Dauernd Kopfschmerzen – Was steckt dahinter?
Transcrição
Dauernd Kopfschmerzen – Was steckt dahinter?
Seite 1 von 6 I n f o r m a t i o n s m a t e r i a l v o m 2 1 . 1 1 . 2 0 1 3 Dauernd Kopfschmerzen – Was steckt dahinter? Millionen Deutsche plagen sich täglich mit Kopfschmerzen. Sie können zwar sehr schmerzhaft aber harmlos oder Zeichen einer ernsten Erkrankung sein. Von chronischen Kopfschmerzen spricht man erst, wenn die Beschwerden im Durchschnitt innerhalb eines Vierteljahres an mehr als 15 Tagen im Monat und für mindestens vier Stunden täglich bestehen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz! Es gibt mehr als 200 verschiedene Arten dieses Beschwerdebildes. Doch etwa 90 Prozent der Betroffenen leiden entweder unter dem sogenannten Spannungskopfschmerz, dem selteneren Clusterkopfschmerz oder unter Migräne. Aber was macht hier den Unterschied aus? Spannungskopfschmerz kann nur eine halbe Stunde anhalten, aber auch bis zu einer Woche andauern. Er fühlt sich dumpf an und baut sich allmählich auf. Die Betroffenen haben das Gefühl, mit dem Kopf in einem Schraubstock zu stecken oder einen viel zu engen Helm zu tragen. Clusterkopfschmerz hingegen ist eher eine zeitlich begrenzte Schmerzattacke von maximal drei Stunden. Er tritt plötzlich mit sehr hoher Intensität auf, ist auf eine Kopfseite beschränkt und wird von Patienten oft mit spitzen Messerstichen verglichen. Typischerweise liegt das Schmerzzentrum hinter einem Auge. Bei Migräne kommt neben bis zu zwei Tagen anhaltendem mitunter heftigem Kopfschmerz noch eine Reihe von Begleitsymptomen dazu. Die Betroffenen können sehr lichtempfindlich sein, starke Übelkeit empfinden, unter Sehstörungen, Schwindel und vielem mehr leiden. Neben diesen sogenannten primären Kopfschmerzen gibt es noch eine Vielzahl von Kopfschmerzen, die durch Erkrankungen oder Verletzungen ausgelöst werden. Häufig gehen Infekte, Durchblutungsstörungen, aber auch Probleme mit der Halswirbelsäule mit Kopfschmerzen einher. Ein Hirntumor oder ein drohender Schlaganfall können ebenfalls mit Kopfschmerzen einhergehen. Sonderform Medikamentenkopfschmerz Unter dieser Form erkranken besonders Menschen, die an Spannungskopfschmerzen oder Migräne leiden. Wegen ihrer zum Teil mehrere Tage andauernden Beschwerden nehmen sie täglich mehrere Schmerztabletten. Das Übermaß an diesen Arzneien hat eine folgenschwere Nebenwirkung. Die Medikamente verursachen selbst Kopfschmerzen! In der Folge werden weiterhin Tabletten, quasi ohne einen Tag Pause, eingenommen. An die Stelle der Ausgangsbeschwerden tritt nun der Medikamentenkopfschmerz. Er fühlt sich ähnlich wie Spannungskopfschmerz an. Im Unterschied dazu gibt es jedoch kaum noch beschwerdefreie Tage. Ein Teufelskreis aus dem die meisten nur mit absolutem Tablettenentzug wieder hinaus finden. Viele Menschen schaffen den Weg aus diesem Teufelskreis nur in der Klinik. Eine Sonderform stellt der Kopfschmerz als direkte Nebenwirkung von anderen Wirkstoffen dar, die nicht in die Palette der Schmerzmittel gehören. Unter den Medikamenten spielen besonders Nitrate, Calciumantagonisten, Amiodaron, Lithium und Steroidhormone eine wichtige Rolle. 1 Seite 2 von 6 Der Fall Uwe S. Ganz plötzlich, quasi aus dem Nichts, bekommt er Kopfschmerzen. So heftig hatte Uwe S. diese noch nie erlebt. Weil nichts hilft und Wochenende ist, schleppt er sich zum Notarzt. Der verschreibt jedoch erst einmal Schmerztabletten und schickt ihn nach Hause. Doch der Schmerz ist kaum zu unterdrücken. Drei Tage später stellt sich Herr S. erneut in einem Notfallzentrum vor. Wieder kann man ihm hier nur eine Schmerzbehandlung anbieten. Den Patienten beschleichen Zweifel. Deshalb lässt er sich nach einer Woche Dauerschmerz in die neurologische Klinik in Weimar überweisen. Dort hat der behandelnde Neurologe bald einen Verdacht: Donnerschlagkopfschmerz! Dieses sekundenschnelle Einschießen von Schmerzen in den Kopf heißt nichts Gutes. Liegt hier eine akute Hirnblutung vor? Hat der Patient ein ausgebeultes Hirngefäß, ein Aneurysma, das undicht ist? Der Verdacht ruft eine spezielle Diagnostik auf den Plan. Der Patient wird mit Ultraschall und Compu- tertomographie untersucht. Doch nichts bestätigt die Vermutung. Für die Ärzte kein Grund zur Entwarnung. Es könnte daran liegen, dass schon zu viel Zeit vergangen ist und sich das Blut so verteilt hat und verdünnt ist, dass es mit der Tomographie nicht mehr sichtbar ist. Die Neurologen untersuchen das Nervenwasser von Uwe S. Darin lässt sich Blut nachweisen. Also ist doch ein Gefäß undicht. Es ist Gefahr in Verzug. Der Mann aus Weimar muss unters Messer. Die Operation zeigt, die Hirnblutung ist zwar zum Stillstand gekommen, doch unbehandelt droht ihm schon bald die nächste. Eines seiner Hirngefäße war „ausgeleiert“. Es hatte sich eine Aussackung, ein Aneurysma, gebildet. Die gedehnten Wände der Beule drohten jederzeit erneut aufzuplatzen. Das ausströmende Blut hätte das Gehirn lebensgefährlich schädigen können. Während des Eingriffs wird das Aneurysma sofort abgedichtet. Das ist Uwe S. Rettung. Sein Kopfschmerz war für ihn ein Warnzeichen, was letztlich sein Leben gerettet hat. Warnzeichen Donnerschlagkopfschmerz Wenn der Schmerz ganz plötzlich und zum ersten Mal regelrecht wie ein Donner in den Kopf einschlägt, dann ist Vorsicht geboten. Der sogenannte Donnerschlagkopfschmerz sollte sofort abgeklärt werden. Möglicherweise ist er die Folge einer Hirnblutung oder eines Schlaganfalls. Weitere Ursachen könnten Verschlüsse von Hirnvenen, stark erhöhter Blutdruck oder eine Hirnhautentzündung sein. Wichtigster Anhaltspunkt ist der schlagartige, explosionsartige Beginn und die meist heftigen Schmerzen. Kommen Begleitsymptome wie plötzliches Schwitzen und Herzklopfen dazu, deutet dies ebenfalls auf ein Hirnproblem hin. Wann mit Kopfschmerzen zum Arzt? Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) gibt zusammen mit anderen Fachgesellschaften hierzu folgenden Rat: Wenn… Kopfschmerzen an mehr als zehn Tagen pro Monat auftreten. Kopfschmerzen mit weiteren Symptomen wie Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen oder starkem Schwindel einhergehen. Kopfschmerzen mit psychischen Veränderungen wie Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder Störungen der Orientierung zu Zeit, Ort und Person einhergehen. Kopfschmerzen erstmals im Alter von über 40 Jahren auftreten Kopfschmerzen in ihrer Intensität, Dauer und/oder Lokalisation unüblich sind. Kopfschmerzen erstmals während oder nach körperlicher Anstrengung auftreten und/oder sehr stark sind und in den Nacken ausstrahlen. Kopfschmerzen von hohem Fieber begleitet sind. Kopfschmerzen nach einer Kopfverletzung, zum Beispiel einem Sturz auftreten. Kopfschmerzen trotz Behandlung an Häufigkeit, Stärke und Dauer zunehmen. Kopfschmerzen zusammen mit einem epileptischen Anfall und Bewusstlosigkeit auftreten. Kopfschmerzen nicht mehr auf die 2 Seite 3 von 6 bisher wirksamen Medikamente ansprechen. Hilfe bei Spannungskopfschmerz Sind andere Krankheiten als Auslöser ausgeschlossen, können die Beschwerden in der akuten Phase bei Bedarf mit Schmerzmitteln (ASS, Ibuprofen oder Paracetamol) behandelt werden. Allerdings sollte die Einnahme zehn Tage pro Monat nicht überschreiten, da sich sonst ein Medikamentenkopfschmerz ausbilden kann. Um Schmerzphasen besser zu überstehen und neuen zugleich vorzubeugen, haben sich begleitende Maßnahmen wie Entspannungsmethoden, Biofeedbackverfahren und Verhaltenstherapie bewährt. Auch das Vermeiden von auslösenden und verstärkenden Faktoren wie Stress und muskulärer Fehlbelastung (Verspannung) lohnt sich. Ausdauertraining wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren aktiviert den Körper zusätzlich und wirkt Kopfschmerzen entgegen. Mit Muskelkontrolle gegen Kopfweh Die sogenannte Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen hilft vielen Patienten mit chronischen Kopfschmerzen. Man kann das Verfahren in Kursen zum Beispiel von Krankenkassen, an Volkshochschulen oder bei speziell geschulten Therapeuten erlernen. Bei der Progressiven Muskelentspannung, kurz PMR, handelt es sich um eine Methode, bei der durch bewusste An- und Entspannung bestimmter Muskeln und Muskelgruppen ein Zustand tiefer Entspannung erzeugt werden soll. Dazu werden in einer ganz bestimmten Reihenfolge Muskelpartien angespannt. Nach einem kurzen Halten richten sich alle Gedanken auf das Lockerlassen der Muskeln. Effekt ist das Bewusstmachen der eigenen unbemerkten Körperspannung und eine Absenkung derselben unter Normalniveau. Die Betroffenen lernen zudem, das Herabsenken der Anspannung gezielt selbst herbeizuführen und so Druck abzubauen. Geld sparen bei Kopfschmerztabletten Schmerzmittel sind der häufigste Grund für den Gang in die Apotheke. In anderen Ländern gibt es solche Medikamente auch in Drogerien, hierzulande sind sie apothekenpflichtig. Woran viele nicht denken – bei Schmerzmitteln gibt es eine gewaltige Preisspanne zwischen Markenprodukten und Nachahmerpräparaten (Generika). Beispiel – Aspirin. Wirkstoff: Acetylsalicylsäure, kurz ASS. Das Mittel hilft gegen Schmerzen, Entzündungen und Fieber. Doch neben dem Original gibt es viele weiterer Präparate mit dem gleichen Wirkstoff. Und die sind deutlich billiger. 20 Tabletten Aspirin kosten, je nach Apotheke, etwa 5,47 Euro. 20 Tabletten ASS vom Hersteller 1APharma kosten 2,00 Euro. Gleicher Wirkstoff, gleiche Menge, Preis jedoch – weniger als die Hälfte. Warum kaufen viele dennoch das teurere Produkt? Dr. Lisa Goltz von der unabhängigen Arzneimittelberatung weiß aus vielen Patientengesprächen: „Das hat oft mit der Gewohnheit zu tun. Außerdem wagen viele keine Experimente, wenn sie mit einem Präparat einmal gute Erfahrungen gemacht haben.“ Ein anderer Wirkstoff in Schmerzmitteln –Paracetamol. Stillt Schmerzen, senkt Fieber, hilft aber weniger bei Entzündungen. Beim Hersteller ratiopharm kosten 20 Tabletten 2,30 Euro. Gleicher Wirkstoff, gleiche Menge – Paracetamol 500 von 1a Pharma kostet nur 1,34 Euro. Immerhin knapp ein Euro weniger. Aber sind die billigen Pillen wirklich wirksam? Dr. Lisa Goltz erklärt: „Sie sind prinzipiell gleichwertig, denn das ist die Voraussetzung für die Zulassung. Dadurch, dass der Wirkstoff eben im gleichen Zeitrahmen und im gleichen Ausmaß im Körper ankommt, muss man davon ausgehen, dass auch die Wirksamkeit die gleiche ist.“ Noch ein Beispiel – der Wirkstoff Ibuprofen. Oft besser verträglich als ASS, wirkt auch gegen Entzündungen. Das Markenprodukt Dolormin Migräne, 20 Tabletten, kostet 9,97 Euro. Ibuprofen von Ibu beta dagegen nur 3,95 Euro, sage und schreibe sechs Euro weniger. Viel Sparpotential, aber sollte wirklich immer der Preis entscheiden? „Wenn man gute Erfahrungen mit einem Arzneimittel gemacht hat und gern dabei bleiben möchte, spricht natürlich überhaupt nichts dagegen. Es spricht aber andersrum auch nichts dagegen, ein günstigeres Arzneimittel auszuprobieren, wenn man keine Vorbehalte dagegen hat“, rät Dr. Lisa Goltz. Eine gute Apotheke wird in jedem Fall auch eine preiswerte Alternative empfehlen. Ansonsten – fragen lohnt sich. Billiger geht fast immer. 3 Seite 4 von 6 Hilfe bei Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz ist zwar nicht heilbar, kann aber in den meisten Fällen medikamentös behandelt werden. Normale Kopfschmerzmittel wirken bei ihm kaum. Die Behandlung gehört in die Hand von Neurologen. Sie haben ein Spektrum an Wirkstoffen zur Verfügung, was fein auf Patient und Beschwerden abgestimmt werden kann. Auch eine dazu parallel verlaufende psychosoziale Therapie hilft vielen Patienten wieder Freude am Alltag zu finden und sich von der Angst vor den Attacken nicht einschüchtern zu lassen. Behandlung von Migräne Der Begriff Migräne stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „halber Schädel“. Zehn Prozent unserer Bevölkerung, zumeist Frauen, leiden an dieser neurologischen Erkrankung. Die anfallsartigen starken und zumeist einseitigen Kopfschmerzen gehen häufig einher mit Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Bei etwa 15-20 Prozent der Migränepatienten bildet sich neben der Attacke eine sogenannte Aura aus. Sie zeigt sich durch Einschränkungen und Veränderungen des Sehens und des Gesichtsfeldes sowie Störungen des Geruchssinns, des Gleichgewichts oder der Sprache. Migräne ist wie der Spannungskopfschmerz und der Clusterkopfschmerz eine primäre Kopfschmerzerkrankung. Das heißt, sie ist nicht die Folge anderer Erkrankungen wie Hirntumoren, -traumata oder -blutungen oder Entzündungen. Nach Empfehlung der Deutschen Migräneund KopfschmerzGesellschaft (DMKG) können zur Akutbehandlung der Migräne Schmerz- und Entzündungsprozesse hemmende Schmerzmittel wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen einerseits und andererseits spezifische Migränetherapeutika aus den Gruppen der Triptane (zum Beispiel Sumatriptan, Naratriptan und Eletriptan) eingesetzt werden. Wer häufig unter Migräne leidet, sollte Dosis und Menge der Medikamente von einem Arzt kontrollieren und optimieren lassen. Neben den Schmerzmitteln brauchen die Betroffenen Ruhe und Dunkelheit. Etwas Linderung kann auch die Einreibung mit Pfefferminzöl auf Stirn und Schläfen und Autogenes Training verschaffen. Wer häufigen Migräneattacken vorbeugen möchte, erzielt gute Effekte mit Progressiver Muskelentspannung, mit Biofeetback, autogenem Training, leichtem Ausdauersport, Akupunktur und dem Abbau von Übergewicht. Mit dem Arzt kann auch die Einnahme eines Antidepressivums (Amitriptylin) besprochen werden. Studien haben gezeigt, dass der Wirkstoff Migräne vorbeugt. Sex gegen Migräne Echte Migräne ist normalerweise ein Spaßverderber. Wissenschaftler der Universität Münster wollten jedoch herausfinden, ob Kopfschmerz vielleicht sogar durch Sex gelindert werden kann. In einer Studie untersuchten sie Sexgewohnheiten von rund 800 Migränepatienten. Danach lassen sich die Lust an der Lust erstaunlich viele nicht durch ihre Kopfschmerzen nehmen. Im Gegenteil: Sex zeigt sogar Wirkung. Der Neurologe Prof. Dr. Stefan Evers betreute die SexMigräne-Studie und sagt: „Über die Hälfte aller Migräne-Patienten hat Erfahrung mit sexueller Aktivität – während einer MigräneAttacke. Und davon haben über 70 Prozent eine Linderung bis hin zu einer deutlichen Besserung der Migräne erfahren.“ Die Forscher erklären sich die Wirkung so: „Während der sexuellen Aktivität werden starke Endorphine ausgeschüttet. Das sind bestimmte Opiate, opioidähnliche Substanzen, die anscheinend auf die Migräne Einfluss nehmen.“ Doch ist die häufigste aller Ausreden damit hinfällig? Prof. Dr. Stefan Evers: „Dieser Spruch ‚Ich hab’ Migräne und deshalb fällt Sex heute aus!’ ist damit nicht komplett widerlegt worden. Das heißt ja nicht, dass alle Patienten davon profitieren. Aber wenn du es willst, wenn du dich auf sexuelle Aktivität einlassen willst, tue das ruhig. Es gibt keinen Grund, es nicht bei Migräne zu tun.“ 4 Seite 5 von 6 Elektroden gegen Migräne Migränepatientin Ursel M. beschreibt ihr Leiden als „Hölle im Kopf“. Regelmäßig ist sie durch Migräneattacken tagelang außer Gefecht gesetzt. Der Schmerz bestimmt ihr Leben. Medikamente helfen nur bedingt und auch ihre Ärzte sind zuweilen ratlos. Einige Kliniken in Deutschland empfehlen in solchen schweren und ausbehandelten Fällen einen medizinischen Eingriff. Eingesetzt wird ein kleiner Impulsgeber, der aussieht wie ein herkömmlicher Herzschrittmacher. Ursel M. ließ ihn sich einsetzen. Das Gerät wird unter der Haut platziert. Von ihm gehen Kabel bis hoch zum Kopf. An ihren Enden befinden sich Elektroden, die am Hirnhauptnerv platziert werden. Das Gerät schickt von nun an konstant elektrische Impulse und stört so die Schmerzweiterleitung in diesen Nerven. Im Fall von Frau M. zeigt die experimentelle Methode die gewünschte Wirkung. Die Migräneattacken werden sozusagen elektrisch abgeschaltet. Nicht immer, aber doch so, dass es auszuhalten ist. Seitdem sie den Impulsgeber hat, ist ihr Leben endlich wieder unbeschwerter. Leider wirkt die Methode nicht bei allen Migränepatienten. Ihre Erfolgsquote liegt nur bei etwa 30 Prozent. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Die Serie „Herzenssache“ Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) steht im November im Mittelpunkt der „Herzwochen“ der Deutschen Herzstiftung. Aus diesem Anlass haben wir in unserer Reihe „Herzenssache“ führende Kliniken in Mitteldeutschland besucht und erkundet, wie Herzpatienten versorgt werden. Eine der Einrichtungen darunter ist das Herzzentrum in Leipzig. In einer kleinen Ambulanz leisten zwei Krankenschwestern dort fast Unglaubliches. Sie bieten im Anschluss an den Klinikaufenthalt individuelle und intensive Nachsorge via Telefon an. Mit diesem sogenannten Tele-Monitoring retten sie Leben. Es geht um eine Krankheit mit dem tückisch harmlosen Namen: Herzmuskelschwäche. Pia Hertel ist eine der Schwestern an der Herzinsuffizienz-Ambulanz Leipzig: „Die Krankheit betrifft viele ältere Patienten, aber wir haben auch ganz viele junge Patienten.“ Sie und ihre Kollegin Susann Wehle kennen sich aus mit dieser Krankheit, es ist ihr Spezialgebiet. Sie rufen die Patienten kontinuierlich zu Hause an. Nach einem fest vorgegebenen Rhythmus. Susann Wehle erklärt, wie es funktioniert: „Die Patienten werden zuerst von uns geschult. Wenn Sie hier in der Klinik die Diagnose Herzmuskelschwäche bekommen, wissen sie anfangs damit nichts anzufangen. Wir versuchen sie durch die Gespräche aufzuklären, was diese Krankheit für sie persönlich bedeutet und wie sie ihr Leben damit bewältigen.“ Zum Programm gehören die regelmäßigen telefonischen Fragen nach dem aktuellen Gesundheitszustand und nach der Einnahme der Herztabletten. Zusätzlich werden vierteljährlich alle 370 Pati- enten, die zurzeit im Programm sind, einbestellt. Blutdruck, EKG, Bauchumfang und Gewicht werden ermittelt und protokolliert. Die Werte werden einzeln und im zeitlichen Verlauf ausgewertet. So ergibt sich ein genaues Bild über den Verlauf der Krankheit. Das Ergebnis eines sechsminütigen GehTests gehört auch dazu. Damit soll die körperliche Belastbarkeit der Herzkranken ermittelt werden. Durch die enge Beobachtung des Gesundheitszustandes kann für jeden einzelnen individuell die optimale Medikamentenkombination und Dosis ermittelt werden. Durch ihre spezielle Ausbildung können Susann Wehle und Pia Hertel in Absprache mit ihrem Oberarzt Empfehlungen an die Hausärzte geben. Medikamente und Betreuung, zusammen eine hochwirksame Kombination, sagt Pia Hertel: „Für den Patienten lohnt es sich sehr, weil durch unsere Betreuung die Leistungsfähigkeit und seine Lebensqualität verbessert wird. Er muss seltener ins Krankenhaus. Und wenn er ins Krankenhaus muss, ist die Liegezeit kürzer. Das ist erwiesen und das Langzeitüberleben wird auch verbessert.“ Und zwar entscheidend. Eine Studie zeigte: Durch die Telebetreuung sank nach nur einem halben Jahr die Sterblichkeit um 43 Prozent! Bei den 370 Patienten der HerzinsuffizienzAmbulanz wären das 159 gerettete Leben. 5 Seite 6 von 6 Glück auf Rezept Gibt es das, Glück auf Rezept? Einfach eine Pille schlucken, um Schweres leicht zu machen, Angst in Mut zu verwandeln, eine Portion Glück zu kriegen, wenn man sie gerade braucht? Der Psychiater und Psychotherapeut Prof. Dr. Ulrich Hegerl versteht den Wunsch nach einer Glückspille als zutiefst menschlich: „Die Sehnsucht ist da, allem Unangenehmen, den Bitternissen auszuweichen, die Sorgen irgendwie weg zu kriegen, die Schuldgefühle zu betäuben. Dieses Bedürfnis ist natürlich groß.“ Es gibt Menschen, die das genaue Gegenteil von Glück erleben. Depression. Keine Freude mehr, kein Schlaf, kein Appetit. Helfen hier Glückspillen? Tatsächlich gibt es Medikamente, die Antidepressiva, die hier wirken. Durch sie verspüren die Betroffenen wieder ein bisschen mehr Hoffnung, haben mehr Energie, der Appetit kommt zurück und sie erfreuen sich auch mal wieder an kleinen Dingen. Aber sind Antidepressiva Glückspillen? Patientin Christel R. kann davon erzählen. Sie arbeitet für das Bündnis gegen Depression, bereitet gerade eine Fotoausstellung vor. Vor 18 Jahren undenkbar. Sie war selbst betroffen. Antidepressiva retteten sie. Glücklich machten sie die Pillen nicht: „Also high wurde ich nicht. Das habe ich auch überhaupt nicht erwartet. Ich war froh, dass das Weinen aufhörte, dass ich einigermaßen stabil war. Aber ich war deswegen nicht fröhlicher oder glücklicher. Das kann ich überhaupt nicht sagen.“ Immer mal wird diskutiert, Medikamente wie Antidepressiva als Lifestyle-Drogen einzusetzen, um möglichst vielen Menschen auch leichte Ängste oder Schuldgefühle zu nehmen. Doch das funktioniert kaum, sagt Prof. Dr. Ulrich Hegerl: „Ein Gesunder, der Antidepressiva einnimmt, der hat keine Vorteile davon, der wird davon nicht glücklicher, sondern hat möglicherweise, wenn er Pech hat, nur Nebenwirkungen.“ Um das Glück zu zwingen, für mehr Leistung und sicheres Auftreten, setzen Menschen auch auf andere Pillen. Aufputschmittel, Beruhigungsmittel, Rauschmittel. Doch nach dem Kick geht es abwärts. Es droht Abhängigkeit. Manche Mittel müssen illegal beschafft werden. Glücklich macht das nicht. Im Reinen sein, in der Schwebe – Medikamente können das bisher höchstens unterstützen, aber nicht allein herstellen. „Es ist ein Irrweg zu glauben, mit Drogen und kurzfristigem Lustempfinden irgendetwas wie Glück, vor allem anhaltendes Glück, erleben zu können“, weiß Prof. Dr. Ulrich Hegerl. Glück auf Rezept – noch gibt es das nicht. Wir können die Chemie in unserem Kopf beeinflussen. Doch das ist kein Ersatz für Glück durch wirkliches Erleben. Dafür muss es andere Rezepte geben. Gäste im Studio Oberarzt Dr. Torsten Kraya, Neurologe, Universitätsklinikum Halle/Saale Josephine Reinshagen, Leitende Psychologin, Schmerzzentrum Klinikum St. Georg, Leipzig Buchtipp Wertvolle Tipps, wie Sie dank einfacher Hausmittel Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und Ihren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen können, finden Sie auch im neuen Hauptsache Gesund-Buch „Meine besten Hausmittel“. ISBN: 978-3-89883-272-4; 19,95 Euro Erhältlich im Buchhandel und im MDR-Shop. Anschrift/ Thema der nächsten Sendung MDR FERNSEHEN, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber „Hauptsache Gesund“ in 04360 Leipzig, Faxabruf: 01803/151534, Internet: www.mdr.de/hauptsache-gesund, E-Mail: [email protected] Thema der Sendung vom 28.11.2013: „Sanfte Therapien gegen Arthrose und Rückenschmerzen“ 6