Interview mit Dr. De Meo in der Berlin Medical
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Interview mit Dr. De Meo in der Berlin Medical
Berlin Medical Aktuell „Vergütung ist nicht alles“ Das Klima in deutschen Krankenhäusern verschlechtert sich zunehmend. Ärzte streiken auf Grund der schlechten Rahmenbedingungen, die sie hier zu Lande vorfinden, und auch die Pflege droht mittlerweile mit Streiks. Welche Auswirkungen das auf die Patientenversorgung hat und wie sich die Rahmenbedingungen für Ärzte verbessern lassen – darüber sprach Berlin Medical mit Dr. Francesco De Meo, Geschäftsführer der HELIOS-Kliniken GmbH zuständig für Personal, Recht, Forschung und Wissenschaft. Ärzte-Streiks prägen derzeit die Tagesordnung. Unter dem Motto „Weltmeister-Medizin ohne Ärzte“ warnten gerade wieder 3.000 Ärzte bei einer Demo in Berlin davor, ihre Streiks notfalls auch bis zur Fußball-WM fortzusetzen. Sind die HELIOS-Kliniken davon auch betroffen? In Ihrem Programm „Arzt bei HELIOS“ differenzieren Sie zwischen Weiterbildung, Vergütung und attraktiven Arbeitsbedingungen. Was verstehen Sie unter attraktiven Arbeitsbedingungen? De Meo: Nein, die HELIOS-Kliniken sind bislang nicht von den Streiks betroffen. Keine streikenden Ärzte bei HELIOS – wie kommt das? De Meo: Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir mit dem Marburger Bund einen Konzerntarifvertrag verhandeln und mit einem Pilotprojekt in Hessen schon vor zweieinhalb Jahren ein Signal gegeben haben, indem wir den Ärzten mehr bezahlen als nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes. Heißt das, dass die Ärzte der HELIOS-Kliniken bessere Rahmenbedingungen vorfinden als ihre Kollegen, die momentan auf die Straße gehen? De Meo: Unsere Umstrukturierung bei der Vergütung ist nicht unbedingt für alle Ärzte besser, jüngere Ärzte und Ärzte, die zügig ihre Facharztausbildung absolvieren, profitieren in jedem Fall davon. Die Vergütung ist aber nicht alles, auch wenn man das immer glaubt. Zu dem, was Ärzte als „angenehme Rahmenbedingungen“ empfinden, gehören nach unseren Auswertungen auch generell verbesserte Arbeitsbedingungen, ein positives Klima und Förderungen für die Weiterbildung, eine möglichst effiziente und schnelle Facharztausbildung und Möglichkeiten für Forschung und Wissenschaft. Da bieten wir mehr als die öffentlichen Kliniken und auch mehr als unsere privaten Mitbewerber. Was zum Beispiel? De Meo: Die HELIOS-Kliniken haben ein Wissenschaftsbudget für Wissenschaftliche 42 Dr. Francesco De Meo, Geschäftsführer der HELIOS-Kliniken GmbH Leistungen, das wir jedes Jahr aufstocken. Derzeit beträgt es – auf Grundlage der bis vor kurzem noch 24 HELIOS-Kliniken – jährlich mindestens 600.000 Euro, hinzu kommen Förderprojekte im Volumen von jährlich zwischen einer Viertel Million bis zu einer halben Million Euro. Von dem Wissenschaftsbudget ist ein Teil für die Gruppe der Assistenzärzte, also den medizinischen Nachwuchs im Konzern, reserviert. Damit können wir zum Beispiel Vorträge oder Veröffentlichungen und Studienerfolge entsprechend honorieren, mit Boni, die zwischen 500 und 2.000 Euro für den Einzelnen pro Leistung liegen. Gleichzeitig gibt es noch einen Abteilungsbonus für Abteilungen, die im wissenschaftlichen Profil besonders gut sind, der sich in der Regel je nach Abteilung zwischen 2.000 und 15.000 Euro bewegt. Dieses Geld können die Abteilungen selbst verwalten, mit diesem Geld können dann Geräte angeschafft und Fortbildungen oder bestimmte Projekte oder Weiterbildungen bezahlt werden. De Meo: Wir fokussieren auch die Dinge, die zunächst unwichtig erscheinen, aber für Ärzte in ihrem Arbeitsalltag oft sehr wichtig sind. Zum Beispiel: Wie sieht ein Bereitschaftsdienstzimmer aus? Welche Möbel sind da drin? Gibt es eine Dusche für Ärzte? Ist der Weg zur Dusche nicht zu lang? Gibt es gutes Essen? Attraktive Arbeitsbedingungen heißt auch: Arbeiten im Team, also mit Kollegen, aber auch berufsübergreifend, vor allem zum Beispiel mit den KollegInnen in der Pflege. Da tun wir – z. B. mit dem Projekt Betreuungsqualität bei HELIOS – eine ganze Menge, um diese „weichen“ Faktoren im Interesse unserer MitarbeiterInnen und der medizinischen Qualität für unsere Patienten voranzubringen. Sie sprachen eben schon den Konzerntarifvertrag an, den Sie gemeinsam mit ver.di und dem Marburger Bund verhandeln, und der für den gesamten HELIOS Konzern gültig sein wird. Wie weit sind Sie in diesen Verhandlungen gekommen und was bedeutet er für Ihre Mitarbeiter? De Meo: Wir verhandeln mit ver.di und dem Marburger Bund, das ist richtig, aber nicht mehr gemeinsam in einem Raum, sondern parallel räumlich getrennt. Mit ver.di kommen wir ganz gut voran, wir haben einen Vorschalttarifvertrag abgeschlossen, auch für die Arbeitszeit. Beim Marburger Bund differenzieren wir gegenwärtig und versuchen eine Lösung zu finden, die den dortigen Bedürfnissen noch mehr Rechnung trägt. Den Mantel haben wir weitgehend durch, das Thema Arbeitszeit haben wir mit ver.di durch und klären es jetzt noch mit dem Marburger Bund, beim Entgelt haben wir angefangen, die ersten Strukturen zu schaffen. Was den Marburger Bund betrifft, ist Ausgangspunkt noch der Pilot, den wir Berlin Medical Berlin Medical Aktuell in Hünfeld mit dem Marburger Bund abgeschlossen haben. Der beinhaltet zum Beispiel, dass wir – wie nach der Abschaffung des AiP von uns konzernweit umgesetzt – keinem Assistenzarzt unter 3.000 Euro Brutto im Monat als Grundvergütung zahlen, zzgl. Bereitschaftsdienste etc. Das gilt sowohl für Ost als auch für West. Wir versuchen also am Ende im Ergebnis jeweils etwas Sinnvolles hinzubekommen, was auch bezahlbar bleibt. In der HELIOS-Klinik Schwerin haben Sie das neue Arbeitszeitgesetz nach EU-Recht schon umgesetzt. Es wurden 20 neue Ärzte eingestellt, um den Mammutsbereitschaftsdienst zu beenden. Hat sich dieser Schritt bewährt? De Meo: Er hat sich insofern bewährt, indem er gezeigt hat, dass man das Arbeitszeitgesetz umsetzen kann. Auch im Hinblick auf die Neueinstellung von Ärzten hat er sich bewährt, von den 20 ausgeschriebenen Stellen konnten wir kurzfristig 15 besetzen, bei den weitere fünf laufen gerade die Besetzungsverfahren. Nicht bewährt hat sich dieser Schritt, was die Arbeitsbedingungen und die Akzeptanz betrifft. Entgegen dem, was früher die Ärzte, der Marburger Bund und der Gesetzgeber forderten, zeigt sich, dass die eher schichtorientierten Modelle mit Früh-/Spätschicht sowie anschließendem Bereitschaftsdienst, die übrigens die einzige Möglichkeit darstellen, um das zu erfüllen, was das Arbeitszeitgesetz vorschreibt, die Ärzte nicht glücklicher hinsichtlich der Art, wie sie arbeiten müssen, machen und dass sie auch Einkommensbußen erleiden. Im Durchschnitt verdienen die Ärzte bei einem arbeitszeitkonformen Modell durchaus bis zu 200 Euro im Monat weniger, wenn man nicht etwas drauflegt. Ihr Fazit? De Meo: Es ist machbar, es ist auch machbar unter den extrem schwierigen Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber vorgegeben hat, es ist aber sicher nicht sinnvoll das Gesetz so auf Dauer unmodifiziert zu belassen. Der Gesetzgeber muss noch mal drüber nachdenken, ob er nicht den Bedürfnissen der Praxis, insbesondere denen der Ärzte entgegenkommen kann. Zur HELIOS-Gruppe gehören ja insgesamt 51 Kliniken und über 24.000 Mitarbeiter. Lässt sich die neue Arbeitszeitenregelung für die anderen noch aufhalten? Berlin Medical De Meo: Wenn der Gesetzgeber bei seiner jetzigen Arbeitszeitgesetzgebung bleibt, kommen wir nicht umhin, sie im Wesentlichen so umzusetzen. Wenn wir aber andere Rahmenbedingungen bekommen und wenn wir auch tariflich stärker flexibilisierte Regelungen vom Marburger Bund bekommen, ließe sich das auch sinnvoller modifizieren. Das Allheilmodell gibt es allerdings nicht. Je nach Klinikgröße sind die Probleme unterschiedlich, so dass wir auch nach Versorgungsstufen differenzieren müssen. Die großen Krankenhäuser wie Schwerin als Maximalversorger, der im Leistungsspektrum vergleichbar ist mit einer Universitätsklinik, können das Arbeitszeitthema noch einigermaßen lösen. Die kleineren Kliniken mit 100 oder 200 Betten haben damit sehr viel mehr Probleme. Es zeigt sich, dass der Gesetzgeber zwar Gutes gemeint, aber es nicht wirklich mit Blick für die Praxis durchdacht hat. Wir sind froh, dass wir nachweisen können, in welchem Maße das Gesetz sinnvoll ist, wo die Probleme liegen, welche davon noch lösbar sind und wo man einfach noch mal drüber nachdenken sollte, ob man nicht gesetzgeberisch die Rahmenbedingungen etwas modifiziert. Damit können wir – wie wir hoffen – auch einen Beitrag für die Weiterentwicklung des Themas Arbeitszeit im Rahmen der Diskussion zur Gesundheitsreform leisten. Wie sehen Sie den Abschluss zwischen Charité und Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder? De Meo: Ich sehe das zwiespältig. Der eine Teil, der durchaus interessant ist, ist die Flexibilität, die ist allerdings verbunden mit erheblich höheren Kosten, wobei die Charité dies zu Lasten der Pflege umverteilen möchte, weil die Pflege über einen Sanierungstarifvertrag abgesenkt wurde. Das heißt, man spielt dort ganz bewusst mit der „Cockpitisierung“ der Ärzte, damit meine ich die hohen Gehaltsforderungen der Ärzte, was einen Keil zwischen die Berufsgruppen treibt. Vieles, was die Ärzte sagen, ist auch zutreffend, das Problem ist nur, dass das System nicht mehr Volumen hergibt und solange der Gesetzgeber dieses System zulässt und nicht mehr Geld hinein gibt, geht die Belastung auf Kosten Dritter sprich, die Patienten werden unter dem Verteilungskampf der Berufsgruppen leiden. Bei der Charité haben die Krankenschwestern schon Streik angedroht, und ich bin überzeugt, sie werden das auch machen. Wenn nach den Ärzten nun die Pflege also ihrerseits sagt, das kann und darf nicht zu unseren Lasten gehen, wir legen auch die Arbeit nieder, dann muss man sich als Patient wirklich fragen, ob es klug ist gerade jetzt in Deutschland krank zu werden. Was passiert, wenn beide Seiten – also Ärzte und Pflege – streiken? De Meo: Diese Situation wäre fatal. Wie sollen dann noch die Patienten gut versorgt werden? Wenn so eine Situation tatsächlich eintrifft, dann ist das Thema überreizt. Dann hat der Marburger Bund zwar das erreicht, was er wollte, zum Beispiel viele Mitglieder und Resonanz für die berechtigten Belange der Ärzte zu gewinnen, aber nicht das Ziel, für das die Ärzte eigentlich immer standen, nämlich dass die Patienten gut versorgt werden. Diese Situation wäre auch fatal für den Berufsstand, fatal für das Ansehen der Ärzte und der Krankenhäuser und fatal für den gesellschaftlichen Konsens im Hinblick auf das Thema Krankheit oder Gesundheit. In Anbetracht dessen, was zuletzt passiert ist, mache ich mir große Sorgen, dass man hier tarifpolitisch zu sehr mit dem Feuer gespielt hat. Die Rahmenbedingungen in Deutschland treiben die Ärzte nicht nur auf die Straße, sondern auch ins Ausland. Sehen Sie sich von einem Ärztemangel bedroht? De Meo: Wir selbst als Konzern sind derzeit noch nicht davon bedroht, wir sehen aber an verschiedenen Standorten, dass es schwieriger wird, gute Leute zu bekommen, insbesondere für eine kleine Klinik, die vielleicht in einem weniger attraktiven Umfeld liegt. Als Konzern können wir gegensteuern, aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Situation verschlimmert. Deshalb arbeiten wir mit verschiedenen Maßnahmen dagegen an. Ein großes Projekt ist „Arzt bei HELIOS“, ein weiteres ist die „Qualitätsoffensive für Ärzte in Weiterbildung“, wir haben ja 1.040 Ärzte in Weiterbildung. Außerdem läuft ein Projekt, das wir auch tariflich diskutieren, es nennt sich „Wissen + Mehr“. Da geht es darum, den Ärzten eine Option zu eröffnen, ihre Überstundenvergütungen und Vergütungen von Bereitschaftsdiensten zum Teil in die eigene Fort- und Weiterbildung zu investieren. Das Geld, das die Ärzte bislang von ihrem Nettoeinkommen aufbringen mussten, kann dann direkt über den Arbeitgeber und von diesem gefördert aus dem Bruttobetrag in die Fort- und Weiterbildung fließen. 43 Berlin Medical Aktuell Die schlechte Stimmung greift auch auf die Studenten über, das Medizinstudium wird immer unbeliebter. De Meo: Das ist kein Wunder, denn in Deutschland ist schon das Studium bei einem internationalen Vergleich zu lang, und dann werden zum Beispiel die Studenten im praktischen Jahr, das sie vorwiegend an den Unikliniken absolvieren, viel schlechter behandelt als im Ausland. Sie werden nicht strukturiert weitergebildet bekommen kein oder nur ganz wenig Geld, das Essen müssen sie oft noch selbst bezahlen, sie bekommen keine Unterstüt- 44 zung bei der Wohnung oder Hilfe, sich in ihrem Umfeld zurechtzufinden. Das sind alles Dinge, die heute von guten Universitäten, egal wo diese sonst auf der Welt sind, in der Regel viel besser für den Medizinernachwuchs geregelt werden als in Deutschland. Mediziner gehen ja nicht weg, weil ihnen Deutschland nicht gefällt, sondern weil die Rahmenbedingungen hier zu Lande viel schlechter sind als anderswo. Wenn ich in Deutschland so behandelt werde, dass ich mich nicht wertgeschätzt fühle, warum soll ich in dann in Deutschland bleiben? Dann gehe ich doch lieber z. B. in die Schweiz, wo ich mehr Wertschätzung finde werde und mich besser als Arzt verwirklichen kann. Was können die HELIOS-Kliniken tun, um mehr Begeisterung für diesen Beruf zu schaffen? De Meo: Für Medizinstudenten planen wir in den nächsten Monaten etwas sehr Interessantes auf den Markt zu bringen, das helfen soll, die Unzufriedenheit bei dieser Personengruppe abzubauen. Es wäre aber noch etwas früh, damit schon an die Öffentlichkeit zu gehen. Interview: Beatrice Hamberger Berlin Medical