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Druckversion Artikel aus Politik Nürnberger Nachrichten 28.05.10 01:12 Wer Angriffskriege führt, soll vor Gericht landen Auf einer Konferenz in Kampala soll der Internationale Strafgerichtshof gestärkt werden STRASSBURG - Das eine Problem ist die Definition. Das andere - viel größere - ist die Frage, wie sehr der UNSicherheitsrat mitreden darf. Seit Jahren verhindert die Uneinigkeit über diese beiden Punkte, dass Angriffskrieg international Aggression genannt - als Straftat anerkannt ist. Als eine Tat, die der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) ahnden könnte. Und für die sich dann das Führungspersonal eines angreifenden Staates verantworten müsste. Also dessen Staatschefs oder Außenminister etwa. Anfang Juni nun soll alles anders werden. Dann nämlich treffen sich über 1000 Teilnehmer zur ersten Revisionskonferenz des IStGH-Statuts in Ugandas Hauptstadt Kampala. Geladen hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Das Treffen gilt als bedeutendstes Ereignis für die internationale Strafgerichtsbarkeit, seit 1998 der Grundstein für den IStGH gelegt wurde. Geplant ist eine Bestandsaufnahme der internationalen Strafjustiz. Geplant ist zudem eine Debatte über die Straftat Angriffskrieg. »In Kampala öffnet sich ein Fenster der Möglichkeit, eine empfindliche Lücke im bestehenden System der Völkerstrafgerichtsbarkeit zu schließen«, sagt Claus Kreß. Der Professor der Universität zu Köln, der derzeit in Cambridge lehrt, berät die deutsche Delegation. Er erinnerte an den Briand-Kellogg-Pakt, in dem 1928 auf den Krieg als Instrument bei gegenseitigen Konflikten verzichtet wurde. Erinnerungen ans Nürnberger Militärtribunal Kreß erinnert außerdem an das Nürnberger Militärtribunal. »Es war kein Betriebsunfall, dass das Verbrechen der Führung eines Angriffskrieges im Zentrum stand, als das Völkerstrafrecht in Nürnberg seinen Durchbruch erlebte.« Es sei vielmehr folgerichtig gewesen, bei den Nürnberger Prozessen Aggression »in den schaurigen Rang des schwersten internationalen Verbrechens« zu erheben. Der Kölner Professor ist davon überzeugt, dass der vorliegende Definitionsvorschlag der Arbeitsgruppe des IStGH »konsensfähig« ist. Bedenken hegt er aber bezüglich der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gerichtshof Aggression verfolgen darf: Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates fordern, dass ein Aggressions-Verfahren nur mit dessen Zustimmung eingeleitet werden darf. Andere Staaten lehnen eine solche Monopolstellung ab. Aus ihrer Sicht soll der Sicherheitsrat zwar ein Verfahren auslösen können, der Gerichtshof soll aber genauso gut ohne ihn tätig werden können. Wissenschaftler uneins über die Marschrichtung Trotz dieses Streits empfiehlt Kreß der Bundesregierung, in Kampala auf eine Einigung über das Aggressionsverbrechen hinzuarbeiten. Seine Kollegen von der Universität Potsdam sehen das anders. Die Professoren Eckart Klein und Andreas Zimmermann halten eine Erweiterung des Strafrechtskatalogs derzeit für falsch. Zimmermann verweist darauf, dass »nach wie vor nicht unwesentliche völkerrechtliche Bedenken« entgegenstünden. »Viele Situationen fallen in eine völkerrechtliche Grauzone.« Er hält es für fraglich, ob der IStGH überhaupt die geeignete Institution dafür sei, über das Vorliegen von Aggression zu entscheiden. Aus Sicht von Klein kann Aggression ohne Einbeziehung des Sicherheitsrates nicht definiert werden. Gleichzeitig werfe die http://www.nn-online.de/artikel_druck.asp?art=1232755&kat=3&mank=NN&catch=Politik&man=N%FCrnberger%20Nachrichten Seite 1 von 2 Druckversion Artikel aus Politik Nürnberger Nachrichten 28.05.10 01:12 Einbeziehung des UN-Gremiums aber einen »zutiefst politischen Schatten auf die Gerichtsbarkeit des IStGH, die der Institution als Ganzes nur schaden kann«. Aus diesem rechtlichen Diskurs hält sich die bayerische Europaabgeordnete Barbara Lochbihler (Grüne/Europäische Freie Allianz) lieber heraus. Dennoch hat sie in Straßburg eine eigene Resolution zum Angriffskrieg eingebracht, die mit kleinen Korrekturen angenommen wurde. Demnach wird sich die Delegation des Europarates in Kampala dafür einsetzen, dass auf jeden Fall über die Straftat Angriffskrieg gesprochen wird. Unabhängigkeit des Strafgerichtshofs sichern »Es ist enorm wichtig, dass man dieses hochpolitische Thema nicht einfach nicht behandelt, nur weil es schwierig ist«, sagt Lochbihler. »Wir brauchen auf jeden Fall eine Lösung, die die Unabhängigkeit des Strafgerichtshofs sicherstellt.« Die Erwartungen, dass es in Kampala tatsächlich zu einem Beschluss kommen wird, dämpft sie jedoch. Sie hofft aber wenigstens auf ein Abschlussprotokoll, in dem Einigkeit darüber dokumentiert wird, die unabhängige Arbeit des Strafgerichtshofs weiter zu unterstützen. Gudrun Bayer 28.5.2010 © NÜRNBERGER NACHRICHTEN http://www.nn-online.de/artikel_druck.asp?art=1232755&kat=3&mank=NN&catch=Politik&man=N%FCrnberger%20Nachrichten Seite 2 von 2