anzüge Machen MänneR
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anzüge Machen MänneR
Genüsslichesmassanzüge 72 Anzüge machen Männer Der Anzug ist der treue Begleiter des Mannes. Ob Financier, Türsteher oder Bestatter – ein Herrenanzug lässt sie Kompetenz und Zuverlässigkeit ausstrahlen. Was die Engländer früh kultivierten, hat modisch nicht an Relevanz verloren. Der Trend nach Massanzügen bestätigt dies. S chon Gottfried Keller wusste: Kleider machen Leute. Träger von gepflegten Herrenanzügen wirken kompetent, seriös und vertrauenswürdig. Aus der Geschäftswelt ist die Kombination von Sakko und Hose nicht mehr wegzudenken. Und selbst an so manchem Freizeitanlass wird das Tragen des stilvollen Klassikers vorausgesetzt. Je nach modischer Gesinnung und Budget zieren Markennamen wie Hugo Boss, Armani oder Zara die Etikette auf dem Innenfutter. Es sei denn, der Anzug ist massgeschneidert. schinen über die ersten Serienanzüge. Bis zu diesem Zeitpunkt trugen Männer und Frauen ausschliesslich handgefertigte Kleidung. Auch der Begriff Anzug hatte damals noch eine andere, eine praktische, Bedeutung. Gemeint war eine als Einheit getragene Kleidung wie beispielsweise der Arbeitsoverall oder die Militäruniform. Individualität vor Masse Ein Verständniswandel fand in den letzten Jahren auch hinsichtlich Massanzügen statt. Was bis Mitte der 90-er Jahre noch als elitär und extravagant galt, umschmiegt heute vermehrt auch Konstruktionen entgegen. Dank der neuen automatischen Vermessungstechnik können Massanfertigungen heute zu Preisen angeboten werden, die nicht viel höher sind als die der Konfektionsware. Die Nachfrage nach Massarbeit jedenfalls wächst stetig – und mit ihr der Markt. Doch büssen Massanzüge nicht an Prestige ein, wenn die Preise sinken? Soltermann dazu: «Das mag sein, doch bei unseren Kunden stelle ich selten Prestigegedanken als Kaufmotivation fest. Zu uns kommen zum Beispiel auch Studenten, die für ihre ersten Bewerbungsgespräche die richtige Kleidung suchen.» Seine Kundschaft sei breit gefächert, und es gehe ihr primär darum, optisch das Beste aus ihrem Anzug rauszuholen. Dadurch, dass er und seine Mitarbeiter sowohl in Schnitt, Stoff, Farbe und Passform auf spezifische Wünsche und die Persönlichkeit des Kunden eingehen können, erhalte dieser den auf ihn optimal zugeschnittenen Anzug. Neues Kundenbewusstsein Thatsuits und viele andere Hersteller von «Mass Vom Rüschenrock zur Uniform Im Customization» beschäftigen dafür ausVorbürgertum hüllte sich der Adel in gebildete Schneider und Modefachleute. prunkvolle, farbenkräftige und voluDer Kunde wird in der Schweiz beraminöse Stoffkreationen. Damit stellte ten und vermessen. Die eigentliche Herer seinen hohen Gesellschaftsrang zur stellung findet im Ausland statt. ZuSchau. Mit Ende der Französischen Rerück im Schweizer Atelier verpassen die volution forcierten vor allem die EngSchneider dem Stück vor Ort den letzländer ein neues Modebewusstsein. ten Schliff. Änderungsarbeiten werden Man hatte genug von der französischen ebenfalls in der eigenen Schneiderei vor Hofkultur. Neu waren Schlichtheit, DeOrt vorgenommen. Die hochwertigen zenz und Körperbetontheit angesagt. Stoffe bezieht Soltermann von namhafImmer tragbar und elegant sollte die ten Webereien wie Cerruti oder Vitale Kleidung sein. Aus diesem Bedürfnis Barberis aus Italien, Australien und der heraus entstand der Herrenanzug. BeSchweiz. Damit könne er hohe Qualität stehend aus Jackett, Hose und allenfalls garantieren und wisse genau, womit er Weste, galt er fortan als gesellschaftsfähig. des Normalverdieners Körper. Seit einiger es zu tun habe. Dass unter den Konsumenten Inspiriert wurde die neue Mode unter ande- Zeit, so scheint es, schiessen in der Schweiz das Bewusstsein für faire Produktionsmethorem vom Sportgewand des englischen Adels, und anderen europäischen Ländern Massbe- den gewachsen ist, merkt auch Soltermann. der Dandy wirkte denn auch als Botschafter. kleidungsfirmen wie Pilze aus dem Boden. «Neue Kunden konfrontieren mich häufig Seine Lebensphilosophie prägte die Grund- Haben Männer ein neues Modebewusstsein mit Fragen dieser Art. Und das ist gut so.» Er idee des Anzugs massgeblich. Der «englische entdeckt, oder ist Kleidung nach Mass preis- kennealle seine Zulieferer im Ausland und leStutzer» lebte nach dem Grundsatz, stets ad- werter geworden? «Beides ist der Fall», meint ge seineHand dafür ins Feuer, dass seine Nääquat und schick gekleidet zu sein. Diesen Markus Soltermann, Geschäftsführer von herinnen unter guten Arbeitsbedingungen Anspruch haben auch heutige Anzugträger. Thatsuits, einem Zürcher Massbekleidungs- produzieren. Die Produktion der DamenÜberhaupt hat das mehrteilige Dress in den hersteller. «Heute sucht der Konsument wie- kleidung findet in Hamburg statt, jene der letzten 150 Jahren keine monumentalen Ver- der vermehrt das Individuelle. Wer sich in Männerkollektion in China. Der Kunde müsänderungen erfahren. einer Leistungsgesellschaft wie der unseren se kritisch sein und hinterfragen. Dies gelte Monumental waren dafür die Fortschritte, behaupten will, muss sich von seinen Kon- auch für massgeschneiderte Urlaubssouvenirs die in der Produktion erzielt wurden. Mit der kurrenten abheben.» Und da der erste Ein- aus Thailand, die im Übrigen nicht zwingend Verbesserung der Nähmaschine und dem druck bekanntlich zählt – erst recht in Zeiten von schlechter Qualität sein müssen. «Doch Auftreten der ersten leistungsfähigen mecha- des harten Wettbewerbs – seien sowohl Hülle viele tappen in Touristenfallen und kommen nischen Webstühle um das Jahr 1850 herum als auch Kern entscheidend. mit entsprechend billiger Warenach Hause», begann das Zeitalter der Konfektion, der se- Dem vermehrten Wunsch nach Individu- warnt Soltermann. Ob einen ein solcher Anrienmässigen Produktion von Kleidungsstü- alität kam in den 90-er Jahren die Entwick- zug in bestem Licht erscheinen lässt, sei dahin cken. In den Fabriken ratterten die Nähma- lung einer Software für dreidimensionale gestellt. RetroN°35Punktmagazin