Frühlings Erwachen! - Archiv Spielzeiten 2010-2013

Transcrição

Frühlings Erwachen! - Archiv Spielzeiten 2010-2013
Junges Staatstheater Braunschweig
Spielzeit 2012/2013
www.staatstheater-braunschweig.de
[email protected]
Tel. (0531) 1234 542
Frühlings Erwachen!
13+
(LIVE FAST – DIE YOUNG!)
nach Frank Wedekind
von Nuran David Calis
Materialmappe
Warum »Frühlings Erwachen!«? Was heißt das denn? Was hat uns das über
100jährige Drama denn noch zu erzählen? Was hat »Frühlings Erwachen!«
mit dem Heute zu tun? Ist das erste Mal schön? Welche Geschichten sind
wichtig, wenn wir über Jugend nachdenken? Und können wir uns in dieser alten Geschichte wieder finden? Was bedeutet es, in der Schule zu scheitern?
Was wird aus denen, die in der Schule scheitern?
Wendla (Anja Signitzer), Ilse (Alisa Levin) und Martha (Nina El Karsheh)
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
2
Ich liebe dich, wie ich noch nie
eine Seele geliebt habe.
Die Entdeckung der eigenen Sexualität, der ersten Liebe ist schwer. Es ist ein
großer Wendepunkt im Leben. Wedekinds Stück bearbeitet diesen Umbruch
im Leben, das Stück ist immer noch aktuell, es ist ein Klassiker. Aber: Es ist
ein »sperriger« Klassiker, der sprachlich tief in seiner Entstehungszeit verhaftet ist. Knapp einhundert Jahre später bearbeitet der junge Autor Nuran David
Calis den Wedekindschen Text, holt ihn ins Heute. In seiner Fassung verwendet er die Originalsprache, ergänzt um eine eigene, heutige Sprache. Er kondensiert das Stück über eine Jugend für eine Jugend von heute. Er reduziert
das Figurenpersonal, welches vor allem die männlichen Jugendlichen in den
Vordergrund stellt. In seiner Fassung sind die jungen Frauen gleichberechtigt,
ihre Probleme werden ebenso verhandelt. Nuran David Calis Fassung von
Wedekinds »Frühlings Erwachen!« ist eines der erfolgreichsten Jugendstücke
der vergangenen Jahre im deutschsprachigen Raum.
Am Freitag treffen sie sich; an ihrem Ort vergessen sie ihren Alltag, den
Stress mit den Eltern, die Schule. Moritz, Wendla, Martha, Ilse, Ernst und Melchior sind zwischen 14 und 16 Jahren alt. Sie erleben die Achterbahnfahrt ihrer Pubertät, küssen zum ersten Mal, gestehen sich ihre Liebe, schlafen miteinander, sind auf der Suche nach Bedeutung, kämpfen um ihre Versetzung
oder träumen einfach. Am Samstag ist jeder allein für sich unterwegs, sie sind
alle zu sehr mit sich beschäftigt und einer von ihnen braucht Hilfe, aber niemand hört ihm zu. Moritz bringt sich um. Am Sonntag treffen sie sich wieder,
alles ist anders, sie machen sich Vorwürfe. Hätten sie den Selbstmord von
Moritz verhindern können? Hätte Martha ihm ihre Liebe gestehen sollen? Und
hätte Melchior für seinen besten Freund da sein müssen und nicht mit Wendla
zum ersten Mal schlafen sollen? Sie stellen sich diese Fragen, denn am Montag muss das Leben weitergehen. »Frühlings Erwachen!«
Mit dieser Mappe möchten wir Anregungen zur Vor- und Nachbereitung eines
Theaterbesuchs von »Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!)« unterbreiten, dabei beschäftigen wir uns mit verschiedenen Schlaglichtern unserer Inszenierung.
Wir wünschen einen anregenden Theaterbesuch, sind auf Meinungen zum
Stück und zu dieser Mappe gespannt,
Christoph Macha
für das Junge Staatstheater Braunschweig
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Moritz (Martin Winkelmann) und Melchior (Luis Lüps)
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
4
Kontakte
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Leiter Junges Staatstheater
[email protected]
Tel. (0531) 1234 521
Dramaturgie
[email protected]
Tel. (0531) 1234 524
Theaterpädagogik
[email protected]
Tel. (0531) 1234 541
[email protected]
Tel. (0531) 1234 504
Organisation/Künstlerische Mitarbeit
[email protected]
Tel. (0531) 1234 542
Herausgeber Staatstheater Braunschweig,
Am Theater, 38100 Braunschweig
Generalintendant Joachim Klement
Leiter Junges Staatstheater Andreas Steudtner
Redaktion und Gestaltung Christoph Macha (verantw.), Lisa Berger und
Schülerpraktikanten
Fotos Karl-Bernd Karwasz
Redaktionsschluss 21.02.2013
Änderungen vorbehalten
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Besetzung
Inszenierung Volker Schmidt
Bühne und Kostüme Miriam Grimm
Musik Josch Russo
Dramaturgie Christoph Macha
Theaterpädagogik Jennifer Gaden & Anne Hartmann
Wendla / Mama Gabor Anja Signitzer
Ilse Alisa Levin
Martha / Mama Bergmann Nina El Karsheh
Melchior Luis Lüps
Moritz Martin Winkelmann
Ernst / Papa Stiefel Alexander Ritter
Regieassistenz und Spielleitung Carsten Weber Ausstattungsassistenz
Clara Lipski Inspizienz Simone Großmann Soufflage Katja Gliese
Hospitanz Lena Albrecht (Regie), Lisa Berger (Dramaturgie),
Marlena Labuhn (Regie) Schulpraktikum Erik Anton, Julia Czerwinski,
Artemis Krull, Mona Kyas, Merle Zschiesche
Ausstattungsleitung/Technische Direktion Ralf Wrobel Bühneneinrichtung
Eberhard Winter Leiter der Beleuchtung Frank Kaster Beleuchtungseinrichtung Harry Heutink Leiter Tontechnik Burkhard Brunner Tontechnik
Katharina Heine & Rainer Leue Video Gregor Dobiaschowski Leiter der
Requisite Guido Amin Fahim Requisite Anke Kusber, Renate Lange &
Daniela Klosa Waffenmeister Helmut Menz Leiter der Kostümabteilung
Ernst Herlitzius Leiter der Maske Nicolas Guth Maske Bernadette Bertkau
& Angelika Kühnel Leiterin der Dekorationswerkstätten Petra Röder Produktionsingenieur Stephan Busemann Leiter Tischlerei Peter Kranzmann Leiter
Schlosserei Armin Zühlke Leiterin Malsaal Sonja Bähr Leiter der Deko- und
Möbelabteilung Axel Schneider
Premiere 22.02.2013 im Kleinen Haus
Aufführungsrechte S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main
Premierenklassen (Leitung: Christoph Macha) Klasse 8K8.2 des Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte Braunschweig & Klasse H8 der Aueschule Wendeburg Expeditionsklasse (Leitung: Jennifer Gaden) Klasse 10c
Realschule Maschstraße Theater in die Schule (Leitung: Anne Hartmann)
Jahrgang 7 der IGS Volkmarode
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Ilse (Alisa Levin), Melchior ( Luis Lüps), Wendla (Anja Signitzer), Ernst (Alexander Ritter) und
Moritz (Martin Winkelmann)
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Schlaglichter
Jugend und Identitätssuche
Ich habe versucht zu träumen. Bei Moritz ist das anders, der kann einfach so
in die Tiefe gehen, einfach wegträumen, wegtauchen. Ich bleib bloß an der
Oberfläche. Weißt du, so richtig tief geht bei mir, glaube ich gar nichts.
Melchior
Jugend und Gesellschaft
Wenn ich durchfalle bekommt mein Vater einen Herzinfarkt. Vor jeder Prüfung
bete ich zu Gott, der Blitz möge mich treffen.
Moritz
Jugend und Familie
Dinge, die ich vergessen will, wenn ich erwachsen bin: Der Streit bei dem Papa Mama gegen die Wand geschleudert hat, weil sie meinte, er müsse mehr
an sich arbeiten.
Martha
Jugend und die Liebe
Warum denken alle Jungs, dass Mädchen darauf stehen, wenn man ihnen
Gedichte schreibt – Mädchen stehen nicht darauf, im Grunde stehen die
Jungs darauf.
Ilse
Jugend und das Erste Mal
Lieber eine schlechte Erfahrung als gar keine.
Wendla
Coming Out
Manchmal, da gehe ich in mich, und dann ist da so eine Leere, so eine Lücke,
in die ich immer wieder hineintrete und mir denke, eigentlich müsste ich doch
da wieder raus, doch dann finde ich Gefallen an der Lücke und hoffe, dass es
da draußen jemanden gibt, der in dieselbe Lücke hinein tritt.
Ernst
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Melchior (Luis Lüps)
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Inhalt des Stücks
Dieses Kapitel dient vor allem zum Wissen für die Lehrerinnen und Lehrer,
die Schülerinnen und Schüler dürfen diese sehr detaillierte Inhaltsangabe
vor dem Inszenierungsbesuch nicht kennen.
Freitag. Wendla hat Geburtstag. Ihre Mutter schenkt ihr ein Kleid, welches
länger ist als ihre bisherigen. Wendla fragt sich, was sie mit einem so langen
Kleid soll und wehrt sich dagegen es zu tragen. Wendla verabschiedet sich
und geht zur Schule.
Moritz, Melchior und Ernst rappen.
Ilse, allein, erinnert sich, wie sie einst in einen Schriftsteller verliebt war. Er erzählte ihr, er wolle sich nicht verlieben, da er dann glücklich sei und nichts
mehr zu Schreiben hätte. Letztendlich gestanden sich beide ihre Liebe. Da er
sich mit dem Gewehr seines Vaters erschoss, sah sie ihn nie wieder. (Dieser
Monolog findet auf Russisch statt, er wird nicht übersetzt.)
Martha, Wendla und Ilse treffen sich. Martha erzählt, dass sie oft von ihren Eltern geschlagen wird. Besonders Wendla fragt entsetzt, aber interessiert nach.
Dann reden die Drei über das Kinderkriegen und necken sich gegenseitig damit, dass Martha in Moritz verliebt ist.
Melchior und Moritz sinnieren über das Leben. Beide tauschen sich über ihre
ersten männlichen Regungen und ihre Erfahrungen mit Mädchen aus. Dabei
fragt Moritz sich, ob das menschliche Schamgefühl ein Produkt der Erziehung
sei, worauf Melchior ihm zustimmt. Als Erklärungsversuch sagt er, könne sich
ein Mensch nur nackt ausziehen, wenn der andere es ihm nachtut. Daraufhin
zieht Melchior sich aus, was Moritz einschüchtert, auch er zieht sich aus.
Martha denkt über die schönen Dinge nach, an die sie sich erinnern möchte,
wenn sie erwachsen ist.
Moritz kommt aus dem Lehrerzimmer, die anderen fragen, warum er da gewesen sei. Er hat ins Klassenbuch geschaut: er wird mit seinen jetztigen Noten versetzt. Dann erzählt er seinen Freunden eine Geschichte über seinen
Großvater, welcher nach Amerika ging und dort eine Goldmine fand, Moritz
will ihn suchen. Einige tun ihn als Spinner ab, nur Melchior hört seinem besten
Freund zu.
Auf einer Party treffen Melchior und Wendla zusammen. Melchior sieht, dass
Wendla einen Button von Amnesty International trägt und tut ihre selbstlose
Hilfe als Egoismus ab. Wendla wehrt sich dagegen. Im Laufe des Gesprächs
erzählen sich beide, dass sie noch nie geschlagen wurden. Wendla bittet Melchior, ob er sie schlagen könne. Dieser wehrt sich zunächst dagegen.
Samstag. Papa Stiefel erzählt über seine Kindheit. Er hatte Träume, die sich
nicht erfüllen ließen, weshalb er seinem Sohn Moritz vor den falschen Träumen beschützen und ihm den richtigen Weg weisen will.
Martha denkt über die Dinge nach, die sie vergessen will, wenn sie erwachsen
ist.
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Martha sucht die Nähe zu Moritz. Als er nicht weiter auf das Gespräch mit ihr
eingeht, gibt sie ihm eine Ohrfeige und geht mit dem Gedanken, Moritz ihre
Liebe zu gestehen, wenn sie erwachsen ist.
Moritz erzählt aufgeregt Melchior, dass er total erschöpft vom Lernen ist, beide kiffen. Er äußert Selbstmordgedanken und phantasiert über ein Märchen,
in dem eine kopflose Königin vorkommt. Melchior schlussfolgert, dass Moritz
verliebt sei. Melchiors Mutter taucht auf, ruhig und bestimmt bittet sie Melchior, dass Rauchen zu unterlassen; nicht weil sie es ihm verbietet, sondern
weil er zu jung sei, um einen richtigen Umgang damit einschätzen zu können.
Mama Bergmann möchte mit ihrer Tochter reden, sie hat Angst, dass sie zu
früh mit einem Mann schläft und sich verliebt.
Ilse ärgert sich darüber, wie Jungen auf die Idee kommen, Mädchen Briefe zu
schreiben.
Papa Stiefel vermittelt Moritz, dass er der Empfehlung der Lehrer zustimmt,
dass Moritz auf Grund seines entwicklungspsychologischen Standes nicht
versetzt wird.Moritz ist geschockt, da er bis zu diesem Zeitpunkt immer noch
davon überzeugt war, dass er versetzt wird und fleht seinen Vater an, etwas
zu tun.
Ernst realisiert wie er zunehmend erwachsener wird, was ihn traurig stimmt. Er
sehnt sich zurück zu der Zeit, in der er behütet durch seinen Vater aufwuchs.
Moritz kommt und versucht Ernst aufzumuntern, er umarmt Ernst. Daraufhin
gesteht Ernst seine Liebe zu Moritz und beide küssen sich.
Wendla gesteht Melchior, dass sie sich in ihn verliebt hat. Beide schlafen miteinander.
Ilse kommt zu Moritz. Sie erzählt von den letzten Nächten. Dann nähert sie
sich Moritz an, dieser ist verwirrt. Als Moritz Ilse sein Gedicht vorlesen will,
flüchtet sie. Moritz bringt sich um.
Sonntag. Moritz ist seit zwei Monaten tot. Melchior, Ernst, Wendla, Martha
und Ilse wollen auf Moritz anstoßen. Ernst ist wütend und überlegt laut, ob
Moritz Tod hätte verhindert werden können, wenn jeder nicht nur an sich gedacht hätte. Gegenseitig machen sie sich Vorwürfe.
Papa Stiefel bringt Dinge, welche Moritz mit Namen für seine Freunde versehen hat. Melchior beschuldigt Papa Stiefel, dass dieser am Tod von Moritz
Schuld sei. Die Jugendlichen nehmen sich die Dinge, sie erinnern sich an Moritz. Sie werden wieder traurig und wütend. Martha stellt fest, dass jeder
Schuld am Selbstmord von Moritz trägt.
Wendla erzählt Melchior, dass sie von ihm schwanger ist, er fordert sie auf,
das Kind wegmachen zu lassen. Wendla fühlt sich alleine und verzweifelt mit
dem Problem zurückgelassen, sie versucht das Kind »wegzumachen«, bricht
dabei zusammen.
Melchior spricht mit Moritz, ihm ist bewusst, dass er eine Menge falsch gemacht hat, auch er will sich das Leben nehmen. Moritz fordert ihn auf zu warten. Melchior stellt sich seinem Leben.
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Moritz (Martin Winkelmann)
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Autoren
Frank Wedekind
Frank Wedekind wurde am 24. Juli 1864 als Sohn des
Arztes Friedrich Wilhelm Wedekind und dessen Ehefrau Emilie in Hannover geboren. Bis zu seinem achten Lebensjahr wuchs er als zweites Kind, von insgesamt sechs Kindern, in Deutschland auf. Danach zog
die Familie in die Schweiz, in der Wedekind seine
Schulzeit und Jugend erlebte. Hier unternahm er bereits erste literarische Versuche und stand diesbezüglich oft in Kontakt mit seiner philosophischen Tante
Olga Plümacher.
Im Jahr 1884 absolvierte Wedekind sein Abitur und
begann zunächst ein Studium der Germanistik und
Romanistik, welches er nach einem Semester abbrach. Auf Wunsch des Vaters folgte ein Jurastudium in München. Dabei gehörten häufige Theater- und
Konzertbesuche zu Wedekinds Vorlieben. Erste literarische Texte, wie Gedichte, Prosa und eine Komödie entstanden.
Zwei Jahre später brach Wedekind sein Studium ab, was zu einem Zerwürfnis
zwischen ihm und seinem Vater führte. Als Vorsteher des Reklame- und Pressebüros der Firma Maggi, war Wedekind nun in leitender Funktion tätig, in der
er unter anderem in Kontakt zu Gerhard Hauptmann kam.
1888 starb der Vater, durch dessen Erbschaft Wedekind zunächst finanziell
unabhängig war. Dies ermöglichte ihm die Tätigkeit als freier Schriftsteller in
verschiedenen Städten in Deutschland, der Schweiz und Frankreich. Hierbei
geriet er durch seine, oft als unsittlich eingestuften Texte, häufig in Schwierigkeiten. Seine Werke auf die Bühne zu bringen war kaum möglich.
So arbeitete er unter anderem für die Zeitschrift Simplicissismus, wo er erstmals mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Durch ein satirisches Gedicht über die
Palästina-Reise von Wilhelm des II., welches man als Majestätsbeleidigung
einstufte, wurde Wedekind zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. 1891 erschien sein bedeutendstes Drama »Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie«. Dabei lehnte er in seinen Werken die durch Konventionen geforderte
Triebunterdrückung und Doppelmoral der Gesellschaft ab.
Daran anknüpfend kam 1895 »Der Endgeist. Tragödie in vier Zügen« heraus,
in dessen Uraufführung er selbst den Dr. Schön spielte. Später weitete er das
Theaterstück mit »Die Büchse der Pandora« aus und fasste es zu »Lulu. Tragödie in 5 Aufzügen mit einem Prolog« zusammen. Hierin hob er besonders
die menschliche Natur und die Schönheit des Leibes hervor, weshalb die Uraufführung von »Die Büchse der Pandora« zunächst beschlagnahmt wurde.
Neben der Mitarbeit als Dramaturg, Regisseur und Schauspieler legte Wedekind seinen Fokus hauptsächlich auf das literarische Schaffen. Es folgte »Mine-Hara oder Über die körperliche Erziehung der jungen Mädchen« (1903), in
der er die körperliche Freizügigkeit parodierte und Kritik am bürgerlichen Erziehungsmodell übte. Ebenso befasste er sich mit kapitalistischen Lebensformen »Der Marquis von Keith« (1901 Uraufführung).
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Im Jahr 1906 kam es an den Berliner Kammerspielen zur Uraufführung von
»Frühlings Erwachen«, 15 Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes. Wedekind wurde danach zu einem der meist gespielten Dramatiker seiner Zeit.
Im gleichen Jahr der Uraufführung heiratete Wedekind die Schauspielerin Tilly
Newes, aus dessen Ehe seine Tochter Pamela hervorging. Ebenso hatte Wedekind einen Sohn aus einer früheren Ehe mit Frieda Strindberg.
Am 09. März 1918 starb Frank Wedekind an den Folgen einer Operation in
München.
Nuran David Calis
Nuran David Calis wurde 1976 als Sohn armenischjüdischer Einwanderer aus der Türkei in Bielefeld geboren. In seiner Abiturzeit arbeitete er als Türsteher
in Diskotheken. Währenddessen lernte er seine erste
Freundin kennen, die ihn mit ins Theater zu Schillers
»Kabale und Liebe« nahm. Aus diesem Erlebnis entsprang sein Interesse am Theater. Um mit den
Freunden der Freundin mithalten zu können, begann
er sich mit Literatur zu beschäftigen und erlebte eine
Jugend zwischen Hip-Hop Gang und Ehrgeiz.
Immer noch fasziniert vom Theater und Literatur absolvierte er nach dem Abitur 1996 zunächst ein Praktikum am Münchner Residenztheater und studierte
daraufhin Regie an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Währenddessen arbeitete er als Assistent sowohl an den Münchner Kammerspielen, als
auch am Schauspielhaus Zürich. Im Jahr 2000 ist er einer von wenigen Regieabsolventen, die nicht aus einem Akademikerhaushalt kommen.
In den folgenden Jahren produzierte Calis Musikclips für Hip-Hop-Bands, wie
»Massive Töne«. 2005 folgte sein erstes Theaterstück »Urbanstorys«, welches er zusammen mit Jugendlichen aus Hannover schrieb. Ebenso erschien
»Dogland« (2006) und »Schwarz« (2007) und »Einer von uns« (2008), welches an vielen renommierten deutschen Theatern gespielt wurde.
Ebenso widmete er sich der Neuerfassung von Frank Wedekinds »Frühlings
Erwachen!«, worin er sich um eine moderne Auseinandersetzung mit den
Dramen der Pubertät bemühte. Die Uraufführung im Schauspiel Hannover war
ein großer Erfolg. Hierfür erhielt er 2009 den Bensheimer Theaterpreis für die
beste Ensemble-Leistung. Zudem verfasste er eine unter seiner Regie entstandene Fernsehfassung mit Wilson Gonzalez Ochsenknecht für den ZDFTheaterkanal.
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Wendla (Anja Signitzer) und Mama Bergmann (Nina El Kasheh)
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Vorbereitung
Nicht alle hier angegeben Aufgaben sind notwendig um die Klasse auf den
Aufführungsbesuch vorzubereiten.
Jugend und Identitätssuche
Identität definiert eine Person als einmalig und unverwechselbar und zwar in
zweierlei Hinsicht: durch das Individuum und durch die soziale Umgebung.
1
Erstelle ein Plakat auf dem du dich selbst präsentierst und stelle es anschließend der Klasse vor.
Welche Hobbys hast du? (Musik, Sport, Instrument, etc..)
Welche Wünsche und Träume hast du?
Was ist dein Traumberuf?
Welche Fähigkeiten hast du?
Sammle dazu Zeitschriften und Kataloge, aus deren Bildern und Überschriften
du deine Persönlichkeit zusammenstellen kannst.
2
Bildet Zweiergruppen und interviewt euch gegenseitig. Findet dabei heraus,
welche Werte und Eigenschaften eurem Gegenüber an anderen Menschen
wichtig sind.
3
Melchior spielt in dem Stück den coolen Typen, der über den Dingen des Lebens steht. Kennt ihr auch bestimmte Gruppierungen in die manche Menschen eingeteilt werden (wie z.B. Punker, Skater, Macho, Streber, …)?
Entscheidet euch in der Klasse für vier oder fünf dieser Gruppierungen und
ordnet euch in gleichgroßen Gruppen dem jeweiligen Typ zu. Beantwortet nun
gemeinsam folgende Fragen:
Was sind eure Erkennungsmerkmale und Besonderheiten?
Was glaubt ihr, denken die anderen über euch?
Welche Vorurteile habt ihr gegenüber den anderen Gruppierungen?
Sind die Vorurteile berechtigt? Warum? Warum nicht?
4
Auch den Geschlechtern werden oft typische Verhaltensmuster und Merkmale
zugeschrieben. Wie sehen diese aus?
Teilt dazu die Klasse nach Mädchen und Jungen auf. Jede Gruppe erhält ein
Plakat. Hierauf sollen die Mädchen nun eine Insel auf der nur Jungen wohnen
und die Jungen eine Insel, auf der nur Mädchen wohnen, darstellen.
Wie sieht die jeweilige Insel aus?
Welche Häuser, Materialien, etc. sind auf der Insel zu finden?
Stellt anschließend beide Plakate in der Klasse vor.
Was sagt ihr zu den jeweiligen Einschätzungen auf den Plakaten?
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Jugend und Gesellschaft
Gesellschaft ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Formen zusammenlebender Gemeinschaften von Menschen, deren Verhältnis zueinander durch Normen, Konventionen und Gesetze bestimmt ist. Dabei wird in der
Soziologie zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft unterschieden. Gemeinschaft ist hier gekennzeichnet durch eine größere Nähe und Verbundenheit
zwischen den Menschen, während Gesellschaft eher ein zweck- und nutzenorientiertes Zusammenleben bezeichnet.
1
Moritz ist verzweifelt, als er erfährt, dass er wahrscheinlich ein Schuljahr wiederholen muss. Versetzt euch in seine Lage und tragt in Stichpunkten zusammen, was in einer solchen Lage für euch wichtig wäre, um mit der Situation umgehen zu können. Überlegt, welche Probleme auf Moritz zukommen
und überlegt auch, warum seine Nicht-Versetzung auch gut für ihn sein könnte.
2
Findet euch zu zweit zusammen und besprecht folgende Fragen:
Welche Werte, glaubt ihr, sind in der Gesellschaft allgemein gültig?
Wer legt diese Werte fest?
3
Welchem gesellschaftlichen Druck sind Jugendliche heutzutage ausgesetzt?
Schreibt zu zweit alle Dinge auf, die euch dazu einfallen. Tragt diese anschließend gemeinsam mit der Klasse an der Tafel zusammen. Stimmt dann
in der Klasse ab, welche fünf Dinge, am meisten Druck auf jeden einzelnen
von euch ausüben.
4
Was glaubt ihr? Gibt es Wege, wie man den »Druckmachern« ausweichen,
mit ihnen besser umgehen oder sich weniger von ihnen stressen lassen kann?
Erstellt hierzu einen Ratgeber für Jugendliche, in dem ihr Möglichkeiten aufzeigt, besser mit den »Druckmachern« umzugehen. Findet einen passenden
Slogan als Überschrift. Ordnet euch dazu in Gruppen gleichmäßig den fünf
ausgewählten »Druckmachern« zu und erarbeitet hierzu Tipps und Ratschläge.
Jugend und Familie
Eine Familie (lat. familia »Hausgemeinschaft«) ist soziologisch eine durch
Partnerschaft, Heirat oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft,
im westlichen Kulturkreis. Sie besteht meist aus Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und Kindern. Gelegentlich wird die Familie durch weitere, mitunter
auch im gleichen Haushalt lebende Verwandte oder Lebenspartner erweitert.
Die Familie ist demnach eine engere Verwandtschaftsgruppe.
1
Skizziere deine Familienmitglieder auf einem Blatt Papier. Stelle, anhand von
Pfeilen, Symbolen und Stichworten dar, welche Beziehung du jeweils zu den
einzelnen Personen hast.
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2
Welche Probleme haben Jugendliche mit ihren Eltern? Versucht dies zu zweit
in einem Standbild darzustellen. Die anderen sollen erraten, um welche Situation es sich handelt. Ihr könnt aber auch zwei oder drei Standbilder pro Paar
erarbeiten.
3
In dem Theaterstück zählt Martha Dinge auf, die sie vergessen oder an die sie
sich erinnern will, wenn sie erwachsen ist.
Lies dir den Monolog aufmerksam durch und versuche einen eigenen Monolog zu schreiben: »Dinge, an du dich erinnern willst« und »Dinge, die du vergessen willst«. Diesen Monolog musst du den anderen nicht zeigen. Vergleiche anschließend deinen Monolog mit dem von Martha.
Gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten?
Marthas Monolog:
dinge an die ich mich erinnern will wenn ich erwachsen bin: esspapier
im freibad nach der arschbombenorgie vom dreier – heimlich die zigarettenstummel von papa rauchen – ein 24er palette bier leeren bevor
die anderen kommen dann so tun als wäre nichts dann aufs skateboard steigen und die ersten runden fahren und hinterher blöd rumkotzen alle zum lachen bringen und sich wenn man glück hat noch den
unterarm brechen – schmerzen – stolz sein – knutschen mit einem typen nur so lange bis er das nächste Getränk zahlt – bei h&m klamotten
klauen – mitten beim abendessen zuhause vor mama und papa rülpsen
dinge die ich vergessen will wenn ich erwachsen bin: die ohrfeige von
mama weil ich in der dritten lasse dreimal hintereinander meinen badeanzug nach dem schwimmunterricht verloren hatte – eine woche
frühstücksverbot weil ich zugelassen habe das man mein fahrrad klaut
– der streit bei dem papa mama gegen die wand geschleudert hat weil
sie meinte er müsse mehr an sich arbeiten – der streit bei dem papa
mama einen löffel in die seite gerammt hat und sie ihm aus reflex einen
zahn ausgeschlagen hat – der tag an dem mama ging – der tag an
dem papa ging – fettes schwein genannt worden zu sein
Jugend und die Liebe
Liebe ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die
ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden in der Lage ist. Der
Erwiderung bedarf sie nicht. Sie ist ein mächtiges Gefühl und mehr noch eine
innere Haltung positiver, inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person, die
den reinen Zweck oder Nutzwert einer zwischenmenschlichen Beziehung
übersteigt und sich in der Regel durch eine tätige Zuwendung zum anderen
ausdrückt.
1
Schreibe einen Liebesbrief, in dem du deine Liebe gestehst. Es ist egal an
wen, es kann eine echt oder auch eine fiktive Person sein. Diesen Brief müsst
ihr niemanden zeigen.
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2
Führt zu zweit eine Internetrecherche zum Thema »Was ist Liebe?« durch.
Sucht dazu Zitate und Sprüche( z.B. aus Zeitungsartikeln, Interviews, Büchern) heraus und schreibt sie auf ein Plakat.
3
Stellt euch vor, ihr könntet Postkarten entwerfen, die später in Bars, an öffentlichen Plätzen ausgelegt werden. Schreibt auf die Karten, was für euch Liebe
ist. Beginnt den Satz mit »Liebe ist …«.
4
Bildet Zweier- oder Dreier-Gruppen und denkt euch eine Liebesszene aus, die
ihr in einem Standbild darstellen könnt. Das kann ein Streit, kurz vor dem ersten Kuss oder ein schüchterner Flirt sein, was immer euch einfällt. Stellt euer
Standbild der Klasse vor. Eure Mitschüler müssen erraten, was ihr darstellen
wollt. Ihr könnt aber auch tatsächliche eine Theaterszene entwickeln und diese euch gegenseitig vorspielen.
Das Coming Out
Homosexualität bezeichnet eine sexuelle Orientierung, bei der das sexuelle
Verlangen überwiegend auf Personen des gleichen Geschlechts gerichtet ist.
Häufig versuchen die Betroffenen die Homosexualität vor anderen und auch
sich selbst zu verleugnen, bevor sie ihre sexuelle Orientierung sich und anderen eingestehen. Coming-out bezeichnet dabei meist den individuellen Prozess, sich seiner eigenen gleichgeschlechtlichen Empfindungen oder seiner
von gesellschaftlich festgelegter geschlechtlicher Identität oder Geschlechterrolle abweichenden Empfindungen bewusst zu werden, dies zu akzeptieren
und anschließend dem näheren familiären und sozialen Umfeld mitzuteilen.
1
Versetze dich in die Lage einer homosexuellen Person, die sich noch nicht
geoutet hat. Schreibe in einer kurzen Geschichte, wie und wo du deinen Partner kennenlernst und die Beziehung im Alltag aussehen könnte. Welche
Ängste und Befürchtungen habt ihr?
2
Findet euch zu zweit zusammen und sprecht über die Ängste und Befürchtungen sich zu outen. Notiert eure Gedanken in Stichpunkten.
Glaubt ihr seine/ihre Ängste sind berechtigt? Warum?
3
Bildet Dreier- oder Vierer-Gruppen und spielt in einem Rollenspiel vor, wie ihr
euch vor euren Eltern oder Freunden outet würdet. Welche Reaktion die Eltern und Freunde zeigen, bleibt euch überlassen.
4
Debattiert in der Klasse über folgende Fragen:
Würdest du dich outen?
Warum?
Warum nicht?
Wie würdest du reagieren, wenn einer deiner Freunde sich outet?
Welche Vorurteile gibt es gegenüber Schwulen und Lesben?
Treffen sie zu?
Wählt einen Moderator, der die Debatte führt.
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Moritz (Martin Winkelmann) und Papa Stiefel (Alexander Ritter)
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Theaterbesuch
Bühnenbild
Das Bühnenbild von »Frühlings
Erwachen!« besteht aus drei
Wänden mit einem schwarzgrauen Gittermuster; es ist ein
Innenraum, ein Gefängnis und
eine Festung zugleich; ein
Brennglas unter dem »Jugend«
beobachtet werden kann. Ein
Kontrast zu diesem ordentlichen Raum sind die großen,
bunten Kissen. Zu Anfang des
ersten Aktes sind die Kissen zu einer Pyramide aufeinander gestapelt. Im Laufe des Stückes wird die Pyramide jedoch immer weiter umgestoßen und zerstört, sodass am Ende pures Chaos herrscht, ein Sinnbild für die Verzweiflung
der Figuren.
Kostüme
Die Kostüme für jede Figur verändern sich im Laufe der Handlung, in jedem
der drei Akte gibt es Veränderungen. Beispiel: Melchior trägt im ersten Akt
einen cremeweißen Anzug mit Hosenträgern, kombiniert mit einem weißen TShirt, neon-farbenden Socken und bunten Sneakers. Dies soll seine
draufgängerische Seite hervorheben und gleichzeitig darauf hinweisen,
gleichzeigtig passt der Anzug noch nicht zu seinem Alter (um die 15 Jahre).
Im zweiten Akt zieht er mit seiner gewachsenen Selbstsicherheit das Sacko
aus, er muss Wendla nicht mehr beindrucken. Im dritten Akt haben die
Figuren bunte, schrille Kostümen der 70er Jahre an; nichts passt wirklich zu
einander, nach dem Selbstmord von Moritz hat sich alles verändert, nichts
passt zusammen, auch ihre Kleidung nicht. – Rollenwechsel zwischen den
Jugendlichen und den Eltern werden durch kleine Details erzählt, so trägt der
Spieler für »Ernst« eine Brille, für »Papa Stiefel« keine.
Musik
Die Musik wurde eigens für die Inszenierung von Josch Russo komponiert, sie
ist einerseits atmosphärische Unterstützung für die Szene, anderseits wird sie
selbst zum Handlungsträger. Viele verschiedene Musikstile vereinen sich in
der Musik. So gibt es einen Rap von Melchior, Moritz und Ernst; der ganz
deutlich über den Aufbruch in der Jugend und die Probleme damit erzählt. –
Moritz spielt Gitarre, einen Song aus dem Film »Into the Wild« (Regie: Sean
Penn), dieser Song und dieser Film ergänzen den romantisierenden Blick von
Moritz auf die Natur und auf Amerika.
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Wendla (Anja Signitzer) und Luis Lüps (Melchior)
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Nachbereitung
Expertengruppen
Bildet sechs Expertengruppen für je einen der Jugendlichen im Stück. Hier
sind noch einmal die Figuren aufgelistet:
Moritz, Wendla, Ilse, Melchior, Ernst, Martha
Zunächst sollte in jeder Gruppe folgendes besprochen werden:
Welche Probleme hat die jeweilige Figur?
Was haben diese Probleme für Auswirkungen auf die Figur?
Wie geht die jeweilige Figur damit um?
Gibt es sonstige Beobachtungen?
Erstellt in eurer Expertengruppe zu der jeweiligen Person einen Steckbrief der
folgende Punkte beinhaltet:
Name
Alter
Aussehen
familiäre Situation
Hobbys
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Was dir noch einfällt
In einer kurzen Präsentation, sollt ihr euren Mitschülern die Situation und die
Probleme der Personen erläutern. Die Präsentation sollte etwa zehn Minuten
dauern.
Diskutiert im Anschluss, die Probleme der Figuren.
Wie wurden die Probleme der Figur dargestellt?
Warum wurden einige Dinge so »hart« dargestellt?
Wo gab es Momente für Ruhe in der Inszenierung?
Nach diesen allgemeinen Aufgaben, die für jede Expertengruppe gelten, spezialisieren sich nun die Expertengruppen mit eigenen Aufgaben.
Expertengruppe 1 Jugend und Identitätssuche (Melchior)
Melchior ist ein Nihilist, das heißt er glaubt nur an Dinge die man sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen kann.
1
Überlege für dich selber:
An was glaubst du im Leben?
Was sind deine Ziele und Träume?
Was erwartest du von deiner Zukunft?
Was für einen Beruf möchtest du erlernen? Und wieso?
Willst du eine Familie gründen?
An welche Orte möchtest du mal reisen?
Schreibe deine Antworten auf. Diese kannst du natürlich für dich behalten.
Vergleiche deine Antworten mit den Ansichten und Zielen von Melchior.
Was fällt dir dabei auf? Habt ihr Gemeinsamkeiten?
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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2
Beantwortet nun in der Expertengruppe von Melchior die Fragen:
Welche Einstellung hat Melchior zu seinem Leben?
An was glaubt er?
Wie unterscheidet sich seine Einstellung/ sein Glaube zwischen dem
Beginn und dem Ende des Stückes?
Wie verändert sich die Sicht von Melchior auf sein Leben im Laufe des
Stückes?
Entwickelt dazu ein Tafelbild und stellt es der Klasse vor.
3
Beantworte für dich selbst folgende Fragen und notiere diese in Stichpunkten:
Wie könnte Melchiors Leben weitergehen?
Wird er sein Leben wieder in Griff bekommen oder wird er weiter in tiefe Depressionen sinken?
Vergleicht anschließend in der Gruppe eure Stichpunkte und erarbeitet daraus
ein kleines Rollenspiel über Melchiors Zukunft, das ihr anschließend der Klasse vorspielt.
Expertengruppe 2 Jugend und Gesellschaft (Moritz)
Moritz begeht im Stück Selbstmord, da er nicht versetzt wird und so seine
Traumreise nach Amerika für ihn nicht stattfinden kann.
1
Überlege für dich selbst:
Aus welchen Gründen begeht Moritz Selbstmord?
Kannst du seine Gründe verstehen?
Versetzte dich in Moritz hinein und schreibe aus seiner Sicht einen Abschiedsbrief an seinen Vater.
2
Findet euch zu zweit zusammen und besprecht folgende Punkte:
Warum unterstützt Papa Stiefel die Versetzung seines Sohnes nicht?
Würdet ihr auch so handeln wie er?
Warum, warum nicht?
3
Diskutiert in eurer Expertengruppe:
Hätten Moritz‘ Freunde überhaupt Moritz helfen könne?
Wie hätten Moritz‘ Freunde ihm helfen können, wenn sie gewusst hätten, dass er Selbstmord begehen will?
Was hätten sie tun können, um ihn aufzuheitern oder ihm Mut zu machen?
Geht dafür in der Pause zu Mitschülern aus verschiedenen Klassenstufen und
interviewt diese zu dem Thema. Formuliert die Fragen für eure Mitschüler so,
dass sie auch ohne im Theater gewesen zu sein, auf eure Fragen antworten
können. Im Idealfall habt ihr hierfür ein Aufnahmegerät, so dass ihr die Antworten im Anschluss der Klasse vorspielen könnt.
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Expertengruppe 3 Jugend und Familie (Martha)
Martha wird von ihren Eltern geschlagen. In dem Theaterstück erzählt sie von
den Dingen, an die sie sich erinnern und die sie vergessen möchte, wenn sie
erwachsen ist.
1
Trage folgende Antworten für dich in einer Mindmap zusammen.
An welche guten Erfahrungen kannst du dich aus deiner Kindheit und
Jugend erinnern?
Was möchtest du lieber vergessen?
2
Besprecht mündlich in Zweiergruppen folgende Fragen:
Warum hilft keiner Martha in ihrer Situation zu Hause?
Warum fragt sie nicht nach Hilfe?
Wieso nehmen sie die anderen nicht ernst?
3
Findet euch in eurer Expertengruppe zusammen. Folgende Fragen können
euch als Leitfaden dienen:
Welche Möglichkeiten haben Jugendliche, die zu Hause geschlagen
werden, sich dagegen zu wehren?
Wie könnte jeder einzelne von euch einem Freund helfen, der Gewalt
in der Familie erlebt?
Welche Personen oder Einrichtungen könnten hierbei behilflich sein?
Welche Schwierigkeiten stehen jemandem bevor, der Gewalt in der
Familie erfährt und sich dagegen wehren möchte?
Welche Gefahren birgt es in sich, wenn man einem Freund bei diesem
Problem helfen möchte?
Inwiefern ist Hilfe möglich?
Wo sind evtl. Grenzen und warum?
Stellt in einer Szene dar, wie jemand, der zu Hause geschlagen wird, sich
Hilfe bei Freunden sucht. Versucht dabei der einige der oben genannten
Fragen in dem Dialog zu beantworten.
Expertengruppe 4 Jugend und die Liebe (Ilse)
Ilse möchte eigentlich eine romantische Beziehung und jemand an ihrer Seite
haben, der sie richtig liebt und behutsam mit ihr umgeht. Jedoch hat sie
Schwierigkeiten echte Gefühle anzunehmen und zu zeigen.
1
Sex ohne Liebe – geht das? Stell dir vor, du würdest in der BRAVO diese Frage lesen. Schreibe anschließend einen anonymen Brief, in dem du persönlich
auf folgende Frage antwortest:
Gehören Sex und Liebe für »dich« zueinander?
2
Besprecht in einem Stuhlkreis in eurer Gruppe folgende Punkte:
Benötigt Sex Tabus oder Regeln?
Wann wird Sexualität zum Missbrauch?
Löst den Stuhlkreis auf und fertigt, jeder für sich, eine Art »10 Gebote« an, in
denen ihr eure Regeln, Tabus und Grenzen, in Sachen Liebe und Sex, auflistet. Diese Liste braucht ihr niemandem zu zeigen. Sie soll euch lediglich beFrühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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wusst machen, dass ihr bestimmt, was für euch in Sachen Liebe und Sex
okay ist.
3
Fertigt in der Expertengruppe ein Tafelbild an.
Warum, glaubt ihr, kann Ilse keine Liebesbriefe annehmen?
Warum wehrt sie sich dagegen und geht nur sexuelle Beziehungen
ein?
Expertengruppe 5 Jugend und das Erste Mal (Wendla)
Wendla möchte vieles neu ausprobieren, was zum Erwachsen werden eben
dazu gehört. Der erste feste Freund, das erste Mal Sex und dann passiert es:
Wendla wird schwanger. Doch Melchior will das Kind nicht behalten. Wie soll
es weitergehen?
1
Mach dir alleine Gedanken über die folgenden Fragen:
Wann ist man für »das erste Mal« bereit?
Wann ist die richtige Zeit? (Alter..etc.)
Wie sollte es sein?
Mit wem sollte es sein?
Beantworte die Fragen in Stichpunkten.
Anschließend gestaltet eine Broschüre zum Thema »Das Erste Mal«.
Es soll als Informationsheft für andere Jugendliche dienen.
2
Bereitet zu zweit ein Rollenspiel vor, in dem ihr darstellt, wie Mutter Bergmann
auf die Schwangerschaft von Wendla reagieren könnte. Stellt es der Klasse
vor.
3
Gestaltet in eurer Expertengruppe für Wendla ein Plakat, das für oder gegen
die Abtreibung spricht. Entwerft hierzu Slogans (wie z.B.»Rettet die Babys«)
und fügt Bilder hinzu, die eurer Meinung nach dazu passen würden. Stellt diese der Klasse vor. Diskutiert gemeinsam wie überzeugend ihr die Plakate findet. Überlegt auch, welche Fragen ihr Wendla stellen würdet? Wie könnte
man ihr in ihrer Situation helfen?
Expertengruppe 6 Das Coming Out (Ernst)
Ernst ist homosexuell, möchte dies aber nicht richtig einsehen. Er versucht es
vor seinen Freunden zu verheimlichen, bis er Moritz seine Liebe zu ihm gesteht.
1
Einzelarbeit: Nimm dir ein leeres DNA4 Blatt und male die Gedanken von
Ernst, die ihm durch den Kopf gehen könnten, auf. Die Gedanken sollten in
Symbolen gemalt werden z.B. ein Herz für die Liebe zu Moritz.
2
Interviewt einige Mitschüler. Verwendet ihre Antwort auf die folgende Frage
und wertet diese aus.
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Was spricht dafür und was spricht dagegen, dass man sich outen sollte?
Notiert eure Stichpunkte tabellarisch.
3
Entwickelt eine eigene Theaterszene. Ernst wird in zwei Personen aufgeteilt.
Ein Spieler ist Ernst, der offen mit seiner Homosexualität umgeht; der andere
ist Ernst, der nach außen hin nicht dazu steht, dass er schwul ist.
Findet euch in eurer Expertengruppe zusammen und überlegt euch wie man
dies als Standbild darstellen kann.
Frank Wedekind und Nuran David Calis – Ein Vergleich
Zwischen der alten Fassung von »Frühlings Erwachen!« von Frank Wedekind
und der neuen Fassung von Nuran David Calis liegen mehr als 100 Jahre.
Für die folgenden Aufgaben ist im Anhang ein Arbeitsblatt enthalten, bitte
nutzt diese Tabelle für eure Aufgaben.
1
Worin unterscheiden sich die beiden Fassungen?
Um diese Frage zu klären, findest du im Folgenden die gleiche Szene, einmal
aus der Original-Fassung von Frank Wedekind und einmal aus der Fassung
von Nuran David Calis. Lies dir beide Szenen durch und stelle die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der vorgegebenen Tabelle zusammen.
ERSTER AKT ZWEITE SZENE – WEDEKIND
Melchior Möchte doch wissen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind!
Moritz Lieber wollt' ich ein Droschkengaul sein um der Schule willen! – Wozu
gehen wir in die Schule? – Wir gehen in die Schule, damit man uns examinieren kann! – Und wozu examiniert man uns? – Damit wir durchfallen. –
Sieben müssen ja durchfallen, schon weil das Klassenzimmer oben nur
sechzig faßt. – Mir ist so eigentümlich seit Weihnachten... hol mich der
Teufel, wäre Papa nicht, heut noch schnürt' ich mein Bündel und ginge
nach Altona!
Melchior Reden wir von etwas anderem. – (Sie gehen spazieren.)
Moritz Siehst du die schwarze Katze dort mit dem emporgereckten Schweif?
Melchior Glaubst du an Vorbedeutungen?
Moritz Ich weiß nicht recht. Sie kam von drüben her. Es hat nichts zu sagen.
Melchior Ich glaube, das ist eine Charybdis, in die jeder stürzt, der sich aus
der Skylla religiösen Irrwahns emporgerungen. – – Laß uns hier unter der
Buche Platz nehmen. Der Tauwind fegt über die Berge. Jetzt möchte ich
droben im Wald eine junge Dryade sein, die sich die ganze lange Nacht in
den höchsten Wipfeln wiegen und schaukeln läßt.
Moritz Knöpf dir die Weste auf, Melchior!
Melchior Ha – wie das einem die Kleider bläht!
Moritz Es wird weiß Gott so stockfinster, daß man die Hand nicht vor den Augen sieht. Wo bist du eigentlich? – – Glaubst du nicht auch, Melchior, daß
das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner Erziehung ist?
Melchior Darüber habe ich erst vorgestern noch nachgedacht. Es scheint mir
immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Denke dir, du sollst
dich vollständig entkleiden vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht tun,
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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wenn er es nicht zugleich auch tut. – Es ist eben auch mehr oder weniger
Modesache.
Moritz Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich
auf ein und demselben Lager, zusammenschlafen, lasse ich sie morgens
und abends beim An- und Auskleiden einander behilflich sein und in der
heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl wie die Mädchen, tagsüber nichts
als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunika aus weißem Wollstoff tragen. – Mir ist, sie müßten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind.
Melchior Das glaube ich entschieden, Moritz! – Die Frage ist nur, wenn die
Mädchen Kinder bekommen, was dann?
Moritz Wieso Kinder bekommen?
Melchior Ich glaube in dieser Hinsicht nämlich an einen gewissen Instinkt. Ich
glaube, wenn man einen Kater zum Beispiel mit einer Katze von Jugend
auf zusammensperrt und beide von jedem Verkehr mit der Außenwelt fernhält, d. h. sie ganz nur ihren eigenen Trieben überläßt – daß die Katze früher oder später doch einmal trächtig wird, obgleich sie sowohl wie der Kater niemand hatten, dessen Beispiel ihnen hätte die Augen öffnen können.
Moritz Bei Tieren muß sich das ja schließlich von selbst ergeben.
Melchior Bei Menschen glaube ich erst recht! Ich bitte dich, Moritz, wenn deine Knaben mit den Mädchen auf ein und demselben Lager schlafen und es
kommen ihnen nun unversehens die ersten männlichen Regungen – ich
möchte mit jedermann eine Wette eingehen...
Moritz Darin magst du recht haben. – Aber immerhin...
Melchior Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das nämliche! Nicht, daß das Mädchen gerade... man kann das ja
freilich so genau nicht beurteilen... Jedenfalls wäre vorauszusetzen... und
die Neugierde würde das ihrige zu tun auch nicht verabsäumen!
Moritz Eine Frage beiläufig –
Melchior Nun?
Moritz Aber du antwortest?
Melchior Natürlich!
Moritz Wahr?!
Melchior Meine Hand darauf. – – Nun, Moritz?
Moritz Hast du den Aufsatz schon??
Melchior So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja
niemand.
Moritz Selbstverständlich müßten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in
Hof und Garten, oder sich durch Spiele zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie müßten reiten, turnen, klettern und vor allen
Dingen nachts nicht so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. – Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.
Melchior Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese überhaupt nur in meiner
Hängematte. Ich habe mein Bett hinter den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. – Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das
Grauenhafteste, was ich je geträumt habe. – Was siehst du mich so sonderbar an?
Moritz Hast du sie schon empfunden?
Melchior Was?
Moritz Wie sagtest du?
Melchior Männliche Regungen?
Moritz M-hm.
Melchior – Allerdings!
Moritz Ich auch – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Melchior Ich kenne das nämlich schon lange! – Schon bald ein Jahr.
Moritz Ich war wie vom Blitz gerührt.
Melchior Du hattest geträumt?
Moritz Aber nur ganz kurz... von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das
Katheder steigen – um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. –
Ich habe sie nur flüchtig gesehen.
Melchior Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.
Moritz Hat er dir das erzählt?
Melchior Draußen am Galgensteg!
Moritz Wenn du wüßtest, was ich ausgestanden seit jener Nacht!
Melchior Gewissensbisse?
Moritz Gewissensbisse?? – – – Todesangst!
Melchior Herrgott...
Moritz Ich hielt mich für unheilbar. Ich glaubte, ich litte an einem inneren
Schaden. – Schließlich wurde ich nur dadurch wieder ruhiger, daß ich meine Lebenserinnerungen aufzuzeichnen begann. Ja, ja, lieber Melchior, die
letzten drei Wochen waren ein Gethsemane für mich.
Melchior Ich war seinerzeit mehr oder weniger darauf gefaßt gewesen. Ich
schämte mich ein wenig. – Das war aber auch alles.
Moritz Und dabei bist du noch fast um ein ganzes Jahr jünger als ich!
Melchior Darüber, Moritz, würd' ich mir keine Gedanken machen. All meinen
Erfahrungen nach besteht für das erste Auftauchen dieser Phantome keine
bestimmte Altersstufe. Kennst du den großen Lämmermeier mit dem strohgelben Haar und der Adlernase? Drei Jahre ist der älter als ich. Hänschen
Rilow sagt, der träume noch bis heute von nichts als Sandtorten und Aprikosengelee.
Moritz Ich bitte dich, wie kann Hänschen Rilow darüber urteilen!
Melchior Er hat ihn gefragt.
Moritz Er hat ihn gefragt? – Ich hätte mich nicht getraut, jemanden zu fragen.
Melchior Du hast mich doch auch gefragt.
Moritz Weiß Gott ja! – Möglicherweise hatte Hänschen auch schon sein Testament gemacht. – Wahrlich ein sonderbares Spiel, das man mit uns treibt.
Und dafür sollen wir uns dankbar erweisen! Ich erinnere mich nicht, je eine
Sehnsucht nach dieser Art Aufregung verspürt zu haben. Warum hat man
mich nicht ruhig schlafen lassen, bis alles wieder still gewesen wäre. Meine
lieben Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können. So bin ich nun
hergekommen, ich weiß nicht, wie, und soll mich dafür verantworten, daß
ich nicht weggeblieben bin. – Hast du nicht auch schon darüber nachgedacht, Melchior, auf welche Art und Weise wir eigentlich in diesen Strudel
hineingeraten?
Melchior Du weißt das also noch nicht, Moritz?
Moritz Wie sollt' ich es wissen? – Ich sehe, wie die Hühner Eier legen, und
höre, daß mich Mama unter dem Herzen getragen haben will. Aber genügt
denn das? – Ich erinnere mich auch, als fünfjähriges Kind schon befangen
worden zu sein, wenn einer die dekolletierte Coeurdame aufschlug. Dieses
Gefühl hat sich verloren. Indessen kann ich heute kaum mehr mit irgendeinem Mädchen sprechen, ohne etwas Verabscheuungswürdiges dabei zu
denken, und – ich schwöre dir, Melchior – ich weiß nicht was.
Melchior Ich sage dir alles. – Ich habe es teils aus Büchern, teils aus Illustrationen, teils aus Beobachtungen in der Natur. Du wirst überrascht sein; ich
wurde seinerzeit Atheist. Ich habe es auch Georg Zirschnitz gesagt! Georg
Zirschnitz wollte es Hänschen Rilow sagen, aber Hänschen Rilow hatte als
Kind schon alles von seiner Gouvernante erfahren.
Moritz Ich habe den Kleinen Meyer von A bis Z durchgenommen. Worte –
nichts als Worte und Worte! Nicht eine einzige schlichte Erklärung. O dieFrühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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ses Schamgefühl! – Was soll mir ein Konversationslexikon, das auf die
nächstliegende Lebensfrage nicht antwortet.
Melchior Hast du schon einmal zwei Hunde über die Straße laufen sehen?
Moritz Nein! – – Sag mir lieber heute noch nichts, Melchior. Ich habe noch
Mittelamerika und Ludwig den Fünfzehnten vor mir. Dazu die sechzig Verse Homer, die sieben Gleichungen, der lateinische Aufsatz – ich würde
morgen wieder überall abblitzen. Um mit Erfolg büffeln zu können, muß ich
stumpfsinnig wie ein Ochse sein.
Melchior Komm doch mit auf mein Zimmer. In dreiviertel Stunden habe ich
den Homer, die Gleichungen und zwei Aufsätze. Ich korrigiere dir einige
harmlose Schnitzer hinein, so ist die Sache im Blei. Mama braut uns wieder
eine Limonade, und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung.
Moritz Ich kann nicht. – Ich kann nicht gemütlich über die Fortpflanzung plaudern! Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann gib mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib mir auf, was du weißt. Schreib es möglichst kurz
und klar und steck es mir morgen während der Turnstunde zwischen die
Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, daß ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen... falls es unumgänglich notwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen.
Melchior Du bist wie ein Mädchen. – übrigens wie du willst! Es ist mir das eine ganz interessante Arbeit. – – Eine Frage, Moritz.
Moritz Hm?
Melchior Hast du schon einmal ein Mädchen gesehen?
Moritz Ja!
Melchior Aber ganz?!
Moritz Vollständig!
Melchior Ich nämlich auch! – Dann werden keine Illustrationen nötig sein.
Moritz Während des Schützenfestes, in Leilichs anatomischem Museum!
Wenn es aufgekommen wäre, hätte man mich aus der Schule gejagt. –
Schön wie der lichte Tag, und – o so naturgetreu!
Melchior Ich war letzten Sommer mit Mama in Frankfurt – Du willst schon gehen, Moritz?
Moritz Arbeiten machen. – Gute Nacht.
Melchior Auf Wiedersehen.
ERSTER AKT FÜNFTE SZENE – CALIS
Melchior Warum sind wir auf der Welt?
Moritz Wozu gehen wir in die Schule?
Melchior Werd ich je einen Job bekommen?
Moritz Werd ich je einen Ferienjob bekommen?
Melchior Mit wie viel Frauen werde ich in meinem Leben schlafen?
Moritz Wird mich je ein Mädchen ansprechen?
Melchior Werden Terroristen unseren Bahnhof in die Luft jagen?
Moritz Werde ich jemals Kinder haben?
Melchior Wird Papa heute Nacht Mama bumsen? bekommt einen Lachanfall,
geht auf Kissenpyramide Reden wir von etwas anderem.
Moritz Okay. (Spielt »Guaranteed« auf der Gitarre und singt.)
On bended knee is no way to be free
lifting up an empty cup I ask silently
that all my destinations will accept the one that's me
so I can breath
Circles they grow and they swallow people whole
half their lives they say goodnight to wive's they'll never know
got a mind full of questions and a teacher in my soul
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so it goes...
Leave it to me as I find a way to be
consider me a satelite for ever orbiting
I knew all the rules but the rules did not know me
guaranteed...
Wind in my hair, I feel part of everywhere
underneath my being is a road that disappeared
late at night I hear the trees
they're singing with the dead
overhead –
Melchior Was ist?
Moritz guckt nach hinten, alle ducken sich weg
Ich muss dir was sagen.
Melchior Was?
Moritz Siehst du die schwarze Katze dort?
Melchior Bist du abergläubisch?
Moritz Ich weiß nicht recht. Sie kam von da drüben.
Melchior Ich glaube weder an Gott noch an schwarze Katzen.
Moritz spielt auf der Gitarre die Melodie von Halleluja
Melchior während Moritz spielt, streckt er sich. Die anderen schauen
von hinten zu. Jetzt wär ich gerne irgendwo draußen in den Bergen, mitten
in der Nacht, unter einsamen knorrigen Bäumen. Nur der Wind ist zu hören.
Die anderen ducken sich weg. Martha schlägt sich die Nase am Kissen.
Moritz reagiert.
Moritz
Glaubst du, dass das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner
Erziehung ist?
Hinten wird eine Rolle Klopapier hin und her geworfen.
Melchior Ja. Klar. Und du?
Moritz Ja. Klar. Und du?
Melchior Darüber habe ich unlängst noch nachgedacht. Es scheint mir immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Stell dir vor, du sollst
dich vollständig ausziehen vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht tun,
wenn er es nicht auch tut.
Moritz Meinst du wirklich?
Melchior Ja. Klar.
Moritz Echt?
Melchior Ja.
(Melchior zieht sich aus und steht nackt vor Moritz.)
Moritz Und jetzt.
Melchior Du bist dran.
Moritz zieht sich aus. Es ist ihm peinlich. Die anderen gucken neugierig hinter den Kissen vor. Wenn Moritz die Unterhose auszieht ducken sich alle
weg außer Ernst. Wendla zieht ihn nach unten. Propellerspiel.
Moritz Ja. Echt cool... Sag mal –
Melchior Was?
Moritz Darf ich dir eine Frage stellen?
Melchior Natürlich!
Moritz Hast du sie schon?
Melchior Was? Männliche Regungen?
Moritz M-hm.
Melchior Na klar!
Moritz Ich auch.
Melchior Ich kenne das schon lange! - War’s im Traum?
Melchior Ernst träumte von seiner Mutter.
Moritz Hat er dir das erzählt?
Frühlings Erwachen! (LIVE FAST – DIE YOUNG!) – Materialmappe
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Melchior Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so
lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das Grauenhafteste, was ich je geträumt habe.
Moritz Ich weiß gar nicht, ob ich das will, diese Art von Aufregung.
Melchior Hast du schon einmal ein Mädchen nackt gesehen?
Moritz Ja klar.
Melchior Aber in echt?!
Moritz Sicher! Im Schwimmbad...
Melchior Ich auch.
2
»Frühlings Erwachen!« wurde von Nuran David Calis verfilmt und unterscheidet sich ebenso zu der Umsetzung durch den Regisseur Volker Schmidt am
Jungen Staatstheater Braunschweig.
Erweitert die vorgegebene Tabelle, indem ihr die Inszenierung der Szenen
nach Volker Schmidt, mit der Inszenierung im Film vergleicht. Arbeitet auch
hier Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie Inhalt, Sprache und die
Merkmale der Figuren heraus.
Welche Art der Umsetzung (Film/ Theater) gefällt euch besser? Begründet
das auch! Haben der Film und die Theaterinszenierung die gleiche Botschaft?
2
Diskutiert auf Basis eurer Tabellen nun in der Klasse:
Wie wirken die jeweilige Fassungen auf euch?
Welche Fassung findet ihr besser?
Warum wurde das Stück umgeschrieben?
Warum wurde es verfilmt?
Worin unterscheiden sich Inhalt, Sprache und die Figuren?
Was macht den Unterschied?
Was erzählt uns dieses Theaterstück im Heute?
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Gemeinsamkeiten
Unterschiede
Inhalt
Sprache
Figur Melchior
Figur Moritz
Besonder-heiten
Frank
Wedekind
Nuran David Calis
Inszeneirung
(Volker Schmidt)
Film
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Ilse (Alisa Levin), Wendla (Anja Signitzer), Ernst (Alexander Ritter), Melchior (Luis Lüps) und
Martha (Nina El Karsheh)
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Theaterknigge
Ein Theater ohne Publikum ist wie …
… ein Sofa ohne bequeme Polster.
… ein Frühling ohne Sturm.
Daher freuen wir uns darüber, dass ihr da seid! Da es im Theater ein paar
Regeln zu beachten gibt, haben wir dieses kleine Lexikon als Hilfe für euch
zusammengestellt:
Abendkleid, das: Viele Menschen ziehen sich gerne schön an, wenn sie ins
Theater gehen. Sie wollen den Schauspielerinnen und Schauspielern ihren
Respekt erweisen, oder selber auch ein bisschen glitzern, falls jemand zu ihnen in die Loge schaut. Heute ist schicke Kleidung aber keine feste Regel
mehr im Theater.
Essen, das: Ihr könnt euch vorstellen wie sehr es stören würde, wenn bei
ganz leisen oder traurigen Szenen plötzlich jemand im Publikum in einen knackigen Apfel beißen würde. Und dann stellt euch vor, dass jemand neben
euch eine Knistertüte auspackt ... Also, das Essen im Theater ist grundsätzlich
nicht erlaubt.
Fotografieren, das: Auch das Fotografieren ist leider nicht erlaubt. Wenn ihr
schöne Bilder von dem Stück haben wollt, fragt doch im Theater nach. Meistens gibt es Erinnerungsbilder zum mit nach Hause nehmen auf Plakaten und
Postkarten.
Handy, das: Natürlich ist wichtig, dass eure Freunde erfahren, dass ihr grade
im Theater seid, aber bitte nicht während der Vorstellung. Wie sollen sich
denn die Schauspielerinnen und Schauspieler an ihren Text erinnern, wenn
ständig jemand dazwischen quatscht? Ihr könnt euch vorstellen, wie allein das
Klingeln eines Handys alle Menschen auf der Bühne und im Publikum stört.
Klatschen, das: Nachdem ein Stück vorbei ist, kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler auf die Bühne und alle können heftig applaudieren. Je
besser einem das Stück gefallen hat, desto lauter kann der Applaus sein.
Unterhalten, das: Vermeidet es bitte, euch während der Vorstellung zu unterhalten. Die Schauspieler können euch, anders als im Kino, hören! Merkt
euch eure Anmerkungen und Gedanken einfach, bis das Stück zu Ende ist,
dann habt ihr noch genug Zeit über das Gesehene zu diskutieren.
Turnschuhe, die: Turnschuhe sind im Theater erlaubt. Vielleicht solltest du
sie nicht gerade ausziehen, wenn du deine Füße vorher nicht gewaschen hast
und deine Socken stinken könnten.
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