Kognitive Systeme Zielsetzungen, Ansätze, Anwendungen
Transcrição
Kognitive Systeme Zielsetzungen, Ansätze, Anwendungen
Kognitive Systeme Zielsetzungen, Ansätze, Anwendungen Ute Schmid Kognitive Systeme Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik Otto-Friedrich Universität Bamberg GI Seminar Würzburg, 15.4.2015 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 1 / 46 Was ist ein kognitives System? Ein System, das zu einem Bild ähnliche Bilder findet, in dem es Farbhistogramme vergleicht? Ein System, das eine begrenzte Menge von Objekten erkennen kann, in dem es Methoden der Kantenerkennung und eine Modell-Bibliothek nutzt? Ein System, das aus der Kognitionspsychologie bekannte Prinzipien der menschlichen Objekterkennung umsetzt? Ein System, das bezogen auf eine mit Menschen durchgeführte empirische Untersuchung ähnliche Parameterverläufe zeigt wie der Mittelwert der Probanden? U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 2 / 46 Was ist ein kognitives System? Ein System, das zu einem Bild ähnliche Bilder findet, in dem es Farbhistogramme vergleicht? ,→ Information Retrieval Ein System, das eine begrenzte Menge von Objekten erkennen kann, in dem es Methoden der Kantenerkennung und eine Modell-Bibliothek nutzt? ,→ Standard Künstliche Intelligenz Ein System, das aus der Kognitionspsychologie bekannte Prinzipien der menschlichen Objekterkennung umsetzt? ,→ Kognitives System Ein System, das bezogen auf eine mit Menschen durchgeführte empirische Untersuchung ähnliche Parameterverläufe zeigt wie der Mittelwert der Probanden? ,→ Kognitives Modell U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 3 / 46 Im Folgenden Gegenstandsbestimmung, Zielsetzung Beispielhafte Anwendungen Relevanz der Wissensebene/Lernen auf der Wissensebene Igor – Erwerb von Handlungsregeln aus Erfahrung Ein sehr textlastiger Vortrag Mischung aus deutschen und englischen Folien Versuch, das Feld allgemein zu charakterisieren, aber natürlich dennoch persönliche Perspektive U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 4 / 46 Motivation für Kognitive Systeme The problems we face are growing more complex, but we are not becoming any smarter. Software can help, but often it becomes part of the problem by adding new layers of complexity. We need to bring software closer to us, improving conceptual bandwidth and having it adapt to us, rather than the other way around. (Forbus & Hinrichs, AIMag, 2006) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 5 / 46 Kompetenzen eines allgemein intelligenten Systemes Human-Level AGI, AI Mag, Spring 2012 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 6 / 46 Grundstruktur eines Kognitiven Systems nach Newell Newell, AI Mag, Summer 1981 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 7 / 46 Grundstruktur eines Kognitiven Systems Umwelt Wahrnehmung Kognitive Verarbeitung Gedächtnis Handeln (Problemlösen) Lernen U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 8 / 46 Eigenschaften eines Kognitiven Systems Ein kognitives System ist . . . in die Umwelt eingebettet (über Sensorik und Aktorik) ist fähig zur mentalen Verarbeitung von Information verfügt über kognitive Funktionen wie I I I I I I I I Wahrnehmung und Mustererkennung Handlungssteuerung und Kontrolle Wissensrepräsentation und Schlussfolgern Lernen aus Erfahrung Problemlösen Entscheiden Verarbeitung natürlicher Sprache Getrieben/moderiert von Motivation, Emotion Standard-Beispiel für ein kognitives System: Mensch Kann man kognitive Systeme bauen? U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 9 / 46 Kognitive Systeme und Künstliche Intelligenz Künstliche Intelligenz (KI): erforscht Algorithmen zur Lösung von Problemen, die bislang nur oder besser von Menschen gelöst werden können. I I als Teil der Informatik stehen Algorithmen im Mittelpunkt statt Künstlicher Intelligenz auch als Intelligentes System bezeichnet Kognitives System I I Schnittbereich zwischen KI und Kognitiver Psychologie Intelligentes System, das kognitive Funktionen so realisiert, dass sie auf ähnlichen Strukturen und Prozessen basieren wie bei einem menschlichen Informationsverarbeiter U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 10 / 46 Zwei Perspektiven auf Kognitive Systeme Ingenieurswissenschaftlich: Nutzung von Erkenntnissen der Psychologie, I I um effiziente intelligente Systeme zu realisieren (“Psychonik”) zur Gestaltung von Mensch-Maschine-Interaktionen (menschgerechte Kommunikationsschnittstellen/ Informationsdarbietung) ,→ performanz-/erfolgsorientiert Erkenntniswissenschaftlich: Als Werkzeug für die theoretische Psychologie I I Formale Modellierung zur Beschreibung und Erklärung kognitiver Strukturen und Prozesse Analyse genereller Beschränkungen ,→ generative Theorien/“Baupläne” Kognitive Systeme basieren auf: Nutzung von kognitiven Theorien Verständnis empirischer/experimenteller Untersuchungsmethoden U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 11 / 46 Was ist Kognitive Psychologie? Psychologie: Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten unter Einschluß damit verbundener physiologischer und neurologischer Vorgänge Allgemeine/Kognitive Psychologie: Frage nach universalen Gesetzmäßigkeiten im Bereich psychischer Grundfunktionen wie Wahrnehmung, Motivation, Emotion, Gedächtnis, Denken, Problemlösen, Lernen, Handeln, Entscheiden, Sensumotorik I I I I ,→ Abstraktion von individuellen Unterschieden (Differentielle Psychologie) ,→ Entwicklung psychischer Funktionen im Lauf der Lebensspanne durch innere und äußere Einflüsse (Entwicklungspsychologie) ,→ Erleben und Verhalten im sozialen Kontext (Sozialpsychologie) ,→ Anwendungsnahe Forschung: Klinische Psychologie, Diagnostik, Pädagogische Psychologie, Arbeits-, Betriebs-, Organisationspsychologie U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 12 / 46 Was ist Kognitive Psychologie? Alternative Bezeichnung für Allgemeine Psychologie Einschränkung der Allgemeinen Psychologie auf reine Erkennens- und Verstehensprozesse (Ausgrenzung von Emotion, Motivation) Abgrenzung von anderen theoretischen Sichtweisen auf den Gegenstandsbereich der Allgemeinen Psychologie (z.B.: Behaviorismus): Mentale Repräsentationen und Prozesse als zentrale Grundlage für die Erklärung von Verhalten, Informationsverarbeitungs-Metapher (Kognitive Wende in den 1950ern, Chomsky-Skinner Debatte) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 13 / 46 Methoden der Psychologie Psychologie ist eine Erfahrungswissenschaft (vgl. Physik, Biologie, . . .) Erfahrungswissenschaftliche Methoden: I I Beobachtung Experiment Komplexität/Natürlichkeit Selektivität/Kausalerklärung Beobachtung + - Experiment + Konstruktion von kognitiven Modellen sollte auf gesicherten experimentellen Befunden basieren Aber: nicht alle Annahmen lassen sich in leicht messbare abhängige Variablen (Antwortzeiten, Fehler) umsetzen Deshalb auch: Einzelfallbeobachtungen, Methode des lauten Denkens U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 14 / 46 Kognitionswissenschaftliche Theoriebildung Zweck einer psychologischen Theorie: Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von menschlichem Verhalten Theoriebildung als Wechsel aus Top-down und Bottom-up Prozessen Beoachtungen: Hypothesengenerierung Experiment: Hypothesentestung Kognitive Theorien: Erklärung auf der Ebene von Informationsverarbeitungsprozessen I I Neuronale Korrelate können kognitive Annahmen stützen Situative Aspekte haben Einfluss auf kognitive Prozesse Problem: Theorien sind umgangssprachlich beschrieben (vgl. mathematische Theorien der Physik) ,→ Kognitive Modelle als Zugang zur präziseren Formulierung von Theorien Annahme: Church-Turing These + Physical Symbol Systems Hypothese (Newell & Simon) Problem: Ein und dasselbe Input/Output Verhalten kann durch unendlich viele Programme realisiert werden U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 15 / 46 Modellierung auf der Wissensebene Allen Newell (AI, 1982) Knowledge Level – World oriented Symbol Level (Program) – System oriented Device Level /Logical Level There exists a distinct computer systems level, lying immediately above the symbol level which is characterized by knowledge as the medium and the principle of rationality as the law of behavior. Konzeptuelles Problem: Es gibt keine physikalische Entsprechung zur Wissensebene/mentalen Ebene (Mind vs. Brain) Aber: viele Aspekte kognitiver Systeme lassen sich nicht sinnvoll auf Ebene der neuronalen Verarbeitung charakterisieren, sondern eben nur auf der Wissensebene U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 16 / 46 Wissen als Zuschreibung Newell: Wissen muss rein funktional charakterisiert werden (what it does), nicht strukturell in Form von Objekten und Relationen Wissen ist das, was einem Agenten zugeschrieben werden kann, um sein Verhalten basierend auf dem Rationalitätsprinzip vorherzusagen. U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 17 / 46 Wann ist ein Computersystem ein Kognitives System? Pragmatische Lösung: es löst ein komplexes Problem annährend so erfolgreich und effizient wie ein Mensch (Ingenieurs-Kriterium) Übereinkunft: die wissenschaftliche Gemeinschaft akzeptiert das System als auf kognitiven Prinzipien beruhend Zuschreibung: Menschliche Beobachter können nicht entscheiden, ob das Verhalten von einem Menschen oder einem Computerprogramm erzeugt wird (Turing-Test) (kontextabhängig, z.B. ukrainischer Junge, 10 Jahre, der nicht sehr gut englisch spricht) Detailvergleich von System und Menschen bei spezifischen Aufgaben bezüglich Zeitverläufen, Fehlern (Kognitive Modellierung) Beispiel: CAPTCHAs (Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart) Bots, die CAPTCHAs knacken können, funktionieren eher nicht nach Prinzipien der menschlichen Informationsverarbeitung U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 18 / 46 IBM Deep Blue (1997) – Ein KI System Nutzt KI-Methoden: Suchbaum mit alpha-beta-Pruning, heuristische Funktion Heuristische Funktion ist nicht aus Erfahrung gelernt, von einem menschlichen Experten vorgegeben Suche geht über menschliche Arbeitsgedächtniskapazität hinaus Expertise im Schach (Chase & Simon, 1973) Experten und Novizen unterscheiden sich stark in ihrer Fähigkeit, eine Figurenkonstellation zu rekonstruieren, wenn es sich um eine sinnvolle, in einem Schachspiel mögliche Konstellation handelt Bei einer Zufallskonstellation mit gleich vielen Figuren gibt es dagegen keinen Unterschied zwischen Experten und Novizen Experten speichern Figuren nicht einzeln sonder in bedeutungsvollen Gruppen (anders als Deep Blue) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 19 / 46 IBM Watson – Ein KI-System Deep Question-Answering, Semantisches Information Retrieval Linguistischer Präprozessoer (Prolog-Parse-Baum) Suche in Freitexten und Datenbanken (verschiedene Anfragesprachen) Bewertung der gefundenen Hypothesen durch viele spezialisierte Agenten Menschliches Fragen-Beantworten Üblicherweise Zugriff auf weniger gespeichertes Wissen als es Daten im Web gibt Aber: Zielgerichtetere Suche, Kontext der Frage (Sport, Geographie, Politik) schließt Vieles von vornherein aus Bewertung der Sicherheit der Antwort (Anzahl der Belege und Erklärungen, episodisches Wissen – ich habe das vorgestern in der Zeitung gelesen, etc.) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 20 / 46 IBM Research Statement That is the promise of cognitive systems–a category of technologies that uses natural language processing and machine learning to enable people and machines to interact more naturally to extend and magnify human expertise and cognition. These systems will learn and interact to provide expert assistance to scientists, engineers, lawyers, and other professionals in a fraction of the time it now takes. Far from replacing our thinking, cognitive systems will extend our cognition and free us to think more creatively. In so doing, they will speed innovations and ultimately help build a Smarter Planet. http://www.research.ibm.com/cognitive-computing/why-cognitive-systems.shtml U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 21 / 46 Historische Entwicklung Frühe KI: explizites Ziel, allgemeine Prinzipien intelligenten (menschlichen) Verhaltens zu identifizieren und algorithmisch nachzubauen (Newell & Simon, McCarthy) Seit den 1980ern: KI differenziert sich (Maschinelles Lernen, Planen, Robotik, Mustererkennung), spezialisierte Ansätze und Performanz stehen im Vordergrund Parallel entwickelt sich die Kognitionswissenschaft als Interdisziplin, Kognitionspsychologie ergänzt empirische Methoden um Modellierung mit kognitiven Architekturen (ACT-R) Seit etwa 10 Jahren: mehrere parallele Entwicklungen mit annährend gleichen Intention I I I Kognitive Systeme (ACS, Advances in Cognitive Systems, Ron Sun, Pat Langley) Artificial General Intellience (AGI, Ben Goerzel, Jürgen Schmidhuber) Human-Level Intelligence (HLI, z.B. AI Mag 2007; Ken Forbus) Parallel, aber als völlig getrennte Gruppen: Kognitive Robotik, Cognitive Vision Systems U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 22 / 46 Langleys Kriterien für Kognitive Systeme High-Level Cognition (i.e., reasoning, planning, not basic motoric skills etc.) Structured Representations (such as relational logic, not only features) System Level Research (such as cognitive architectures, not only a tool box of unrelated techniques) Heuristics (rather than guarantee of optimality [which is anyway the case for most interesting problems]) Links to Human Cognition (qualitative comparison not quantitative as in cognitive modeling) Exploratory Research (no unique focus on comparison of methods to measure progress) Pat Langley, Advances in Cognitive Systems 1 (2012) 3–1 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 23 / 46 Anwendungsbeispiele Forbus’ Companion Systems Langley’s Kognitive Architektur Icarus U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 24 / 46 Forbus’s Companion Cognitive Systems Forbus & Hinrichs, 2006, Companion Cognitive Systems – A Step toward Human-Level AI Robust reasoning and learning. Companions will have to learn about their domains, their users, and themselves. Approach: Analogy, inspired by cognitive science research Longevity. Companions will need to operate continuously over weeks and months at a time. Approach: Multi-Agent System Interactivity. Companions must be capable of high-bandwidth interaction with their human partners. This includes being capable of taking advice. Use of Sketches Anwendungen Qualitative Physik (Bennett Mechanical Comprehension test problems, kann als Tutor-System genutzt werden) Spiele-Agent, z.B. FreeCiv U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 25 / 46 Forbus’s Companion Cognitive Systems U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 26 / 46 Langleys Icarus Architecture U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 27 / 46 Langleys Icarus Architecture Zentrale Eigenschaften Grounding von Kognition in Wahrnehmung und Aktion (im Gegensatz zu frühen kognitiven Architekturen wie ACT-R und Soar, bei denen dieser Aspekt im Nachhinein dazu genommen wurde) Langzeitgedächtnis ist hierarchisch organisiert Konzepte und Fertigkeiten als zwei unterschiedliche kognitive Strukturen Kumulatives Lernen für beide Gedächtnisstrukturen Anwendung Fahrersimulation (in der Stadt) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 28 / 46 Bewertung Aus Anwendungsperspektive sind viele Standard-KI Systeme weiter (z.B. Google Car/Icarus) Anspruch ist nicht Performanz, sondern Erkenntnisgewinn Entwicklung und Exploration vieler interessanter Konzepte, die sicher zum Teil in Standard-KI Systeme Eingang finden werden U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 29 / 46 Lernen auf der Wissensebene Spezieller Aspekt: Menschliche Fähigkeit, komplexe Wissensstrukturen aus wenigen Erfahrungen zu erwerben U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 30 / 46 Explizites Wissen Wissen ist . . . dem Bewusstsein zugänglich symbolisch repräsentiert, deklarativ inspizierbar verbalisierbar, kommunizierbar natürlich in regelbasierte Systeme integrierbar Routen: können anderen beschrieben werden Grammatikregeln: können von den meisten Muttersprachlern korrekt angewendet werden; können von Sprachwissenschaftlern als symbolische Regeln formuliert werden Problemlösungen: können anderen beschrieben werden Problemlösestrategien: werden eher unbewusst angewendet Diagnosen: basieren häufig auf teilweise unbewussten Eindrücken (an expert does not think, he knows) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 31 / 46 Newell’s Knowledge Level Allen Newell (1981): Definition des knowledge level zur Beschreibung und Vorhersage des Verhaltens von Computer-Systemen auf der Ebene von Zielen, Wissen und Aktionen Schwerpunkt: Repräsentation, ausgeklammert: Aquisition (Lernen) Viele Kognitive Architekturen addressieren Lernen nicht, oder nicht auf der Wissensebene (Parameter-Tuning) Maschinelles Lernen: meist statistisch – black box learning How can a cognitive system process environmental input and stored knowledge so as to benefit from experience? (Holland, Holyoak, Nisbett & Thagard, 1986, Induction – Processes of Inference, Learning, and Discovery) Lernen findet auf vielen Ebenen statt: Basale Lernprozesse (auf Sensordaten) — Symbolbasierte Ansätze (auf der Wissensebene) Im Folgenden: Induktives Lernen auf der Wissensebene U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 32 / 46 Knowledge-based vs. Learning Systems Knowledge-based Systems: Acquisition and modeling of common-sense knowledge and expert knowledge ⇒ limited to given knowledge base and rule set ⇒ Inference: Deduction generates no new knowledge but makes implicitly given knowledge explicit ⇒ Top-Down: from rules to facts Learning Systems: Extraction of knowledge and rules from examples/experience Teach the system vs. program the system Learning as inductive process ⇒ Bottom-Up: from facts to rules U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 33 / 46 Lernen auf der Wissensebene Überwindung des Knowledge Acquisition Bottleneck Statt expliziter Wissensakquisition und -modellierung Experten führen ihre übliche Aufgabe (z.B. Diagnose) durch Beschreibung der Informationsgrundlage der Experten (z.B. Merkmalsvektoren für Röntgenbilder) Lernen der Wissensstrukturen, die den Expertenentscheidungen zugrunde liegen Beispiele Klassifikation von Endoskopie-Aufnahmen mit Entscheidungsbäumen Mennicke, Münzenmayer, Wittenberg, Schmid, An optimization framework for classifier learning from image data for computer-assisted diagnosis, Proc’s 4th European Conf. of the Int. Federation for Medical and Biological Engineering, ECIFMBE 2008. Klassifikation der Gesundheit von Pflanzen Stocker, Uhrmann, Scholz, Siebers,Schmid, A machine learning approach to drought stress level classification of tobacco plants, LWA/KDML 2013. Incident Mining via struktureller Prototypen Schmid, Hofmann, Bader, Häberle, Schneider, Incident Mining using Structural Prototypes. 23rd Int. Conf. on Industrial Engineering and Other Applications of Applied Intelligent Systems (IEA/AIE 2010). Lernen von schmerzrelevanten mimischen Indikatoren mit Ansätzen der grammar inference Schmid, Siebers, Seuß, Kunz, Lautenbacher, Applying Grammar Inference To Identify Generalized Patterns of Facial Expressions of Pain.Proc. of the 11th Int. Conf. on Grammatical Inference (IGI’12). U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 34 / 46 Lernen produktiver Regelmengen Generalisierung über erlebte Regularitäten I I I Rekursive Prädikate: odd/even, Vorfahr Syntaktische Struktur von Sätzen Lösungsprozedur für den Turm von Hanoi Produktiv (im Sinne von Chomsky): endliche Regelmenge zur Erzeugung von potentiell unendlich vielen Instanzen verschiedener Komplexität Generalisierung aus wenigen positiven Beispielen (cf. Marcus, The Algebraic Mind, 2001) Anwendung eines Verfahrens zur analytischen induktiven Programmierung (Igor, Kitzelmann & Schmid, JMLR 2006; Schmid & Kitzelmann, CSR 2012; IK’13 Special Course) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 35 / 46 Induktives Programmieren Anwendung von maschinellem Lernen auf das Problem der Programmsynthese Automatische Erzeugung (rekursiver) Programme aus Eingabe-/Ausgabe-Beispielen (unvollständigen Spezifikationen) Ansätze: I I analytisch, daten-getrieben: Thesys, Golem, Igor (ILP und induktive funktionale Ansätze) generate-and-test: FFoil (ILP), Adate (evolutionär), MagicHaskeller (systematische Aufzählung) E/A Beispiele: last [a] last [a,b] last[a,b,c] last[a,b,c,d] = = = = U. Schmid (Uni BA) a b c d Induziertes Programm: last[x] = x last(x:xs) = last(xs) Kognitive Systeme GI 15/4/15 36 / 46 Igor2 Analytischer Ansatz zum Lernen funktionaler Programme (Maude, Haskell) Effiziente Induktion rekursiver Regelmengen aus wenigen positiven Beispielen Lernt lineare, Baum-, und wechselseitig rekursive Regelmengen Automatische Induktion von Hilfsfunktionen (necessary function invention) Kann Hintergrundwissen berücksichtigen (analog zum ILP-System Golem) Restriction Bias: funktionale rekursive Programme, bei denen die äußere Funktion entweder nicht-rekursiv oder aus dem Hintergrundwissen ist Nicht-rekursive Programme zur Klassifikation als Spezialfall (z.B. playTennis, Mitchell, 1997) Präferenz-Bias: Weniger Fallunterscheidungen, spezifischere Patterns, weniger rekursive Aufrufe U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 37 / 46 odd/even mult/add allodds — × 8.1⊥ — ⊙ — 214.87 × 0.1⊥ 0.016⊥ ⊙ × multlast shiftr weave reverse 78.0 80.0 18.81 — 134.24⊥ 448.55⊥ — 0.4⊥ < 0.1⊥ — 0.66⊥ 0.298 0.103 0.200 0.127 0.08 ⊙ 157.32 member 70.0 × × 0.714 0.105 0.01 lasts A DATE F LIP F FOIL G OLEM I GOR II M AG H. last isort Empirische Ergebnisse A DATE 822.0 0.2 2.0 — 4.3 F LIP × 0.020 17.868 0.130 448.90⊥ F FOIL 0.7⊥ 0.1 0.1⊥ < 0.1⊥ < 0.1 G OLEM 1.062 < 0.001 0.033 — < 0.001 I GOR II 5.695 0.007 0.152 0.019 0.023 M AG H. 19.43 0.01 ⊙ — 0.30 — not tested × stack overflow ⊙ timeout ⊥ wrong all runtimes in seconds U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 38 / 46 Igor2 als Cognitive Rule Acquisition Device Analytische induktive Programmierung bietet einen allgemeinen Mechanismus um generalisierte Regelmengen aus Beispielen für ein gewünschtes Verhalten zu extrahieren Typische Bereiche, in denen aus positiven Beispielen gelernt wird I I I Semantische Relationen (Ist-Ein, Vorfahr) Sprache (regelmäßige Beugungen, grammatische Strukturen) Problemlösen (Turm von Hanoi) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 39 / 46 Beispiel: Blockswelt Ziel: Baue einen Turm aus Blöcken in einer gegebenen Reihenfolge Gegeben: beliebiger Anfangszustand, beliebig viele Blöcke Strategie: Räume denjenigen Block frei, der ganz unten liegen soll und stelle ihn auf den Tisch, stelle dann immer den nächst-benötigten Block auf den Teilturm und sorge dafür, dass dieser Block frei ist. (Nicht-optimale Strategie: Lege erst alle Blöcke auf den Tisch und baue dann den Turm mit gewünschter Reihenfolge der Blöcke auf.) Tower (9 examples of towers with up to four blocks, 1.2 sec) (10 corresponding examples for Clear and IsTower as BK) Tower(O, S) = S if IsTower(O, S) Tower(O, S) = put(O, Sub1(O, S), Clear(O, Clear(Sub1(O, S), Tower(Sub1(O, S), S)))) if not(IsTower(O, S)) Sub1(s(O), S) = O . U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 40 / 46 Lernen aus Problemlöseerfahrung Generierung von optimalen Plänen für kleine Probleme, z.B. mit einem PDDL-Planer: I I I Tower: Türme mit bis zu vier Blöcken Turm von Hanoi: ein bis drei Scheiben Rocket: ein bis drei Kisten Igor2 liefert generalisierte Problemlösestrategie Ergebnis: Problemlösen durch Suche wird unnötig Plötzliches Gefühl, ein Problem verstanden zu haben (Aha-Effekt): Regularitäten wurden zu einem (Problemlöse-) Schema generalisiert (Schmid, Wysotzki, AIPS 2000; Schmid et al., AGI 2009; Schmid & Kitzelmann, CSR 2012) U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 41 / 46 Beispielanwendungen Tower, Hanoi, Car Parking, Phrase-Structure Grammar, isa (Schmid & Kitzelmann, 2012, CSR) Lernen von odd/even durch einen simulierten Agenten in einer Kreiswelt“(mit Mark Wernsdorfer) ” Induktion von Zahlenreihen (mit Jacqueline Hofmann, Jose Hernandez-Orello) Ragni & Klein, KI’11 Examples (ANN) By ANN and Igor: 7,10,9,12,11 f (n − 1) + 3, f (n − 1) − 1 By Igor but not by ANN: 3,7,15,31,63 2 ∗ f (n − 1) + 1 By ANN but not by Igor: 6,9,18,21,42 f (n − 1) + 3, f (n − 1) ∗ 2 Not by ANN and not by Igor: 2,5,9,19,37 f (n − 1) ∗ 2 + 1, f (n − 1) ∗ 2 − 1 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 42 / 46 Zusammenfassung Kognitive Systeme sind der Teilbereich der KI Forschung, bei dem Algorithmen entwickelt und angewendet werden, die auf Prinzipien der menschlichen Informationsverarbeitung beruhen Solche Prinzipien können helfen, dass I I I in Bereichen, für die kein allgemeiner Lösungsansatz bekannt ist, neue algorithmische Ideen zur Anwendung kommen können interaktive Systeme in komplexen Bereichen besser auf die Bedürfnisse der Menschen angepasst sind die Theoriebildung im Bereich Kognitionswissenschaft präzisiert wird Kognitive Systeme arbeiten auf der Wissensebene Lernen sollte nicht nur auf vorgegebenen Wissenstrukturen stattfinden, sondern den expliziten Aufbau neuer Wissensstrukturen unterstützen Hierzu sind symbolische Ansätze des maschinellen Lernens geeignet Ein Ansatz für das Lernen produktiver Regelmengen in verschiedenen Anwendungsbereichen ist Igor2 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 43 / 46 U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 44 / 46 GI Fachbereich KI Fachgruppe Kognition http://imodspace.iig.uni-freiburg.de/FachgruppeKognition/ KI Zeitschrift 3/15: ST Higher-Level Cognition and Computation U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 45 / 46 Zum Weiterlesen Journals I I Cognitive Systems Research Advances in Cognitive Systems Tagungen I I I Advances in Cognitive Systems (ACS) Artificial General Intelligence (AGI) International Conference on Cognitive Modeling (ICCM) Typische Vertreter: In Deutschland I I I I I Osnabrück: Kai-Uwe Kühnberger, Tarek Besold Freiburg: Marco Ragni Bremen: Christian Freksa Bamberg: Ute Schmid (Studiengänge in Ulm, Potsdam) International I John Laird, Ken Forbus, Ron Sun, Pat Langley, Paul Rosenbloom, Selmer Bringsjord, Nick Cassimatis U. Schmid (Uni BA) Kognitive Systeme GI 15/4/15 46 / 46