Bericht über das Positivenplenum am 28.04.2016 HIV/Aids im
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Bericht über das Positivenplenum am 28.04.2016 HIV/Aids im
Bericht über das Positivenplenum am 28.04.2016 im Café Ulrichs von 19.15 Uhr bis 21.30 Uhr HIV/Aids im Erwerbsleben In der Arbeitswelt abgeschrieben? Bestandsaufnahme — Aktivitäten — Ausblick HIV/Aids im Arbeitsalltag: wie werden die Gesetze umgesetzt und wie verhalten sich die Arbeitgeber. Gerhard Grühn stellt die Referenten zum Schwerpunktthema HIV/AIDS im Erwerbsleben vor und übergibt das Podium dem ersten Vortragenden, Claus Eschemann Fachleiter „Leben mit HIV“ der Berliner Aidshilfe e.V. Claus E. stellt fest, dass die Referenten sich hervorragend durch die unterschiedliche Sichtweise auf die befasste Problematik eignen, er wird im Folgenden die Beratungspraxis in der Berliner Aidshilfe mit ihren Schwerpunkten darstellen. Der Fall des „Chemielaboranten“, der zumindest beim Bundessozialgerichtshof zur neuen Rechtsfigur der Diskriminierung am Arbeitsplatz als eine Erweiterung des Behinderungsbegriffes geführt hat, wird als Ausnahme der üblichen Beratungsprobleme festgestellt. Der Ist-Zustand ist geprägt von vielerlei Unsicherheiten. Einmal fehlen valide Daten, man geht von ca. 2/3 erwerbsfähiger HIV-Positiver bei einer Gesamtzahl von ca. 83000 positiver Menschen aus, aber genaue Daten sind nicht vorhanden. In der Beratungspraxis stellen sich eher arbeitsrechtliche Probleme dar, selten beamtenrechtliche Sonderfälle und die eher telefonisch; diese Fälle scheinen nicht das angesprochene Kernklientel zu sein. Häufig geht es um indirekte, versteckte Diskriminierung. Zudem sind immer noch die verinnerlichte Selbststigmatisierung und die Angst vor vermuteter zukünftiger Diskriminierung am Arbeitsplatz festzustellen. Einen bedeutenden Beratungsbedarf gibt es zu Fragen der Einstellungsuntersuchungen beim Betriebsarzt und dem Verhalten in der Probezeit. Es folgen anonymisierte Einzelbeispiele aus der Beratungspraxis, in denen deutlich wird, dass es keine Richtlinie im Beratungsgespräch geben soll. Der Einzelfall und die „Konstitution“ des Hilfesuchenden stehen im Vordergrund, wobei die Rechtslage erklärt wird (HIV-Test ist zustimmungspflichtig, jedoch oft unnötig) und bei entsprechender Bereitschaft wird eher offensiver und aufklärerischer Umgang mit der eigenen HIV-Infektion empfohlen. Hier wurde im Plenum lebhaft über das notwendige aber schwierige „Outing“ als HIVPositiver diskutiert. Die Rückmeldungen nach der Beratung kommen immer wieder und fließen in die laufende Beratungspraxis ein. Die Rechtsprechung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist noch in der Rechtsanwendungspraxis vor den Gerichten im Werden. Weitere wichtige Felder wie Probleme von EU-Ausländern und Migration werden von Sergiu Grimalschi, als Referent für Migrationsarbeit und Céline Simon als Referentin für Sozial- und Migrationsrecht in der Berliner Aidshilfe e.V. bearbeitet. ver.di setzt sich seit vielen Jahren für den Schutz aller Menschen mit HIV vor Diskriminierung und Ausgrenzung ein, auch der Arbeitskreis ver.queer in Berlin. Als nächster Referent stellt Rolf Wiegand von der Gewerkschaft ver.di als Personalrat seine Erfahrungen aus der Praxis vor. Die wichtigste Frage für die Personalräte ist hier ganz ursprünglich, was ist Diskriminierung (in allen Facetten) und wie kann man ihr entgegenwirken? Hier wurde viel Vorarbeit insbesondere durch Personal- und Betriebsräte vor Ort betrieben und eine wichtige Stellung haben in der Praxis auch die Schwerbehindertenvertretungen gerade durch ihre Vernetzung. Die Fortbildung, Schulung und Unterstützung der Arbeitnehmervertreter durch ver.di zeigt eindeutige Ergebnisse. Besonderen Dank spricht Rolf der Aktion „Rahmenberatung für Verbände und Arbeitgeber“ seitens Silke Eggers von der Deutschen Aidshilfe aus. Das HIV im üblichen beruflichen Umfeld nicht ansteckend ist, ist bekannt und wird offensiv verbreitet. Probleme mit der Probezeit oder befristeter Anstellung sind Rolf W. in seinem Arbeitsfeld nicht bekannt. Das AGG wirkt insoweit schon erfreulich, dass die tatsächliche oder vorausgesetzte „NichtLeistungsfähigkeit“ zu weniger Bedenken führt und Beschäftigte nicht abgelehnt werden. Prinzipiell stellt er fest, je besser die Mitbestimmungsstrukturen im Betrieb, desto besser wird das AGG angenommen (und angewandt). Wo diese nicht vorhanden sind fehlt zum größten Teil die Annahme des AGG. In seinem Arbeitsumfeld ist ihm kein Fall mit Problemen beim Outing mit HIV bekannt, hier stellen sich eher Fragen des Umgangs bei differierender sexueller Identität (schwul eher schwierig, lesbisch kaum problematisch) bei dem, in seinem Arbeitsumfeld BSR, eher vorhandenen „Arbeitermilieu“. Als Beleg wird der angenommene Beschluss „Leben und Arbeit mit HIV verbessern – Diskriminierung von Menschen mit HIV in der Arbeitswelt entgegenwirken sowie Ängste und Vorurteile abbauen“ (Gewerkschaftsrat vom 11.-13.5.2015) als Handout verteilt. (siehe Anhang) Durch die Schulung von Betriebs, -ärzten, Führungskräften, Ausbildern, Personal- und Betriebsräten etc. geht der Weg über Diversity-Schulungen und offensiver Aufklärung im Rahmen der Arbeitssicherheit über die Unbedenklichkeit des Umgangs mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsumfeld, zu einem entspannten und solidarischen Miteinander. Mit Augenzwinkern endet der Vortrag in der Feststellung, die BSR biete ein hervorragendes und aufgeklärtes Arbeitsumfeld. Das Integrationsunternehmen der Berliner Aids-Hilfe mit HIV-positiven Mitarbeiter_innen nimmt Fahrt auf. Lothar Klein, Geschäftsführer der Perspektive A Plus gGmbH (A+), einer Tochtergesellschaft der Berliner Aidshilfe e.V., stellt Werdegang, Sinn und Zweck und die Notwendigkeit dieses neuen Unternehmens als Abschlussvortrag vor. Die Gründung wird von Lothar vom Beschluss der Mitgliederversammlung bis zur Eintragung im Handelsregister des zuständigen Amtsgerichts am 31.8.2015 nachgezeichnet. Die A+ hat ihre Aufgabenfelder in der Begleitung, Durchführung und Vorbereitung von Veranstaltungen und besonderen Events (insbesondere mit Spendenaufkommen) für die Berliner Aidshilfe e.V. aber auch andere gesellschaftlich relevante gemeinnützige Organisationen. Zudem können aber auch Aufklärung und Schulungen für Fremdorganisationen durchgeführt werden. Im Gegensatz zum optimistisch stimmenden Vortrag von Rolf sieht Lothar eine andere erfahrbare Wirklichkeit in der „freien privaten Wirtschaft“, weshalb er die A+ nicht als Beschäftigungsprojekt für Menschen mit HIV sieht, sondern als Integrationsprojekt. Auch er bestätigt, dass es keine belastbaren Daten zu Menschen mit HIV im Arbeitsleben gibt, jedoch einmal eine Untersuchung aus 2009 Working with HIV - National AIDS Trust (?), die 21% Diskriminierungserfahrungen aufweist und in Deutschland zumindest die „positive Stimmen – der PLHIV Stigma Index in Deutschland“, die 26% Diskriminierungserlebnisse ermittelt hat. Eigene Erfahrungen, Erlebnisse der angestellten Mitarbeiter_innen der A+ und des Plenums werden ausgetauscht. Angefangen von der Unterstellung, weniger leistungsfähig zu sein, der besonderen Beobachtung von Krankmeldungen bis aktivem Mobbing, sieht man sich mit Lothar einig, dass hier noch viel passieren muss und mit der Perspektive A+ ein Schritt getan wurde. Die nächsten Ziele der A+ sind: -Eine Online-Crowdsponsoring-Kampagne (Online-Gruppen-Spendenaktion), deren Ziel es sein soll, einem/r zuvor unversicherten HIV-Postiven/r einen Arbeitsplatz und Krankenversicherungsschutz zu schaffen. -Schaffung eines „Pools an Mitarbeiter_innen“ im Sinne der gemeinnützigen Ziele für einzelne Projekte, die z.B. als geringfügig Beschäftigte oder kurzfristig Beschäftigte mitarbeiten können. -Auftragsakquise in der privaten Wirtschaft / Werbung für die Eventagentur und für die Projektplanungsagentur. -Ausbau der Inhouse-Veranstaltungen bis zu den Fortbildungen „HIV und Erwerbsleben“. -Zusammenarbeit mit Hochschulen zur Untersuchung der sozialen Auswirkungen der HIV Diagnose auf das Erwerbsleben der Betroffenen (neue Statistiken und Erkenntnisse). Und schließlich, der speziellen Problematik Berlins geschuldet, -Anerkennung als Integrationsunternehmen des Landes Berlin. Denn bisher steht die A+ zwar „ganz oben auf der Liste“, aber es gibt zurzeit keine Zuschüsse vom Integrationsamt, da der Pool ausgeschöpft und deshalb für neue Unternehmen gedeckelt ist. Abschließend appelliert Lothar an das Plenum die A+ bei Interessent_innen und potentiellen Kunden bekannt zu machen, damit sie recht gut gedeihe. Erfahrungsaustausch, TeilnehmerInnen bringen sich im Gespräch ein Im Erfahrungsaustausch des Plenums merkt ein Teilnehmer an, dass auch das neue Prostitutionsschutzgesetz Auswirkungen und Diskriminierungen HIV-positiver Menschen enthalte. Bericht des Positivensprechers (mit Aussprache) Dem Bericht des Positivensprechers folgen keine Anmerkungen und es werden auch keine Wünsche für das nächste Plenum geäußert. Verschiedenes Es wird noch auf den Trauerzug der Berliner Aidshilfe e.V. zum International AIDS Candlelight Memorial am 16.5.2016 hingewiesen. Das Plenum endet mit Dank an Thomas und dem Ulrichs -Team für die Gastfreundschaft um 20:50 Uhr Zusammengestellt von Gerhard Grühn (Positivensprecher) ANHANG: Antrag an den Bundeskongress von ver.di Leben und Arbeit mit HIV verbessern - Diskriminierung von Menschen mit HIV in der Arbeitswelt entgegenwirken sowie Ängste und Vorurteile abbauen Der Bundeskongress beschließt: ver.di setzt sich seit vielen Jahren für den Schutz aller Menschen mit HIV vor Diskriminierung und Ausgrenzung ein. Im Anbetracht der guten medizinischen Fortschritte im Kampf gegen HIV wird dieses Engagement auch in der Arbeitswelt immer bedeutender. Mittlerweile wurde durch die in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehenden HIV-Medikamente für die Betroffenen eine starke Verbesserung ihrer Lebensqualität und der Lebenserwartung erreicht, die auch eine normale Erwerbstätigkeit bis ins Rentenalter (wieder) ermöglicht. Menschen mit HIV sind chronisch erkrankte Menschen mit einer in der Regel behandelbaren Erkrankung, soweit sie die lebensnotwendigen Medikamente rechtzeitig, regelmäßig und dauerhaft erhalten. Sie leben zwar mit Einschränkungen, sind aber heute im Schnitt genauso leistungsfähig wie ihre Kolleginnen und Kollegen und können daher ein ganz normales Berufsleben führen. Nach Expertenangaben sind in der Bundesrepublik Deutschland zwei Drittel der Menschen mit HIV berufstätig. Der positive medizinische Wandel, der sich in den letzten 15 Jahren für Menschen mit HIV vollzogen hat, ist jedoch nur sehr vereinzelt im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Die alten Bilder sowie Vorurteile und Ängste sind weiterhin präsent. Die Unkenntnis führt zu Unsicherheit im Umgang mit HIV-positiven Menschen. Viele Kolleginnen und Kollegen befürchten Diskriminierung am Arbeitsplatz oder haben bereits Ausgrenzungserfahrungen im Beruf machen müssen. Um Diskriminierungen von Menschen mit HIV in der Arbeitswelt zu bekämpfen und irrationale, unbegründete Infektionsängste abzubauen, fordert und fördert ver.di eine kontinuierliche Informationskampagne zum Thema HIV in der Arbeitswelt und setzt sich dafür ein, dass entsprechend der Forderung des Nationalen AIDS-Beirats weder in Bewerbungsverfahren noch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen ein HIV-Test verlangt wer1den darf. ver.di möchte damit zum Abbau von Diskriminierung und zu einem solidarischen Zusammenarbeiten aller Kolleginnen und Kollegen beitragen. Um Synergieeffekte zu nutzen und so optimale Ergebnisse der Informationskampagne zu erzielen, kooperiert ver.di dabei mit anderen Gewerkschaften, dem DGB sowie weiteren staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und Selbsthilfeorganisationen. Begründung Der 1. ver.di-Bundeskongress 2003 hatte mit dem Beschluss "Gewerkschaften gegen AIDS" und der 2. ver.di-Bundeskongress 2007 mit dem Beschluss "Gewerkschaften gegen Diskriminierung von Menschen mit HIV/AIDS" bereits die Grundlagen dafür gelegt, mit einer umfangreichen Bildungs- und Aufklärungsarbeit innerhalb von ver.di sowie kompetenten Beratungs- und Informationsleistungen im Kampf gegen HIV/AIDS an herausragender Stelle in der Bundesrepublik Deutschland aktiv zu sein. Da jedoch immer noch viele Menschen mit HIV unter Diskriminierung oder Ausgrenzung leiden und andererseits viele Menschen unbegründete Ängste vor Infektionen mit HIV in der Arbeitswelt haben, muss sich ver.di gemeinsam mit den auf dem Gebiet tätigen Organisationen und Verbänden für eine Informationskampagne einsetzen und diese inhaltlich und organisatorisch begleiten. Zur Behandlung der HIV-Infektion gibt es heute sehr wirkungsvolle antiretrovirale Medikamente, die die Vermehrung des Virus im Körper verhindern. Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung haben HIVInfizierte heute eine annähernd normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. Viele HIV-Positive sind (wieder) erwerbstätig. In der Bundesrepublik Deutschland stehen nach Expertenschätzungen etwa zwei Drittel der rund 80.000 Menschen mit HIV im Arbeitsleben ihre Frau oder ihren Mann. Alle vorliegenden Erfahrungen, Studien und Umfragen zeigen, dass sie im Schnitt genauso leistungsfähig sind, wie ihre Kolleginnen und Kollegen. Da im Arbeitsalltag bei Einhaltung der üblichen Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen keine Gefahr einer Übertragung auf Kolleginnen und Kollegen oder die Kundschaft besteht, gibt es – außer für Chirurginnen und Chirurgen – keine beruflichen Einschränkungen für Menschen mit HIV. Das gilt auch für die Pflege, die Kinderbetreuung und Erziehung oder die Lebensmittelverarbeitung und Gastronomie. Durch Unwissenheit und irrationale Ängste können jedoch Unsicherheiten im Umgang mit HIV-positiven Kolleginnen und Kollegen entstehen. Mit einer kontinuierlichen Informationskampagne kann ver.di entscheidend dazu beitragen, Kolleginnen und Kollegen auf den neuesten Kenntnisstand zu bringen und über den Umgang mit chronischen Erkrankungen nachzudenken. Das hilft, Unsicherheiten und Ängste abzubauen und dadurch Diskriminierungen oder Ausgrenzungen entgegenzuwirken. Als große Hürde für Menschen mit HIV im Erwerbsleben erweist es sich heute immer noch, wenn im Bewerbungsverfahren oder auch während des laufenden Arbeitsverhältnisses ein HIV-Test verlangt oder auch nur angeboten wird. Diese unangemessene und rechtswidrige Praxis gilt es zu verhindern.