Netzwerk aktuell - Arznei

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tel‘, voreilig und mit falschen Argumenten von einer geschwächten unterfinanzierten Behörde zugelassen, die dem
Druck der Industrie ausgesetzt ist, hat Patienten unangemessenen Schaden zugefügt.” Er fordert als Konsequenz, bei neuen Arzneimitteln für Typ-2-Diabetes in den zulassungsrelevanten Studien künftig primär klinische Endpunkte anstelle
von Surrogatparametern wie HbA1c zu prüfen, auch wenn
dies mehr kostet. „Wenn die Behörde ihre Prinzipien nicht
grundlegend ändert, können wir sicher sein, in fünf Jahren in
der gleichen Situation zu sein wie heute: Wir werden wieder
in Besitz eines neuen Wundermittels sein, das entwickelt wurde, um eine verheerende chronische Krankheit zu behandeln,
aber möglicherweise mehr schadet als Gutes tut.” Dass ein
solcher Schritt möglich ist, zeigen die Zulassungsstudien für
Osteoporosemittel, in denen seit langem als primärer Endpunkt nicht mehr die Knochendichte, sondern die Frakturrate
geprüft wird (ROSEN, C.J.: N. Engl. J. Med. 2007; online
publiziert am 8. Aug. 2007; http://dx.doi.org/10.1056/
NEJMp078167; Scrip 2007; Nr. 3285: 22 ).
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Fibrohistiozytom unter Insulin glargin (LANTUS): Nachdem ein Diabetiker regelmäßig Insulin glargin
(LANTUS) in die Oberschenkel appliziert hat, schmerzen ihn
die Injektionen in das linke Bein, dessen Gewebe verhärtet erscheint. In der Folgezeit schwillt der Oberschenkel an und die
Schmerzen sind auch mit Analgetika nicht mehr zu beherrschen. Nach Diagnose eines malignen Fibrohistiozytoms
muss das Bein amputiert werden (NETZWERK-Bericht
14.593). Das nur im sauren Bereich gut lösliche Insulin glargin liegt in LANTUS in einer Lösung mit pH 4 vor. Nach
Subkutaninjektion bilden sich im neutralen Gewebe Mikropräzipitate, aus denen Glargin langsam freigesetzt wird (Sanofi-Aventis: Fachinformation LANTUS, Stand Okt. 2006).
Bereits in Tierversuchen sind unter Insulin glargin und auch
unter WInsulin glulisin (APIDRA) maligne Fibrohistiozytome aufgefallen. Insulinanaloga ähneln strukturell dem Insulinlike growth factor IGF-1, einem starken Mitogen und Kanzerogen (a-t 2004; 35: 32-3) und stehen nach wie vor in Verdacht der Kanzerogenität. Im Injektionsbereich ist ihre Gewebekonzentration hoch. Die Fibrohistiozytome könnten allerdings auch durch das Vehikel ausgelöst sein, da sie auch in
den Kontrollgruppen aufgetreten sind, die lediglich die wirkstofffreie Lösung erhalten haben (EMEA: Europäischer Beurteilungsbericht LANTUS bzw. APIDRA; Scientific discussion, Stand 4. Dez. 2006 bzw. 29. Mai 2007; zu finden unter:
http://www.emea.europa.eu/htms/human/epar/a.htm).
Unabhängig davon, ob die beiden Insulinanaloga selbst oder
ihre Vehikel für die mögliche schwere Schadwirkung verantwortlich zu machen sind, raten wir wegen fehlender Vorteile
und des nicht ausgeräumten Verdachts auf Kanzerogenität
von Insulinanaloga ab.
Nebenwirkungen 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
q* AUSTRALIEN: WLUMIRACOXIB (PREXIGE)
WEGEN LEBERSCHÄDIGUNG VOM MARKT
Auf Veranlassung der australischen Gesundheitsbehörde
zieht die Firma Novartis den Cox-2-Hemmer WLumiracoxib
(PREXIGE; a-t 2007; 38: 34-6) in Australien in allen Dosisstärken mit sofortiger Wirkung aus dem Handel. Anlass der
Entscheidung sind acht Berichte über schwere Leberschäden
in Verbindung mit Lumiracoxib, darunter zwei Lebertransplantationen und zwei Todesfälle.1,2 Sechs der Berichte sind
in den sechs Wochen vor Marktrücknahme eingegangen.3
*
Vorversion am 13. August 2007 als blitz-a-t veröffentlicht.
a r z n e i - t e l e g r a m m 2007; Jg. 38, Nr. 8
A 4330 E Postvertriebsstück
Entgelt bezahlt
A.T.I. Arzneimittelinformation GmbH, Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
Diclofenac:
VOLTAREN
(A, CH)
Insulin
glargin:
LANTUS
(A, CH)
Sechs der betroffenen Patienten haben PREXIGE 200 mg
eingenommen, je einer die 100- und die 400-mg-Zubereitung. „Es scheint, dass die Gefahr der Leberschädigung steigt,
je länger die Patienten das Mittel einnehmen”, kommentiert
der leitende medizinische Berater der australischen Behörde.3
Novartis/Australien fordert Patienten auf, die Einnahme des
Cox-2-Hemmers zu stoppen und den Arzt aufzusuchen, damit auf ein anderes Mittel umgestellt werden kann.1
In den USA und der Schweiz, dem Standort des NovartisKonzerns, ist Lumiracoxib nach wie vor nicht zugelassen. In
Deutschland bietet Novartis den Cox-2-Hemmer seit Jahresbeginn 2007 ausschließlich als Tablette zu 100 mg an (Tagesdosis 100 mg). Diese Dosisstärke wurde in Australien erst vor
wenigen Wochen in den Handel gebracht und dort ebenfalls
zurückgezogen.
Leberschädigende Effekte des chemisch eng mit Diclofenac (VOLTAREN u.a.) verwandten Cox-2-Hemmers sind
bereits bei Markteinführung aufgefallen. Bei Redaktionsschluss erfahren wir vom Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte, dass in Europa einschränkende Maßnahmen (Einstufung als Mittel der zweiten Wahl) sowie ein entsprechender „Rote Hand”-Brief vorgesehen sind.
Die Cox-2-Hemmer Rofecoxib (VIOXX; a-t 2004; 35:
125-30) und Valdecoxib (BEXTRA; a-t 2005; 36: 43) wurden in Deutschland 2004 bzw. 2005 wegen Kardiotoxizität
u.a. aus dem Handel gezogen. Die kardiovaskuläre Sicherheit
von Lumiracoxib ist unzureichend belegt. Gegenüber Naproxen (PROXEN u.a.), dem Standard-NSAR mit der derzeit
besten diesbezüglichen Datenlage (a-t 2007; 38: 1-3), ergibt
sich in der TARGET*-Studie eine numerisch höhere Rate
kardiovaskulärer Komplikationen (a-t 2007; 38: 34-6). Für
Lumiracoxib gibt es zudem Hinweise, dass es schwächer
wirkt als klassische nichtsteroidale Antirheumatika. Wir erachten die Nutzen-Schaden-Bilanz als negativ.
1
2
3
Novartis Australia Pty Ltd.: Pressemitteilung vom 11. Aug. 2007;
http://www.novartis.com.au/Prexige%20press%20release%2011%
20August.pdf
DOWDEN, J.S. (Australian Prescriber), Schreiben vom 13. Aug. 2007
Scrip 2007; Nr. 3285: 21
*
TARGET = Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial
arznei-telegramm® (Institut für Arzneimittelinformation),
Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin, Telefax: (0 30) 79 49 02 20,
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Herausgeber: A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH
Redaktion: W. BECKER-BRÜSER, Arzt und Apotheker (verantw.), U.
BUCHHEISTER, Ärztin, Dr. med. H.R. GIECK, J. HALBEKATH, Ärztin,
Dr. med. A. JUCHE, B. KERN, Apothekerin, Prof. Dr. med. M. M. KOCHEN, Dr. med. A. von MAXEN, Prof. Dr. med. I. MÜHLHAUSER,
S. SCHENK, Ärztin, Prof. Dr. med. P. S. SCHÖNHÖFER, Dr. med. H.
WILLE, Dr. rer. physiol. B. WIRTH
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© 2007, A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH
Insulin
glulisin:
APIDRA
(A, CH)
Lumiracoxib:
PREXIGE
(A)
Naproxen:
PROXEN
(A, CH)