Schmelz-Matrix-Proteine (Emdogain®) in der regenerativen
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Schmelz-Matrix-Proteine (Emdogain®) in der regenerativen
NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN Prof. Dr. Anton Sculean, M.S. Radboud University Nijmegen Medical Center Department of Periodontology SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE Schmelz-Matrix-Proteine (Emdogain®) in der regenerativen Parodontaltherapie P.O. Box 0101 Internal postal code 117 6500 HB Nijmegen Philip van Leydenlaan 25 The Netherlands Tel.: +31 24 361 63 71 Fax: +31 24 361 46 57 FOTO-CREDIT E-Mail: [email protected] Das Ziel regenerativer Parodontaltherapie ist die Wiederherstellung des verlorenen Zahnhalteapparates (d. h. die Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen). Ergebnisse aus der Grundlagenforschung haben auf die wichtige Rolle der Schmelz-Matrix-Proteine (Enamel-Matrix-Derivative, kurz EMD) in der parodontalen Wundheilung hingewiesen. Histologische Ergebnisse aus Tierversuchen und aus einigen humanen Fallberichten konnten zeigen, dass die Behandlung mit EMD die Neubildung des Zahnhalteapparates fördert. Des Weiteren konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass die Behandlung mit EMD die parodontale Wundheilung am Menschen positiv beeinflusst. Das Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit ist, basierend auf der vorhandenen Evidenz die klinischen Anwendungsbereiche für die Schmelz-Matrix-Proteine darzustellen. Abb. 10: Vier Jahre nach Therapie mit EMD zeigte die Re-entry eine fast komplette Defektauffüllung. 48 HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 Einleitung Ergebnisse aus der Grundlagenforschung haben die Bedeutung verschiedener Zementtypen für die Anheftung des Zahnes und damit auch für die reparativen Vorgänge im gesamten Parodont aufgezeigt. Das azelluläre Zement ist das wichtigste Gewebe für die Insertion der Kollagenfasern und spielt damit die größte Rolle für die Anheftung des Zahnes an die Alveole. Studien von Slavkin und Boyde und Slavkin haben gezeigt, dass Proteine, die während der Zahnentwicklung von der Hertwigschen Wurzelscheide sezerniert werden, eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des azellulären Wurzelzements spielen. Diese Proteine wurden als SchmelzMatrix-Proteine bekannt und werden zum größten Teil in der Schmelzmatrix angetroffen. Sie bestehen aus einer ganzen Familie von Proteinen, wobei 90 % aus Amelogenin und die restlichen 10 % aus prolinreichen Nichtamelogeninen, Tuftelin und anderen Serumproteinen bestehen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass die chemische Struktur der Amelogenine während der Evolution mehr oder weniger konstant geblieben ist und sogar zwischen den einzelnen Tierspezies nur geringe Unterschiede aufweist. In einer Serie von Tierexperimenten über die Wurzelentwicklung bei Ratten, Affen und Schweinen konnte immunohistologisch nachgewiesen werden, dass die Konzentration der Amelogenine während der Zahnentwicklung stark ansteigt. Außerdem besteht eine enge Verbindung zwischen azellulärem Zement und Amelogeninen. Diese Ergebnisse erhielt man auch bei der Untersuchung von Menschenzähnen, wobei in manchen histologischen Schnitten eine dünne Schicht von hochmineralisiertem Schmelz zwischen Dentin und Wurzelzement gesehen wurde. Diese Beobachtung lässt die Vermutung zu, dass die Auflagerung von Schmelz-Matrix auf die Dentinoberfläche vor der Entstehung von azellulärem Zement geschehen muss. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden in vivo mehrere Experimente am Tiermodell durchgeführt. So wurden in einem Experiment die seitlichen Schneidezähne zweier Affen extrahiert. Direkt nach der Extraktion wurde mesial und distal eine standardisierte Kavität in der Wurzeloberfläche geschaffen. Die Testkavitäten wurden dann mit einem Schmelz-Matrix-Extrakt aufgefüllt, während die Kontrollkavitäten unbehandelt blieben. Alle Zähne wurden in ihre ursprüngliche Alveole reimplantiert. Die histologische Untersuchung acht Wochen HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 nach der Reimplantation ergab, dass sich in den Defekten, in denen das Schmelz-Matrix-Extrakt appliziert wurde, ein azelluläres Zement entwickelt hat, während in den unbehandelten Kontrolldefekten nur ein reparatives, zelluläres Zement entstand. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurden die Schmelz-Matrix-Proteine (Enamel-MatrixDerivative, kurz EMD) aus den Zahnsäckchen nicht durchgebrochener Zähne von jungen Schweinen isoliert, purifiziert und lyophylisiert. Da Schmelz-Matrix-Proteine extrem hydrophob sind, wurden sie mittels eines Propylen Glykol Alginat (PGA) Trägers in lösliche Form gebracht und in der regenerativen Parodontaltherapie eingesetzt. Eine Technik oder ein Material muss folgende Evidenzkriterien erfüllen, um als „regenerationsfördernd“ eingestuft werden zu können: 1. In-vitro-Studien, die den Wirkungsmechanismus bestätigen 2. Kontrollierte histologische Tierstudien, die eine Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen aufweisen 3. Humane Biopsien, die eine Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen auf einer plaqueinfizierten Wurzeloberfläche nachweisen 4. Kontrollierte klinische Studien, die einen Gewinn von klinischem Attachment und eine radiologische Knochenneubildung nachweisen Im Folgenden wird eine Übersicht der vorhandenen Evidenz über die Anwendung von EMD gegeben. In-vitro-Untersuchungen Eine Reihe von In-vitro-Untersuchungen wurde durchgeführt, um mehr über den Wirkungsmechanismus der EMD auf die Desmodontal-, Gingival- und Knochenzellen zu erfahren. So wurden in einer Reihe von Laborversuchen die Migration, Anheftung, Proliferation, Biosynthese Aktivität und Bildung von mineralisierten Knötchen untersucht. Immunoassays wurden durchgeführt, um eventuell vorhandene Polypeptidfaktoren zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigten, dass: a) unter In-vitro-Bedingungen EMD die Proliferation von Desmodontalfibroblasten, nicht aber der Epithelzellen fördern, b) die Gesamtproteinsynthese der Desmodontalfibroblasten erhöhen und c) die Bildung von mineralisierten Knötchen durch Desmodontalfibroblasten fördern. Weiterhin konnten keine spezifischen Polypeptidfaktoren wie IGF-1,2; PDGF, TNNF, TGFβ, oder IL-1β identifiziert werden. In weiteren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Anheftungs-, Wachstumsund Stoffwechselrate von Desmodontalfibroblasten sich signifikant erhöhte, wenn EMD in Zellkulturen zugefügt wurden. Mit EMD behandelte Desmodontalfibroblasten zeigten eine erhöhte intrazelluläre cAMPKonzentration und autokrine Freisetzung von TGF-β1, IL-6 und PDGF AB, verglichen mit der Kontrolle (ohne Zusatzgabe von EMD). Obwohl die Epithelzellen auch eine erhöhte Freisetzung von cAMP und PDGF AB bei der Zusatzgabe von EMD zeigten, waren deren Proliferation und Wachstum inhibiert. Es wurde gefolgert, dass EMD das Wachstum von mesenchymalen Zellen fördern und gleichzeitig das der Epithelzellen inhibieren. Weiterhin fördern EMD die Freisetzung von autokrinen Wachstumsfaktoren aus den Desmodontalfibroblasten. Bei Gabe von EMD zeigten Desmodontalfibroblasten eine stark erhöhte Aktivität der alkalischen Phosphatase. In neuesten Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass EMD die mRNA-Synthese der Matrixproteine Versican, Byglycan und Decorin signifikant erhöhten und weiterhin zu einer erhöhten Hyaluronan-Synthese in den Gingival- und Desmodontalfibroblasten führten. Es ist allerdings hervorzuheben, dass in allen Studien die EMD eine viel stärkere Wirkung auf die Desmodontalfibroblasten als auf die Gingivafibroblasten ausübten. In einer experimentellen Untersuchung wurde gezeigt, dass rekombinat hergestelltes Amelogenin sich nicht zu Kollagen oder Heparin binden kann, wohl aber zu Hydroxylapatit. Diese hohe zelladhäsive Aktivität von Amelogenin könnte auch als Teilerklärung für den positiven Effekt von EMD auf die parodontale Wundheilung dienen. Weitere experimentelle Untersuchungen lieferten den Hinweis, dass die Applikation von EMD die Expression der mit Zementoblasten assoziierten Gene reguliert und dadurch den Mineralisationsprozess entscheidend beeinflussen kann. Kawase et al. untersuchten die Wirkung von EMD auf die Proliferation von oralen Epithelzellen (SCC25). Nach 3 Tagen Behandlung mit EMD wurde die Zellteilung verhindert und gleichzeitig der Zellzyklus in der G1 Phase angehalten. Außerdem schränkten EMD die Expression von Zytokeratin-18 (CK18) stark ein. Die Autoren folgerten, dass EMD einen zytostatischen, jedoch nicht einen zytotoxischen Effekt auf epitheliale Zellen besitzen. In einer weite- 49 NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE ren In-vitro-Studie zeigte die Kombination von 4 mg EMD und aktivem, demineralisiertem, gefriergetrocknetem allogenem Knochen (DFDBA) eine erhöhte Knocheninduktion. Es wird daher angenommen, dass EMD zwar keine osteoinduktive, wohl aber in einer gewissen Konzentration osteopromotive Eigenschaften besitzen. Schwarz et al. konnten zeigen, dass EMD die frühen Stadien der Osteoblasten Maturation durch eine erhöhte Proliferation stimulieren, bei reiferen Zelllinien jedoch die Hauptwirkung über die Beeinflussung der Zelldifferenzierung erreicht wird. Nebgen et al. isolierten aus demineralisiertem bovinem Dentin Matrix einen sog. Chondrogenese Induzierenden Faktor (Chondrogenic-inducing-agent kurz CIA) welcher zusammen mit einem Kollagenträger zu ektopischer Knochenbildung in der Rattenmuskulatur 7 Wochen nach der Implantation führte. Diese Ergebnisse sind ein weiterer Hinweis, dass Amelogenine einen Effekt auf die Chondrogenese und Osteogenese haben. In neuesten Publikationen wurden auch gewisse antibakterielle Effekte und Störungen der Bakterienadhärenz durch die EMD nachgewiesen. So wurden bei 24 Patienten mit chronischer Parodontitis nach einer 4-tägigen Plaqueakkumulationsperiode Plaqueproben entnommen und in 5 gleiche Teile aufgeteilt. Jeder Teil wurde mit 5 µl der folgenden Lösungen gemischt: 1) NaCl, 2) EMD in Wasser gelöst, 3) EMD in PGA Vehikel gelöst, 4) PGA Vehikel, 5) Chlorhexidindiglukonat (CHX). Anschließend wurde die Vitalität der Plaqueflora unter dem Vitalfluoreszenzmikroskop evaluiert. Die Ergebnisse zeigten, dass EMD in PGA Vehikel gelöst und dass PGA-Vehikel eine sehr starke antibakterielle Wirkung hatten. Es wurde daher angenommen, dass die antibakterielle Wirkung von EMD hauptsächlich von dem PGA-Träger entfaltet wird. In einer weiteren Untersuchung wurde gezeigt, dass EMD das Wachstum der parodontopathogenen Bakterien Actinobacillus actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis und Prevotella intermedia hemmen. 24 Stunden nach der Gabe von EMD konnten keine lebenden Kolonien dieser Keime nachgewiesen werden. EMD entfaltete dagegen keine negative Wirkung auf gramm positive Bakterien. Den inhibierenden Effekt von EMD auf parodontopathogene Keime wurde auch von anderen Forschergruppen bestätigt. Unter experimentellen Bedingungen zeigten EMD eine leichte Erhöhung der Lymphozytenproliferation, die allerdings auf die CD25 (IL-2 Rezeptor) Fraktion der CD4 positiven T-Tymphozyten beschränkt war. Gleichzeitig wurde eine Verringerung der CD19 positiven B-Lymphozyten beobachtet. Die Immunoglobulin- und Zytokin- (IL-2 und IL-6)- Produktion war sogar nach 3-tägiger viel höherer als unter Praxisbedingungen üblicher EMD- Konzentration nicht beeinflusst. Die Ergebnisse zeigten, dass EMD unter In-vitro-Bedingungen zu einer geringfügigen Immunantwort der CD4 T-Lymphozyten führten. Zusammenfassend zeigen die Daten aus In-vitro-Studien, dass EMD bestimmte, für die parodontale Wundheilung wichtige Mechanismen stark beeinflussen können. Abb. 1: Die Heilung nach der chirurgischen Abb. 2: Histologische Abbildung eines intra- Abb. 3: Höhere Vergrößerung des in Abb. 2 Therapie ohne EMD (Kontrolle) resultierte in ossären Defektes nach Behandlung mit EMD. gezeigten Defektes. Die Struktur des neugebil- der Bildung eines langen Saumepithels (LJE) Die Therapie resultierte in der Bildung von deten Wurzelzements mit inserierenden Kol- entlang der bearbeiteten Wurzeloberfläche. neuem Wurzelzement (NC), Desmodont (NPL) lagenfasern (NC) und des neuen Desmodonts D: Dentin. Originalvergrößerung: x 50. und Knochen (NB) koronal der Kerbe (N). D: (NPL) sind deutlich erkennbar. V: Blutgefäß. Dentin, LJE: langes Saumepithel, A: Artifakt. Originalvergrößerung: x 150. Kontrollierte histologische Tierstudien In einer kontrollierten histologischen Studie wurden experimentell geschaffene, rezessionsartige Defekte mit EMD behandelt. Auf chirurgischem Weg wurden standardisierte Defekte geschaffen, indem die gesamte bukkale Knochenplatte und das Wurzelzement entfernt wurden. Die Testdefekte wurden mit EMD behandelt, während bei den Kontrolldefekten nur eine Lappenreposition nach koronal durchgeführt wurde. Acht Wochen postoperativ wurden die Tiere getötet und die entsprechenden Kiefersegmente histologisch aufgearbeitet. Originalvergrößerung: x 50. 410 HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 Die Ergebnisse zeigten, dass in allen Testdefekten ein neues Parodont, d. h. azelluläres Zement mit inserierenden Kollagenfasern und neuer Alveolarknochen entstanden ist. In den Kontrolldefekten war die Heilung durch ein langes Saumepithel mit sehr begrenzter Zement- und Knochenneubildung charakterisiert. Wenn in den Kontrolldefekten neues Zement gebildet wurde, war es zumeist zellulär und nur teilweise an der Wurzeloberfläche verankert. Ein interessanter Aspekt dieser Studie war, dass in den Testdefekten keine Wurzelresorption vorkam, während in den Kontrolldefekten die Wurzelresorption ein sehr häufig anzutreffendes Phänomen war. Es ist wichtig zu erwähnen, dass während der gesamten Studienperiode bei den Tieren keine Mundhygienemaßnahmen durchgeführt wurden. In zwei weiteren Studien wurden an Affen auf chirurgischem Weg chronische rezessionsartige- und intraossäre Defekte geschaffen. Die Defekte wurden mit einer der folgenden Therapien behandelt: a) gesteuerte Geweberegeneration (GTR), b) EMD, c) EMD + GTR oder d) herkömmlicher Lappenoperation (Kontrolle). Die histologische Untersuchung zeigte, dass die Heilung nach Lappenoperation durch ein langes Saumepithel und eine begrenzte parodontale Regeneration charakterisiert war (Abb. 1). Die Behandlung mit GTR, EMD und EMD + GTR resultierte vorhersehbar in einer Neubildung von Zement mit inserierenden Kollagenfasern sowie von Alveolarknochen (Abb. 2 und 3). Ergebnisse aus humanhistologischen Studien Die erste humanhistologische Biopsie wurde von Heijl veröffentlicht. Ein auf experimentell-chirurgischem Weg geschaffener Rezessionsdefekt bei einem unteren Schneidezahn wurde mit EMD behandelt. Nach einer Heilungsperiode von 4 Monaten wurde der Zahn zusammen mit den umgebenden Weich- und Hartgeweben extrahiert und histologisch aufbereitet. Die histologische Untersuchung zeigte, dass eine neue Schicht von azellulärem Wurzelzement 73 % der ursprünglichen Defekttiefe bedeckte. Neuer Alveolarknochen bildete sich auf 65 % der initialen Knochenhöhe zurück. In einer weiteren Studie behandelten Yukna und Mellonig 10 intraossäre Parodontaldefekte in 8 Patienten mit EMD. Die histologische Analyse 6 Monate nach der Behandlung zeigte, dass es in 3 Biopsien zu einer kompletten parodontalen Regeneration (d. h. Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen) gekommen ist, während in 3 weiteHESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 ren Biopsien die Heilung durch ein neues bindegewebiges Attachment (d. h. neues Zement mit inserierenden Kollagenfasern) gekennzeichnet war. 4 Biopsien dagegen heilten durch ein langes Saumepithel und zeigten keinerlei Anzeichen einer parodontalen Regeneration. In einer vergleichenden klinischen und histologischen Untersuchung wurde die Heilung von intraossären Parodontaldefekten mit EMD oder gesteuerter Geweberegeneration (GTR) mit einer bioresorbierbaren Membran verglichen. 6 Monate nach Therapie betrug der mittlere Gewinn an klinischem Attachment (CAL) 3,2 ± 1,2 mm in der EMD Gruppe und 3,6 ± 1,7 mm in der GTR-Gruppe. Die histologische Analyse zeigte, dass in beiden Gruppen die Heilung hauptsächlich durch eine Regeneration parodontaler Strukturen charakterisiert war. Der Mittelwert von neuem Zement und Desmodont betrug 2,6 ± 1,0 mm in der EMD Gruppe und 2,1 ± 1,0 mm der GTR-Gruppe. Der Mittelwert von neuem Alveolarknochen umfasste in der EMD Gruppe 0,9 ± 1,0 mm und in der GTR-Gruppe 2,1 ± 1,0 mm. Eine reparative Heilung durch ein langes Saumepithel kam nur in einer Biopsie aus der EMD-Gruppe vor. Die Ergebnisse der Studie lieferten den Beweis, dass die Behandlung mit EMD die Regeneration parodontaler Strukturen am Menschen vorhersehbar fördert und zu ähnlichen klinischen und histologischen Ergebnissen wie die GTR-Therapie führen kann. Diese Ergebnisse wurden in späteren Fallberichten auch von anderen Autoren nicht nur in intraossären, sondern auch in Rezessionsdefekten bestätigt. In neuesten immunohistologischen Studien am Menschen konnte gezeigt werden, dass EMD bis zu 4 Wochen nach dem chirurgischen Eingriff auf der Wurzeloberfläche verbleiben und zudem die Wundheilungs- bzw. Remodellierungsprozesse nach der EMDTherapie bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten verfolgt werden können. Es wurde jedoch keine parodontale Regeneration beobachtet, wenn EMD auf nichtchirurgischem Wege in die parodontalen Defekte appliziert wurden. Kontrollierte klinische Studien In keiner der publizierten Studien wurden Nebenwirkungen, wie z. B. Unverträglichkeits- oder allergische Reaktionen, sogar nach wiederholter Behandlung mit EMD, beobachtet. In einer klinischen Multizenterstudie wurden insgesamt 214 intraossäre Defekte an 107 Patienten zu 2 verschiedenen Zeitpunkten mit EMD behandelt. Die zwei chirurgischen Eingriffe mit EMD wur- den in einem Zeitintervall von 2 bis 6 Wochen durchgeführt. Aus allen behandelten Patienten wurden Serumproben entnommen und der totale und spezifische Antikörperlevel analysiert. Es wurden in keiner der analysierten Proben Veränderungen gegenüber den Baseline-Werten gefunden. In einer weiteren Studie wurde an 10 Patienten die Immunantwort nach EMD-Behandlung über einen Zeitraum von einem Jahr verfolgt. Bei keinem der Patienten konnte eine signifikante Aktivierung des Immunsystems während der gesamten Untersuchungsperiode von einem Jahr gezeigt werden. Zusammenfassend zeigen die vorhandenen Daten, dass das immunogene Potenzial von EMD, zumindest nach der Anwendung während der chirurgischen Parodontaltherapie, sehr niedrig ist. Daten aus kontrollierten klinischen Studien belegten, dass die Behandlung von intraossären Defekten mit EMD in einer signifikanten Reduktion der Sondierungstiefen und Gewinn an klinischem Attachment resultiert. Eine erste randomisierte, plazebokontrollierte Multizenterstudie untersuchte die Wirksamkeit von EMD im Halbseitenvergleich an 33 Patienten. Die Ergebnisse zeigten nach 36 Monaten in der Testgruppe einen mittleren CAL-Gewinn von 2,2 mm und von 1,7 mm in der Kontrollgruppe (Lappenoperation). Der röntgenologisch bestimmte Knochengewinn betrug in der Testgruppe 2,6 mm, entsprechend einer 66%igen Auffüllung der Knochendefekte. Hingegen zeigten die Kontrollzähne keinen Knochengewinn. In einer weiteren kontrollierten Studie verglichen Froum et al. die Behandlung von tiefen intraossären Defekten mittels einer Lappenoperation mit und ohne EMD. An insgesamt 23 Patienten mit jeweils mindestens 2 intraossären Defekten wurden 53 Defekte mit Lappenoperation und EMD und 31 mit Lappenoperation allein behandelt. Nach einer Heilungsphase von 12 Monaten wurden die Defekte wieder geöffnet und die Hartgewebsauffüllung der Defekte wurde gemessen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung mit Lappenoperation und EMD in einer dreimal größeren Defektauffüllung als die Behandlung mit Lappenoperation allein resultierte (74%ige Defektauffüllung nach Lappenoperation und EMD gegenüber 23 % Defektauffüllung nach Lappenoperation allein). In einer weiteren prospektiven, kontrollierten klinischen Studie mit insgesamt 40 Patienten wurden im Halbseitenvergleich sowohl die chirurgische Therapie mit EMD als auch die mit einer nicht resorbierbaren bzw. mit 2 resorbierbaren Membranen im Vergleich 411 NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE zur konventionellen Lappenoperation untersucht. Alle 4 regenerativen Verfahren waren gleichermaßen effektiv hinsichtlich der ST-Reduktion und Gewinn an CAL und signifikant besser als die Kontrollbehandlung (Lappenoperation). In einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen klinischen Studie wurde die Behandlung von intraossären Defekten mittels der sog. Papilla Preservation Technique mit und ohne Zusatzapplikation von EMD untersucht. Es wurden insgesamt 83 Test- und 83 Kontrolldefekte behandelt. Nach einem Jahr zeigten die Ergebnisse signifikant höhere CAL-Gewinne in der Testgruppe als in der Kontrollgruppe. Vergleichende Studien berichteten über ähnliche Ergebnisse nach Behandlung intraossärer Defekte mit EMD oder GTR, wobei die Art der GTR-Barriere (nicht resorbierbar oder resorbierbar) keine Rolle spielte. In einer prospektiven, kontrollierten klinischen Studie wurde die Behandlung von intraossären Defekten mit EMD, GTR, Kombination von EMD + GTR und Lappenoperation verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass alle 3 regenerativen Verfahren in einer signifikant höheren Verbesserung der klinischen Parameter im Vergleich zur herkömmlichen Lappenoperation resultierten, wobei die Kombination von EMD + GTR zu keiner zusätzlichen Verbesserung der klinischen Parameter führte. Generell zeigen die Daten aus kontrollierten klinischen Studien, dass die zusätzliche Applizierung von EMD im Rahmen der chirurgischen Therapie von tiefen intraossären Parodontaldefekten zu statistisch und klinisch höheren Verbesserungen als die Lappenoperation allein führt (Abb. 4 – 8). Die klinischen Ergebnisse sind vergleichbar mit denjenigen nach der GTR-Therapie. Weiterhin zeigten Daten aus neuesten Studien, dass die Ergebnisse nach Behandlung intraossärer Defekte mit EMD auch über einen längeren Zeitraum (4 bzw. 5 Jahre) erhalten werden konnten ( Abb. 9, 10). Abb. 4: Tiefer intraossärer Defekt, lokalisiert am mesialen Aspekt des unteren Molaren Abb. 5: EMD wurde auf die Wurzeloberfläche und dann in den Defekt appliziert. Abb. 6: Ein Jahr nach dem chirurgischen Eingriff zeigte die Re-entry eine Neubildung von Knochen in dem Bereich der ursprünglichen intraossären Defektkomponente. 412 HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 Abb. 7: Das präoperative Röntgenbild zeigte einen tiefen introssären Defekt, lokalisiert im Bereich des unteren Prämolaren. Abb. 8: Ein Jahr nach Therapie mit EMD ist eine fast komplette Auffüllung des intraossären Defekts erkennbar. Kombinationstherapien Experimentelle und klinische Studien lieferten den Hinweis, dass das Ausmaß der Regeneration stark von dem sich unter dem Mukoperiostlappen befindenden Freiraum abhängt. Ein Kollaps des Mukoperistlappens könnte daher den für den Regenerationsprozess benötigten Raum limitieren und dadurch das Ergebnis der Therapie beeinflussen. Um diese Nachteile zu umgehen, wurden Kombinationstherapien zwischen EMD und GTR bzw. EMD und Knochenersatzmaterialien getestet. Beobachtungen aus tierhistologischen und humanhistologischen Studien konnten zwar eine parodontale Regeneration nach Behandlung von intraossären Defekten mit einigen dieser Kombinationen nachweisen, die Daten aus kontrollierten klinischen Studien zeigten jedoch keinen eindeutigen Vorteil einer Kombinationstherapie gegenüber den Einzeltherapien. HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005 Behandlung von Rezessionsdefekten Histologische Ergebnisse aus Tier und Mensch zeigten, dass die Behandlung von bukkalen Rezessionsdefekten mit koronalem Lappen und EMD nicht nur zu einer Deckung der Rezession, sondern auch in einer Neubildung von Zement, Desmodont und sogar Knochen resultieren kann. In zwei kontrollierten klinischen Studien wurde im Halbseitenvergleich die Behandlung von bukkaler Miller Klasse I und II Rezession mit koronalem Lappen und EMD oder koronalem Lappen untersucht. Die Ergebnisse zeigten keine Unterschiede zwischen den Therapien bezüglich Wurzelbedeckung. Die Zusatzapplikation von EMD führte jedoch zu einer statistisch signifikant höheren Neubildung von keratinisiertem Gewebe als die koronale Lappentechnik allein. In einer vor kurzem veröffentlichten kontrollierten klinischen Halbseitenver- gleichsstudie wurde an 17 Patienten die Therapie von bukkalen Miller Klasse II Rezessionen mit koronalem Lappen und EMD (Test) mit koronalem Lappen und Bindegewebstransplantat (Kontrolle) verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass ein Jahr nach der Therapie der Mittelwert an Wurzelbedeckung 95,1 % in der Testgruppe und 93,8 % in der Kontrollgruppe betrug. Eine 100%ige Wurzelbedeckung wurde in 89,5 % der Fälle aus der Testgruppe und in 79 % der Fälle aus der Kontrollgruppe erreicht. Die zusätzliche histologische Auswertung von zwei Biopsien zeigte, dass die Behandlung von Rezessionsdefekten mit koronalem Lappen und EMD in einer Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen resultierte, wobei die Behandlung mit koronalem Lappen und Bindegewebstransplantat durch ein langes Saumepithel und sogar Anzeichen einer Wurzelresorption charakterisiert war. 413 NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN Behandlung von Furkationsdefekten Histologische Ergebnisse aus einem Affenversuch zeigten, dass die Behandlung von Grad III Furkationsdefekten im Unterkiefer mit EMD nicht vorhersehbar in einer parodontalen Regeneration resultiert. Zurzeit gibt es jedoch keine humanhistologischen Daten über die Heilung von Furkationsdefekten nach Behandlung mit EMD. Es fehlen auch Daten aus kontrollierten klinischen Studien über die Behandlung von Furkationsdefekten mittels Lappenoperation mit und ohne EMD. In einer multizentrischen, randomisierten, kontrollierten, halbseitenvergleichenden klinischen Studie wurde die Behandlung von Unterkiefer Furkationsgrad II Defekten mit EMD und GTR verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung mit EMD in signifikant höheren CAL-Gewinnen und Knochenauffüllung als die GTR-Therapie resultierte. SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE Schlussfolgerungen Aufgrund der vorhandenen Evidenz können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: 1. Die chirurgische Behandlung von tiefen intraossären Defekten mit EMD fördert die parodontale Regeneration. Die Applikation von EMD im Rahmen der nichtchirurgischen Parodontaltherapie resultierte histologisch in keiner parodontalen Regeneration. 2. Die parodontalchirurgische Therapie von tiefen intraossären Defekten mit EMD führt zu einer signifikant höheren Verbesserung der klinischen Parameter als die Lappenoperation allein, wobei die klinischen Ergebnisse vergleichbar mit denjenigen nach der GTR-Therapie sind. 3. Die parodontalchirurgische Behandlung von Grad II Furkationsdefekten mit EMD führte zu vergleichbaren klinischen Ergebnissen mit der GTRTherapie. 4. Es gibt keine klare Evidenz über den Vorteil einer Kombinationstherapie von EMD und GTR oder EMD und Knochenersatzmaterialien gegenüber den Einzeltherapien. 5. Der Vorteil der parodontalchirurgischen Therapie von Rezessionsdefekten mit EMD gegenüber den herkömmlichen Therapien muss in weiteren Studien geklärt werden. Literatur beim Verfasser Abb. 9: Tiefer intraossärer Defekt, lokalisiert im Bereich des oberen Eckzahnes Abb. 10: Vier Jahre nach Therapie mit EMD zeigte die Re-entry eine fast komplette Defektauffüllung. 414 HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005