Interview mit dem ehemaligen WSV-Torjäger
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Interview mit dem ehemaligen WSV-Torjäger
Stadion am Zoo Interview Christian Gail Seine Tore ebneten dem Wuppertaler SV den Weg in die Bundesliga. Mit 60 Treffern in der Saison 1971/72 ist Günter Pröpper (68) der wichtigste Spieler in der Geschichte des Klubs. Hier spricht er über eisige Winde und Zuschauer am Spielfeld ANSCHRIFT: Hubertusallee 4, 42117 Wuppertal ERÖFFNUNG: Oktober 1924 RENOVIERUNG: 1991–1993, 2006–2008 EINTRITTSPREISE: 7 bis 15 Euro FASSUNGSVERMÖGEN: 23067 Plätze GRÖSSTE ZUSCHAUERZAHL: 42000 (beim Entscheidungsspiel zum Aufstieg in die Oberliga West zwischen der TSG Vohwinkel 1880 und dem Rheydter SV am 3.5.1953) Günter Pröpper, Sie kamen erst mit 27 Jahren zum Wuppertaler SV, trotzdem ist heute das Maskottchen »Pröppi« nach Ihnen benannt. Vor zwei Jahren hat mich der Verein gefragt, ob ich etwas dagegen hätte. Natürlich nicht. Schließlich ist es eine Ehre, wenn das Maskottchen so heißt, wie mich mein Trainer früher gerufen hat. Was empfinden Sie, wenn Sie mit der Schwebebahn am »Stadion am Zoo« vorbei fahren? Nostalgie. Ich erinnere mich gerne an meine Zeit in diesem Stadion. Vor allem an die erfolgreichen Spiele während unserer Aufstiegssaison 1971/72. Sie schossen damals 60 der insgesamt 137 Tore des WSV. Eine tolle Zeit. Am Ende der darauf folgenden Saison 1972/73 belegten wir den vierten Platz. Sportlich war das die beste Zeit, die dieses Stadion je erlebt hat. Aber schon bevor ich nach Wuppertal gewechselt bin, muss es hier sehr imposant gewesen sein. Es fanden Steherrennen und große Polizeisportfeste statt. Sie sprechen die Radrennbahn an. Die befand sich zwischen der Aschebahn und den Zuschauerrängen, auf ihr wurden etliche Weltrekorde aufgestellt. Als Sie 1969 nach Wuppertal wechselten, war das allerdings längst Geschichte. Richtig. 1958 wurden dort die letzten Steherrennen ausgetragen. Als ich zu den Rot-Blauen kam, hätte man auf dieser maroden Bahn keine Rennen mehr veranstalten können, das wäre lebensgefährlich gewesen. Die Rennbahn hatte somit keine Funktion mehr. Nicht ganz. Wenn eine Partie ausverkauft war, saßen Zuschauer auf der Bahn. Dadurch passten noch mehr Anhänger ins Stadion. Zum Beispiel bei unserem Spiel 1972 gegen Bayern München. Das war an einem Mittwochabend und ging 1:1 aus. Offiziell heißt es, dass damals 38 000 Besucher da waren. Inoffiziell waren es gewiss über 40 000. Haben Sie früher auch im Stadion trainiert? Nein, das haben wir auf einem Ascheplatz nebenan gemacht. Es gab in ganz Wuppertal auch nur zwei Rasenplätze. Im Sommer haben wir manchmal im Stadion trainiert. Dann durften wir den Platz aber nur mit Turnschuhen betreten. Der Platzwart hatte immer Angst um den Rasen. Sie haben die Aufstiegsrunde in die Bundesliga 1971/72 erwähnt, wie war die Stimmung im Stadion? Die Euphorie war da, und die Zuschauer haben uns nach vorne gepeitscht. Es ist doch überall dasselbe: Wenn der Erfolg da ist, kommen die Leu- te. Als wir 1975 abgestiegen sind, blieben die meisten Zuschauer weg und die, die noch da waren, haben uns ausgepfiffen. Die Atmosphäre war also nicht unbedingt einladend? Die Verantwortlichen haben es leider versäumt, die erfolgreiche Zeit zu nutzen, um ein reines Fußballstadion zu bauen. Während normaler Spiele waren die Fans sehr weit von uns Spielern entfernt. Bei ausverkauftem Haus standen sie direkt am Spielfeld. Früher gab es ja noch keine Zäune. Die Besucher waren so nah dran, dass sie einem nach dem Spiel direkt gesagt haben, was man falsch gemacht hat. Wir haben uns früher mit den Zuschauern unterhalten, so wie heute die Spieler mit den Fernsehleuten auf dem Feld reden. Waren die Anhänger während Ihres Abschiedsspiels 1979 auch so nah am Geschehen? Ja, nach dem Spiel kamen sie aufs Spielfeld und haben mir bei der Ehrenrunde auf die Schultern geklopft. Da lief es mir eiskalt den Rücken runter. Gegen wen haben Sie gespielt? Die andere Mannschaft bestand aus einer Auswahl von ehemaligen Nationalspielern. Günter Netzer, Wolfgang Overath und Wolfgang Fahrian waren extra gekommen. Erst wollte der DFB dieses Spiel nicht genehmigen, weil nur Nationalspielern ein Abschiedsspiel zusteht. Doch aufgrund meiner Bekanntheit hier in Wuppertal haben sie eine Ausnahme gemacht. Sie besuchen heute noch Spiele des WSV. Was hat sich über die Jahre im Stadion grundlegend verändert? Die Kontrollen am Eingang sind mehr geworden. Heute wird jeder einzelne Zuschauer kontrolliert, was auch gut ist. Was sich scheinbar nie ändern wird, ist, dass es auf den Rängen unglaublich zieht. Das Stadion ist relativ offen, so dass gerade im Winter ein fieser Wind über die Tribünen weht. Sie schauen sich das Spiel also nicht in einer VIPLoge an. Werden Sie im Stadion erkannt? Man kennt mich schon. Die Fans sprechen mich an oder wollen ein Foto mit mir machen. Nur die Security am Eingang kennt mich nicht mehr, die durchsuchen mich jedes Mal von Kopf bis Fuß. Das war früher schöner. Multifunktionsarena a.D. Das Antlitz des Stadions hat sich über die Jahre immer wieder gewandelt. Einst als vielfältig nutzbares Rund konzipiert, ist die Spielstätte des WSV mittlerweile ein reines Fußballstadion. Asche- und Radrennbahn wurden als Bodendenkmal behutsam überbaut, die neue Hintertortribüne rückte näher an das Spielfeld heran. Seitdem müssen die Spieler allerdings mehr laufen, denn um auch die bestehende Haupttribüne dichter ans Spielfeld zu bringen, wurde der Platz kurzerhand um vier Meter verbreitert. Schildwand Die Rückseite der Haupttribüne wird von einer denkmalgeschützten »Schildwand« geziert. Diese aufwendig restaurierte Fassade ist – neben der des Berliner Olympiastadions – die einzig verbliebene ihrer Art in einem deutschen Stadion. Stadiongaststätte In der 1995 geschlossenen Stadiongaststätte ist heute neben einem Sportfachgeschäft auch das Sport- und Bäderamt Wuppertal angesiedelt. Vormals existierten im Obergeschoss des hinter der Nordtribüne gelegenen Gebäudes auch Gästezimmer. Horst Szymaniak beispielsweise spielte in den fünfziger Jahren nicht nur im »Stadion am Zoo«, er lebte auch dort. Sein damaliges Domizil trägt zum Andenken bis heute den Namen »Szymaniak-Zimmer«. Weltrekorde in Wuppertal Bis zur Stilllegung der Radrennbahn 1958 fanden hier zwei Bahnrad–WMs statt, mehrere Weltrekorde wurden aufgestellt. Die Betonbahn galt als eines der schnellsten Ovale der Welt und war prädestiniert für Steherrennen. Bei übervollen Spielen nahmen Zuschauer auch oft auf der Bahn Platz. F otos: Imago (3), Reinaldo Coddou H. (4), Sammlung Peter Keller (2) Mind the Gap Wuppertal ist nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes eine der niederschlagreichsten Städte des Landes. Für weniger regenfeste Stadionbesucher empfiehlt sich daher ein Platz unter dem Dach der zugigen Haupttribüne. Allerdings gilt es die Randbereiche zu meiden – die Vorgaben der Denkmalbehörde zum Schutz der Schildwand verhindern eine lückenlose Überdachung. Stadionposter_Wuppertal_107.indd 2 Mit vereinten Kräften Die Fans pflegen eine innige Beziehung zum Stadion: Als die Baumaßnahmen 2007 wegen finanzieller Engpässe gestoppt wurden, gossen Arbeitslose die Betonteile für die neue Hintertortribünen. Im Februar 2010 befreiten Anhänger den Rasen von einer Schneeschicht, um die Austragung eines Heimspiels zu sichern. Vorhang auf Das frühere »Bergische Stadion« wurde auch für sportfremde Veranstaltungen genutzt. Im Wahlkampf 1932 sprachen hier u.a. Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Ernst Thälmann. Als letzter Politiker war Franz-Josef Strauß im Bundestagswahlkampf 1980 zu Gast. Die besten Stadionposter in einem Buch: »Fußballtempel« von Reinaldo Coddou H. Mit einem Vorwort von Christoph Biermann. Edition Panorama Verlag | 48 Euro www.fussballtempel.com Zu bestellen unter: www.11freunde.de/shop 10.09.10 22:53