M- und E-CaD Handin Hand
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M- und E-CaD Handin Hand
Mechatronische Produktstrukturen und -stücklisten sorgen für Transparenz in der Entwicklung mechatronischer Produkte. Bild: ProCAD D i e V e r k n ü p f u n g d e r D i s z i p l i n e n i m PLM M- und E-CAD Hand in Hand Durch eine bessere Abstimmung der Arbeiten in der Mechanik-Konstruktion mit der Elektro- und Elektronik-Entwicklung lassen sich teure und zeitaufwändige Korrekturen vermeiden. PLM-Lösungen sind ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Von Stefan Kühner D er aktuelle Softwarestand auf dem richtigen EPROM muss samt korrekter Platine im passenden Gehäuse stecken, damit das entwickelte Gerät funktioniert. 80 Prozent der Entwicklungsingenieure sind jedoch mit den Schnittstellen zwischen den Systemen der Mechanik-Konstruktion (M-CAD) und der Elektro-Entwicklung (ECAD) unzufrieden, so das Ergebnis einer aktuellen VDMA-Umfrage. Überraschend, sind doch Maschinen in der Investitionsgüterindustrie, Fahrzeuge, aber auch Gebrauchsgegenstände heute in aller Regel mechatronische Produkte. Das heißt, sie beinhalten mechanische Baugruppen, elektrische Komponenten und häufig auch elektronische Bausteine und Software. In zahlreichen Maschinen und Anlagen kommen noch Hydraulik und Pneumatik hinzu. Die mechatronischen Systeme sind dadurch komplex und funktionieren nur dann fehlerfrei, wenn alle Einzelaspekte exakt aufeinander abgestimmt sind. PLM als Integrationswerkzeug Mechatronische Systeme zu entwickeln, zu fertigen und zu warten, erfordert zuallererst Digital Engineering Magazin 01-2014 die Zusammenführung von Daten und Dokumenten aus allen beteiligten Abteilungen und Disziplinen. Die Kooperation ist allerdings alles andere als einfach. An den Schnittstellen zwischen M-CAD und E-CAD läuft vieles noch von Hand. Einbaudaten, Kabellängen, Steckerbelegungen und vieles mehr werden mit Hilfe von Excel-Tabellen oder per E-Mail zwischen den Entwicklungsingenieuren ausgetauscht. Die Nachvollziehbarkeit der Abstimmung bleibt dabei allzu oft auf der Strecke. Die Entwicklungsingenieure selbst und vor allem die Unternehmen wünschen sich deshalb mehr Transparenz und Zuverlässigkeit. PLM verbindet M- und E-CAD mit ERP PLM-Lösungen leisten einen wichtigen Beitrag, fehlende Direktschnittstellen zu überbrücken. Sie synchronisieren die Arbeit in den einzelnen Disziplinen. Zusätzlich generieren sie durch die Integration verschiedener CAD-Entwicklungssysteme ganzheitliche Stücklisten und übergeben diese dann an ein ERP-System. So werden nicht nur die Entwicklungsabteilungen untereinander, sondern auch Entwicklung, Einkauf, Fertigung und Instandhaltung miteinander verbunden. Ein genereller Vorteil von PLM-Lösungen besteht darin, dass unabhängig von Ort und Zeitpunkt alle Produktunterlagen über dieselbe Bedienoberfläche bereitstehen. Voraussetzung ist jedoch, dass die PLMLösung sowohl über Integrationen zu 3DCAD-Systemen als auch über Schnittstellen zur EDA- und CAE-Applikationen verfügt. Benötigt werden also PLM-Lösungen, die Multi-CAD-fähig sind. Dann können Mechanik-Konstrukteure bei der Gehäuse-Konstruktion auf die Layoutpläne aus der Elektronik-Entwicklung zugreifen, und umgekehrt kennen die Elektroniker die Abmaße und Bohrstellen im Gehäuse, in die eine Platine eingesetzt werden soll. Die gegenseitige Transparenz sollte bereits vom ersten Tag der Entwicklungsarbeiten an vorhanden sein, vor allem, wenn die Arbeitsgruppen auch räumlich voneinander entfernt sind. Jederzeit gültige Daten Zu den wichtigsten Dokumenten in der Produktentwicklung gehören die Spezifikationen beziehungsweise Systemkonzepte einer Maschine oder Anlage. PLM-Systeme stellen sicher, dass alle Entwickler jederzeit auf die gültigen Spezifikationen, Funktions- 066 | Product Lifecycle Management | Multidisziplinäre Produktentwicklung durch den Einsatz von PLM-Lösungen die Zahl der Abstimmungsiterationen zwischen Mechanik und Elektrotechnik beziehungsweise Elektronik-Entwicklung um zirka 10 Prozent reduziert werden kann. Synchronisierung der Änderung an einem mechatronischen Produkt durch eine PLM-Lösung. Nach der Freigabe der Mechanik- und der Elektronik-Änderung wechselt der Status des Produkts in „in Prüfung“. Erst nach Prüfung der GesamtfunkBild: ProCAD tion kann das Produkt freigegeben werden. modelle, Lasten- und Pflichtenhefte zurückgreifen können. Diese Gesamtsicht auf Dokumente ist nicht nur Basis der Entwicklung. Sie ist auch erforderlich für die Abnahme gegenüber den Vorgaben sowie für die Dokumentation des Produkts. Dieser gegenseitige Zugriff auf Unterlagen ist die Minimalbasis für die Mecha tronik-Entwicklung. Er ist allerdings nur ein erster Schritt. Eine weitergehende Verbesserung von Entwicklungsprozessen im Mechatronik-Umfeld erfordert gemeinsame CAD-Modelle. Hier sind vor allem die Anbieter von CAD-Lösungen aus den verschiedenen Disziplinen gefordert. Es gilt, einfache und standardisierte Schnittstellen bereitzustellen, so dass die Abmaße von Platinen mit wenigen Klicks als Modell in ein Mechanik-CAD übernommen werden können. Umgekehrt müssen Einbauumgebungen und Bohrmaße zum Armortisations-Potential der M-CAD-/ E-CAD-Integration Arbeitsaufwand: Mechanik 2 Tage à 8 Stunden Arbeitsaufwand: Elektronik 2 Tage à 8 Stunden Kalkulatorischer Stundensatz: 50 Euro Kosten einer Änderung: 1.600 Euro Kostenvermeidung bei 10 Vorfällen 16.000 Euro 20 Vorfällen 32.000 Euro 50 Vorfällen 80.000 Euro Bereits kleine Änderungen an einem Mechatronik-Produkt erfordern kostenspielige Anpassungen und Dokumentation in der MeQuelle: ProCAD chanik- und Elektro-Konstruktion. Digital Engineering Magazin 01-2014 Einbau einer Platine für das E-CAD-System abrufbar sein. In der Praxis behelfen sich Entwicklungsingenieure heute bereits mit Formaten wie XML und STEP. Wissen, wer was wann ändert Ein besonders kritischer Pfad sind Änderungen an mechatronischen Produkten. Der Einsatz der Workflow- oder Prozessmanagement-Tools in PLM-Lösungen sorgt für die Synchronisation der Arbeitsgruppen und schafft Transparenz bei Änderungen und Versionsständen. Wird im Lokomotivenbau beispielsweise an einem Mechanikteil, in das sowohl elektrische als auch elektronische Bauelemente und Softwarestände eingebunden sind, eine Änderung ausgelöst, so werden alle Arbeitsgruppen automatisch über E-Mail informiert. Die Freigabe der neuen Version der mechatronischen Baugruppe erfordert nicht nur die Versionsfreigabe aus der Mechanik, sondern zusätzliche Freigaben der Elektro- beziehungsweise Elektronik-Entwicklung. Erst wenn diese Freigaben vorliegen, geht die Komponente in den Status, der die Prüfung und Freigabe der gesamten Komponente erlaubt. Am Ende eines Änderungsvorgangs steht somit wiederum ein Vierer-Gespann aus den Versionsständen von Mechanik, Elektrotechnik, Elek tronik und Software. Dieses Gespann ist der Nachweis, welche Versionsstände zusammengehören. Der Nutzen einer guten Abstimmung von M- und E-CAD-Konstruktionen in Bezug auf Zeit und Kosten ist hoch. (Tabelle 2) In verschiedenen Publikationen hat Prof. Dr. Michael Abramovici von der Ruhr-Universität Bochum darauf hingewiesen, dass Mechatronik auch in Fertigung, Einkauf und Instandhaltung Der Ruf nach Zusammenführung der Daten kommt auch aus der Fertigungsplanung, dem Einkauf und der Instandhaltung. Verlangt wird die mechatronische Stückliste. Darunter versteht man Stücklisten, in denen mechanische Teile und Baugruppen, elektrotechnische Teile und auch IC-Bausteine beziehungsweise EPROM einschließlich der auf ihnen aufgespielten Software zusammenfließen. Mechatronische Stücklisten repräsentieren damit die reale Produktstruktur und listen auf jeder Baugruppenebene jeweils die Teile aus Mechanik, Elektrotechnik, Elektronik sowie die Software, die in das jeweilige Bauteil gehören. Es gibt somit nur noch eine einzige Schnittstelle zwischen M- und E-CAD-Systemen zum ERP-System. Die mechatronische Stückliste schafft darüber hinaus Transparenz darin, welche Komponente wie oft in einem Produkt vorkommt. Für die Beschaffung ist es irrelevant, ob ein Elektroantrieb in der M-Stückliste oder der E-Stückliste eingetragen werden muss. Er steht jetzt in der gemeinsamen Stückliste und dort an der richtigen Stelle. Fehler, bei denen dieser Elektroantrieb doppelt oder gar nicht bestellt wurde, gehören der Vergangenheit an. Im Sondermaschinenbau werden diese Stücklisten als „wachsende Stücklisten“ zum Einsatz kommen. Ein neues Denken Um die Komplexität der Entwicklung und Pflege mechatronischer Produkte zu beherrschen, reichen bessere Schnittstellen und eine gute Infrastruktur auf der IT-Ebene alleine nicht aus: Gefordert ist ein Umdenken von den einzelnen Entwicklungsgruppen und ein hohes Maß an Disziplin bei der Ablage ihrer Unterlagen. Alle Beteiligten müssen Daten und Dokumente konsequent in der PLM-Lösung speichern. Nur so können sie von anderen genutzt werden. Und nur so lassen sich Arbeitsabläufe durchgängig synchronisieren und dojbi | kumentieren. Dipl.-Inform. Stefan Kühner arbeitet im Marketing und Produktmanagement bei ProCAD in Karlsruhe.