Der Anstoß stellt vor Markus Erhard von "Ornito"
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Der Anstoß stellt vor Markus Erhard von "Ornito"
2 Inhaltsverzeichnis 3 Leserbrief 5 Homosexualität und Strafrecht in der Bundesrepublik Alles was RECHT ist? 7 Statements der SpitzenkandidatInnen der Parteien zur Trierer Stadtratswahl am 7. Juni 2009 Wie werden Sie sich für die Belange der schwul-lesbischen Bürger in Trier einsetzen? 9 Blutspenden in Deutschland Ein Fallbeispiel alltäglicher Homophobie 11 Lesbisches Kreuzworträtsel 13 Lesben in Japan Ein Essay (nicht nur) über Missverständnisse 17 Der Anstoß stellt vor Markus Erhard von "Ornito" 19 Pam Ann live Die Fleisch gewordene politische Unkorrektheit tourt durch Europa 21 Gedicht Nächstenliebe Anstoß - Triers neue unabhängige Zeitschrift für Lesben und Schwule Nr. 34, Sommer 2009 Herausgeber: Redaktion: Layout: Titelseite: Autonomes SchwulenReferat und Autonomes feministisches Frauen- und Lesbenreferat im AStA der Universität Trier Corinna Weiler (cw), Raphael Konietzny (rk), Verena Maser (vm), David Kötz (dk), Burkhard Vogel (bv) Raphael Konietzny Max Auerswald (Foto: © Juan Llauro - Fotolia.com) Anschrift der Redaktion: Redaktion Anstoß c/o Autonomes SchwulenReferat im AStA der Uni Trier Universitätsring 12 b 54286 Trier Telefon: 0651/201 35 75 Anzeigen-Telefon: 0651/601 48 84 Fax: 0651/201 39 02 E-Mail: [email protected] Auflage: Druck: 500 Exemplare PrintIn, Trier Der Anstoß erscheint zweimal pro Jahr und wird kostenlos in Trier und Umgebung verteilt. LeserInnenbriefe senden Sie bitte an die oben genannte Anschrift. Wenn Sie den Anstoß mit einer Anzeige oder als Redakteur unterstützen möchten, schreiben Sie uns bitte eine E-Mail. 3 Leserbrief Zum Artikel „Wie haben Lesben Sex?“, Ausgabe 33 Eine lediglich „vermutete Mehrheitsmeinung“ taugt meiner Ansicht nach nicht als Grundlage für einen Artikel. Gut finde ich, dass Cora ihre persönliche Einschätzung wenigstens kenntlich macht, statt – wie es immer wieder getan wird – den Eindruck zu erwecken, dass es sich hier um empirisch überprüfte Einstellungen handle. Andererseits frage ich mich, ob die Mehrheit unseres Kulturkreises tatsächlich der offensichtlich absurden Vorstellung, Lesben hätten keinen „richtigen“ Sex, anhängt. In der eingestreuten Bemerkung, Heteros würden „eher für ein freies Tibet irgendwo weit weg als gegen Homophobie im eigenen Land demonstrieren“, schwing ein vorwurfsvoller Unterton mit, den ich problematisch finde. Sicher kann man mangelnde Solidarität beklagen, dabei sollte man sich allerdings nicht abwertend über anderweitiges politisches Engagement äußern (was von Cora bestimmt nicht intendiert war, aber so aufgefasst werden kann). Rein theoretisch könnte ich ja auch argumentieren, der Einsatz für die Rechte von Homosexuellen sei ein nachrangiger Luxus, solange jedes Jahr Millionen von Tieren in der industriellen Massenvernichtung gequält und ermordet werden. Tue ich aber nicht, denn das wäre arrogant. Nach der Lektüre insbesondere des vorletzten Absatzes werden die LeserInnen sich die Frage „Wie macht ihr das eigentlich?“ bei der nächsten Gelegenheit sicherlich verkneifen. „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“, dieses Sprichwort erweist sich immer wieder als goldene Regel für ein besseres Zusammenleben aller Wesen. Klingt pathetisch, ist aber so. Solidarische Grüße, Alex 5 Homosexualität und Strafrecht in der Bundesrepublik Alles was RECHT ist? Bedenkt man, dass der § 175 des Strafgesetzbuches (StGB) bis zum 10. März 1994 in der Bundesrepublik Deutschland existiert hat, wirkt die einstige strafrechtliche Verfolgung homosexueller Handlungen gar nicht so fern, wie es sich heute in Momenten knallbunter CSD-Paraden schnell mal anfühlt. Zunächst ein rechtsgeschichtlicher Abriss: Besagter § 175 StGB stammt in der ursprünglichen Fassung von 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes, das 1872 zu dem Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches wurde und geht zurück auf den § 143 des Allgemeinen Preußischen Landrechts. Die Aufnahme erfolgte im Übrigen entgegen der Auffassung der Gutachter der so genannten Preußischen wissenschaftlichen Deputation für Medizinalwesen, und zwar unter Rückgriff auf das „Rechtsbewusstsein im Volke“, das diese Handlungen als Verbrechen beurteile. Der Tatbestand im Reichsstrafgesetzbuch lautete bis zur Verschärfung durch die Nationalsozialisten 1935 folgendermaßen: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“ Das Rechtsbewusstsein des Volkes war also dahingehend kodifiziert worden, dass nur männliche Homosexualität strafbar war. Diese unterschiedliche Behandlung, die allen Fassungen des § 175 StGB gemein war, versuchte das Bundesverfassungsgericht noch 1957 in dem berühmt-berüchtigten „HomosexuellenUrteil“ unter anderem damit zu rechtfertigen, dass die „Gefahr der Verbreitung der Homosexualität beim Manne weit größer ist als bei der Frau“ unter Verweis auf das „hemmungslose Sexualbedürfnis“ des homosexuellen Mannes. Mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sind vor allem der Entzug des Wahlrechts und die Aberkennung akademischer Titel gemeint. 1935 verschärften die Nazis den § 175 durch Heraufsetzen des Strafmaßes. Die Höchststrafe wurde auf fünf Jahre Gefängnis festgesetzt. Außerdem genügten nunmehr bereits die „wollüstige Absicht“ und die „objektive“ Verletzung des „allgemeinen Schamgefühls“. Der neu eingeführte qualifizierte Tatbestand (§ 175a StGB), der die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses, homosexuelle Handlungen mit Männern unter 21 Jahren und die männliche Prostitution ahndete, wies sogar ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Zuchthaus auf. Diese Gesetze wurden in das Recht der Bundesrepublik übernommen. Nach einer 1955 eingelegten Verfassungsbeschwerde kam es zu der oben bereits erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1957 (Fundstelle: BVerfGE 6, 389-443). Darin heißt es, dass die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Absätze 2 und 3 des Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt so entscheidend präge, dass etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten. Insbesondere sei auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG festzustellen, da die homosexuelle Betätigung gegen das Sittengesetz verstoße und nicht eindeutig festgestellt werden könne, dass ein öffentliches Interesse an ihrer Bestrafung fehle. Der Einwand gegen die Geltung der §§ 175, 175a StGB wegen des nationalsozialistischen Ursprunges sei gemäß Art. 123 Abs. 1 unbegründet, da es genüge, dass diese Bestimmungen beim Zusammentritt des Bundestages formell noch gegolten haben und von den Gerichten angewandt worden sind. Neben der Begründung der Ungleichbehandlung von männlicher und weiblicher Homosexualität, sticht besonders die Aussage des Verfassungsgerichts ins Auge, die sich auf das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit bezieht. Es räumt nämlich im Urteil explizit ein, dass der Bereich des „Geschlechtlichen“ zu diesem Grundrecht zähle, jedoch das Sittengesetz demgegenüber die rechtliche Schranke sei. Neben der langen Liste damals angehörter Sachverständiger fällt vor allem der Bezug zu der Haltung der Kirchen auf. Ab 1969 waren dann nur noch die qualifizierten Fälle (früherer § 175a StGB) strafbar. 1973 erfolgte eine zweite Reformierung, nach der nur noch der Sex 6 mit Minderjährigen strafbar war, wobei das Schutzalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt wurde. Erst 1994 wurde dann § 175 StGB ersatzlos aufgehoben. Der Münchner Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth bezeichnet anlässlich einer Tagung, die 50 Jahre nach dem zitierten Verfassungsgerichtsurteil stattfand, das in der Bundesrepublik verübte Homosexuellenstrafrecht (über 50.000 Verurteilungen) die „mit Abstand größte Menschenrechtsverletzung in der Geschichte der Bundesrepublik“. Abgesehen von den einschneidenden Folgen einer Verurteilung, die weit mehr als die eigentliche Freiheitsstrafe umfassten, war wohl das Leben mit der ständigen Angst entdeckt zu werden, insbesondere für die Zeit im Nationalsozialismus prägend; aber auch noch lange genug danach. Die Denunziation durch die lieben Nachbarn war sehr oft Anlass eines Ermittlungsverfahrens. Und ein Ermittlungsverfahren in dem Bereich des absolut Intimen ist mindest genauso entwürdigend wie die unverhohlen verächtlichen Blicke der Denunzianten oder derer, die sich mit Gerede begnügten. Nicht selten gerieten Menschen in Situationen von Erpressbarkeit und sogar des Verlustes von Lebensmut. Zwar waren nicht alle Richter von der Verfassungsmäßigkeit des § 175 StGB überzeugt, was die Vorlage des Amtsgerichts Eutin an das Bundesverfassungsgericht von 1972 zeigt, doch blieb dies eine Ausnahme und änderte die Auffassung des Verfassungsgerichtes in keiner Weise. Auch in einem Urteil des Wehrdienstsenates des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1983 wird ein Bescheid des Bundesministers der Verteidigung wiedergegeben, in dem es bezüglich des „Sicherheitsrisikos“ der homosexuellen Veranlagung eines Berufssoldaten hieß, dass der notwendigerweise durch eine homosexuelle Veranlagung bedingte Mangel an vertrauensvollem und kameradschaftlichem Kontakt dazu führe, dass entsprechend veranlagte Offiziere in der Bundeswehr fern liegende Kreise gedrängt würden. Es würde daher als ungebracht empfunden werden, wenn diese dieselben Sicherheitsstufen wie alle anderen Offiziere zuerkannt erhielten und ihnen der Zugang zu Verschlusssachen eröffnet würde. Das Gericht beanstandete diese Einstufung nicht. Wie hier straften faktisch nicht nur die Strafgerichte, sondern auch Verwaltung und Bundeswehr das Ausleben von gleichgeschlechtlicher Liebe ab. Dabei sanktionierten sie auf ihre eigene Art und dies mit unerschütterlicher Überschreitung von Grenzen der Intimsphäre und – wie die Zitate auffallend belegen – ohne jeglichen Vorbehalt, sich mit lapidaren Einschätzungen, beispielsweise bezogen auf die Kameradschaftlichkeit, der Lächerlichkeit preiszugeben. Dies ist also zumindest rechtliche Vergangenheit. Jedoch besteht im Grundgesetz immer noch kein explizites Diskriminierungsverbot. Der Grundrechtsschutz für Homosexuelle wird auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützt, abgeleitet aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz. Für Eingriffe in den Schutzbereich dieses Rechts kann nach Wortlaut des Artikel 2 Absatz 1 theoretisch auch das Sittengesetz noch herangezogen werden. Zwar besteht in Rechtsprechung und Lehre mittlerweile die Ansicht, dass die Schranke des Sittengesetzes keine eigenständige Bedeutung mehr hat. Allerdings wäre es daher umso wünschenswerter, wenn dieses verschwommene und wenig griffige Wort gar nicht mehr im Grundgesetz zu lesen wäre. Darüber hinaus wäre eine ausdrückliche Ergänzung des Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz ein unübersehbares Zeichen in Richtung Toleranz. Zwar gelten die Grundrechte unmittelbar nur für das Verhältnis von Staat zu Bürger, jedoch würde dieser deutliche Schritt mittelbare Wirkung für das Verhältnis der Bürger untereinander bedeuten und die Vorbildfunktion des Staats unterstreichen. Die relativ liberale Einstellung in großen Teilen der heutigen Gesellschaft ist keineswegs für immer gewonnen. Meinungen ändern sich, die Gesellschaft verändert sich und damit auch Gesetze und Rechtsprechung. In einem Artikel der Zeitschrift „DIE ZEIT“ aus dem Jahre 1999 berichtet ein Mann, dass es in den Zwanziger Jahren Leute gab, die sich für schwul ausgaben, weil es „schick“ gewesen sei. 15 Jahre später hätten sie dies wohl kaum noch getan. Schwul- bzw. Lesbischsein ist keine Mode, kein Trend, sondern eine Anlage, die niemandem Schaden zufügt und zählt zum Ureigensten und Elementarsten des Menschen an sich. Es gehört zu den Menschenrechten, dies auszuleben. Menschrechte sollten aber weder kurznoch langfristig Meinungsschwankungen unterliegen, sondern unerschütterlich sein, so sie einmal aufgedeckt wurden. (dk) 7 Statements der SpitzenkandidatInnen der Parteien zur Trierer Stadtratswahl am 7. Juni 2009 Wie werden Sie sich für die Belange der schwullesbischen Bürger in Trier einsetzen? "In den vergangenen Jahren hat unsere Gesellschaft sich dankenswerterweise positiv dahingehend entwickelt, dass das Thema schwule oder lesbische Mitbürger frei von Emotionen diskutiert wird; ja, man kann sagen, dass das Verhältnis, jedenfalls, was unsere Stadt Trier betrifft, insgesamt unverkrampft geworden ist. Unter Berücksichtigung dieser Sicht der Dinge denke ich, dass es müßig geworden ist, darüber noch längere Diskussionen zu führen. Selbstverständlich werde ich mich auch weiterhin gegen Intoleranz in jeder Form verwahren." Bertrand Adams, Spitzenkandidat der CDU "Toleranz gegenüber der Meinung des anderen ist seit der Gründung der UBM Kennzeichen unserer Kommunalpolitik. Gleichgeschlechtliche und bisexuelle Partnerschaften sind ein Bestandteil unserer Gesellschaft. Die UBM und ich als Spitzenkandidatin für die Stadtratswahl gehen in unserer politischen Arbeit offen auf diese Situation ein und treten für die gesellschaftliche Akzeptanz von lesbischen und schwulen Menschen ein. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sind immer noch nicht als gleichberechtigte Lebensform in der Öffentlichkeit anerkannt. Deshalb hat sich die UBM in der Vergangenheit und wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die spezifischen Problemlagen von Lesben und Schwulen sensibler wahrgenommen und sie vor Ausgrenzung oder Diskriminierung geschützt werden. Wir als Freie Wähler vertreten die Auffassung, dass zur Freiheit und Würde eines jeden Menschen auch die Selbstbestimmung der sexuellen Identität und Orientierung gehört. Deshalb wird sich die UBM im Stadtrat nach wie vor um die Anliegen der Lesben und Schwulen kümmern. Wir sehen gerade auf kommunaler Ebene die Möglichkeit, Vorurteile und Diskriminierung durch Aufklärungsarbeit und die Akzeptanz fördernde Maßnahmen sowie durch direkte Umsetzung der Verbesserungsvorschläge von Schwulen und Leben zu beseitigen. Wir begrüßen ehrenamtliche Initiativen die versuchen, Probleme aufzuzeigen und konstruktive Lösungen zu entwickeln." Christiane Probst, Spitzenkandidatin der UBM 8 "Einige Punkte, die uns wichtig erscheinen: • Unterstützung des CSD (Christopher Street Day); wir waren dort noch jedes Jahr mit einem Stand vertreten • Unterstützung der gemeinnützigen Tätigkeiten der SchMIT e.V. (z.B. Rosa Telefon) • Regelmäßiger Austausch mit Vertretern aus den verschiedenen schwul-lesbisch-bisexuellen Gruppen (z.B. in Rahmen unseres AKKommunal, der montags in der Gaststätte Frankenturm stattfindet und immer einem zentralen Thema gewidmet ist. Kontakt über unsere Geschäftsstelle im Rathaus). • Hinwirken auf eine(n) feste(n) Ansprechpartner(in) in der Verwaltung und auch in unserer Fraktion Unterstützung heißt dabei für uns nicht immer finanziell (z.B. über den einen oder anderen kommunalen Topf), sondern auch ideell mit unserer Präsenz oder dadurch, dass wir bestimmte Themen politisch aufgreifen und regelmäßig auch unsererseits in Kontakt treten." Anja Matatko, Spitzenkandidatin der Grünen "Trier muss sozialer, gerechter und offener werden. Diese Offenheit unserer Gesellschaft zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass Toleranz und Gleichberechtigung gestärkt werden. Die Trierer SPD tritt daher dafür ein, dass Institutionen wie die AIDS-Hilfe oder das Schmit-Z, und dort angeschlossene Vereine, mit der Stadt rechnen können. Ebenso wollen wir, dass die Stadt Trier den jährlichen CSD als wichtige kulturelle, gesellschaftliche aber auch politische Institution entschlossen unterstützt. Für mich ist klar, dass wir in unserer Stadt Vielfalt, ob in Kultur oder Sexualität, stärker leben und akzeptieren sollten. Denn nur eine vielfältige Gesellschaft, in der Familie überall dort ist, wo Menschen sich umeinander kümmern und füreinander da sind, ist für die Trierer SPD und mich lebenswert. In Trier geht mehr, jedoch nur, wenn die SPD im neuen Stadtrat stärker vertreten ist. Treten Sie mit uns in Kontakt, lernen Sie uns kennen und überzeugen Sie sich selbst davon, dass wir Trier gemeinsam mit Ihnen weiter bringen wollen. Wir würden uns freuen, wenn auch Sie unseren Slogan unterstützen und für ein offeneres Trier eintreten, indem Sie rufen: „Trier – da geht mehr! Am 7.6. wähle ich Sven Teuber und die Trierer SPD." Sven Teuber, Spitzenkandidat der SPD 9 "Die FDP verfolgt eine Politik, die Menschen in ihrer Vielfalt berücksichtigt, anerkennt und fördert. Chancengleichheit und die Möglichkeit zum selbst bestimmten Leben, unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter, sexueller Ausrichtung, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, sind zentrale liberale Ziele. Deshalb tritt die FDP etwa seit langer Zeit dafür ein, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen und Partnerschaften nicht schlechtergestellt sein dürfen als die Ehe zwischen Mann und Frau. Entsprechende Gesetzesinitiativen sind bereits mehrfach gestartet und teilweise auch umgesetzt worden. Hierzu werden Sie sicherlich einiges im Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl finden. Auf kommunaler Ebene sind die politischen Einflussmöglichkeiten eher gering. Selbstverständlich gibt es keinen Grund, schwule oder lesbische Menschen wegen ihrer Sexualität in irgendeiner Form zu benachteiligen. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie jede/r andere auch. Deshalb werden wir uns, soweit wir als Stadtratsmitglieder in irgendeiner Form betroffen sind, auch auf kommunaler Ebene dafür einsetzen, dass egal ob im Bereich der städtischen Verwaltung oder sonst im öffentlichen Leben auf die Grundsätze der Gleichbehandlung geachtet wird." Thomas Egger, Spitzenkandidat der FDP Anmerkung der Redaktion: Selbstverständlich hatten wir auch den Spitzenkandidaten der Partei DIE LINKE um ein Statement gebeten. Trotz mehrfacher Aufforderung wurde uns dies bis Redaktionsschluss allerdings nicht zugesandt. (rk) Blutspenden in Deutschland Ein Fallbeispiel alltäglicher Homophobie Geht man durch Trier, sieht man oft Plakate, auf denen zur Blutspende aufgerufen wird. Dieser Aufruf richtet sich freilich nicht an die schwulen Trierer, denn diese sind dauerhaft von der Blutspende ausgeschlossen. Wer einmal zur Spende war, weiß, dass vor dem Aderlass ein Fragebogen auszufüllen ist, bei dem Angaben zur eigenen Gesundheit und Infektionsrisiken gemacht werden müssen. Dort wird unter anderem gefragt, ob man zur Gruppe der „Drogenabhängigen, männlichen oder weiblichen Prostituierten, Strafgefangenen oder homo- und bisexuellen Männer“ gehört. Kreuzt man hier „ja“ an, ist man schon ausgeschieden aus dem Kreis der Auserwählten, die Blut spenden „dürfen“, denn laut den Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) haben diese Personen ein gegenüber der Gesamtbevölkerung erhöhtes Übertragungsrisiko für das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) und das Hepatitis B- (HBV) und C-Virus (HCV). Laut Deutscher AIDS-Hilfe (DAH) soll man sich deshalb aber nicht grämen, denn man befindet sich schließlich mit der Queen und dem deutschen Außenminister, die beide (aus anderen Gründen) in Deutschland auch nicht spenden dürften. Ob dies ein Trost ist, ist fraglich. Um es von vorne herein klarzustellen: Natürlich ist es unerlässlich, dass das Risiko der Übertragung einer Infektionskrankheit möglichst gering gehalten wird. Im Folgenden soll es auch eher darum gehen aufzuzeigen, dass leider bei der Erstellung der entsprechenden Gesetze und Richtlinien Sexismus und Homophobie an der Tagesordnung sind. Allein die Tatsache, dass homo- und bisexuelle Männer auf jedem Fragebogen bei Blutspendeaktionen in einem Atemzug mit den anderen genannten Gruppen genannt werden, zeugt nicht gerade von Taktgefühl. Die Gewinnung von Blut, Blutbestandteilen und Blutprodukten wird in Deutschland seit 1998 durch 10 das Transfusionsgesetz (TFG) geregelt. § 5 spricht der BÄK die Kompetenz zu, Richtlinien zu erstellen, welche Personen zur Blutspende zugelassen werden dürfen und welche nicht. Diese Aufgabe nimmt sie in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und dem Robert-KochInstitut (RKI) wahr, die beide dem Bundesministerium für Gesundheit unterstellt sind. Nach diesen Richtlinien haben sich alle Institutionen zu richten, die Blutspenden durchführen (wie z.B. das Deutsche Rote Kreuz). Das Gesetz schreibt weiterhin vor, dass jede Blutspende zumindest auf HIV, HBV und HCV untersucht werden muss. Man könnte sich daher fragen, wieso Schwule pauschal von der Blutspende ausgeschlossen werden, wenn ohnehin jede Blutspende getestet wird. Das Problem ist das Zeitfenster, das zwischen einer Infektion und deren Nachweisbarkeit liegt. Hat sich jemand frisch mit HIV infiziert und geht zur Blutspende, kann ein Test durchaus negativ ausfallen, auch wenn eine Infektion bereits vorliegt. Ob heterosexuelle Personen einem potentiellen Infektionsrisiko durch ungeschützten Geschlechtsverkehr ausgesetzt waren, wird nicht gefragt – ob man intimen Kontakt mit einer der o.g. Personengruppen hatte allerdings schon. Hierbei kommt es dann nicht darauf an, ob dieser Kontakt geschützt oder ungeschützt war. Somit wird impliziert, dass ungeschützter heterosexueller Verkehr mit wechselnden Partnern als sicherer eingeschätzt wird, als geschützter Kontakt zwischen zwei Männern, die eine monogame Beziehung führen. Während die BÄK „homo- und bisexuelle Männer“ pauschal ausschließt, sind RKI und die DeutscheAids-Hilfe da schon etwas differenzierter. Sie reden von MSM, d.h. „Männer, die Sex mit Männern haben“. Damit wird dem Problem Rechnung getragen, dass es auch Personen gibt, die dieser Gruppe angehören, sich selbst aber nicht als schwul oder bisexuell bezeichnen und somit beim Fragebogen auch entsprechend mit „nein“ antworten würden. Des Weiteren weisen beide Institutionen darauf hin, dass auch für heterosexuelle Personen ein Risiko besteht, nämlich wenn sie häufig wechselnde Sexualpartner haben. Diese Nuancierung weist bereits in die richtige Richtung: nicht die sexuelle Orientierung soll ausschlaggebend sein für die Eignung als Spender, sondern die Häufigkeit wechselnder Sexualkontakte, egal ob gleich- oder verschiedengeschlechtlich. Die aktuelle Regelung unterstellt Schwulen pauschal einen promiskuitiven und unreflektierten Lebenswandel. Leider wird auch in der Broschüre zum aktuellen Wissensstand über HIV und AIDS der Deutschen Aidshilfe immer noch das Klischee bedient, dass Schwule im Gegensatz zu Heterosexuellen keine monogamen Beziehungen führen. Dort wird beiden Gruppen empfohlen, beim Verkehr mit Gelegenheitspartnern Safer Sex zu betreiben. Den Heterosexuellen wird diese Praktik darüber hinaus auch bei neuen Beziehungen bis zum gesicherten Ergebnis eines HIV-Tests nahe gelegt. Da man(n) (mit Frau) danach laut AIDSHilfe ungeschützten Verkehr betreiben kann, wird impliziert, dass heterosexuelle Beziehungen automatisch monogam sind. Bei den Empfehlungen für MSM kommt das Wort „Beziehung“ gar nicht erst vor - anscheinend geht man davon aus, dass Schwule sowieso keine Beziehungen führen, ohne dass nebenbei noch Sex mit anderen Partnern praktiziert wird. Fraglich ist, wie lange Deutschland es sich noch leisten kann, pauschal schwule Männer von der Blutspende auszuschließen. Laut einer Studie der Universität Greifswald werden schon 2010 in Mecklenburg-Vorpommern 35% der benötigten Blutkonserven fehlen. Durch den medizinischen Fortschritt und die steigende Zahl komplizierter Operationen werden in Zukunft immer mehr Blutkonserven benötigt werden und das bei schwindender Bereitschaft bei der jüngeren Bevölkerung, Blut zu spenden. Wirft man einen Blick auf andere europäische Länder, dann sieht man, dass man dort teilweise schon weiter ist. In Italien sind Schwule seit 2001 zur Blutspende zugelassen. Dort wird bei der Spenderbefragung das individuelle Risikoverhalten ermittelt, egal ob hetero oder homo. Im ersten Jahr stieg die Zahl der Spenden um signifikante 20% und die Zahl der infizierten Spenden ging dabei sogar leicht zurück. Auch in Spanien ist das Verbot längst aufgehoben worden. Es ist also an der Zeit, die pauschale Verurteilung von Schwulen als promiskuitiv und unfähig, das eigene Sexualverhalten einzuschätzen, zu beenden und zeitgemäße Richtlinien für die Blutspende zu erstellen. (bv) 11 12 1. Verstorbene Freundin der Fotographin Annie Leibovitz 2. Ort, an dem sich frustrierte Single-Lesben nicht schreiben 3. Leider (?) einzig relevantes überregionales rein lesbisches Presseerzeugnis 4. Eiskalte Regenbogen-Lobbyisten (Abk.) 5. Dank Finanzkrise neue lesbische Spitzenpolitikerin 6. US-amerikanische Vorzeigelesbe vom Dienst 7. Ausweitung medialer Präsenz per Satellit 8. „Das Private ist...“ 9. Ex-Frontfrau der Rainbirds 10. DAS kulturelle Highlight in Trier 11. Vater Thomas, Bruder Klaus 12. Expertin für Lesbenpornos 13. Insel mit (selbstempfundenen) Imageproblemen 14. Nicht nur Tochter 15. Eigentlich anspruchslos, trotzdem findet's (fast) jede Lesbe toll 16. Lesben zu konservativ, Konservativen zu lesbisch (Tochter eines US-Amerikaners) 17. Textete unter anderem für Pink 18. Rothaarige Schönheit, üblicherweise im Vierergespann unterwegs 19. Szene-Mittelpunkt Triers 20. Versuchte durch Attentat auf Andy Warhol dem utopischen Ziel einer männerfreien Gesellschaft näherzukommen 21. Lesbische Tennislegende 22. Hedonistische Glatzenträgerin 23. Kondom für Frauen 24. Junge Frauen in Einheitskleidung 25. Dunkelblaue Mädchen 26. Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer 27. Durchgeknallt! 28. Wagen den Spagat zwischen Papst und Regenbogen 29. DVD-Serie nach gleichnamiger Kuchendekoration 30. Film: Nicht hier, sondern drüben 31. Film über skurriles Ex-Gay-Camp 32. Film: Flucht vor dem Kopftuch als Mann verkleidet 33. Kanadische Singer-Songwriterin (Nachname) 34. Spielte lesbische Fechtlehrerin in "Die another day" 35. Als Clarice Starling auf den Spuren eines Menschenfressers 36. Früheste lesbische Dichterin 37. Sollte jede ordentliche Lesbe zur Selbstverteidigung in der (Hand)tasche tragen 38. Itty Bitty ___ Committee 39. Vermeintlich schwul-lesbisches Wohnviertel in Trier 40. Dafür steht das S in AStA 41. Pseudo-lesbische russische Mädchenband 42. Weitere Pseudo-Lesbe – hope her boyfriend don't mind it 43. Better than ____ 44. Erinnerungen eines kleinen Haustiers 45. Lesbischer Homosella-Film 2008 46. Ninas himmlische ___ Auch diesmal gibt es einen großartigen Preis zu gewinnen: Eine Rolle qualitativ hochwertige, multifunktionale Frischhaltefolie Schickt die Lösung mit euren Kontaktdaten bis zum 13. Juli 2009 an [email protected]. Die/Der GewinnerIn wird am 16. Juli im Café Queer des Schwulenreferats (ab 13 Uhr, Studihaus oben links) bekannt gegeben. Viel Glück! (cw/vm) 13 Lesben in Japan Ein Essay (nicht nur) über Missverständnisse Gibt es in Japan Lesben? Diese Frage scheint einfach, ist aber kaum zu beantworten. Eigentlich müsste die Antwort "Ja" lauten, schließlich leben auch in Japan Frauen, die Frauen lieben. Aber das ist auch schon das Problem: Sind diese Frauen wirklich "Lesben"? Das heißt, definieren sie sich als solche? Und wenn nein, als was definieren sie sich dann? Leider hat sich bisher kein/e Wissenschaftler/in daran getraut, dieser Frage nachzugehen. Somit können wir an dieser Stelle nur festhalten: In Japan ist für gewöhnlich die Frage, mit wem man das Bett teilt für die eigene Identität unerheblich. Über lesbisches Leben in Japan zu schreiben, gestaltet sich also höchst schwierig. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war es auch unnötig, sich über Liebe zwischen Frauen Gedanken zu machen. Zwar kursierten einige erotische Holzschnitte (shunga) und – wenn man dies als Beweis für die Existenz "lesbischer" Frauen sehen will – hölzerne Dildos. Auch gab es Gerüchte über Frauenliebe bei buddhistischen Nonnen und unter den Frauen und Mätressen des Shōgun (militärischer Herrscher). Aber sehr viel mehr Sichtbarkeit war der "lesbischen" Liebe nicht gegönnt. Was wenig verwundert, denn Frauen im allgemeinen wurde keine Sexualität zugestanden. Zurückhaltung und Unterordnung unter den Mann waren geboten. Anstoß zur Veränderung kam aus dem Westen, der 1868 Japan gewaltsam aus seiner über 200-jährigen Isolation holte und es allen Einflüssen des Auslands öffnete. Eines der Resultate war der Ausbau des Bildungswesens. Erstmals hatten nun auch Mädchen die Chance auf Bildung – hier dominierte allerdings das Leitbild der "Guten Ehefrau und weisen Mutter" (ryōsai kenbo), welches die Regierung zwischen 1890 und 1910 förderte. Gleichzeitig führte diese Bildungsexpansion aber zu neuem Freiraum für die Mädchen, zunächst natürlich vor allem für jene aus wohlhabenden Familien. Da viele aus den Provinzen in die Hauptstadt Tōkyō kamen, wo damals (und auch heute) der Puls der Zeit schlug, waren sie zum ersten Mal der Kontrolle der Familie entzogen. Da sie aber noch nicht verheiratet waren, standen sie auch noch nicht unter Aufsicht eines Ehemanns. Diese Mädchen lebten meist in Wohnheimen, die teils den Schulen angegliedert waren, teils zu Organisationen wie der YWCA (Young Women's Christian Association) gehörten. Diese Mädchen wurden auch bald als Konsumentinnen entdeckt und bekamen eigene Zeitschriften. Und man gab ihnen einen neuen Namen: shōjo – noch nicht ganz weibliche Frauen, wie es die Wissenschaftlerin Jennifer Robertson übersetzt. Liebe zwischen Mädchen oder Frauen war vor allem in den Wohnheimen präsent. In der Presse waren sie immer wieder Thema, vor allem dann, wenn es wieder einmal einen Doppelselbstmord(-versuch) von zwei Mädchen oder Frauen gegeben hatte. Auf der anderen Seite hielten aber viele Wissenschaftler der damaligen Zeit die Liebe zwischen Mädchen für harmlos, da platonisch. Auf die unschuldige Natur verweist auch der Name für diese Beziehungen: esu, also "S", als Abkürzung für sister, Schöne oder auch shōjo. Yoshiya Nobuko Nichtsdestotrotz gab es aber auch damals schon Frauen, die man als echte "Lesben" bezeichnen kann, auch wenn sie sich selbst wohl nie so genannt haben. Prominenteste Vertreterin ist Yoshiya Nobuko (1896-1973). Yoshiya ist die (in Japan) bekannteste Vertreterin der shōjo-Literatur, Romane geschrieben für eben jene jungen Mädchen, die nach einem neuen Ort nur für sich selbst suchten. Ihre bekanntesten Werke (die allerdings nie in westliche Sprachen übersetzt wurden) sind die dreibändige Sammlung "Hana monogatari" ("Blumengeschichten") und der Roman "Yaneura no ni shojo" ("Zwei Jungfrauen auf dem Dachboden"). Für den modernen (westlichen) Betrachter sind 14 Yoshiyas Geschichten eher verwirrend: sie triefen geradezu vor großen Emotionen und Symbolen. Die Mädchen schauen mit großen Augen auf zum Mond, vergießen viele Tränen, riechen nach Flieder und sind so unschuldig wie man nur sein kann. Oder wie eine japanische Kommentatorin meinte: sie existieren nur bis zum Bauchnabel. Das schließt allerdings nicht aus, dass sie sich in ihre Mitschülerinnen oder Lehrerinnen verlieben. Die Geschichten enden meist tragisch, aber auch das eine oder andere Happy End ist dabei. Was nicht verwundert, wenn man bedenkt, dass Yoshiya seit ihrem 27-ten Lebensjahr mit der Lehrerin Monma Chiyo liiert war, die sie später adoptierte, um mit ihr als Familie leben zu können (gleichgeschlechtliche Hochzeiten waren und sind in Japan legal nicht möglich). Yoshiya war der Überzeugung, dass Liebe zwischen Mädchen in der Schulzeit wichtig sei für deren emotionale Entwicklung und die Formung ihres Charakters. Wie sie über ihre eigene Beziehung dachte, ist nicht überliefert oder zumindest noch nicht erforscht worden. In einigen ihrer Geschichten deutet sie aber an, dass gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Frauen eine Art zweiter Lebensweg sein kann, der Akzeptanz verdient, da die sexuelle Orientierung angeboren sei. In den 1930er Jahren wandte sich Yoshiya dann von der Mädchenliteratur und der Liebe zwischen Frauen ab und schrieb Romane für erwachsene Frauen und Mütter. Hier wurden starke Frauenfreundschaften (oder sogar Liebe) als Grundlage eines glücklichen Lebens dargestellt und dauerten das ganze Leben lang. Auch ein Mann thematisierte literarisch die Liebe zwischen Frauen. Tanizaki Jun'ichirō, besser bekannt als Autor von "Naomi oder eine unersättliche Liebe", schrieb 1928 den Roman "Manji" (deutsch "Wirrsal", eigentlich "Swastika"). Das Buch erzählt von einer Vierecksgeschichte zwischen Sonoko, ihrem Mann, der jungen Mitsuko und dem Studenten Watanuki – und nichts ist wirklich so wie es zu sein scheint. Die Geschichte wurde in Japan seit 1964 viermal verfilmt, zuletzt 2006. Erwähnenswert im Zusammenhang mit Japan vor dem Zweiten Weltkrieg ist außerdem das Takarazuka-Theater. Es wurde von einem Eisenbahn-Tycoon aus Ōsaka gegründet und existiert bis heute. Das besondere an diesem Theater: alle Rollen werden von Frauen gespielt. Die Schülerinnen spezialisieren sich im Laufe ihrer Ausbildung im hauseigenen Internat auf Männeroder Frauenrollen, treten nach dem Abschluss in eine der fünf Theatertruppen ein und ziehen sich nach einigen Jahren dann wieder von der Bühne zurück. Auch hier gilt: das Aussehen der Schauspielerinnen mit den durch Schminke überbetonten Augen ist für uns Westler erst mal verwirrend, gleiches gilt für das oft quietschbunte Dekor. Aber auch Takarazuka darf man nicht missverstehen: es ist mitnichten so, dass die Schauspielerinnen alle oder fast alle "lesbisch" wären – auch nicht die in den männlichen Rollen. Ebenso sind die Fans nicht alle lesbisch. Das Theater ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass Geschlechterrollen in Japan flexibler sein können als in Europa. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann lange ruhig. Sehr ruhig. Was eigentlich kein Wunder ist, schließlich gab und gibt es in Japan kein Gesetz, das Homosexualität verbieten würde. Unterdrückung und Protest waren und sind also eigentlich überflüssig. Die Geisteshaltung der meisten Japaner zum Thema Homosexualität kann man getrost mit "Übersehen" charakterisieren. Das zeigt sich auch an der Sprache. Das heutige Wort für Homosexualität, dōseiai (wörtlich "Liebe für das gleiche Geschlecht") wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Sexualwissenschaft geprägt. "Lesben" wurden später zunächst als rezubian betitelt – die japanische Umschrift des englischen Wortes lesbian. Schnell wurde daraus aber das Schimpfwort rezu gemacht. Die japanischen Lesben drehten daraufhin den Spieß (bzw. das Wort) um, indem sie sich einfach selbst als bian bezeichneten. Allerdings herrscht auch heute noch in der "Szene" (soweit man davon sprechen kann) Uneinigkeit darüber, welches Wort man korrekterweise benutzen sollte. Im Internet machen es sich viele daher leicht und schreiben einfach "♀♀". Übrigens gibt es in der japanischen "lesbischen" Szene eine starke Tendenz, strikt nach butch und femme zu unterteilen (japanisch tachi und neko). Dass man keiner der beiden Kategorien angehört (das heißt riba), ist eher selten anzutreffen. Dem Durchschnittsjapaner ist das alles unbekannt, er/sie kennt meist nur die Begriffe rezu und dōseiai. Die neue Sichtbarkeit verdankten die japanischen 15 "Lesben" im Nachkriegsjapan den Manga (Comics). In den 1970er thematisierten diese plötzlich Liebesbeziehungen zwischen Mädchen und vor allem Jungen. Ein schlechtes Ende war zumeist mit inbegriffen (siehe dazu auch weiter unten). In den 1980er Jahren waren dann kurze Zeit "lesbische" Pornos populär. Ende der 1980er schwappte schließlich die USamerikanische gay pride-Bewegung nach Japan. In Tōkyō wurde im März 1986 OCCUR gegründet. Die NPO unterstützt Lesben und Schwule in Japan im Kampf gegen Diskriminierung. Im Juni 1995 gründeten dann drei japanische Lesben den Verein LOUD ("Lesbians of undeniable drive"). Ziel des Vereins ist die Unterstützung von lesbischen und bisexuellen Frauen, sowie sexuellen Minderheiten allgemein. Der Verein unterhält in Tōkyō einen Versammlungsort mit einer integrierten kleinen Bibliothek. Man muss jedoch klar sagen, dass beide Organisationen keinen großen Einfluss hatten und wohl auch nie haben werden. "Lesbisches" Leben machte sich auch an den Kiosken breit – zumindest an einigen ausgewählten. Es begann 1995 mit "Phryne", die als "lesbische Zeitschrift für Frauen" konzipiert war. Inhaltlich wurde aber eher Unterhaltung in Form von Comics, Romanen und Essays geboten. Der Verkauf lief schlecht und das Team wechselte nach zwei Ausgaben den Verlag. 1996-1997 brachte es die eher politisch orientierte "Anise" heraus, die neben praktischer Beratung auch Diskussionen und Adressen von Frauenbars enthielt. Auch hier lief der Verkauf nur schleppend, das Magazin wurde eingestellt und erlebte 2001-2003 ein kurzes Revival in neuem Format. Wer heute nach "lesbischem" Lesestoff à la L-Mag sucht, wird enttäuscht sein: abgesehen von "Carmilla", einer Zeitschrift im Buchformat mit eher erotischem Inhalt, findet man nichts mehr. Die Bars aber haben sich zumeist gehalten. In Tōkyō konzentrieren sie sich im "schwullesbischen" Viertel Shinjuku Ni-chōme. Dieses umfasst drei Häuserblocks mit etwa 300 Männer- und um die 10 Frauenbars, sowie zwei "schwullesbischen" Läden. Sichtbar wird die "Szene" (in Tōkyō) einmal im Jahr. Bis 2006 zog im August die TLGP, die Tōkyō Lesbian and Gay Parade durch die Straßen. Die Teilnehmerzahlen lagen damals bei um die 4000 Personen, ein Teil davon neugierige Ausländer wie Tokyo Lesbian and Gay Parade Foto: vm ich. Die Parade bestand aus mehreren Wagen, die Straßen wurden dafür aber nicht gesperrt. So kam es, dass man zu zehnt einem Wagen hinterherlief, aber nicht erkennen konnte, ob und wie viele andere denn sonst noch teilnahmen. Auch das öffentliche Interesse war eher gering. Zuschauer scharten sich vor allem um den Ausgangs- und Endpunkt der Parade, den Yoyogi-Park in Harajuku. Inzwischen wurde die Veranstaltung umbenannt in "Tōkyō Pride Festival". Es findet erstmals dieses Jahr im Mai statt, soweit man aber aus der Webseite schließen kann, scheint genau das gleiche geboten zu werden wie auf der TLGP. Nicht vergessen werden soll das auch diesen Juli wieder stattfindende "Tōkyō Lesbian and Gay Film Festival", das in einem kleinen Kino vor allem amerikanische lesbischwule Filme zeigt – und die ein oder andere japanische Produktion. 2005 wurde lesbisches Leben (diesmal auch im westlichen Sinn) dann auch in der Politik sichtbar, als sich die Abgeordnete des Parlaments der Präfektur Ōsaka, Otsuji Kanako, als lesbisch outete und ein Buch über ihre "Reise zur Entdeckung meiner Selbst" schrieb. Die japanische Ausgabe der Newsweek brachte sie unter der Überschrift "Gay in Japan" groß aufs Titelblatt und Otsuji tourte mit Vorträgen über gay pride durch Japan und die USA. 2007 gab sie ihren Sitz im Präfekturparlament Ōsaka auf und stellte sich als Kandidatin der Demokratischen Partei Japans zur Wahl für die zweite Kammer des japanischen Parlaments. Sie erhielt jedoch nicht genug Stimmen, um ins Parlament einzuziehen (am Ende reichte es für Platz 29, jedoch durften nur 20 Kandidaten der Partei ins 16 Oberhaus). Und dann waren da noch die Manga. Hier gibt es zwei gegensätzliche Trends: zum einen die realistischen Geschichten über lesbische Liebe im modernen Japan, die vor allem von der Zeichnerin Yamaji Ebine stammen. Ihr Erstling, "Love my life" wurde zwar noch nicht ins Deutsche übersetzt, die Realverfilmung ist aber auf Deutsch als "Love my life – Du bist mein Herzschlag" erhältlich. der Realität des komplizierten Geschlechterverhältnisses in Japan zu sehen – und haben auch viele männliche Fans. All dies zeichnet ein höchst ambivalentes Bild von "Lesben" im modernen Japan. Und doch stellt sich immer noch die gleiche Frage wie zu Beginn: Gibt es Lesben in Japan? Oder gibt es nur Frauen, die Frauen lieben? Könnte dieses Modell auch in Europa funktionieren? Bisher hat es auch die japanologische Forschung vermieden, sich eingehender mit "lesbischem Leben" in Japan zu beschäftigen. Ein Grund ist sicher die geringe Sichtbarkeit und somit die Frage, wie man an geeignetes "Forschungsmaterial" herankommt. Vielleicht ist es auch die Angst der Wissenschaftler davor "in die Gender-Schublade gesteckt zu werden". Dabei wäre es wichtig zu wissen, wie sich die japanischen "Lesben" selbst sehen. Sind die wirklich apolitisch? Spielt für sie die Frage nach sexueller Identität wirklich keine Rolle? Und wenn ja, wie sehen sie die Bemühungen von Otsuji Kanako und Co.? (vm) Love my life - Du bist mein Herzschlag Zum Weiterlesen (alle Bücher sind aus der UniBibliothek entleihbar): McLelland, Mark (2000): Male homosexuality in modern Japan. Cultural myths and social realities, Richmond Robertson, Jennifer (1998): Takarazuka. Sexual politics and popular culture in modern Japan, Berkeley Robertson, Jennifer (2004): Yoshiya Nobuko. Out and Outspoken in Practice and Prose, In: Walthall, Anne (Hg.): The Human Tradition in Modern Japan, Lanham u.a., S. 155-174 Suzuki, Michiko (2006): Writing Same-Sex Love: Sexology and Literary Representation in Yoshiya Nobuko's Early Fiction, In: The Journal of Asian Studies 65 (3), S. 575-599 Tanizaki Jun'ichirō (1991): Svastika, Paris (Achtung: Französisch!) Auf der anderen Seite finden wir das yuri-Genre, das es bisher auch kaum über die japanischen Landesgrenzen geschafft hat. Manche würden sagen, das ist auch gut so. Denn yuri repräsentiert so ziemlich alles, was hiesige Lesben aufschreien lassen würde: Reinheit, Schönheit, Niedlichkeit und Lifestyle sind die obersten Gebote dieser gezeichneten Mädchen, unschuldiges Anhimmeln geht ihnen über alles – und das meist auch in rosanem oder zumindest pastellfarbenem Dekor. Wie für ihre "echten" Schwestern ist Politik kein Thema für sie – aber auch nicht die Auflehnung gegen die Imperative, die an sie gestellt werden. Mit der Welt der Erwachsenen müssen sie sich nie auseinandersetzen, denn Erwachsene gibt es in diesen Werken nicht. Wer einen Eindruck von dieser Welt bekommen möchte, kann zum Beispiel "Maria-sama ga miteru" ("Die Jungfrau Maria sieht euch zu", deutsch als "Rosen unter Marias Obhut") von Konno Oyuki lesen. Aber auch hier muss vor einem Missverständnis gewarnt werden: Diese Geschichten richten sich nicht an ein lesbisches Publikum und wurden auch nicht von lesbischen Autorinnen erdacht. Sie sind mehr als Flucht vor Im Internet (teilweise nur auf Japanisch): www.space-loud.org/loud www.occur.or.jp http://metropolis.co.jp/tokyo/585/lastword.asp www.tokyo-pride.org/festival/index.html http://kageki.hankyu.co.jp (Website des TakarazukaTheaters) 17 Der Anstoß stellt vor Markus Erhard von "Ornito" Seit drei Jahren hat der Diplom-Modedesigner Markus Ehrhard auf dem Petrisberg sein Atelier „Ornito“, wo er seine Kreationen entwirft. Der Anstoß sprach mit dem Mann, der Trier wenigstens ein bisschen den Hauch von Pret-à-porter und Haute Couture spüren lässt… „Der Hutmacher der Weltstars“ – so hat Dich die Rhein-Zeitung in einem Artikel 2007 bezeichnet. Da würde man spontan vermuten, dass Du Dein Atelier in Paris, Mailand oder London hast und nicht im beschaulichen Trier. Wie passt das zusammen? Der Artikel war, zugeben, etwas übertrieben aufgemacht, kam auch nicht sehr positiv an, zumal ich kein Hutmacher bin, sondern Designer. Vor kurzer Zeit hat mich „Die Welt“ zu den sechs exklusivsten Hutdesignern ernannt, ich fühle mich dabei eher komisch als gebauchpinselt. Klar würde sich eine gute Geschäftsadresse besser anhören, aber um meinen Online-Shop und meine Händler optimal zu betreuen muss ich nun wirklich nicht in Berlin-Mitte sitzen. Während ich in München, Frankfurt und in London lebte, habe ich festgestellt, dass es zwar ein gutes Gefühl ist, in einer Grossstadt zu sein und zu jeder Zeit in eine Ausstellung oder in einen Club gehen zu können. Aber genutzt habe ich es durch das Alltagsleben dann doch nicht. Nach acht Monaten habe ich in London zum ersten Mal die Tower Bridge gesehen. Wenn ich heute in eine Metropole reise, gehe ich ganz gezielt los und habe dann auch einen grösseren Nutzen der Möglichkeiten. Durch meinen Freund bin ich dann wieder nach Trier, wir haben uns vor zwölf Jahren im Schmit-Z kennengelernt, und wir fühlen uns hier sehr wohl. Gib uns doch mal einen kleinen Einblick in Dein Leben als Modedesigner. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Dir aus? Und von woher bekommst Du Deine Inspirationen? Als freiberuflicher Designer gibt es bei mir keinen typischen Arbeitstag mit einem immer wiederkehrenden Ablauf. Jeder Tag bietet eine neue Situation auf die ich mich einstellen muss. Jedoch beginne ich jeden Morgen im Internet, mit einem Online-Shop ist man eben 24/7 präsent. Ausserdem muss ich den Markt sehr genau beobachten, einige Zeit geht daher auf das Researching. Ebenfalls viel Zeit verwende ich auf meine Kundenpflege, dadurch erfahre ich, was gebraucht wird und wonach Bedarf besteht, damit ich augenblicklich reagieren kann. Da der Entwurf und die Umsetzung meiner Ideen sozusagen ein zwanghaftes Verhalten von mir ist, habe ich gelernt das zu kanalisieren. Aus diesem Grund muss ich nicht warten bis mich endlich die Muse (Gibt es da eigentlich eine männliche Form von?) küsst, sondern ich kann meine Kreativität wie auf Knopfdruck abrufen. Für meinen Männerschmuck schaue ich mir sehr gerne die floridianischen Beachboys und Skater an, denn die Grundidee kommt aus diesen Richtungen. Ausserdem interessiere ich mich sehr für afrikanische Kulturobjekte, für Raumfahrt und die Tierwelt, das sind Themen mit einer unerschöpflichen Vielfalt an Formen und Materialien, was auch meine Arbeiten letztendlich von anderen Produkten unterscheiden lässt. Die meisten von uns kennen die große Modewelt nur aus dem Fernsehen oder Filmen wie „Der Teufel trägt Prada“ - Du hingegen hast unter Anderem für Escada und Valentino Couture gearbeitet, Hüte die Du für Philip Treacy in London gefertigt hast wurden von Diana Ross, Naomi Campbell oder Grace Jones getragen. Wie ist es denn nun wirklich hinter den Kulissen der Modeschauen? Als ich zum ersten Mal den Film „Der Teufel trägt Prada“ gesehen habe, fand ich den gar nicht lustig. Einige sehr unangenehme Erfahrungen sind wieder in mir aufgestiegen als ich die Sprüche von Miranda hörte und erkannte mich in den aussichtslosen Situationen eines Assistenten wieder. Wenn man in dieser Branche arbeitet muss man wissen, dass es keine Mode an sich gibt, sondern es existiert nur ein Bild davon. Und dieses Bild ist manipuliert und auf Perfektion poliert. Kein Mensch der Welt sieht so aus wie ein Model, zum Beispiel auf einem Hochglanzfoto. Als Macher muss bei mir beruflich 18 der Lack stimmen, privat bin ich der Typ mit einem grauen Kapuzensweatshirt. Ich strahle meinen Beruf sicherlich nicht aus und trage ihn auch nicht vor mir her. Das heisst man arbeitet als Designer mit Oberflächen und Erscheinungsformen. Auf den Schauen in Paris und London, bei denen ich mitgearbeitet habe, bin ich sehr extremen Menschen begegnet, die die Mode in aller Konsequenz betreiben und wenn man dahinter schaut ist man mit Dingen konfrontiert die man im Film vielleicht witzig findet, nicht aber in der Realität. Nach meinem Studium an der Trierer FH war ich sehr schnell in dieser Welt, weit oben in diesem Dunstkreis, mein Lack und mein Können haben gestimmt und ich hatte den Job, den jeder gerne möchte. Natürlich bin ich stolz auf meine Referenzen und finde das cool, wenn man zum Beispiel mit Naomi Campbell als Model arbeitet, aber letztendlich nimmt einem diese Scheinwelt seine ganze Kraft und Substanz - und finanziell war das bestimmt nicht interessant. So hatte ich dann auch viel früher als geplant mein eigenes Label mit Schmuck und Accessoires, darin habe ich den Inhalt und die Substanz gefunden, was ich in der Mode eigentlich immer suchte. Übrigens stellt das Stadtmuseum Simeonstift in "Rendezvous auf dem Laufsteg. 50 Jahre Trierer Mode - 50 Jahre Barbie" den Prototypen des Kleides aus, das ich für Grace Jones gefertigt habe. Mitten in der Nacht habe ich sie in Philip Treacys Wohnung in London massgenommen, was sehr natürlich und ungezwungen war. Sie ist absolute klasse und vor allem: Sie liebt schwule Männer. (rk) Markus Erhard, Foto: Ornito Im Internet: www.ornito.com 19 Pam Ann Live Die Fleisch gewordene politische Unkorrektheit tourt durch Europa exklusiv von ihr bedient. Die drei Reihen dahinter sind die „Business Class“, was gerade noch in Ordnung ist, aber auch schon mit abschätzigen Blicken bedacht wird. Pech hat, wer in „Economy“ sitzt (also alle anderen Zuschauer), denn für diese Fluggäste hat Pam Ann nichts als Verachtung übrig. Sie schließt ihren „invisible curtain“, um nicht mehr von den Discount-Passagieren belästigt und gesehen Die Flugbegleiterin Pam Ann (ein Wortspiel mit zu werden, borgt sich von einer Zuschauerin in der dem Namen der Fluggesellschaft „Pan Am“), die ersten Reihe ein Sektglas, klopft mit dem Mikrofon man vom äußeren Erscheinen und wegen ihrer dagegen und spottet: „You spitzen Zunge durchaus für hear that, economy? This is eine Drag-Queen halten real glass!“. könnte, erzählt den Sie erzählt von ihrem Auftritt Zuschauern vom alltäglichen in Amsterdam, wo Ratten Wahnsinn des Fliegens. durch den Saal gelaufen sind, „Welcome to Pam Ann weswegen sie nun froh sei, an Airlines, the world's most einem Ort zu sein, der experienced airline - the fact is „Cologne“ heißt, weil sie sich we don't make the same in der Stadt, die 4711 erfunden mistake more than three hat, mehr Hygiene verspricht. times... maybe four“ - mit Außerdem amüsiert sie sich diesem schon allseits darüber, dass in großen bekannten vom Tonband Lettern das Wort „Gloria“ an eingespielten Slogan beginnt der Wand des Zuschauersaales das etwa 100minütige zu sehen ist, was sie als sehr Programm. Als Pam Ann schwul ansieht. Daraufhin daraufhin die Bühne betritt, in stimmt sie das gleichnamige einem Retro-Outfit aus pinken Pailletten und einer Frisur, als Nimmt kein Blatt vor den Mund: Lied von Laura Branigan an. ist sie gut wäre sie gerade dem Film Caroline Reid als Pam Ann Überhaupt informiert über lokale „Hairspray“ entsprungen, ist Besonderheiten, denn sie weiß das Publikum nicht mehr zu z.B. Bescheid über die Hass-Liebe die die Kölner halten. Eine Welle des Applauses und der Jubelrufe mit ihren Düsseldorfer Nachbarn verbindet. bricht auf den Stargast ein. Da geschätzte 99% des Natürlich dürfen auch ihre üblichen Publikums aus Schwulen besteht, ist der Auftritt für Verunglimpfungen anderer Fluggesellschaften nicht Pam Ann ein Heimspiel. Dabei beschränkt sie sich fehlen. So fragt sie sich, wie denn bitteschön nicht darauf, das Programm ihrer 2007 erschienen Lufthansa Italia, die 2009 neu gegründete Live-DVD „Come Fly With Me“ eins zu eins italienische Marke der Lufthansa, funktionieren abzuspulen, sondern fährt mit einer gelungenen könne, wenn zwei so unterschiedliche Mentalitäten Mischung aus neuen und alten Gags auf und dies aufeinander treffen. Dann ergeht sie sich in natürlich, wie es üblich ist für sie, ohne das Klischees über die immerpünktlichen Deutschen Publikum zu schonen. Die Gäste in den ersten („THE REASON YOU DON'T SEE A WATCH beiden Zuschauerreihen dürfen sich glücklich IS BECAUSE I AM A WATCH!“) und die Italiener, schätzen, denn sie sitzen „First Class“ und werden In den englischsprachigen Ländern längst zur Kultikone geworden, avanciert die australische Comedian Caroline Reid mit ihrem Alter Ego „Pam Ann“ auch hierzulande zum Liebling der Schwulen und Lesben. Am 29.03.2009 war sie im Zuge ihrer Europatournee im Kölner Gloria Theater zu Gast. 20 personifiziert durch die Flugbegleiterin Maria, die natürlich viel zu spät auf der Vespa aufs Rollfeld gefahren kommt und wieder komplette Unordnung in die Lufthansa-Maschine bringt. Dabei geht jedes mal ein Jubel durch den Saal, wenn Pam Ann im deutschen Militärston „LUFTHANSAAA“ ins Mikro brüllt. Als sie endlich ihr Bedien-Wägelchen auf die Bühne holt, kommt Freude auf – denn die meisten wissen, was nun kommt. Als Flugbegleiterin sei man ja immer so „beschäftigt“, klagt sie auf Deutsch, wobei sie starke Schwierigkeiten mit der Aussprache hat, so dass es am Ende zu einem „be-jetski“ wird. „I'm sooo be-jetski“ sagt sie immer wieder und um dies zu veranschaulichen berührt sie den Trolley, geht zum roten Samtvorhang, der auf der GloriaBühne die Bordküche darstellen soll, berührt diesen und geht wieder zum Trolley zurück, begleitet von ihren berühmten Worten: „Touch trolley. Then run to the galley. Touch galley, and back to the trolley.“ Das macht sie ein paar mal um dann zu sagen: „See how many times you can do that without serving anybody at all.“ Das Publikum ist begeistert. Politische Unkorrektheit, Herumreiten auf Klischees und derbe Witze – das ist das Erfolgsrezept von Pam Ann, das auch in Köln einwandfrei funktioniert. Als sie zweimal an die Grenzen des guten Geschmacks stößt und Anspielungen auf Keller in Österreich und Natascha Kampusch und Witze über die nur Tage zuvor in Japan explodierte Fedex-Maschine macht („The Japanese are still waiting for the „Hello Kitty“ delivery“), geht ein leichtes Raunen durch den Saal, aber das Publikum nimmt ihr die Fehltritte nicht übel. Zum Abschluss gibt sie wie immer den Patsy Gallant-Song „From New York to L.A.“ und stimmt mit dem Publikum ein „Happy Birthday“ für einen ihrer beiden Tänzer an um danach leider ohne Zugabe von der Bühne zu verschwinden. Pam Ann – im März, April und Juni ist sie in Europa vor ausverkauften Häusern aufgetreten und hatte im Mai ein Layover in Kanada. Wer sie verpasst hat, sollte sich unbedingt die DVD besorgen, oder sich bei Youtube die Videos anschauen! (bv) Im Internet: www.pamann.com 21 Nächstenliebe Was kann ich schon dafür, dass ich mal Menschen liebe? Falls aber ich und sie zugleich auch Männer sind, versetzt man uns dreist böse Hiebe. Und das alles gern mit Blick auf Sitte und Moral, was, bei genauerer Betrachtung, aus Menschenmunde ironisch und banal. Ich sag’ es Ihnen ehrlich, ohne Lamentieren, dass Sie – ob man daran auch Anstoß nimmt – mich akzeptieren, finde ich in Gänze mehr als nur sympathisch. Denn ein jeder hat die Wahl – oder etwa nicht? Es gibt Länder dieser Zeit und Welt, wo der Richter unser Todesurteil fällt, Da dort das Recht ein and’res ist, obwohl der Mensch derselbe und wohl kaum gemeingefährlich küsst. Auch in diesen Kreisen müssen Moral und Religion es richten. Man sucht mit aufgeblähtem Fleiß nach Recht und Pflichten, die man beschwört, und dient ergeben einem Gott. Am Ende aber bedient der Mensch alleine das Schafott. D. K.