Aufklärung von Vergiftungen in der Rechtsmedizin Forensische
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Aufklärung von Vergiftungen in der Rechtsmedizin Forensische
Aufklärung von Vergiftungen in der Rechtsmedizin 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Was sind und wie wirken Gifte ? Hinweise auf Vergiftung am Auffindeort Hinweise auf Vergiftung am Verstorbenen Hinweise auf Vergiftung bei der Obduktion Systematische Toxikologische Analyse Kohlenmonoxid-Vergiftung Blausäure-Vergiftung Befunde bei Brandopfern Lösemittelvergiftungen Giftbeibringung durch fremde Hand - K.-o.-Mittel - Giftmord Forensische Toxikologie Chronische und akute Vergiftungen Welche Substanzen können bei Vergiftungen vorkommen? - Alkohol - Drogen (Heroin, Cocain, Amphetamine, Ecstasy, Cannabis) - Arzneimittel aller Art Hypnotika, Sedativa, Psychopharmaka, Antiepileptika Analgetika, Antipyretika, Antirheumatika, Antiallergika Herz-Kreislauf-Medikamente, Antidiabetika - Haushaltschemikalien aller Art Frostschutzmittel, Klebstoffe, Kosmetika, Reinigungsmittel, Verdünner - Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel - Anorganische Gifte: z. B. As, Tl, HCN, CO, NaNO2 - Pflanzliche und tierische Gifte: z. B. Tollkirsche, Schierling Herbstzeitlose, Knollenblätterpilz Wirkungsmechanismen von Giften (Beispiele) ¾ Störung der Sauerstoffversorgung - Reizgase: HCl, NO2, COCl2, NH3 - Kohlenmonoxid (CO) - Methämoglobinbildner: Nitrite, Nitrate, Chlorate ¾ Störung derSauerstoffverwertung - HCN und Cyanide - H2S ¾ Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung - 4,6-Dintritro-o-cresol (DNOC, Herbizid) ¾ Blockierung des Citronensäurecyclus - Monofluoressigsäiure ¾ Blockierung von SH-Gruppen in Enzymen - Giftige Metalle wie Pb, Cd, As, Hg ¾ Störung des Säure-, Base- , Wasser- oder Elektrolythaushaltes - Methanol, Ethylenglycol, Oxalsäure ¾ Reaktionen mit spezifischen Rezeptoren - illegale Drogen, Medikamente ¾ Zellschädigung durch reaktive Produkte der Biotransformation von Giften Ablauf der Aufklärung einer Vergiftung Wann ist eine toxikologisch-chemische Untersuchung bei Todesfällen erforderlich? ¾ Hinweise auf eine Vergiftung am Auffindungsort, bei der äußeren Leichenschau oder bei der Obduktion ¾ Keine eindeutige Todesursache bei der Obduktion ¾ Befunderhebung bei der Obduktion wegen fortgeschrittener Leichenveränderung nicht möglich ¾ Zur Klärung der Todesumstände bei Tötungsdelikten und Unfällen (z. B. Brandopfer, Verkehrsunfälle, Arbeitsunfälle, Tötung durch scharfe oder stumpfe Gewalt) Beispiele bei denen die Obduktion oft keine Todesursache mehr ergibt Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Brand, Brandgeruch, defekte Gasgeräte Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Leere Arzneimittelverpackungen, verstreute Tabletten, Trinkgefäße mit Anhaftungen, Flaschen mit Chemikalien Suizid mit Chloroquin Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten Alkohol + Medikamente - Leere, verstreute Tabletten, Trinkgefäße mit Anhaftungen, Flaschen mit Chemikalien Arzneimittelverpackungen - Auffälliges Aussehen oder Geruch von Erbrochenem Herzinfarkt! Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Leere, verstreute Tabletten, Trinkgefäße mit Anhaftungen, Flaschen mit Chemikalien, Arzneimittelverpackungen Kombinierter Suizid mit Schlafmitteln und Ertrinken Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Leere, verstreute Tabletten, Trinkgefäße mit Anhaftungen, Flaschen mit Chemikalien, Arzneimittelverpackungen, Injektionsbestecke etc. Suizide mit Narkosemitteln Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Abschiedsbrief und keine andere Todesursache Flunitrazepam Diphenhydramin + Alkohol Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten - Drogenutensilien aller Art Hinweise auf Vergiftungen und Ermittlungen am Auffindungsort des Toten Unterlagen, Schriftstücke, Ermittlungen aus dem Umfeld des Verstorbenen: - Beruf des Betroffenen – zu welchen Giften und Chemikalien bestand beruflich Kontakt ? - Tagesablauf des Betroffenen - Umgang und Milieu - Auffälligkeiten in der letzten Zeit - Krankheiten, behandelnder Arzt, regelmäßig eingenommene Medikamente, Rezepte Hinweise bei der äußeren Leichenschau auf eine Vergiftung In der Mehrzahl der Fälle kann eine Vergiftung nicht äußerlich erkannt werden! - Abweichende Pupillengröße: Weit: z. B. Atropin, Cyanid, Methanol Eng: Opiate, Nicotin, Phosphorsäureester - Geruch: z. B. HCN, Alkohol, organische Lösungsmittel - Injektionsstellen (auch an verdeckten Stellen) Hinweise bei der äußeren Leichenschau auf eine Vergiftung - Farbe der Totenflecken - normal grau-violett): - hellrot: CO, Cyanid Hinweise bei der äußeren Leichenschau auf eine Vergiftung - Schaumpilz vor dem Munde (toxisches Lungenödem) Hinweise bei der äußeren Leichenschau auf eine Vergiftung - Holzersche Blasen: länger überlebte Schlafmittelvergiftungen Hinweise bei der Obduktion auf eine Vergiftung - Giftreste im Magen- oder Darminhalt Rohypnol mit blauem Warnfarbstoff Hinweise bei der Obduktion auf eine Vergiftung - Ungewöhnliche Verfärbungen - Geruch des Mageninhaltes - Schaumbildung des Mageninhaltes - Innere Verätzungen Kupfer in konz. Salpetersäure Toxikologische Analyse Eine Vergiftung kann nur durch den eindeutigen chemisch-analytischen Nachweis des Giftes im Körper des Verstorbenen bewiesen werden! Urin Leber Glaskörperflüssigkeit Hirn MagenInhalt Herzblut Niere Liquor Venenblut Haare Post-mortem Materialien, routinmässig asserviert bei einem Todesfall Untersuchungsmaterialien für die toxikologischen Analyse - Venenblut: Wichtigstes Asservat, charakterisiert am besten den Zustand zum Zeitpunkt des Todeseintritts, Vergleichswerte von Lebenden und Toten zur Interpretation allgemein vorhanden - Herzblut: Liefert gelegentlich fehlerhaft überhöhte Konzentrationen - Mageninhalt, Dünndarminhalt: Hohe Konzentrationen bei oraler Aufnahme, kann auch bei andersartiger Applikation positiv sein, quantitative Bewertung nicht möglich - Urin: Wenig körpereigene Substanzen, hohe Konzentration, verlängerte Nachweisdauer, Beweis für Körperpassage, keine Interpretation des Vergiftungsgrades möglich - Organproben (Leber, Niere, Lunge, Hirn): Erhöhte Konzentrationen durch Proteinbindung, spezielle Aussagen, Interpretation schwierig - Galle, Liquor, Glaskörperflüssigkeit: für spezielle Fälle - Haare: Prüfung auf zurückliegenden oder chronischen Mißbrauch von Drogen, Medikamenten oder Alkohol Systematische Toxikologische Analyse Nachweis oder Ausschluss einer Intoxikation ohne gerichteten Verdacht auf bestimmte Gifte durch Analyse von Körperflüssigkeiten oder Organproben Vorversuche, Prüfung auf Einzelteste Alkohol und CO-Hb, Cyanid, flüchtige Gifte Immunoassays auf Btm. Prüfung auf schwerflüchtige organische Gifte Prüfung auf metallische Gifte Probleme der Systematischen Toxikologischen Analyse 1. Vielzahl der möglichen Gifte - Ca. 20 Mio bekannte definierte chemische Verbindungen - Davon ca. 100 000 in praktischer Nutzung - 16 000 Medikamentwirkstoffe - 1 500 Pflanzenschutzmittel 2. Sehr unterschiedliche Konzentrationen z. B. Letale Blutspiegel: Digoxin > 10 ng/mL Salicylsäure >1 mg/mL 3. Störung durch körpereigene Stoffe, Fäulnisprodukte usw. 4. Auftreten von Wirkstoffmetaboliten 5. Mischintoxikationen z. B. mit 5 oder mehr verschiedenen Medikamenten Prinzip der Systematischen Toxikologischen Analyse auf schwerflüchtige organische Gifte Anfertigung eines Extraktes, der möglichst viele der in Frage kommenden Gifte erfasst Auftrennung des Extraktes durch Chromatographie in die Einzelbestandteile Charakterisierung der Einzelbestandteile durch UV- oder Massenspektren und Retentionszeiten (HPLC-DAD und GC-MS) Identifizierung durch Computer-Vergleich der Spektren mit Datenbanken toxische Verbindungen Bestimmung der Konzentrationen aus den Signalstärken in den Chromatogrammen Systematische toxikologische Analyse durch Hochleistungs-Flüssigchromatographie/UV-Spektrometrie 1. Herstellen eines Extraktes aus der Blutprobe mit CH2Cl2 Systematische toxikologische Analyse durch Hochleistungs-Flüssigchromatographie/UV-Spektrometrie Extinktion 2. Durchführung der Messung: Auftrennung des Extraktes und Speicherung aller UV-Spektren W e g än nl le el Zeit Systematische Toxikologische Analyse durch Hochleistungs-Flüssigchromatographie/UV-Spektrometrie 3. Auswertung: Identifizierung durch Computersuche in Datenbank Quantifizierung durch Auswertung der Peakflächen Interpretation toxikologisch-chemischer Analysenergebnisse Angabe der festgestellten Substanzen - Internationaler Wirkstoffname oder IUPAC-Bezeichnung - Konzentration in µg/mL bzw. µg/g - Prinzipielle Wirkung/Verwendung der Substanz Einstufung der festgestellten Konzentration - Verwendung von Datensammlungen, Kasuistiken - Natürlich/therapeutisch – toxisch – komatös/letal Würdigung der Besonderheiten des Falles - Vorerkrankungen - Kombinationswirkung verschiedener Gifte - Verteilungsverhältnisse zwischen den untersuchten Proben - Verhältnis von Wirkstoff und Metaboliten Zusammenfassende Interpretation, z. B. „Der Tod des Betroffenen kann somit durch die orale Einnahme einer hohen Überdosis des Antidepressivums Amitriptylin in Kombination einer hohen Alkoholkonzentration herbeigeführt worden sein.“ Halbwertszeit der Eliminierung Luft: 130-240 min O2-Beatmung: 30-60 min CO-Vergiftung Nicht CO CO Kochprobe Extinktion - Angabe in % CO-Hb Todesfälle durch CO-Vergiftung ¾ Stadtgas ¾ Brandgase ¾ Defekte Gasgeräte mit Erdgas ¾ Defekte Öfen oder Schornsteine ¾ Motorabgase ¾ Kohlegrill in geschlossenen Räumen ¾ Chemische Quellen: HCOOH HOOC-COOH konz. H2SO4 konz. H2SO4 CO + H2O CO + CO2 + H2O , enspricht 200-350 mg KCN Fe3+ Analytik: - Isotherme Destillation - ionenselektive Elektrode Letale Vergiftungen mit Cyanid ¾ Suizide, Morde, Unfälle ¾ Blausäureampullen bei Nazi-Führern ¾ Cyclon B in Auschwitz ¾ Massensuizid Tempel des Volkes in British Guyana ¾ Todesstrafe in USA – Gaskammer ¾ Gesellschaft für Humanes Sterben 900 Mitglieder der Sekte begingen 1978 in Guinea kollektiven Suizid Sektenführer Jim Jones Todesstrafe mit Blausäure Rasputin vertrug tödliche Cyaniddosen (Mangel an Magensäure) Todeskapsel: 1 g KCN Für 5000 – 10000 DM Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben betrieb einen lebhaften Handel mit KCN Bemerkungen Selbstverbrennung Selbstverbrennung Mord - Benzinverbrennung Polyurethanschaumpolsterung Bettfedern Bemerkungen Feuerzeug Kinderzimmer verschlossen Umgestürzte Kerze Mehrere Stunden überlebt Künstl. Tannenbaum (Polyamid) Doppelmord durch Erwürgen Mord durch Erwürgen Toxikologische Befunde bei Brandopfern 1 J. m., CO-Hb 70 %, Cyanid 0,6 µg/mL Alkoholikerin, Ethanol 4,5 mg/g CO-Hb 45 % 2 J. w., CO-Hb 4,5 %, Cyanid 0,4 µg/mL Vergiftungen durch narkotisierende Gase und Lösungsmittel ¾ Missbrauch zu berauschenden Zwecken ¾ Unfälle ¾ Tötungsverbrechen Suizid mit Lachgas Was sind K.O-Mittel (K.O.-Tropfen)? Lösungen von Arzneimitteln, die dem Opfer in einem Getränk oder in Speisen beigebracht werden, und die vor allem in Kombinationswirkung mit Alkohol einen tiefen Schlaf oder eine Bewußtlosigkeit herbeiführen, so dass das Opfer gefahrlos sexuell missbraucht oder ausgeraubt werden kann. Eigenschaften von K.O.-Mitteln, die den Missbrauch begünstigen ¾ Niedrige Wirkdosis ¾ Gute und schnelle Auflösung in Getränken ¾ Keinen auffälligen Geschmack, Geruch, Farbe ¾ Schneller Wirkungseintritt ¾ Kurze Nachweisdauer (Halbwertszeit) Anterograde Amnesie ¾ Nach wieder aufgehelltem Bewusstsein und weitgehend geordnetem Verhalten ist die Merkfähigkeit für kürzere oder längere Zeit gestört. Retrograde Amnesie ¾ Das Erinnerungsvermögen ist von dem Bewusstlosigkeitseintritt an rückläufig für eine bestimmte Zeit aufgehoben Benzodiazepine (Schlafmittel, Stimmungsaufheller) - Einzeldosen Diazepam 5 / 10 mg Lorazepam 1 / 2,5mg Flunitrazepam 1 / 2 mg Lormetazepam 0,5 / 2 mg Triazolam 0,25 mg Temazepam 20 mg Andere Schlafmittel O O C N O H3C CH2 C N(CH3)2 N N N N N CH3 N CH3 Cl N O Zolpidem 5 / 10 mg Zopiclon 7,5 mg N Diphenhydramin 25 / 50 mg CH3 C O CH2 CH2 N(CH3)2 Doxylamin 25 mg CH O CH2 CH2 N(CH3)2 Antihistaminika mit sedierender Wirkung, frei verkäuflich γ-Hydroxybuttersäure (GHB) O O HO Freie Säure OH HO O Na+ Natriumsalz ¾ Endogene Substanz (geringe Konzentration) ¾ Unterliegt dem Btm.-Gesetz ¾ Klinische Nutzung des Na-Salzes als Narkosemittel „Somsanit – Injektionslösung“ ¾ Nachhaltig salziger Geschmack, leicht betäubend auf der Zunge ¾ Missbrauch der 20-50 %igen wässrigen Lösung des Na-Salzes ¾ Abhängigkeit bekannt ¾ Dosis - 0,5-1,5 g Missbrauch in der Szene zu berauschenden Zwecken - 1,5 g Konfusion, Schwindel, Bewusstlosigkeit, Amnesie ¾ Halbwertszeit: 0,3-1 h ¾ Typisch ist plötzliches Erwachen ohne Dämmerphase mit anterograder Amnesie ¾ Todesfälle sind bekannt Benzodiazepinähnliche Wirkung Ketamin NHCH3 O Cl ¾ Injizierbares Narkosemittel in der Humanmedizin, Nebenwirkungen Halluzinationen, unangenehme Träume, anterograde Amnesie ¾ Verbreitete Anwendung in der Tiermedizin ¾ Schmerzloser Zustand der Teilnahmslosigkeit ¾ Missbrauch zu berauschenden Zwecken / Halluzinogen ¾ Erzeugt schizophrenieartige Zustände mit Erinnerungslücken Neuroleptika (Antipsychotika) O CH3 N Clozapin 25, 50, 100 mg (CH2)3 C F N N OH Haloperidol 1, 2, 15, 10, 20 mg N Cl N H Cl Hypotonika HN N Cl HN Cl Clonidin Augentropfen 12,5 mg/10ml Tabletten 0,3 mg Probleme bei der Beweisführung nach K.O.-Mittel-Beibringung ¾ Die/der Betroffene kann keine genaue Beschreibung des Tatherganges geben, ist sich oft nicht völlig sicher, ob es zur Sexualverkehr kam. ¾ Die/der Betroffene entschließt sich zu spät zur Anzeige bzw. ärztlichen Untersuchung: - aus Scham - wegen der Unsicherheit - als Folge der K.O.-Mittel bedingten Verwirrung - nach Einschüchterung durch den Täter (z. B. bei freiwilligem vorherigem Konsum illegaler Drogen wie Cannabis) ¾ Ein zeitnaher analytischer Nachweis des K.O.-Mittels ist daher als Beweismittel oft nicht mehr möglich. ¾ Bei erfolgreichem Nachweis kann Beibringung durch den Täter nicht von freiwilliger Einnahme durch das Opfer unterschieden werden. Heroin und Pethidin - Englischer Arzt Dr. Shipman tötete mehr als 280 seiner Patienten durch Injektion Giftmord mit oralen Antidiabetika 20. Tag 36. Tag nach Giftaufnahme 3 1/2 Monate Tl2SO4-Giftmord durch Ehefrau Fallbeispiel mit wiederholter Giftbeibringung Giftmordversuch mit Tl2SO4 Politischer Mord mit Ricin