Franziska Eggimann 15. Dezember Chiapas im November 2012

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Franziska Eggimann 15. Dezember Chiapas im November 2012
Franziska Eggimann
Chiapas im November 2012
Achteinhalb Jahre nach meinem längeren Einsatz in Mexico (Chiapas) bin ich erneut in die Region
gereist und habe die Gelegenheit wahrgenommen, in San Cristobal de Las Casas beim
Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas (FrayBa) vorbeizuschauen. Ich wollte wissen,
wie es heute um die allgemeine Menschenrechtslage in der Region steht, wie es den Dörfern geht,
wo ich 2004 als Beobachterin im Einsatz war und wie sich auch die Zahl der Beobachter entwickelt
hat über die Zeit. Es hat mich besonders gefreut Rosy Rodriguez, eine langjährige
Einsatzkoordinatorin des FrayBa, wieder zu treffen und mich mit ihr zu diesen Fragen auszutauschen.
Weiterhin gibt es dieselben Militärposten und gemäss FrayBa ist die Militärpräsenz etwa auf dem
gleichen Stand wie im Jahre 2004. Jedoch hat sich die Repression generell etwas verändert. Während
es früher eigentlich oft sehr klar war und die Übergriffe von Armee und Paramilitärs stattfanden, ist
es heute viel komplexer und undurchsichtiger geworden. Innerhalb von Dorfgemeinschaften ist es
immer schwieriger zu wissen und zu verstehen, wer zu wem gehört - politisch, ideologisch und
religiös. Viele Dorfgemeinschaften sind gespalten.
Zusätzlich ist das Thema der Immigration von Flüchtlingen aus Guatemala und anderen
Zentralamerikanischen Ländern wie etwa Honduras oder El Salvador sehr aktuell. Auf der Suche nach
einem besseren Leben und mehr Möglichkeiten, machen sich viele Leute auf via Mexiko in die USA.
Die Immigranten, darunter auch viele Jugendliche, sind auf ihrer Reise auch vielen Gefahren und
Gewalt ausgesetzt. Gerade auch an Grenzübergängen kommt es oft zu Übergriffen. Amnesty
International hat dazu einen interessanten Bericht publiziert “Invisible victims – Migrants on the
move in Mexico”. Gegen die wachsende Drogenmafia in Zentralamerika hat der neue Präsident Peña
Nieto bereits Pläne vorgeschlagen für eine starke Grenzpatrouille zwischen den offiziellen
Grenzübergängen Guatemala-Mexiko.
Ein anderes Thema sind die wirtschaftlichen Grossprojekte unter dem sogenannten Plan-PueblaPanama (PPP), die nun in der Umsetzungsphase sind und einen starken Einfluss auf die Region haben
und neues Konfliktpotential bringen. Vor allem im Zusammenhang mit den grossen
Infrastrukturprojekten, die zum Teil ohne Konsultation der lokalen indigenen Bevölkerung stattfinden
und somit das Recht auf ihre Mitsprache verletzen. POPAZ Chiapas – Schweiz hat dazu kürzlich eine
Broschüre veröffentlicht „Menschenrechtsverletzungen durch Megaprojekte in Südmexiko“.
Was mir auf der Reise besonders aufgefallen ist waren die neuen Weideflächen und neue
Palmölplantagen sowie der damit verbundene Rückgang der Waldflächen. Diese neuen Palmöl- und
Jatrophaplantagen tragen auch Potenzial für Konflikte in der näheren Zukunft, sollten sich die
schnellen und grossen Erträge für die Bevölkerung als leere Versprechen erweisen. Viele haben ihr
Land zur Verfügung gestellt um diese Palmen anzupflanzen, deren Öl hauptsächlich als Biotreibstoff
den Fluggesellschaften dient, die dadurch „grüner“ werden wollen. Zudem besteht die Gefahr, dass
diese als Monokulturen geführten Plantagen den Boden auslaugen und nach einigen Jahren in
unfruchtbares Land konvertieren. Die Mexikanische Regierung hat vor bis 2013 auf 200‘000 Hektaren
Land Biotreibstoff anzubauen. Dort wo diese Plantagen konkurrieren mit dem Anbau von Getreide
als Nahrungsmittel stellt sich auch die Frage der langfristigen Nahrungssicherheit, gerade auch für die
bereits hilfsbedürftige Bevölkerung in Chiapas zum Beispiel.
15. Dezember
Franziska Eggimann
Nuevo San Isidro, Montes Azules
Nuevo San Isidro war ein kleines Dorf im Biosphärenreservat Montes Azules 1, das bereits im Februar
2004 gefährdet war, vertrieben zu werden. Bereits einige Monate nach meinem Einsatz hat sich die
kleine Gemeinschaft (ca. 45 Leute) langsam angefangen zu spalten. Ein Teil der Dorfbewohner
näherte sich der Regierung an und nahm später ihr Angebot für eine neue Siedlung an. Während die
anderen Siedler weiterhin mit den Zapatisten sympathisierten. Auf Druck der Regierung mussten
aber auch sie ihr Urwalddorf bald verlassen und mit der Unterstützung der Zapatisten und dem
FrayBa konnten sie sich in Las Margaritas, in der Nähe des „Caracoles“ La Realidad, niederlassen. Die
Integration schien jedoch nicht ganz so einfach und einige Bewohner suchten ihr ursprüngliches Dorf,
Chavajeval, in den Bergen wieder auf und versuchten dort ihr Glück ein weiteres Mal. Es gab auch
einige Bewohner, die versuchten zurück in die Montes Azules zu gehen. Sie wurden jedoch ziemlich
schnell und gewaltsam aus dem Reservat vertrieben und landeten zum Teil für kurze Zeit im
Gefängnis. Bald wurden sie wieder frei gelassen unter der Bedingung, dass sie nie mehr in die
Montes Azules zurückkehren.
Acteal, Los Altos
Acteal hatte gerade einen traurigen Todesfall in der Gemeinschaft. Manuel Vázquez Luna, der als
einziger seiner Familie das Massaker vom 22. Dezember 1997 überlebte, ist gestorben. Das Dorf war
somit in Trauer, das Massaker bleibt weiterhin eine offene Wunde aber auch ein Zeichen für ihren
Kampf für Widerstand und Gerechtigkeit. Nicht zuletzt auch aus dem Grund, dass es weiterhin keine
Justiz gibt in diesem Fall, einige der involvierten Paramilitärs wurden 2009 ohne Verurteilung aus der
Haft entlassen. Gemäss Augenzeugenberichten, hat man diese bereits wieder in der Nähe des Dorfes
gesichtet. Dies trägt weiter zu Unruhe und Unsicherheit in der Gegend bei.
Los Chorros, Los Altos
In Los Chorros hat es heute keine Beobachter mehr, die Situation habe sich beruhigt. Auch die
Militärbasis vor Ort wurde aufgelöst.
Weniger Beobachter im FrayBa
Das FrayBa zählt deutlich weniger internationale Beobachter als noch im Jahre 2004. Pro Jahr sind es
noch ca. 300 Beobachter, wobei 2011 nur noch vier aus der Schweiz kamen (im Jahr 2004 waren es
noch 28). Dies gibt dem Zentrum die Möglichkeit sechs bis sieben Dorfgemeinschaften zu begleiten,
während es früher noch um die 30 Dörfer waren. Einer der Gründe für den Rückgang sieht das FrayBa
im Zusammenhang mit der schlechten wirtschaftlichen Lage in Europa und Amerika. Das FrayBa ist
weiterhin auf Beobachter angewiesen und hofft, auch im neuen Jahr wieder einige Teilnehmer aus
der Schweiz begrüssen zu dürfen.
1
Das Biospärenreservat Montes Azules zählt dank seiner umfangreichen Wasser-, Erdöl -, und Holzvorkommen
sowie dank seiner hohen biologischen Vielfalt zu einem der begehrtesten Gebieten der Region.
Unterschiedliche Interessen im Bereich des Naturschutzes, Tourismus, nationale Sicherheit, Natur- und
Bodenschätze, führen zu anhaltenden Konfliktsituationen. Diese Situation wird durch die zwangsweise
Umsiedlung von rund 35.000 im Biosphärenreservat lebenden indigenen Dörfern verschärft.
15. Dezember
Franziska Eggimann
Publikationen und Links
2012: PROPAZ Chiapas – Schweiz: Menschenrechtsverletzungen durch Megaprojekte in Südmexiko“
http://www.fastenopfer.ch/data/media/dokumente/entwicklungspolitik/friedensfoerderung/propaz_mr_verle
tzungen.pdf
2012: Chiapas - Survivor of Acteal massacre dies
http://sipazen.wordpress.com/2012/11/16/chiapas-survivor-of-acteal-massacre-dies/
2010: Jessica Davies - Growing Fuel Instead of Food: Agro-fuels in Chiapas
http://upsidedownworld.org/main/mexico-archives-79/2657-growing-fuel-instead-of-food-agro-fuels-inchiapas
2009: Survival International - The most inconvenient truth of all: climate change and indigenous
peoples
http://assets.survivalinternational.org/documents/132/survival_climate_change_report_english.pdf
2008: FAO – Right to Food and Biofuels
http://www.fao.org/righttofood/publi08/Right_to_Food_and_Biofuels.pdf
15. Dezember