abschnallen - Österreichischer Alpenverein

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abschnallen - Österreichischer Alpenverein
ABSCHNALLEN !
01
Sind Schitouren in Niederösterreich illegal? Ja, geht es nach dem
Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) für Niederösterreich!
DI Peter Kapelari,
Referat für
Hutten und Wege
01
Im tiefen Schnee ist oft
nicht erkennbar, ob
Jungwaldflächen befahren werden oder ob es
sich um Weideflächen
handelt.
„G
emäß § 33 Abs. 3, 2.
Satz des Forstgesetzes
1975 ist das Abfahren
mit Schiern im Wald im Bereich von
Aufstiegshilfen nur auf markierten Pisten oder Schirouten gestattet.” Wie
interpretieren Sie diese Formulierung?
– Richtig, es geht um Variantenfahrer,
die nach der Auffahrt mit einem Schilift
nicht auf der Piste sondern im Wald –
vielleicht durch Jungwald – abfahren,
und das u.U. unzählige Male am Tag.
Klar, dass es durch eine derartige
„Übernutzung” zu untragbaren Schäden
kommen kann. Fernab von Aufstiegshilfen ist das Schifahren – und damit das
Schitourengehen - aber sehr wohl dem
Begriff „Betreten zu Erholungszwecken”
zu subsumieren (geht auch aus allen
gängigen Kommentaren zum Forstgesetz
klar hervor). Der UVS im Land Niederösterreich befindet aber in einem Berufungsbescheid vom 02.06.2005:
„Auf Grund dieser klaren gesetzlichen
Bestimmung hat der Gesetzgeber das
Abfahren mit Schiern im Wald generell
verboten und diese nur markierten Pisten oder Schirouten gestattet.”
Der Hintergrund
Eine Gruppe von neun Personen aus
Mödling in Niederösterreich unter14
5. 05
nahm am 24.01.2004 gemeinsam eine
Schitour auf den Eisenstein, Gemeinde
Türnitz, Bezirk Lilienfeld. Am Gipfel
erzählte ihnen ein einheimischer Tourengeher von einer ihnen unbekannten
Abfahrtsroute, die aber auch wieder
zurück zu den Autos führt. Diese fuhren die Neun ab.
Bei der Rückkehr zu den zwei Autos
wurden sie von einem jungen Mann unfreundlich darüber informiert, dass er die
Autonummern fotografiert hätte und
Anzeige erstatten werde, weil er keine
Schitourengeher in seinem Wald dulde.
Die Anzeige wurde auch tatsächlich erstattet, jetzt mit der Behauptung, die
Schifahrer hätten ein forstliches Sperrgebiet betreten bzw. wären durch eine
Jungwaldfläche abgefahren, die als solche gekennzeichnet war. (Forstliches
Sperrgebiet ist hier lt. Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld definitiv keines
verordnet.) Als Beweis wurde ein Foto
mit einer Schispur zwischen Jungwaldbäumen vorgelegt. Ein solches Foto
könnte natürlich überall aufgenommen
sein, niemals ist nachvollziehbar, wessen
Spuren auf dem Foto zu sehen sind
und von wann oder wem das Foto
stammt! Angezeigt wurden nur die beiden Fahrzeughalter, die beide versicherten, keinen Jungwald und auch keine Hinweistafeln gesehen zu haben.
Trotz klarer Stellungnahme – aber ohne
weitere Beweisaufnahmen - wurde über
beide Fahrzeughalter eine Verwaltungsstrafe von je € 55,- verhängt, und
zwar mit der Begründung, das Schifahren im Wald sei nur im Bereich von
Aufstiegshilfen und nur mit Zustimmung des Grundeigentümers erlaubt.
Dadurch hätten die Beiden eine Übertretung im Sinne des § 33 Abs. 3
iVm. § 174 Abs. 4 lit. B Z 1 ForstG
1975 idgF. begangen.
Dies ergibt aber
keinen Sinn
§ 33 Forstgesetz 1975 BGBl.Nr.
440/1975 zuletzt geändert durch
BGBl.Nr. 576/1987
(1) Jedermann darf, unbeschadet der
Bestimmungen der Abs. 2 und 3
und des § 34, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.
(2) ...
(3) Eine über Abs. 1 hinausgehende Benutzung, wie Lagern bei Dunkelheit, Zelten, Befahren oder Reiten,
ist nur mit Zustimmung des Waldeigentümers, hinsichtlich der Forststraßen mit Zustimmung jener Person, der die Erhaltung der
Forststraße obliegt, zulässig. Das
WINTERFIT
Abfahren mit Schiern im Wald ist im
Bereich von Aufstiegshilfen nur
auf markierten Pisten oder Schirouten gestattet. Schilanglaufen ohne Loipen ist unter Anwendung der
nötigen Vorsicht gestattet; eine
darüber hinausgehende Benützung
des Waldes, wie das Anlegen und
die Benützung von Loipen, ist jedoch nur mit Zustimmung des
Waldeigentümers gestattet. Eine
Zustimmung kann auf bestimmte
Benützungsarten oder -zeiten eingeschränkt werden. Sie gilt als erteilt, wenn die Zulässigkeit der Benützung und deren Umfang im
Sinne des § 34 Abs. 10 ersichtlich
gemacht wurde.
Im betreffenden Gebiet existiert jedoch
keinerlei Aufstiegshilfe, auch kann mit
Sicherheit nicht davon die Rede sein,
dass ohne Zustimmung des Grundeigentümers eine Loipe angelegt worden
wäre.
§ 174 Forstgesetz 1975 (BGBl.Nr.
440/1975 zuletzt geändert durch BGBl.
I Nr. 59/2002)
(4) Bei Vorliegen besonders erschwerender Umstände können die in
den Abs. 1 und 4 angeführten Strafen auch nebeneinander verhängt
werden.
Einen § 174 Abs. (4) lit. b Z 1 gibt es
gar nicht. Auch wenn irrtümlich statt
Abs. (3) Abs. (4) geschrieben worden
wäre, ergibt dies keinen Sinn:
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht
ferner, wer
a) ...
b) unbefugt im Walde
1. eine für das allgemeine Befahren
erkennbar gesperrte Forststraße
befährt, Fahrzeuge abstellt, Tore
oder Schranken von Einfriedungen
nicht wieder schließt oder neue
Steige bildet.
Fahren oder nicht Fahren?
Das Schifahren zählt jedoch definitiv
nicht zum „Fahren” und ist auch auf
Forststraßen erlaubt. Aus dem geschilderten Sachverhalt lässt sich also damit
sicher keine Verwaltungsübertretung
ableiten.
Möglich wäre, dass die Schifahrer wirklich irrtümlich eine Neubewaldungsflächen (ehemals Wiese) betreten haben,
deren Bewuchs eine Höhe von drei Metern noch nicht erreicht hat. Für derartige Flächen gibt es zum Schutz des
Bewuchses ein Verbot der Betretung.
Oftmals ist aber das Vorhandensein
einer derartigen Fläche bei Überdeckung
des Bewuchses durch Schnee – so wie
eventuell im vorliegenden Fall – gar
nicht erkennbar. BOBEK, PLATTNER,
REINDL - deren Kommentar zum Forstgesetz 1977 absolut anerkannt und
unumstritten ist - beschreiben dies als
„verwaltungsstrafbefreiende Unkenntnis”.
Die daher fristgerecht eingebrachte Berufung an den UVS wurde jedoch trotzdem mit eingangs erwähntem Argument zurückgewiesen!
Neben zahlreichen - hier nicht weiter
ausgeführten – Verfahrensfehlern kam es
sowohl im Verwaltungsstrafverfahren
als auch im Berufungsverfahren zu einer
völlig falschen Rechtsauslegung! Gegen den Bescheid des UVS ist kein ordentliches Rechtsmittel gültig. Ein absoluter Willkürakt?
Als einzige Möglichkeit bleibt, eine Beschwerde an den Verwaltungs- oder
Verfassungsgerichtshof zu erheben, diese ist jedoch von einem Rechtsanwalt
einzubringen (lt. Gebührenordnung
steht diesem ein Honorar von € 992,- zu), die Amtsgebühr beträgt € 180,-! Da der Alpenverein den Bescheid
des UVS so nicht stehen lassen wollte,
wurde die Beschwerde durch Vizepräsident RA Dr. Andreas Ermacora – sehr
ausführlich und überzeugend begründet
– eingebracht. Aber leider hat der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der
Beschwerde abgelehnt, da es „nicht um
die Entscheidung einer Rechtsfrage geht,
der grundsätzliche Bedeutung zukommt”.
Resümee
Dieser Fall hinterlässt einen sehr unangenehmen Nachgeschmack. Sich auf
Gerechtigkeit im Rechtsstaat Österreich zu verlassen, kann frustrierend
und sehr teuer werden. Den beiden
Angezeigten und uns allen bleibt nur das
staunende Kopfschütteln und die Hoffnung, dass Vernaderung und Willkür
nicht Schule machen.
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