der linux bewegung muss man aber erwähnen, dass die abschottung damit anfing, dass viele (open-source entstehungen) die microsoft herrschaft einfach nicht mehr dulden wollten und finanziell überhaupt kein interesse am user hatten. was aber letztendlich noch immer das problem darstellt ist die bedienbarkeit - der großteil der user ist zu faul, um sich mit einem system wirklich auseinander zu setzen - alles, was zählt ist die funktion, es muss rasch und unkompliziert gehn und dafür zahlt man auch gern und wenn es chic macht noch lieber. zwar ist linux für alle informatiker (auch für studierende in diesem fachgebiet) ein betriebssystem, das uns die systemlogik näher bringt - kinder oder hausfrauen aber wollen davon eher weniger wissen, sie wollen resultate, ereignisse sehen. linux varianten sind im kern zwar generell 'frei', doch müsste man als normaler user sich informieren und einlesen, und da schlagen wiederum zeitschriftenindustrie und buchverläge gnadenlos zu... ob linux systeme bald mit dem einfachen interface von windows gleichkommen, bleibt abzuwarten. sollte dies eintreten, so würde wahrscheinlich nichts gegen eine stärkere kommerzialisierung sprechen. da würde man sich schnell von der ideologie verabschieden, wenn aus einer more high-sophisticated sache auch noch kapital zu schlagen ist; und schon ist man als user baldigst nichts besonderes mehr. es gilt dann generell nicht mehr nach pc experten zu suchen - die gibt es sowieso wie sand am mehr, sondern nach linux experten - leider werden eines tages auch diese im sand depot landen... was kommt als nächstes? mir persönlich scheint die technologie bereits jenes ausmaß angenommen zu haben, dass sie nicht mehr viel neues auf einzelnen gebieten hervorbringt (was jetzt für den einfachen user bestimmt ist), sondern nur mehr extra features bietet, die eigentlich kein mensch mehr wirklich braucht, sondern eben großteils aus konkurrenz druck entstehen. was ist mit den bild-telefonen passiert, was passiert mit dem bild-handy? im fernsehbereich sind wir auch schon genervt mit den daily-soaps, real-life sitcoms und talk shows, wo jeder seinen senf dazu fügen kann. meiner meinung nach ist dem digitalen biedermeier bürger bald langweilig. einerseits kennt er bereits so gut wie alles, andererseits hat er das technische verständnis des expertenkreises (oder finanziell gesehen mehr die elite)nicht, um sich an neuigkeiten zu erfreuen und muss solange warten bis auch diese neuigkeit oder dieser luxus für ihn greifbar ist, beides paradoxerweise aber schnell nicht mehr zum lebensstandard des users kompatible werden. es muss doch einmal ein ende haben oder zeichnet sich der digitale biedermeier bürger (angetrieben durch die fun-gesellschaft) durch sein verlangen nach mehr und besser aus? gated communities in der architektur als beispiel für abschottung mit elitärem gedankengut? vorhin hab ich die architektur im kontext der wechselbarkeit miteinbezogen. was jetzt die abschottung betrifft, so gilt es nach dem gleichen prinzip der elitenbildung zu forschen, nach dem mythos des besonderen. gated communities sind zweifellos eine form der gewollten abschottung - slums hingegen eine verdrändung. was nun in den industrieländern auffällig wird, ist der transfer des wohnsitzes in die peripherie (teils ist auch die technische möglichkeit der tele-arbeit http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 7 von 24 hier als faktor zu markieren), wohingegen in ärmeren ländern noch immer die landflucht steigt. ein beispiel eines gewollten abziehens in die peripherie sind pensionisten wohnanlagen (rentnerparadies in las vegas, das durch kultivierung der wüste in eine wohnbare ortschaft verwandelt wurde), die aber wie kleinstädte organisiert sind. man ist dort unter sich (unter denen, die es sich leisten können) hat aber noch immer alle inklusivitäten, die den lebensabend verschönern. gated communities findet man aber auch direkt in stadtvierteln, wo man sie durch mauern oder leibwächtern und kameraüberwachung 'geschmückt' deutlich von den anderen wohnanlagen unterscheiden kann. alles ist zwar privatisiert, dennoch bleibt der kontakt zur aussenwelt durch einsatz der medien als beobachtungsorgan (noch keine kommunikationsform beinhaltend) erhalten. und dies ist auch ein rückzug, eine abschottung im eigenen medium, in dem fall im urbanen raum und verglichen zu dem medien hopping eine weit aus größere finanzielle frage. in beiden fällen gibt es aber eine kleine gruppe, die sich den luxus gönnen kann, sei es ein sicheres heim (denn das eigene heim konnte man sich schon längst leisten), noch mehr channels oder einfach einen besseren computer mit einer noch schnelleren netz verbindung. verlangen und gebrauch werden durch übersättigung so gesehen leicht zur gier und führen schnell zur fadesse. doch was passiert wiederum mit jenen, die finanziell nicht mithalten können? auch hier spreche ich nicht (länder)übergreifend, sondern (landes)intern, denn adaptionen und akkumulationen funktionieren 'anfänglich' auch nur in der gleichen schicht - ideen der reichen amerikaner werden gern von den reichen brasilianern übernommen etc. selten passiert (oder besser gesagt: glückt) eine umwälzung, wo man in der umsetzung der ideen in die produktion auch auf andere gruppen, für die, die idee zwar nicht bestimmt war, aber nichts desto trotz mit großer wahrscheinlichkeit mehr komfortabilität in ihr leben bringt, rücksicht nimmt - hier könnte man die ganze internet geschichte aufsetzen. elitäres denken durch computertechnologie: die kalifornische ideologie ein weiteres sehr radikales beispiel einer abschottung und elitenbildung finden wir in der kalifornischen ideologie, die ich oben schon erwähnt habe, die unter einem deckmantel eines immer-gut-draufseins, einer positiven und optimistischen lebenseinstellung fröhlich auf die 'befreiende' kraft der technologie ihr loblied singt. dass unter dieser happy-shining-people decke sich faschistoide tendenzen gebildet haben ist deren anhängern eigentlich auch egal, denn es ist jeder ja unter diesen technischen bedingungen frei. doch man plädiert immer wieder auf eine virtuelle klasse aus 'spezialisten', die alle in der computer-technologie zu hause sind. ich will jetzt nicht auf die entstehungsgeschichte der kalifornischen ideologie näher eingehen, da diese ein kapitel für sich ist und hier auch den zeitlichen rahmen sprengen würde. ich stelle die kalifornische ideologie nun als pendant zum digitalen biedermeier vor (wenn ich jetzt die beiden titulierungen vergleiche und NUR auf die entwicklung der technokultur eingehe!). entstehungsgeschichtlich ist die kalifornische ideologie deshalb so interessant, da sie aus zwei kulturell unterschiedlichen welten geboren wurde und im technologischen fortschritt die vereinheitlichung beider parteien gefunden hat. es sind auf der einen seite die techno althippies aus dem 68er jahr, die noch immer von freiheit, friede und brüderlichkeit (gleichheit) schwärmen und die wirtschaftlich orientierten und snobistischen yuppies aus den 80er jahren. beide parteien sahen im aufkommen der computertechnologie eine chance ihre ideale umzusetzen. die hippies sahen zb. im internet eine möglichkeit http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 8 von 24 der göttlichen verkörperung durch avatare, der wunsch nach einem transzendentalen dasein wurde durch technologie somit aufrecht erhalten. weiter war man in diesem medium in der darstellung einer absoluten freiheit und gleichheit großteils näher gekommen, sofern es die technik erlaubte. die wirtschaftler nutzten dieselben konditionen des computermediums (in der kommunikationsbeschleunigung und erreichbarkeit verstärkt durch das internet) um wirtschaftliche projekte erfolgreicher umzusetzen. beide arbeiteten im selben medium aus verschiedenen gründen miteinander, die einen weil sie so sehr fasziniert von der technischen vielfalt (vorallem für die emanzipation der sozialen kommunikation) waren, die anderen benutzten diese vielfalt, um profit daraus zu schlagen. dies war einmal. mittlerweile hat die zweite generation das rüder in die hand genommen, die wesentlich marktorientierter ist. die zweite generation besteht aus wirtschaftsinformatikern, wirtschaftsexperten, webdesignern und informatikern, die jedoch nicht mehr den vergleichbaren pioniergeist (auf sozialer ebene) ihrer vorfahren haben, sehr wohl aber ein besseres technisches know-how. wie bereits auch ihre vorfahren sind diese kalifornier (es entstehen neue bezeichnungen wie 'yetti' - was soviel bedeutet wie: jung, unternehmerisch, technisch gestützt) eine besondere schicht im volk, die sich durch expertentum und markantem technologieoptimismus/computergläubigkeit auszeichnet. der computer- und technologieglaube begann schon damals transhumanistische züge zu nehmen, wo in der biotechnologischen manifestation zur privilegierung der virtuellen klasse einige gruppen aus der kalifornischen ideologie eine perfektion des geistes, körpers und des verstandes sehen (zu den extropianer im dritten teil). spaltung und zerbröckeln einer elite durch erfolg der computertechnologie: kalifornische ideologie II noch klingt alles nach einer sehr friedlichen symbiose, deren zentraler friedenskern der technologieglaube zu sein scheint. was nun das große malheur an dieser auf europa doch sehr einflußreichen kultur war, dass durch das expandieren der computerbranche verständlicherweise mehr und mehr wirtschaftspolitische einschaltungen aufgetreten sind, deren spitzenpositionen ursächlich die entwicklung nur aus dem hintergrund (aber die zügeln fest in der hand) mitverfolgt haben. man darf nicht vergessen, dass die förderung der computertechnologie in amerika immer einer staatlichen subventionierungsstrategie zu verdanken hat (zb. förderung durch verteidigungsministerium, große summen an steuergelder flossen vom volk unbemerkt in projekte, die nur einer bestimmten schicht vorbehalten waren zb. anfängliche netzinfrastruktur von unis oder militär). (wirtschafts)politische reibereien spalteten die kalifornische ideologie bald wieder in zwei parteien: die neuen linken und die neuen rechten - kollektive freiheit versus ökonomischer liberalismus. es soll nun diesbezüglich kein wirtschaftlicher oder politischer exkurs gestartet werden, sondern einfach anhand der kalifornischen ideologie aufgezeigt werden, dass der (gemeinsame) weg des technischen fortschrittes nicht immer zum ziel einer ideologie führen muss (die digitale utopie eines '...kotopias's, als paradies, wo alle menschen gut drauf, positivdenkend und vor allem FREI im glück leben), sondern auch zum gedankengut amerikas zu zeiten der gründerväter zurückgehen kann. der von der kalifornischen ideologie (aus der rechten partei kommend) gewünschte ökonomische liberalismus in form des freien marktes hat mit der zeit immer mehr konturen angenommen, die soziologen (barbrook, cameron) direkt mit dem 'liberalismus' von thomas jefferson vergleichen wollen. wie andere liberale zu dieser zeit, meinte jefferson eine erfolgreiche abschottung von autoritären regierungen und http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 9 von 24 die damit folgende 'politische freiheit' nur in der festigung von besitzeigentümern zu finden. das amerikanische bürgerrecht stützt sich historisch gesehen teilweise auf diese naturrechte. was jetzt die problematik zu sein scheint ist folgendes: diese ökonomischen liberalen leugnen die helfende hand des staates und reden von einer autonomie, die eigentlich keine ist (eingriff ist vorhanden). schlimmer ist die festigung von 'privateigentümern' (einst sah jefferson hierbei den sklaven als privateigentum - was soviel beudetete, dass gesetzesrechtlich die elite (weiss) wiederum bevorzugt wurde) zur stabilisierung der autonomie. sollte dies ein tatsächliches händeabklatschen des staates sein, werden arbeiter bald zu sklaven des freien marktes, im dem zwar jedes unternehmen äusserlich betrachtet frei werben und konkurrieren kann, im schlepptau aber eine sklavenschaft herangezüchtet wird (später werde ich die situation mit indien vergleichen). aus der linken partei kann man momentan nur mehr noch retrospektivisch den hall von freiheit und emanzipation aus vergangenen hippie zeiten vernehmen und (wirtschaftliche) aktivitäten aus dieser szene werden großteils als konkurrenzlose underground aktivitäten von den großen unternehmen belächelt. was als techno-kulturelle verbindung aus kreativen, der kollektivität anpreisenden techno-hippies der westküste und wirtschaftlich orientierten informatikern (yuppie-likes vom silicon valley) anfänglich geglückt ist, findet nun durch den marktwirtschaftlichen erfolg der computertechnologie (die einst der geistige antrieb beider parteien war) in der technokultur intern nun ihr trauriges ende. zwar haben wir kulturtechnisch in europa eine andere entwicklung durchlebt, sollten aber immer auf die lauernde gefahr aufmerkensam gemacht werden, wie sehr sich computertechnologisch gestützte ideologie leicht zur heräsie entwickeln kann und begriffe wie freiheit, also loslösung aus einem größeren system, sehr eng mit ausgrenzung oder diskrimierung verbunden werden können. dass uns die technik zwar große freiheiten durch soft/hardware anbietet - im grunde genommen aber in ein arsenal von unterwürfigen verhaltensmustern zwingt, in dem sich die masse schon von der technik (entwickelt von einer elite) lenken lässt und nur mehr darauf wartet, was diese elite ihnen wieder als neue bedingung vorgibt, um im sozialen leben fungieren zu können; denn schon längst ist die masse bereits (medial)übersättigt und kann sich vor 'wohligem' suhlen kaum mehr bewegen... in der kalifornischen ideologie wie auch im digitalen biedermeier. beide kulturen sind geprägt von der computertechnologie, erstere wurde sogar durch ihren glauben an eine 'befreiende kraft' der technik zum leben erweckt und scheiterte jedoch an ihrem kommerziellen erfolg. was erwartet den digitalen biedermeier für eine zukunft? *** biedermeier einst und heute (versuch einer kontextualisierung) wie angekündigt, werde ich in diesem zweiten teil mit einer parallelisierung politischer und sozio/kultureller ereignisse in der biedermeierzeit von einst und heute beginnen. die reihe an beispielen, die ich aus dem (kunst)historischen bereich zeigen werde, lässt sich fortsetzen. wichtigste punkte in dieser kontextualisierung scheinen mir aber primär das innenleben des biedermeier bürgers und seine kultur in musik und malerei (darstellung) zu sein. ich mache hier nur abstriche im modell vergleich, vage andeutungen, um geistig den einstieg zum http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 10 von 24 letzten wesentlich wichtigeren teil parallelströmungen / digitalBIEDERMEIER all over the world vorzubereiten, wo nicht nur zeitlich eine kontextualisierung geschehen soll, sondern auch andere zeitgenössische technogeprägte kulturen und philosophien mit dem heutigen und damaligen biedermeier gegenübergestellt werden. um einen kleinen geschichtlichen overview zu geben, warum der bürger damals sich von der politik zurück zog und sein privatleben mit kunst und kultur ausschmückte, werde ich nur kurz die gschehnisse im vormärz (politischer name dieser periode) skizzieren und gleichsam versuchen, gemeinsame merkmale zum digitalBIEDERMEIER im vergleich auf zu stellen. sollten im publikum fragen oder weitere beispiele auftauchen, so bitte ich diese gleich mit ins gespräch ein zu bauen, um das spektrum der ähnlichkeiten zu erweitern, und folgend zusammen versuchen, nach dem grund eines möglichen kulturtechnischen revivals zu forschen. nach dem zweiten wiener kongreß 1815 und den daraus entstandenen grundsätzen, nach denen sich die heilige allianz (konservative mächte: rußland, österreich und preußen) zu richten hatte, schien jeder versuch des politischen eingriffes von seiten des volkes aus zur mitbestimmung zwecklos zu sein. durch die restauration wollte man die politischen zustände von 1789 wiederherstellen, legitimität rechtfertigte die ansprüche der dynastie (habsburg) und mit einem 'solidarischen' abkommen zwischen den fürsten (gegenseitige unterstützung) wollte metternich revolutionäre gedanken erst gar nicht aufkommen lassen. diese heilige allianz findet ihre erweiterung durch zustimmung frankreichs und englands zu einer gegenseitigen unterstützung aller verbündeten in der pentarchie wieder, die tatsächlich für eine der längsten friedensperioden auf europäischem kontinent gesorgt hat. was aber eben nur ein formaler, äußerer frieden war. in der zeit des vormärzes (1815-1845) herrschten politische unterdrückungen, die sich im wiederaufbau eines absolutismus ausdrückten, welcher mit reaktion die forderung der bevölkerung nach politischer mitbestimmung zurückdrängte. um unruhen präventiv nicht aufkommen zu lassen, setzte metternich spitzelwesen, polizei und treu ergebenes beamtentum ein, welche für frieden und ordnung sorgen sollten. in der bevölkerung selber werden ideen des liberalismus und nationalismus immer stärker aufgenommen. liberale fordern eine verfassung, die für die grundrechte garantieren soll, repräsentation im parlament, das die gesetze beschließt und die regierung kontrolliert und presse/bildungsfreiheit - wie man hier sieht, traute man der regierung nicht, da ein abschalten aller mitbestimmungen das volk automatisch zu marionetten macht. was das bürgertum betrifft, so waren die bürger metaphorisch gesprochen in einem goldenen käfig eingesperrt; die aber die kultur noch als möglichen ausweg aus dieser tristesse sehen. was aber passiert mit der arbeiterschaft? zu dem später. wenn man sich die soft/hardware bedingungen heutzutage ansieht, so könnte man durchaus meinen, dass der user auch in einem käfig eingesperrt wird. wie im ersten teil des vortrages bereits besprochen ist dieses gestrüpp an möglichkeiten bereits zu groß geworden, um noch klaren durchblick zu bekommen. der user bekommt das vorgesetzt, was für seine bedürfnisse ausreichend sein sollte (meist von microsoft). die geschichtliche übersetzung und gegenüberstellung, die ich hier starte sind bewusst nicht 1:1 zu setzen, sprich: die politische situation damals nicht mit der jetzigen von österreich zu vergleichen, sondern im rahmen des digitalen biedermeiers, diese machtverhältnisse von einst mit den momentanen technopolitischen zuständen (wohlgemerkt wirtschaftspolitisch entstanden) im kontext ihrer ähnlichkeiten zu deuten. http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 11 von 24 <-> metternich und gates im portrait man könnte meinen, dass bill gates nun die reinkarnation von clemens wenzel von metternich sein könnte, wenn man vergleicht, wie ähnlich doch diese ideen der heiligen allianz und bill gates monopolisierungsversuchs in einigen punkten sind. in beiden fällen wird versucht, das machtverhältnis auf zu bauen und die alleinige befugnis über die 'regierten' zu besitzen. als beispiel ist hier der streit zwischen internet explorer und netscape zu nennen. microsoft integriert den browser in das betriebssystem und zwingt somit hardware firmen, ihn als default browser zu verwenden, um besonders im e-commerce bereich mit zu cashen. das nächste beispiel wäre nun microsofts erfolg, intel architecture labs, damit zu drohen, eine version herzustellen, die keine intel-prozessoren mehr unterstützt. streitpunkt war die softwareproduktion von intel, die im laufe der einrichtung dieser abteilung entstanden ist, welche zur konkurrenz werden könnte. wie es mit microsoft schließlich weitergagangen ist wissen wir ja... zum nationalismus: in den kriegen gegen die französische nation und gegen napoleon, der nach seiner niederlage bei waterloo gegen die briten für immer nach st. helena verbannt wurde, sind sich die völker ihrer nationalität bewußter geworden: gemeinsame sprache, abstammung, sitten etc. und sehnen sich nach einem eigenen nationalen einheitsstaat (deutschland war damals noch zersplittert und viele gebiete europas wurden von landfremden potentaten beherrscht). in deutschland schuf man damals den deutschen bund, der fürstentümer und einige freistädte umfaßte, um doch eine einheit zu zeigen, die leider wiederum nur formal war, da die bundesgewalt unter dem vorsitz österreichs (staatskanzler metternich war für die außenpolitik zuständig) lag und dem deutschen bund kaum politische eigenbestimmung zugesprochen wurde. diese situation könnte man ferner mit der linux bewegung vergleichen, die zwar erfolg in der verbreitung vorweisen kann, die wirtschaftspolitische oberhand jedoch noch immer microsoft hat und noch länger haben wird. in der open-source bewegung war man sich einer gemeinsamen identität und zieles auch bewußt und durch 'gemeinsames' programmieren (sprache) war man imstande ein neues betriebsystem (deutscher bund) zu entwickeln, das zumindest das verlangen eines 'kleineren' teils befriedigen sollte. diese gegenüberstellungen sind nur anregungen und beispiele, deren zentralfiguren bis zu einem gewissen grad austauschbar wären und ich dankbar wäre, wenn nun vom publikum jetzt oder später andere beispiele in diesem vergleichsschema genannt werden... wie im geschichtlichen überblick zu sehen, hat das 'reiche' bürgertum damals noch die möglichkeit gehabt seine freizeit zu gestalten, um über diese politische enttäuschung temporär hinweg zu kommen, wohingegen die arbeiterschaft durch die blühende industrialisierung langsam ins soziale elend gedrängt wurde. an diesem punkt werden die parallelisierungen bereits zu komplex, um noch klaren durchblick zu bekommen, da in der techno-kultur des digitalen biedermeiers, wie sie http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 12 von 24 im ersten abschnitt von mir geschildert wurde, es aktive und passive user gibt und jene, die ausserhalb dieser techno-kultur zu finden sind, aber nichts desto trotz in einem digitalen biedermeier leben, sprich: wir haben eine dichotomie vor augen zu halten. auf der einen seite passt sich ein teil der bürger dieser technologisierung ihrer zustände an, auf der anderen seite fordern einige, die daraus ihren vorteil sehen, diese. im biedermeier einst wurde der bürger fast dazu gezwungen sich mit nichts anderem mehr zu beschäftigen als mit seinem privaten leben, der musik, mode und kultur allgemein. durch die computertechnologie hat sich aber eine kultur daraus entwickelt, die ursprünglich mit der industrialisierung (und militär) im 20. jahrhundert hand in hand gegangen ist. wir benützen nun die 'arbeitsgeräte', wie den computer, als kulturelle strategie, wo damals aber die zuwendung zu einer kultur ohne direkte verbindung zur industrialisierung stattgefunden hat; die heutige wechselwirkung von kultur und industriell bedingter technologisierung ist somit durch den einsatz des computers in unserem leben einmalig. es fällt mir nun sehr schwer den arbeiter begriff (arbeiter verglichen zum bürger weniger gebildet) zu deuten, da dies unfreiwllig auch dunkle seiten aufdecken muss und zeigt, dass der 'stupide' digitale biedermeier bürger und sein privatleben bereits medialisiert worden sind und er in einem netz aus unwissen und geilheit in der technologie sich bald gefangen sieht. sinnlose webcam ideen im web oder pornoseiten sind nur als beispiele vom privaten highlight dieses digitalen biedermeier 'proleten' zu nennen. und nun gibt es noch den digitalen biedermeier bürger, wie man ihn meist sieht, der in irgendeiner form auch immer medienkulturen pflegt. die radikalen aktivisten (in bereichen wie politik, wirtschaft, kunst etc) und die, die mit computer nur arbeiten, weil es ihre arbeit verlangt und privat zuhause sich ganz anderen dingen widmen, die nichts mit digitalen medien zu tun haben. sie alle leben im digitalen biedermeier. wo lebt der fließbandarbeiter oder landwirt? ist die damalige arbeiterschaft nun unter dem faktum arbeit noch mit der arbeiterschaft von heute zu vergleichen oder werden hier im vergleich bereits menschen herangezogen, die ausserhalb der techno-kultur leben? um hier nun klarheit zu verschaffen, muss man nun die momentane technologiebeeinflußte situation mit dem vormärz in verbindung bringen und die techno-kultur jener bürger, die stark technologie in ihr (privat)leben involvieren, mit der damaligen biedermeier kultur. schwerpunktmäßig werde ich mich jedoch in der parallelisierung auf die morphologie der darstellenden und angewandten kunst, sowie repräsentationsform von körper und events konzentrieren. kunstbegrifflichkeit einst und heute: um bei den aktivitäten zu bleiben, die beide kulturen kennzeichnen, werden nun exemplarische darstellungen speziell aus der musik und malerei von biedermeier einst und jetzt im vergleich gegenübergestellt. von vornherein muss betont werden, dass die lebensform des bürgertums im zeitalter der restauration geistig den ideen der romantik und stilistisch vom klassizismus (wiedererweckung griechisch-römisch antiker formen) bestimmt war. was ja kulturtechnisch als revival zu vermerken ist. durch die repressive haltung der regierung dem bürger gegenüber, flüchtete er sich nach innen ins gesicherte heim und in die familie. viel socializing fand zu hause, oder wenn dies zu klein war in cafehäusern und clubs, statt, wo man noch tun und lassen konnte, was man wollte (wo auch politische treffen stattfanden). großteils waren aber die events von musischer natur. es war die blütezeit des singens und der hausmusik. die themen kreisten sich sowohl in der musik als auch in der malerei großteils um das bürgerliche leben. neu in der malerei war jedoch nicht nur die darstellung der optischen http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 13 von 24 wirklichkeit, sondern auch das in manchen fällen tiefe eindringen in die probleme des lebens (fendi, waldmüller - darstellung des gescheiterten bürgerlichen lebens oder szenen aus der arbeiterschaft). die künstler wollten mit ihren bildern auch gefühle und stimmungen festhalten, die sich manchmal mit deutlicher gesellschaftskritik verbanden (manche bilder von carl spitzweg nehmen fast schon karikaturistische züge an). verbunden mit der darstellung der optischen wirklichkeit in der malerei, kamen die ersten bürgerlichen portrait bilder zum vorschein. das reiche bürgertum schmückte seine wohnung mit bildern der familienmitglieder und förderte somit kleine maler oder musiker, indem sie diese bezahlten, um für sie kleine musikstücke zu schreiben, die bei festlichkeiten gespielt werden. was mich hier interessiert - wäre das portraitbild, die repräsentation von menschen, die meistens mit modischer unterstreichung der jeweiligen zeit begleitet wird. das erste bild zeigt uns eine darstellung einer frau aus der damaligen biedermeier zeit, die noch dick von feinen stoffen (als kennzeichen des wohlstands) umhüllt ist, in einer doch lieblichen und fast biederen pose, die auch die stellung der reichen, bürgerlichen frau in der damaligen gesellschaft widerspiegelt. als hausfrau und mutter konnte man brillieren, indem man brav für kind, heim und mann sorgte oder bei diversen events die perfekte gastgeberin spielte. das mittlere bild zeigt uns ein bekanntes modell, das für sex, schönheit, verführungskraft aber auch emanzipation der frau steht, in dem sinne, dass sie sich dessen bewußt ist, wie man die optischen waffen einer frau gut vermarkten kann und davon profitiert (zwar ist die modebranche hammerhart, doch die meisten modells nützen ihre popularität aus, um an andere projekte schneller heran zu kommen - campbell versuchte es in der schauspielerei und musikindustrie - zu bemerken wäre auch, dass sie als erstes schwarzes supermodell gefeiert wurde und somit vielen schwarzen kollegen den weg zum erfolg geebnet hat). die nächste stufe der weiblichen darstellung nimmt in manchen hoch industriellen ländern (wie japan) seltsame gestalt an. die verniedlichung der sexualität gekoppelt mit einer sexuellen unerreichbarkeit machen virtuelle figuren wie kyoko date populär. der druck der medien in der darstellung perfekter schönheit, gipfelt sich nun in einem überperfekten, digitalen wesen, das aus einer statistik heraus kreiert wurde. das verhältnis der japaner zu mangas und virtuellen identitäten wird im letzten teil näher beschrieben. zur malerei wäre noch hinzuzufügen, dass gerade die landschaftsmalerei, also die darstellung des idyllischen sehr gern beim kunden aufgenommen wurde. als biedermeier bürger liebte man lange späziergänge mit familie und freunden oder ausflüge ins grüne, die man auch gern zuhause als erinnerung in form von landschaftsbildern haben möchte. http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 14 von 24 dieses bild zeigt doch recht deutlich wie auch die familienverhältnisse einst waren. in der musik ergab die starke wechselwirkung von volksmusik und kunstmusik eine reihe von nationalen sonderformen. die librettisten bezogen ihre stoffe aus der vergangenheit, der märchenwelt oder aus exotischen ländern. in österreich kam franz schubert mit seinen liedkompositionen den bedürfnissen seiner zeit entgegen. im wien der biedermeierzeit entwickelte sich der walzer als tanz und musikstück, der auch ausdruck für friede-freude-eierkuchen war, vertreten durch lanner und strauß vater. am markantesten blieb aber die hausmusik in der biedermeier zeit, in der auch das klavier zu seiner technischen form und der ihm eigenen klangfülle entwickelt wurde. wie auch damals scheint heute der digitale biedermeier nach aussen hin glücklich zu wirken. im vormärz brodelte jedoch die wut im volk, das noch immer nach politischer mitbestimmung forderte und die unterdrückende herrschaft der monarchie endlich brechen wollte. auch in der bürgerlichen kultur intern ist es nur ein nach aussenhin glücklich sein. wie ich schon im ersten teil berichtet habe, ist man intern über eine situation unzufrieden, in der zu leben man gezwungen wurde, sei es damals durch die politische gewalt oder durch wirtschaftspolitische umformung in technologie. was die musik betrifft, so möchte ich nun 2 samples gegenüberstellen, die für sich und für die jewelige zeit sprechen: franz schubert vs. scanner/dj spooky hausmusik vs. housemusic wir fahren fort mit einem theory jockeying im musik bereich. die damalige hausmusik war geprägt durch einen sozialen event, in dem sich freunde und verwandte zusammenfanden und auch gemeinsam musizierten. kinder reicher bürger spielten gemeinsam mit ihren geschwistern oder eltern zu feierlichkeiten oder es wurde ein 'hauskomponist' angeheuert, der nach auftrag für eine familie arbeitete. was das engagieren der künstler so bedeutend machte, so wäre hier zu unterstreichen, dass die reichen bürger nun kulturelle anschaffungen, wie portraitieren oder das schreibenlassen von musikstücken sich leisten konnten und somit einen luxus, der vorher nur dem adel finanziell vorbestimmt war. durch das aufkommen vieler 'kleinerer' hauskomponisten und -maler, waren auch ihre gagen erschwinglich und so konnte man sich dem finanziellen rahmen entsprechend einen maler oder komponisten favorisieren. ein künstler wurde dadurch von einem privatmann gesponsert und löst in seiner verbreitung den hofkomponisten (maler) ab. über die musikalität möchte ich mich nicht zu genau äußern, sondern mich eher auf die distribuierung und 'vermarktung' konzentrieren. http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 15 von 24 wie wir wissen blüht momentan das geschäft mit den underground labeln und eigenproduktionen im bereich der elektronischen musik, wo nach dem motto: 'von zuhause aus produzierend direkt an die breite masse bringend' musik gemacht wird. die band 'zwei-raumwohnung' lässt in ihrem namen schon diese ideologie erklingen. ihre einstellung dazu, musik direkt unters volk zu bringen - ohne langwierigen organisationsoverhead von seiten der platten firmen, äußert sich durch live gigs, bei denen sie ihre neuen songs dem publikum in einem 'tetea-tete' modus präsentieren. die musik in diesem elektronischen bereich ist teils zuhause schon fertig arrangiert und wird höchstens im tonstudio technisch überarbeitet, was den plattenfirmen deutlich günstiger kommt, als session musiker für aufnahmen ins tonstudio ein zu laden. der künstler benützt den computer als allround instrument und ist mit dieser möglichkeit imstande (manchmal nur durch einfache kenntnisse der klavier akkorde) eingängige melodien zu begleiten und ein lied zu kreieren. wie einst, kommt auch die musik von zuhause, wie schubert mit freunden damals musiziert hat - so treffen sich kruder und dorfmeister zu einer home-session wieder (ein semi remix-album name lautet gar 'sessions'). der vergleich von lokalitäten (clubs, diskothek etc.) mit damals wäre hier für mich persönlich nur in diesem punkt wesentlich, dass das internet das problem der ferne minuiert, indem es musik-live-events 'ins eigene heim' holt, womit sich wirkliche musik liebhaber sicherlich nicht zufrieden geben, da live streaming europamäßig noch eine bessere technische lösung benötigt und die qualität und das feeling live dabei gewesen zu sein nicht zu vergleichen wären. auch die elektronische musik erlebt ein revival an mischungen, wie sie im biedermeier (einfluß von romantik und klassizismus - siehe oben) durch das mischen von kunstmusik und volksmusik zu finden war. der momentane mir bekannte trend geht in die richtung 'elektro-schlager' - hier wiederum gut repräsentiert von der band zwei-raumwohnung. schon in den 80er jahren war eine marke (neue deutsche welle) zu erkennen, wie sich neue synthiklänge und deutsche texte in ihrer popularität gut ergänzen können. die texte sind simple geschrieben und handeln von einfachen gefühlen, wie auch im biedermeier das bürgerliche leben zentrales thema war. politische texte kommen in der electronic music selten vor und in der house music so gut wie überhaupt nicht. das ist domäne des raps und hip-hips, wo im sprech gesang politische zustände besser und direkter verbalisiert werden können, da die partitur, die eine melodie strukturiert fehlt und man free stylen kann, ein scat mit worteinsatz sozusagen. ein weiteres thema wäre die sampling theorie, nach denen sich viele musiker im elektronischen bereich richten. portishead zeigen dies sehr deutlich auf ihren alben, wo sie großteils interessanter weise musikfetzen aus dem soul und jazz bereich nehmen und den songs durch die musikalisch, eletronisch abgestimmte umgebung ein feeling verleihen, das für eine neue musikrichtung (trip-hop) prägend bleiben soll. remixes werden gestaltet, die ein lied sogar fast komplett adaptieren (jLO -the remixes), was soviel bedeutet, dass man teilweise den text und die meldodie neuschreibt, das gerüst des liedes aber ident bleibt. tricky hat mit seinem 'hell is around the corner' gezeigt wie man dies geschickt macht und das 'walk on by' sample, das haargleich sich im portishead lied als 'hintergrund melodie' charakteristisch zeigt, dazu verwendet, um ein 'neues' lied entstehen zu lassen. die folgenden vier hörbeispiele haben alle so gesehen die selben wurzeln. 'walk on by' ist spannender weise im original von dionne warwick interpretiert worden und zeigt in der struktur kaum ähnlichkeit mit issac hayes' übersetzung des liedes, wo nur gesangsmelodie und text mit dem ursprung übereinstimmen. anhand der beiden letzten songs kann man erkennen wie stark die technische reproduzierbarkeit die kreativität fördern kann. walk on by (d. warwick) vs. walk on by (i. hayes) vs. glory box (portishead) vs. hell is around the corner (tricky) http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 16 von 24 zurück zur distribuierung: viele künstler stellen ihre songs (meistens auf ihrer eigenen homepage oder einer gutbesuchten adresse wie www.mtv.com) als preview zur verfügung, um besser werbung zu machen. peer2peer netzwerke beschleunigen den austausch von informationen hauptsächlich software programme betreffend und natürlich mp3's. die musik der bands und interpreten werden schön langsam nicht mehr durch mtv populär, sondern durch das benützen der peer2peer softwares, die teilweise auch schon durch ein top-listing eine art charts bieten, wo man sich über neue hits immer gut informieren kann, aber auch archiv sind, aus dem man nach lust und laune seine eigene lieblingslieder abspielen kann (was ja durch fernsehen und radio eingeschränkt ist). was künstlern und plattenfirmen finanziell durch dieses freigeben der songs schadet, fördert hingegegn ihre verbreitung. auch gelegenheitdj's und musikern wird hier eine helfende hand gereicht, da sie kein geld ausgeben müssen und trotzdem an songs und sounds herumbasteln oder sie einer kleineren gruppe bei events präsentieren können. ferner kann man samples oder musikstücke computertechnisch so weit verfremden, dass sie kaum mehr an das original erinnern und doch noch ausreichend melodie als unterlage für einen ohrwurm besitzen. eine andere art der hausmusik möchte ich gern im nächsten beispiel zeigen, wo indirekt gesampelt wird und die geräusche eines druckers als melodie dienen. in diesem beispiel wird deutlich, dass auch der 'einsatz' der computerkomponente (hardware) an sich den musikbegriff durchaus erweitern kann und die gestaltung der lieder nicht unbedingt erstrangig auf der software ebene passieren muss. ausserdem wäre hier hervor zu heben, dass diese idee von einem jugendlichen kommt, der mit der technologisierung seiner umwelt aufgewachsen ist und musikkultur für ihn wahrscheinlich bereits andere dimensionen angenommen hat... lukas reeh /// DJ_Sky feat. HP - Deskjet 695c: Jeder kennt die oft recht merkwürdigen Geräusche von Druckern und Lucas Reeh hatte die Idee damit einen Sound zu schneiden. Der komplette Vordergrund, die Melodie und der Rhythmus sind nur Geräusche vom Drucker. "Natürlich hat es nicht lange gedauert bis die Idee da war einen "Sound" (ein Lied) damit zu schneiden. Dafür war ich ja schon berühmt, mit dem ersten Werk das auch schon beim letzten u19-Wettbewerb dabei war, kannten mich meine Freunde schon." textpassage aus: http://www.u19.at/htm/projekts2002/Deskjet.htm darstellung der optischen wirklichkeit - virtuelle realität im endspurt dieses zweiten teiles werden nochmals malerei und die damit verbundene darstellung des körpers von einst und heute genauer gegenübergestellt. der mensch und seine umwelt wurden in der malerei realistisch abgebildet, um beim betrachter gefühle zu erwecken. der biedermeier bürger sollte durch das bewundern seiner privaten bilder (sammlung) immer an idyllische zustände erinnert werden oder wenigstens davon träumen können. er hat die natur, das leben und die menschen durch diese bilder zu sich nach hause gebracht. auch das internet bietet die möglichkeit die aussenwelt nach innen zu holen; ereignisse und informationen werden überall freigegeben; man hat eine große auswahl an optionen sich berieseln (unterhalten) zu lassen. der digitale biedermeier bürger hat aber auch die wahl sich im netz durch avatare zu repräsentieren, eine fremde identität an zu eignen oder so weit design und technik es erlauben, sich und seine umwelt selber darin zu gestalten. was in der malerei von menschenhand direkt zu papier geschehen kann - ist im computerbereich schon ein komplizierterer vorgang der repräsentationsmöglichkeit. sobald man in die computerwelt eintaucht, ist man eine geschriebene identität. die aussenwelt hat man physisch zwar nicht verlassen, dennoch muss man in diesem virtuellen http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 17 von 24 raum sich auch den kommunikationsbedingungen anpassen. ich will hier nicht langatmig über repräsentation im internet vortragen, da dieses thema bereits schon zu oft diskutiert worden ist und ich keine thesen aufwärmen möchte, sondern eine frage in den raum stellen möchte, wie eigentlich die 3D darstellung, die uns im internet einer optischen wirklichkeit näher kommen lässt in zusammenhang mit dem geschriebenen steht. da jede kommunikation via computer auf einer programmierten ebene passiert, so müssten wir doch auch geschrieben sein. indem wir die 3D repräsentationen anpreisen leugnen wir unsere wahre identität, nämlich die eines geschriebenen knotens bei eintritt in eine 3D welt. zur verdeutlichung: das erste bild ist vom biedermeier maler waldmüller, der zwei buben bildlich fast realitätsgetreu wieder gegeben hat. das zweite bild zeigt einen bot, den ich in unreal kreiert habe mit meinem gesichts foto 'draufgemappt'. ich versuche mich optisch durch ihn so gut wie möglich zu repräsentieren. das bewußtwerden meiner identität als geschriebene fläche kommt erst, wenn ich z.b. in einer VRML umgebung (web3D sprache) im internet den source code zu gesicht bekomme. das folgende beispiel möchte ich nun live vorführen, indem ich zeigen möchte, wie eine variante der datenversierten darstellung aussehen könnte. im projekt 'heavy-sampling-norman-klein /datenzucht', das ich gekoppelt mit einem vortrag über programmierbarkeit und datenzucht gestartet habe, ging es kurz zusammengefasst darum, wie man ein digitales haustier züchtet, eine art digimon zur welt bringt. in dieser arbeit habe ich dieses wesen datavar (nicht zu verwechseln mit datavatar) genannt, das in seiner darstellung ein ergebnis aus den daten des users (sein vater/trainer/züchter) und seinen persönlichen dateneingaben (name, modus, trainingsart etc) sein sollte. sekundär entsteht durch diese mischung der daten (datavar - ein wesen, aus einer datenwelt geboren) erst ein datavarbaby, das man noch züchten muss und, wie es der digimonkampfgeist so will, erst im kampf mit anderen züchtern und datavars das wachstum beschleunigt wird. primär möchte ich heute nur auf das bewußtwerden aufmerksam machen und die ersten schritte in der datenzucht, die sie daheim unter dieser url nachmachen können: http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 18 von 24 http://www.attacksyour.net/~nn/nk/start.html das dritte bild ist ein bildausschnitt eines entstandenen datavars. in einer datenbank werden die daten (des users und des gewünschten digimons) gespeichert, durch unterprogramme evaluiert und schließlich durch das human interface in VRML in form wilder 3 D polygone als datavar optisch markiert. die datenevaluierung nimmt bewußt kein anthropomorphes design an, sondern versucht einfach und ohne 'umwege' der repräsentation alle daten gleich in polygone zu übersetzen. die verifizierbarkeit der daten geschieht indem man auf das datavar klickt und sich dadurch sein gerüst in form von VRML knoten offenbart, die direkt von der datenbank aus durch ein modul geschrieben werden. alle beispiele, die ich in diesem abschnitt zur parallelisierung herangezogen habe, erscheinen mir persönlich im rahmen des digitalen biedermeier diskurses wichtig zu sein, um teilweise doch klare ähnlichkeiten zwischen einst und jetzt zu verdeutlichen. wie gesagt, sind es nur inspirationen für den eigenen vergleich - konkretere vergleiche der kulturen einst und jetzt in den einzelnen bereichen (lebensphilosophie, technikgebrauch und darstellung) werde ich nun im letzten teil des vortrages machen, in dem ich die parallelströmungen zu europa (vom geschichtlichen biedermeier zur metapher einer technokultur) anhand von indien, japan und amerika im kontext des digitalBIEDERMEIERs erklären will... *** parallelströmungen / digitalBIEDERMEIER all over the world indien auf dem weg zur technokultur und einer möglichen bildung von techno-eliten? indien wäre das erste ziel im vergleich zu europa in der ausübung der technokulturen. der arbeiter begriff ist heute schon öfters diskutiert worden und ich habe ihn mit der momentanen technologisierung der umwelt, aber nicht mit der kultur direkt in verbingung gebracht, was soviel bedeuten kann, dass indien kein indisches 'digitales' biedermeier durchlebt, sondern sich eher in einer digitalen vormärz situation befindet. der grund für das noch nicht emporkommen einer technokultur, liegt großteils in den schleppenden wirtschaftlich/industriellen akkumulationsversuchen, die bereits zu große narben im wirtschaftlichen und sozialen system indiens hinterlassen haben und noch eine längere regenerierungszeit in anspruch nehmen werden. themen der wissenschaft und technokultur wurden in diesem akkumulationsprozess (vom staat getragen) als modernität bezeichnet, monumentalisiert und völlig vom alltäglichen abgelöst. diese adaption einer kulturellen strategie (modernität wie wir sie in europa um 1920 in der avantgarde kennen) kam in einer ganz anderen form nach indien. die modernität in der europäischen avantgarde war kulturtechnisch am einzelnen oder an einer kleineren gruppe anwendbar, wohingegen die indische mordernität sich durch monumentalisierung wie in der errichtung von dämmen oder stahlwerke kennzeichnet, welche bald zum nationalismus ikonisiert wurden. ohne dialektik der infragestellung und des experiments wurde die 'modernität' gleich im eigenen land für die wirtschaftlich/technischen probleme und mängel als lösungsformel http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 19 von 24 eingesetzt. unter diesen bedingungen wird die praktische reflexion in der bevölkerung sicherlich nicht zu schnell eintreten, da diese industriebauten und gerätschaften , die vom staat zu sehr als monumente verherrlicht werden, fast schon religiöse erfurcht abverlangen könnten. ...in der geschichte sind die sozialen bewegungen in indien immer der monumentalen technologie (großer damm, umweltverschmutzung durch stahlwerke und abholzung des waldes) skeptisch gegenüber gestanden. mit dem netz und lokalen netzwerken treten die aktivisten in einen dialog mit der technokultur und den initiationsritualen ein, die mit dem computer einhergehen. möglicherweise beginnt sich jetzt zum ersten mal der heilige raum der technologie, der für den nationalismus immmer zentral gewesen ist, aufzulösen... (ravi sundaram im gespräch über die brasilianisierung indiens) das beispiel indien in der auslebung seiner technokultur ist sehr komplex und teilweise auch sehr paradox. indische kinder scheinen von klein auf schon mit der logik und mathematik interessanterweise durch die bildhafte sprache der märchen und sagenwelt konfrontiert zu werden. das dadurch seit kindesalter an bereits trainierte abstraktionsvermögen wird zum vorteil der inder in der programmierung von software (wohl gemerkt: indien ist wirtschaftlich nur in der softwareproduktion und im service stark im rennen). dass inder sowieso gute mathematiker sind, wissen wir seit einführung des dezimalsystems und der null um 600 n. chr oder taufe der algebra und des algorithmus nach al-khwarizmi, welcher sich explizit auf die zahlenreihen der indischen mythen bezog. die inder hätten so gesehen die besten chancen in der computerkultur die oberhand zu gewinnen... doch traurige ereignisse wie die auswanderung vieler inder ins ausland, wo man besser verdient und die lebensumstände angenehmer sind, führen zu einer dezentralisierung der inder als potentielle technokultur träger von indien. diese auswanderung wird dazu auch noch durch greencard angebote beschleunigt (großteils von amerika). warum amerika favorisiert wird, liegt einerseits am amerika mythos von freiheit und der großen chance alles erreichen zu können, andererseits sind in amerika größere firmen (gerade im computerbereich) so organisiert, dass sie auch wohnanlagen für ihre mitarbeiter bieten und liebend gern nationalitäten bevorzugen, die sich besser in ein arbeitssystem integrieren lassen können, und da haben die inder einen guten eindruck hinterlassen. fließendes englisch verbunden mit großem technischen know-how. dieses anhäufen der inder als arbeiterschaft führt soweit, dass sich kleinere indische soziale systeme, communities in einer firma bilden können, die den neuling gern unter ihre fittiche aufnehmen, was ja die auswanderung noch einfacher macht, da man genau weiss im fremden land sofort auf landsmänner zu stoßen. hinsichtlich der auswanderung müßte man sich aber wenig sorgen machen, dass die technikversierte intellektuelle schicht abgetragen wird, da produktionsstätte wie bangalore (wird regelrecht schon als indisches silicon valley bezeichnet) für software produktion immer größer werden und auch neu entstehen. viele firmen vom ausland (westen) verlagern ihre produktionen nach indien - dies macht sich nicht unbedingt in der errichtung von monumentalen firmenbauten sichtlich; eher werden die geschäfte geschickt über das internet gemacht. die firmen sehen in indien nicht nur den vorteil einer günstigeren kostenstruktur, sondern vor allem einer 'flexibleren' arbeitsumgebung mit 'flexibleren' gesetzen und verordnungen sowie das fehlen von 'bremsenden' gewerkschaften. dies scheint eine wahrgewordene horror auslegung der kalifornischen ideologie vom ökonomischen liberalismus (die metamorphose von freiheit zur zwangsherrschaft) zu sein, den ich im ersten teil schon geschildert habe. das für mich paradoxeste ist nun die tatsache, dass in der informationstechnologie gutausgebildete http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 20 von 24 fachkräfte ins ausland gehen und dort zwangsläufig ihr kulturelles gedankengut bis zu einem teil im anpassungsprozess neu aufsetzen müssen und inder landes intern, die über das gleiche technische know-how verfügen durch das internet schöne ausblicke auf den westen bekommen, der baldigst zum lebensziel werden sollte. es scheint langsam eine negierung der eigenen nationalität statt zu finden, die damals durch die monumentalisierung der großen dämme und holzwirtschaft nie hätte stattfinden können. der einzige noch deutlich zu spürende nationalistische gedanke wird noch im internet durch politisch rechte aktivisten postuliert. ravi vasudevan schreibt dazu:...gleichzeitig greift die extreme rechte, die nationalistische rechte der hindus, aggressiv in die populärkultur ein. die international aktivsten gruppen im internet sind beispielweise nationalistische hindugruppen, die eine neue nation schaffen wollen. ihre grundlage soll zwischen den ruinen des alten nationalismus eine auf dem internet basierende hinduistische identität sein. wenn man diese aussage den geschehnissen im vormärz gegenüberstellt, könnte man hier auch wiederum indien mit dem zustand des damalig zersplitterten deutschlands vergleichen, was ich im ansatz aber im zweiten teil mit der linux bewegung verglichen hab. wie schon erwähnt, wäre hier der techokulturelle stand indiens noch nicht wirklich mit einer kulturellen metapher eines digitalbiedermeier-likes zu vergleichen, da noch zu viele (wirtschafts)politische und vor allem soziale verbesserungen im vorfeld eintreten müssten, um überhaupt den gebrauch und das florieren einer technokultur zu ermöglichen. im digitalen bereich gut ausgebildete inder haben, wie gesagt, die besten chancen zu einer (weltweit?) digitalen elite zu werden, da sie einerseits wie für die handhabung dieser digitalen welt wortwörtlich geschaffen sind, andererseits, weil sie verstreut überall in den mächtigsten industrieländern mehrheitlich spitzenpositionen besetzen und der griff nach dem hebel zur macht nicht ausser reichweite ist... japan in einem stau der identitätsbildung oder im frust der medialen übersättigung? viele verbinden die techno-kultur japans mit manga, game arcaden, lustigen auftritten in brutalen gameshows und übersemiotisierung. was ich jedoch an japan sehr interessant finde, ist die zweispaltung zwischen hartem berufsleben und teils schon kindlichem gebrauch der unterhaltungsmedien, sei es comic, spielkonsolen oder karaoke wettbewerbe. es muss in der japanischen kultur ein dermaß großer druck auf die leistung eines individuums herrschen, dass man sich nach der arbeit nur mehr in eine phantasie welt flüchten möchte, um abstand von der realen welt zu halten. was diese flucht jedoch zu einem teufelskreis ausarten lassen kann, wenn die technik die oberhand gewinnt und sich der mensch nur mehr noch durch technologischen gebrauch als notwendigkeit rekonfigurieren kann. hier möchte ich die otaku kultur nennen, die eine mischung und rekompilierung verschiedener 'subkulturen' ist. markante merkmale sind die technik begeisterung und das fachwissen, das in jeder orientierungsgruppe herrscht. ein otaku ist der sammler schlechthin. viele sammeln aber nicht aus leidenschaft für das objekt an sich, sondern aus einem verlangen heraus, soviel wie möglich über das sammelstück wissen zu wollen. soziologen sehen die ursache im strengen schulsystem, wo man bereits für grundschulen eine aufnahmeprüfung absolvieren muss, von den höheren schulen und universitäten gar nicht zu sprechen. von klein auf wird man auf leistung hin gedrillt, bis man entweder dieses gewünschte (gezwungene) level erreicht hat oder wie auch immer aus dem system aussteigt. vergleicht man japanische kinder mit indischen kindern (weiter kann der vergleich mit erwachsenen fortgesetzt werden) so kann man zwei http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 21 von 24 verschiedene strategien in der wissensverwaltung feststellen. auf der einen seite wird gestrebert was das zeug hält, um nur den sozialen und wirtschaftlichen ansprüchen gerecht zu werden, ohne sich dabei groß auf die bedeutung des gelernten konzentrieren zu müssen, da die übersetzung anscheined vom system übernommen wird. auf der anderen seite wird man schon von kind auf mit der logik und abstrahierung von modellen konfrontiert. viele die jetzt meinen, dass japaner roboter ähnlich sind oder nur wenig logik besitzen, müssen dabei aber beachten, dass dieses auswendiglernen zur logik und abstraktionskraft der japaner hinzukommt, was jetzt nicht bedeuten soll, dass japaner durch diese lernmethode schlauer wären, sondern das ihre lernstrategie auf einer anderen ebene liegt und die art zu lernen und folgend zu denken immer ein produkt des gesellschaftssystems ist; sei es aus sprachlichen, wirtschaftlichen oder technischen gründen beeinflußt. dieses daten aufsaugen, das zur 'gewohnheit' der japanischen kinder geworden ist, spiegelt sich in ihrem sammeltrieb wider. da gewohnheiten auch ins erwachsenen alter mitgenommen werden können, darf man sich nicht wundern, wenn auch ältere otakus einen unbändigen sammeltrieb zeigen: im ersten bild zeigt ein fan stolz seine büchersammlung, was ja an und für sich nichts ungewöhnliches ist. dass er über alle details informiert ist, zeichnet ihn ja als fan schließlich aus. das rechte bild jedoch repräsentiert diesen sammelwahn, der vielleicht einigen als 'komisch' oder nicht normal vorkommt. es wird prinzipiell in der otaku kultur alles (an information) gesammelt. volker grassmuck dazu: ...information ist fetisch. sie ist gleich-gültig, weil jederzeit immer durch das immer neue ersetzbar. aus dem ständig wechselnden strom wählen die otaku arbiträr ein informationssegment aus, das sie - einmal entschieden - mit radikaler ausschließlichkeit verfolgen. sie wollen kontrolle wenigstens über einen kleinen teil der welt, in dem es trotz der überwältigen informationsflut möglich ist, alles zu wissen, auf alles vorbereitet zu sein, sich sicher fühlen... hier ist eine mediale übersättigung bereits vor 10 jahren eingetroffen, die wir nun im europäischen digitalen biedermeier erleben. man hat alles, man bekommt aber noch mehr - so lautet hier die devise. auch von einem medien cyborg kann man schon in der otaku kultur sprechen, der mediale extensions (digitale interfaces) schon bereits zu den essentiellen (und wo möglich auch existenziellen) bestandteilen seines lebens sieht. zu dem wird heute abend wahrscheinlich eine roboterdiskussion stattfinden, die das cyborg thema ausführlicher behandelt. doch die in europa humanistisch geprägte kultur verlangt kein (übertriebenes) speichern von informationen, um den mensch als mensch oder als wohlfunktionierendes glied in einer kette zu akzeptieren und der mensch wiederum sieht sich nicht dazu gezwungen, daten in sich stopfen zu müssen, um sicherheit und gesellschaftliche 'funktion' in einem system zu finden. doch wie würden wir in europa mit einer solchen informationsflut überhaupt umgehen? die tendenz zu einem medien internen hopping hab ich im ersten teil des vortrages schon erwähnt, das aber eine antwort auf eine mediale übersättigung ist und keine http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 22 von 24 lösung darstellt. ich möchte folgend die themen der comic welt kurz unter die lupe nehmen, weil sich gerade in ihr ein großer teil der japanischen otaku bürger in seinen verlangen, lüsten und sehnsüchten wieder findet oder befriedigt wird. wie wir hier bereits sehen gibt es schon eine bezeichnung für diesen schlag von bürger: otaku, was grob gedeutet für ein unpersönliches sie steht (eigentlich: ihr haus). die otaku kultur wäre hier nur eine mögliche variante der techno-kultur, die uns erwartet. ich will nichts prophezeihen und schon überhaupt nicht versuchen andere kulturelle muster auf europa anzuwenden, da die technologisierung zwar in den industrieländern omnipräsent ist, ihr einsatz aber immer noch einer weltanschauung (philosophie) dient, auch wenn die technik über den menschen 'siegen' sollte (wo die extropianer generell nichts dagegen einzuwenden hätten), geschieht dies nach kalkül. und noch scheinen wir in europa halbwegs alles unter 'kontrolle' zu haben... die möglichkeit einer katastrophe ist jedoch immer im auge zu behalten. nun endlich zu den mangas, die in vielerlei hinsicht speziell für ihre fans eher ein armutszeugnis für ihre sexuellen neigungen ausstellen. ein gutes beispiel wären hier die 'yaoi' comics zu nennen, die nur von frauen gezeichnet werden und die stories von homosexueller liebe zwischen männern handeln. wie in manchen kreisen diese darstellung als selbstverständlichkeit angesehen wird ist beeindruckend (gerade im asiatischen raum, wo dies noch großteils tabuthema ist). auf den ersten blick ist dies auch bahnbrechend, genauer betrachtet ist es eine sehr traurige geschichte, da die comics auch nur hauptsächlich von frauen gekauft werden und unter homosexuellen selber dies noch immer einen touch von schmuddel hat, da die burschen in ihrer darstellung relativ jung sind oder gar minderjährig wirken. coverbild aus einem yaoi comic (junge) mädchen finden diese burschen so süß; wissen aber ganz genau, dass sie unerreichbar für sie sind. man könnte aber auch vermuten, dass gerade ihre unerreichbarkeit (in sexueller prägung und form des papiers) sie für die mädchen erst interessant macht, da diese sich ihrer sexualität noch nicht ganz bewußt sind und auch teilweise angst davor haben, diese durch sexuell eindeutige szenen (zwischen mann und frau) in comics oder anderen medien zu entdecken. dieses verhaltensmuster lässt sich auch bei den jungs wiederfinden, die schulmädchen mangas lesen; das verhalten wäre hier das gleiche. es gibt unzählige manga genres, die eine eindeutige orientierung zeigen (von military bis family stories). all diese darstellungen sind aber meiner meinung nach nicht darstellungen von einem ist-zustand, sondern eher einem soll-zustand. im schnitt kann aber gesagt werden, dass die repräsentation des liebes-objektes oder einer hauptfigur sehr kindliche züge hat. die sexualität wird verniedlicht und auf eine ebene runtergebrochen, die fast ins sächliche, asexuelle geht. selten sind mangas populär geworden, die eine sexuell anziehende frau oder einen http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 23 von 24 richtigen kerl als hauptfigur haben. auch die schurken gehen teilweise im design ins teuflische oder nicht-menschliche. wenn man dies mit der comic kultur von amerika vergleicht, kann man große unterschiede feststellen. schon bei den allerältesten batman und superman comics kann man eine deutliche sexuelle gestaltung der protagonisten sehen. breitschultrige männer und frauen mit üppigen rundungen sind hier zentrale figuren, wo hingegegen sailor moon & co eher wie zulang gezogene barbies aussehen. sexuelle darstellungen des menschen in der comic welt japans und amerikas sind jeweils in eine andere, entgegengesetzte richtung verzerrt. ich will nicht zu sehr ins psychologische gehn, sondern nur anhand dieser mangas aufzeigen, wie medien inhaltlich den lüsten und verlangen der masse entgegenkommen können, was an und für sich nichts schlechtes ist. sollte aber durch die massenpublikation von gewissen menschenbilder dazu führen, dass man zu seiner sexualität ein komplexhaftes verhältnis aufbaut, so wäre dies sicherlich kein erfolgreiches entgegenkommen. da mangas in japan das massenmedium schlecht hin sind, wären sie unter diesem gesichtspunkt als hauptträger der darstellungsformen japanischer techno-identitäten zu nennen. die virtuelle repräsentation durch kyoko date lässt sich zum gleichen sexuellen darstellungsschema wie das ihrer kolleginnen aus der 2D welt zurückführen, nur dass bei kyoko date der vorteil besteht, mit ihr auch im netz interagieren zu können - dadurch hat sie auch in ihrer popularität bereits 'star' status erreicht. die japaner scheinen mit diesem virtuellen superwesen ihrer (sexuellen) phantasie recht zufrieden zu sein, was den extropianern (meistens in amerika zu hause) nicht genügt. sie sehen das überwesen nicht in der virtualität, sondern als (unmittelbaren) nachfahren des menschen in der evolution, der in symbiose mit der technik besser leben kann als der jetzige mensch (auch eine verschmelzung beider wesen zur optimierung der menschlichen fähigkeiten wird in dieser ideologie willkommen geheißen). extropianer - der wunsch nach einem übermensch zu erst muss erklärt werden, dass hier die extropie eine technologieversierte philosophie ist, die max more mit seinen anhängern vor etwa 10 jahren kreiert hat und deshalb nicht wirklich einem land zu geordnet werden soll. entstehungsgeschichtlich ist sie aber der kalifornischen ideologie zugehörig und zu jenem zeitpunkt erst entstanden, wo der technologie und computer glaube transhumanistische züge angenommen hat und ihr temporäres ziel nun in der erschaffung eines posthumanisten menschen sieht. temporär deshalb, weil nach max mores these es immer weitergehn muss in der evolution und der mensch sicherlich nicht das schlußlicht davon bilden sollte, was aber auch bedeuten kann, dass in ferner zukunft der mensch an sich nicht unbedingt mehr die dominierende intelligenz verkörpern müsste, sondern ablösbar wäre. mit folgenden fünf punkten möchte ich die ideologie kurz festhalten - die extropianischen prinzipien lauten: 1. grenzenlose expansion 2. selbsttransformation 3. dynamischer optimismus 4. intelligente technologien und als letzter punkt 5. spontane ordnung. nach deren weltansicht wird der technische fortschritt in den nächsten 60-70 jahren folgendes möglich machen: übermenschliche intelligenz, biologische unsterblichkeit, kolonialisierung des alls und immerwährende glückseligkeit. der natürliche körper gilt nicht als das ende der entwicklung, die verbindung von körper und maschinen wird neue entwicklungen und verbesserungen des menschen möglich machen. das menschliche soll durch das 'nachmenschliche' (posthumane) oder das übermenschliche abgelöst werden. meiner meinung nach sind die extropianer deshalb sehr wichtig in der kontextualisierung als schlüsselfiguren zu sehen, weil sie den aspekt der direkten verschmelzung mit der maschine als optimalste lösung für ein http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002 nguyen van ngoc /// digitalBIEDERMEIER: re/producing the privat [d] vision 2002 Seite 24 von 24 zusammenleben sehen. die langwierige interface debatte führte zu weiteren noch weiter ausufernderen debatten (meistens schon in den bereichen der literaturwissenschaft zirkulierend) und das code working aus künstlerischer sicht könnte mit dem prozess der datenvisualisierung kurzgeschlossen werden. die extropianer verteidigen vehement ihre thesen und mitglieder sitzen meistens in höheren positionen von forschungsinstituten im bereich robotik, KI und informatik; hier wären nur einige namen zu nennen, wie: marvin minsky (MIT media-lab), kevin kelly (WIRED) oder der roboter papst himself hans moravec. in japan und amerika sind roboter schon bereits bestandteile der digitalen kultur (zb als elektronisches haustier). in europa werden nun roboter in zeitschriften jugendlichen zum selber basteln und vor allem selber programmieren angeboten. lego mindstorm ist in künstlerischen bereichen bereits zur strategie geworden. da eventuell zur späteren stunde eine roboter/cyborg diskussion stattfinden wird, beschränke ich mich nun zu allerletzt nur auf die extropianer mit der intention zu zeigen, dass bereits damals in den gründerjahren des extropischen kultes ein dermaß komplexes, technisches verständnis geherrscht hat, das weit über den 'ordinären' ansprüchen des heutigen digitalen biedermeier bürgers und seinen denkfähigkeiten hinausgegangen ist und eventuell sogar wegweisend sein könnte. anfänglich wurden mores thesen als sci-fi unfug beschimpft, nun werden sie in den debatten um KI und robotik als denkstruktur immer öfter mit einbezogen. sollten die extropischen prinzipien als lösungsformel für mehrere dilemma in den untergehenden (japan), momentanen (digitalBIEDERMEIER) und aufkommenden (indien) techno-kulturen passen - metaphorisch und im vergleich gesprochen das leben nach der märz revolution 1848 skizzieren, so stellt sich nun die frage, wie der digitale bürger nach diesem umbruch aussehen könnte. ? http://attacksyour.net/~nn/biedermeier/digital-biedermeier.html 05.11.2002