Fall 17 Lösung - Juristische Fakultät
Transcrição
Fall 17 Lösung - Juristische Fakultät
PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I WINTERSEMESTER 2014/15 JURISTISCHE FAKULTÄT LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG PROF. DR . STEPHAN LORENZ F ALL 17 – L ÖSUNG D IE M IETWOHNUNGEN A. Anspruch der F gegen M auf Zahlung der Miete für Dezember aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB ....................................................... 2 I. Anspruch entstanden ..................................................................... 2 1. Einigung .................................................................................... 2 2. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ......... 3 3. Zwischenergebnis ....................................................................... 3 II. Anspruch erloschen gem. § 142 Abs. 1 BGB ................................. 4 1. Anfechtungsgrund ...................................................................... 4 a) Objektiver Tatbestand .............................................................. 4 aa) Drohung ............................................................................ 4 bb) Kausalität zwischen Drohung und Erklärung ....................... 5 cc) Widerrechtlichkeit der Drohung ......................................... 5 b) Subjektiver Tatbestand ......................................................... 6 c) Zwischenergebnis .................................................................... 6 2. Anfechtungserklärung ................................................................. 6 a) Inhalt ...................................................................................... 6 b) Adressat ............................................................................... 6 c) Zwischenergebnis .................................................................... 6 3. Anfechtungsfrist ......................................................................... 6 4. Zwischenergebnis ....................................................................... 7 III. Ergebnis .................................................................................... 7 B. Anspruch des K gegen S auf Zahlung der Miete für Dezember aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB ....................................................... 8 I. Anspruch entstanden ..................................................................... 8 II. Anspruch erloschen .................................................................... 8 1. Erlöschen ex tunc gem. § 142 Abs. 1 BGB .................................... 8 a) b) Anfechtungserklärung .............................................................. 8 aa) Inhalt ................................................................................ 8 bb) Adressat ............................................................................ 9 cc) Zwischenergebnis .............................................................. 9 Anfechtungsgrund ................................................................ 9 VERONIKA EICHHORN AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G § 119 Abs. 1 BGB .............................................................. 9 bb) § 119 Abs. 2 BGB .............................................................. 9 cc) Zwischenergebnis .............................................................. 9 c) Anfechtungsfrist .................................................................... 10 d) Zwischenergebnis ............................................................... 10 2. 3. aa) Erlöschen ex nunc durch Kündigung ......................................... 10 a) Kündigungsrecht ................................................................... 10 b) Kündigungserklärung.......................................................... 10 aa) Inhalt und Adressat ......................................................... 10 bb) Form ............................................................................... 10 c) Kündigungsfrist ..................................................................... 11 d) Zwischenergebnis ............................................................... 11 Zwischenergebnis ..................................................................... 11 III. Einrede des § 320 Abs. 1 BGB ................................................... 11 IV. Ergebnis .................................................................................. 11 Eine Kenntnis der Besonderheiten des Mietrechts ist zum derzeitigen Stand nicht von Ihnen zu erwarten. Die Einbettung des Falles soll lediglich den Blick auf andere mögliche Beendigungstatbestände lenken. A. Anspruch der F gegen M auf Zahlung der Miete für Dezember aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB F könnte gegen M einen Anspruch auf Zahlung der Miete für Dezember haben. Ein solcher könnte sich aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen F und M ein Mietvertrag i.S.d. § 535 BGB über eine Wohnung im Mietshaus der Freya wirksam zustande gekommen, der Anspruch nicht erloschen ist und keine Einreden dessen Durchsetzbarkeit entgegenstehen. I. Anspruch entstanden Zunächst müsste ein wirksamer Mietvertrag (§ 535 BGB) über die Wohnung zustande gekommen sein. 1. Einigung Ein Mietvertrag kommt durch eine Einigung zustande, die hier in Form zweier auf Abschluss eines Mietvertrages gerichteter, übereinstimmender und wirksamer Willenserklärungen (Angebot und Annahme, vgl. §§ 145, 147 BGB) möglicherweise vorliegt. Die Willenserklärungen müssen dabei die essentialia negotii eines Mietvertrages – Parteien, Mietgegenstand, Mietzins, Mietdauer – enthalten. SEITE 2 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G F und M haben am 1. September schriftlich ein Mietverhältnis zwischen ihnen dokumentiert. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Einigung über die essentialia negotii enthalten ist. Dass M den Mietvertrag nur unterzeichnet hat, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren – wie ihr Ansgar (A) bei Nichtunterzeichnung in Aussicht gestellt hat – ändert nichts daran, dass sich M der F gegenüber rechtlich binden wollte. 1 Auch findet der innere Vorbehalt der M – ihr Kündigungsrecht in den ersten fünf Jahren nicht auszuüben – keinen Ausdruck (§§ 133, 157 BGB). Der Inhalt ihrer diesbezüglichen Erklärungen war M und F bewusst und somit von beiden Parteien beabsichtigt. Die verkörperten Willenserklärungen wurden jeweils abgegeben und sind der anderen jeweils zugegangen. Die Schriftform des § 550 S. 1 BGB ist gewahrt. Im Übrigen ergibt sich schon aus dem Vertragsinhalt, dass der Mietvertrag für unbestimmte Zeit gelten soll. Nota bene: § 550 S. 1 BGB verdrängt als lex specialis § 125 S. 1 BGB. Rechtsfolge eines Formmangels ist somit nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern die gesetzliche Fiktion, dass ein befristeter Wohnraummietvertrag für längere Zeit als ein Jahr als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Diese Rechtsfolge hat Einfluss auf den Vertragsinhalt – somit die Einigung – und sollte daher an dieser Stelle verortet werden. Eine Verortung als rechtshindernde Einwendung ist nur vertretbar, um den Vorrang zu § 125 S. 1 BGB herauszustellen. F und M haben sich somit geeinigt und Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Miete ist laut Mietvertrag spätestens bis zum dritten Werktag eines Monats (vgl. auch § 556b Abs. 1 BGB) zu entrichten. Damit war die Miete bereits fällig. 2. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse Dem Vertrag dürfen keine rechtshindernden Einwendungen entgegenstehen. In Betracht kommt hier wegen der Drohung des A eine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB. Aus der Existenz des § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB folgt jedoch, dass der Fall der infolge einer Drohung abgegebenen Willenserklärung alleine zur Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts führen soll, welche ein Gestaltungsrecht ist, und nicht zu einer Nichtigkeit ipso iure. 3. Zwischenergebnis M und F haben einen wirksamen Mietvertrag geschlossen. Der Anspruch auf Zahlung der Miete ist somit entstanden. 1 Somit liegt kein Fall des § 116 S. 1 BGB vor. SEITE 3 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G II. Anspruch erloschen gem. § 142 Abs. 1 BGB Aufbauhinweis: Die Anfechtung kann im Aufbau entweder bei der angefochtenen Willenserklärung selbst, oder – wie hier – nach Feststellung des Zustandekommens eines Vertrags als rechtsvernichtende Einwendung geprüft werden. Beides führt zum selben Ergebnis und ist logisch vertretbar. Für den hier gewählten Aufbau spricht Folgendes: Einerseits spricht der Wortlaut des Gesetzes nicht von der Anfechtung einer Willenserklärung, sondern eines Rechtsgeschäfts. Weiterhin wirkt die Anfechtung durch die Gestaltungserklärung zwar ex tunc, jedoch ist bis zu dieser Erklärung ein wirksamer Vertrag vorhanden. Weiter würde die Einordnung als rechtshindernde Einwendung bei der jeweiligen Willenserklärung zu einer sehr verschachtelten Prüfung führen. Wie immer gilt jedoch, Sie können den von Ihnen präferierten Aufbau wählen. Beachten Sie aber stets: Der Aufbau ist nie zu begründen! Der Vertrag könnte jedoch gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen und damit der Anspruch erloschen sein. Das setzt eine wirksame Anfechtung des Vertrages, mithin einen Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner voraus. Aufbauhinweise: zusätzlich zu diesen drei Punkten sind bei Hinweisen im Sachverhalt noch die Zulässigkeit der Anfechtung (Konkurrenzen) und der Ausschluss der Anfechtung (§ 144 BGB) anzusprechen. 1. Anfechtungsgrund Als Anfechtungsgrund kommt eine widerrechtliche Drohung nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB in Betracht. a) Objektiver Tatbestand aa) Drohung Eine Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt und es für den Fall der Nichtabgabe der gewünschten Erklärung ankündigt. Die Androhung des A, die M werde ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn sie den Mietvertrag nicht abschließe, erfüllt diese Kriterien. Die Drohung geht vorliegend somit nicht von der Erklärungsempfängerin – der F – aus, sondern von einem Dritten. Es ist möglich, dass F von der Drohung nichts wusste, somit gutgläubig war. Fraglich ist, ob die Drohung eines Dritten für die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung ausreichend ist. § 123 Abs. 1 BGB bezweckt in der Drohungsalternative den allgemeinen Schutz der rechtsgeschäftlichen Entschließungsfreiheit gegen widerrechtlichen Zwang. Das folgt im Umkehrschluss aus § 123 Abs. 2 BGB, der nur die Anfechtungsmöglichkeit im Falle der arglistigen Täuschung durch einen Dritten regelt. Wird der Erklärende von einem Dritten bedroht, beruht seine Erklärung noch weniger auf dem freien Willensentschluss des Erklärenden als bei einer SEITE 4 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G „bloßen“ Täuschung. Daher ist die Anfechtung wegen Drohung auch dann zulässig, wenn die Drohung von einem Dritten ausgegangen ist, und auch dann, wenn der Anfechtungsgegner davon weder etwas wusste noch wissen musste. Eine analoge Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB auf die Drohung verbietet sich daher. 2 Folglich liegt eine Drohung i.S.v. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor. bb) Kausalität zwischen Drohung und Erklärung Der Erklärende muss durch die Drohung zur Abgabe seiner Erklärung bestimmt worden sein, vgl. § 123 Abs. 1 BGB; es muss also ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. M gibt ihre auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtet Willenserklärung nur ab, weil sie befürchtet, dass A andernfalls ihr Arbeitsverhältnis kündigen wird. Die Drohung des A kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass nicht auch der Abschluss des Mietvertrags entfiele. Dass M generell auf der Suche nach einer Wohnung ist und irgendwann einen Mietvertrag abschließen möchte ist, da sie diesen konkreten Vertrag nicht freiwillig abschließen wollte, unbeachtlich. cc) Widerrechtlichkeit der Drohung Des Weiteren muss die Drohung widerrechtlich sein. Die Widerrechtlichkeit einer Drohung kann sich aus dem mit ihr erstrebten Zweck, aus dem angedrohten Übel als solchem, d.h. der Drohung als Mittel zum Zweck, oder der Verknüpfung der Drohung mit dem verfolgten Zweck (Mittel-Zweck-Relation) ergeben. Der erstrebte Zweck liegt in dem Abschluss eines Mietvertrages der M mit F. Dabei handelt es sich um ein legales Rechtsgeschäfte. Die bloße Tatsache, dass kein Anspruch auf Abschluss des Mietvertrages besteht, macht den Zweck alleine noch nicht rechtswidrig. Jedoch könnte das angedrohte Mittel, sprich die Kündigung bei Nichtabschluss des Mietvertrages, wiederrechtlich sein. Nach geltendem Recht kann die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht auf den Nichtabschluss eines Mietvertrages gestützt werden (vgl. §§ 620 ff. BGB i.V.m. § 1 KSchG) 3. Folglich hat A mit einem rechtswidrigen Übel gedroht. 2 3 Zur Drohung durch das Gericht vgl. BAG NZA 2010, 1250. Die Kenntnis dieser Normen wird zum derzeitigen Stand nicht von Ihnen vorausgesetzt. SEITE 5 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G Folglich kommt es auf die Zweck-Mittel-Relation nicht mehr an. Die Drohung des A ist somit widerrechtlich. b) Subjektiver Tatbestand Der Drohende muss zumindest den bedingten Vorsatz haben, auf die Willensbildung des Erklärenden einzuwirken, d.h. er muss sich bewusst sein, dass seine Drohung den Willen des Erklärenden beeinflussen kann. A wollte M durch die Drohung ganz bewusst zur Abgabe ihrer Willenserklärung veranlassen. c) Zwischenergebnis Der Anfechtungsgrund der widerrechtlichen Drohung liegt somit vor. 2. Anfechtungserklärung 4 M müsste die Anfechtung gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt haben, § 143 Abs. 1 BGB. a) Inhalt M hat zwar keine ausdrückliche Anfechtungserklärung abgegeben. Ihre Erklärung gegenüber F, sich wegen des Verhaltens des A nicht an den Vertrag gebunden zu fühlen, enthält jedoch eine Erklärung, dass und weshalb sie den Vertrag nicht gelten lassen wolle. Dabei kommt zum Ausdruck, dass sie den Vertrag gerade wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen wolle. Die ausdrückliche Verwendung des Wortes „Anfechtung“ ist nicht erforderlich. Diese von M abgegebene Anfechtungsklärung ist der F auch zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB (analog)). b) Adressat Richtiger Anfechtungsgegner bei einem Vertrag ist gem. § 143 Abs. 1, 2 BGB der andere Teil. Die Erklärung erfolgte gegenüber F, der Vertragspartnerin der M, mithin gegenüber dem richtigen Adressaten. c) Zwischenergebnis Folglich liegt eine Anfechtungserklärung der M gegenüber dem richtigen Adressaten vor. 3. Anfechtungsfrist Die Anfechtungserklärung müsste auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB erfolgt sein. Da M bereits einen Tag nach 4 Die Anfechtungserklärung (Inhalt) und der Erklärungsadressat können auch auf gleichrangiger Ebene geprüft werden, vgl. den Aufbau Fall 16 A/I/2 und 3. SEITE 6 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G Wirksamwerden des Vertrages diesen anficht, ist die Frist gewahrt. 5 Nota bene: Im vorliegenden Fall dauert die Zwangslage der M noch an, da sie auch bei Kündigung des Vertrages vor Ablauf der fünf Jahre jederzeit mit einer Kündigung ihres Arbeitsvertrages durch A rechnen müsste. Folglich begann die Frist gem. § 124 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB noch nicht zu laufen. Zu beachten ist stets die Höchstfrist in § 124 Abs. 3 BGB. 4. Zwischenergebnis Der Mietvertrag ist folglich ex tunc unwirksam und damit der Anspruch auf Zahlung der Miete erloschen. III. Ergebnis F hat keinen Anspruch gegen M auf Entrichtung der Miete für Dezember. 5 Nachdem die Fristwahrung vorliegend derart offensichtlich ist, müssen Sie nicht in eine detaillierte Fristberechnung einsteigen. Dies würde ggf. zu einer falschen Schwerpunktsetzung führen. SEITE 7 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G B. Anspruch des K gegen S auf Zahlung der Miete für Dezember aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB K könnte gegen S einen Anspruch auf Zahlung der Miete für Dezember haben. Ein solcher könnte sich aus Mietvertrag i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen K und S ein Mietvertrag i.S.d. § 535 BGB über eine Wohnung wirksam zustande gekommen, der Anspruch nicht erloschen ist und keine Einreden dessen Durchsetzbarkeit entgegenstehen. I. Anspruch entstanden K und S haben sich über die Vermietung der Wohnung von K an S geeinigt. Die nach § 550 S. 1 BGB erforderliche Schriftform wurde gewahrt. Folglich ist ein wirksamer Mietvertrag über die Wohnung zustande gekommen. Die Miete ist laut Mietvertrag spätestens bis zum dritten Werktag eines Monats (vgl. auch § 556b Abs. 1 BGB) zu entrichten. Damit war die Miete bereits fällig. Der Anspruch auf Zahlung der Miete für Dezember ist damit entstanden. II. Anspruch erloschen Der Anspruch dürfte nicht wieder erloschen sein. 1. Erlöschen ex tunc gem. § 142 Abs. 1 BGB Der Vertrag könnte jedoch gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen und damit der Anspruch erloschen sein. Das setzt eine wirksame Anfechtung des Vertrages, mithin einen Anfechtungsgrund und eine fristgerechte Anfechtungserklärung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner voraus. Aufbauhinweise: zusätzlich zu diesen drei Punkten sind bei Hinweisen im Sachverhalt noch die Zulässigkeit der Anfechtung (Konkurrenzen) und der Ausschluss der Anfechtung (§ 144 BGB) anzusprechen. a) Anfechtungserklärung S müsste die Anfechtung gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt haben, § 143 Abs. 1 BGB. aa) Inhalt S hat zwar keine ausdrückliche Anfechtungserklärung abgegeben. Seine Erklärung gegenüber K, er müsse sich wegen Marthas Missbilligung einen anderen Mieter suchen enthält jedoch eine Erklärung, dass und weshalb er den Vertrag nicht gelten lassen wolle. Die ausdrückliche Verwendung des Wortes „Anfechtung“ ist nicht erforderlich. Diese von S abgegebene Anfechtungsklärung ist dem K auch zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog, eingeschränkte Vernehmungstheorie). SEITE 8 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G bb) Adressat Richtiger Anfechtungsgegner bei einem Vertrag ist gem. § 143 Abs. 1, 2 BGB der andere Teil. Die Erklärung erfolgte gegenüber K, dem Vertragspartner des S, mithin gegenüber dem richtigen Adressaten. cc) Zwischenergebnis Folglich liegt eine Anfechtungserklärung des S gegenüber dem richtigen Adressaten vor. b) Anfechtungsgrund Des Weiteren müsste ein Anfechtungsgrund gegeben sein. aa) § 119 Abs. 1 BGB S war sich über die objektive Bedeutung und Tragweite seiner Willenserklärung im Klaren. Folglich kommt ein Inhaltsirrtum gem. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB nicht in Betracht. Weiterhin entspricht auch der äußere Tatbestand dem Willen des S. Er wollte mithin eine Erklärung genau dieses Inhalts abgeben. Damit kommt auch ein Erklärungsirrtum § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht in Betracht. Die Tatsache, dass S die Wohnung nur deshalb mietete, weil er davon ausging, diese werde M gefallen, bildete für seinen Willensentschluss lediglich ein Motiv. Ein Motivirrtum wird aber von § 119 Abs. 1 BGB nicht erfasst. bb) § 119 Abs. 2 BGB Der Irrtum des S könnte jedoch als ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft gem. § 119 Abs. 2 Alt. 1 BGB beachtlich sein. Nach h.M. sind Eigenschaften einer Sache alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die infolge ihrer Beschaffenheit auf Dauer für die Brauchbarkeit und den Wert der Sache von Einfluss sind. Nota bene: Der Marktpreis oder Anschaffungspreis der Sache selbst gehören nicht zum „Wert der Sache“. Dazu gehören lediglich die „wertbildenden Faktoren“. Die Billigung der Wohnung fenheit indes nichts zu tun. Grunde keine Eigenschaft Alt. 1 BGB vor, so dass es nicht mehr ankommt. 6 durch M hat mit deren BeschafFolglich liegt schon aus diesem der Sache i.S.v. § 119 Abs. 2 auf die Verkehrswesentlichkeit cc) Zwischenergebnis Andere Anfechtungsgründe sind nicht ersichtlich. 6 Zu den vertretenen Auffassungen zur Verkehrswesentlichkeit vgl. Köhler, BGB AT, 38. Aufl. 2014, Rn. 21. SEITE 9 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G c) Anfechtungsfrist Hilfsgutachtlich ist anzumerken, dass bei Vorliegen eines beachtlichen Irrtums S seine Anfechtungserklärung unverzüglich i.S.v. § 121 BGB erklärt hätte. Aufbauhinweis: In welcher Reihenfolge die einzelnen Prüfungspunkte angesprochen werden, bleibt Ihnen überlassen, solange nur der Aufbau logisch ist. Nachdem hier der Anfechtungsgrund verneint wird ist er aus klausurtaktischen Gründen sinnvollerweise am Ende zu prüfen. Andernfalls müsste man diese Frage in einem Hilfsgutachten behandeln, was man möglichst vermeiden sollte. Nachdem sich die Anfechtungsfrist jedoch nach dem einschlägigem Anfechtungsgrund richtet (§§ 121, 124 BGB), kann diese erst nach feststehen des maßgeblichen Anfechtungsgrundes geprüft werden. d) Zwischenergebnis Folglich ist der Mietvertrag zwischen K und S nicht als von Anfang an nichtig anzusehen. Der Anspruch des K gegen S auf Zahlung der Miete für Dezember ist damit nicht durch Anfechtung erloschen. 2. Erlöschen ex nunc durch Kündigung Der aus dem wirksamen Mietvertrag folgende Anspruch des K auf Zahlung der Miete für Dezember könnte jedoch erloschen sein, wenn S den Mietvertrag rechtzeitig gekündigt hat und damit das Mietverhältnis spätestens mit Wirkung zum 30. November beendigt wurde. a) Kündigungsrecht Ein unbefristeter Mietvertrag kann vom Mieter ohne Grund ordentlich gekündigt werden, §§ 542 Abs. 1, 549 Abs. 1 BGB. 7 b) Kündigungserklärung aa) Inhalt und Adressat In seiner telefonischen Erklärung gegenüber K brachte S eindeutig zum Ausdruck, sich von dem geschlossenen Mietvertrag lösen zu wollen. Somit kann die Erklärung des S auch als Kündigungserklärung ausgelegt werden (§§ 133, 157 BGB). Die ausdrückliche Verwendung des Wortes „Kündigung“ ist nicht erforderlich. Diese von S abgegebene Kündigungserklärung ist dem K auch zugegangen (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB analog, eingeschränkte Vernehmungstheorie). bb) Form Die von S erklärte Kündigung könnte jedoch gem. § 125 S. 1 BGB wegen Formmangels nichtig sein. Das gesetzliche 7 Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 573 BGB, der für die ordentliche Kündigung des Vermieters besondere Gründe nennt. SEITE 10 VON 11 AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2014/15 FALL 17 – LÖSUN G Schriftformerfordernis für die Kündigungserklärung ergibt sich aus §§ 568 Abs. 1, 549 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 BGB wurden mit der telefonischen Erklärung des S indes nicht eingehalten. Folglich ist die Erklärung nichtig. c) Kündigungsfrist Hilfsgutachtlich ist anzumerken, dass S bei einer wirksamen Kündigungserklärung zudem die Kündigungsfrist aus §§ 573c Abs. 1 S. 1, 549 Abs. 1 BGB hätte wahren müssen. Mit einer wirksamen Kündigungserklärung am 2. September wäre damit das Mietverhältnis mit Ablauf des 30. November beendet worden. d) Zwischenergebnis Der Mietvertrag wurde nicht durch die Kündigung des S beendet. Der aus dem wirksamen Mietvertrag folgende Anspruch des K auf Zahlung der Miete für Dezember ist damit auch nicht durch Kündigung erloschen. 3. Zwischenergebnis Der Anspruch des K gegen S auf Zahlung der Miete für Dezember ist nicht wieder erloschen. III. Einrede des § 320 Abs. 1 BGB Da die Miete laut Mietvertrag von S im Voraus zum dritten Werktag eines Monats zu entrichten ist, steht S auch nicht die Einrede des § 320 Abs. 1 BGB zu. Der Anspruch ist folglich durchsetzbar. IV. Ergebnis Aufgrund des nach wie vor bestehenden Mietvertrages kann K von S am 3. Dezember Zahlung der vereinbarten Dezembermiete verlangen. SEITE 11 VON 11