Entscheidung im Volltext

Transcrição

Entscheidung im Volltext
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 185/11
Urteil des Senats vom 19.06.2013
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 54/13
Normen: KStG § 8b Abs. 2, KStG § 8b Abs. 4
Leitsatz: Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns von einbringungsgeborenen
Anteilen nach § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a. F. ist verfassungsgemäß. Es kommt
dabei nicht darauf an, dass die stillen Reserven der zu Buchwerten übertragenen
Mitunternehmeranteile bereits bei erneuter Veräußerung dieser Anteile durch die
aufnehmende Gesellschaft steuerlich erfasst wurden.
Überschrift: Körperschaftsteuer: Besteuerung des Veräußerungsgewinns
einbringungsgeborener Anteile
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 2005 nach § 164
Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn aus
dem Verkauf einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht besteuert wird.
Die Klägerin ist eine GmbH, die im Streitjahr 2005 noch unter der Firma A GmbH auftrat.
Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, die Verwaltung, Strukturierung und
Optimierung von in- und ausländischen mittelbarem oder unmittelbarem
Immobilienbesitz, vorzugsweise von Immobilien gewerblicher, insbesondere industrieller
Nutzung (industrial properties) sowie von Beteiligungen an in- und ausländischen
Personen- und Kapitalgesellschaften einschließlich börsennotierter
Aktiengesellschaften, insbesondere solcher Gesellschaften, die die
Immobilienentwicklung, -verwaltung oder -konzeption zum Gegenstand haben. Darüber
hinaus ist die Gesellschaft im Bereich der Verwaltung und Verwertung von
Vermögensgegenständen, insbesondere von Anlagegütern tätig.
Mit notariellem Vertrag vom ... 1999 erwarb die Klägerin im Rahmen einer
Kapitalerhöhung ... Stückaktien der B AG (B AG). Die Klägerin erbrachte ihre Einlage
durch Einbringung von 94 % der Beteiligung an der Ersten C GmbH & Co. KG (1. C)
zum Buchwert von ... DM (... €) und 90 % der Beteiligung an der Zweiten C GmbH& Co.
KG (2. C) zum Buchwert von ... DM (... €) in die B AG. Laut Vertrag wurde diesen
Beteiligungen ein Gesamteinbringungswert von ... € beigemessen. Die in den
Beteiligungen enthaltenen stillen Reserven wurden nicht aufgedeckt. Auf Grund der
Sacheinlage zu Buchwerten galten die Anteile als einbringungsgeboren i. S. d. § 21
Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der Fassung vom 15.10.2002 (UmwStG a.
F.).
In 2003 und 2004 veräußerte die B AG die Beteiligung an der 1. C. Die dabei
entstandenen Veräußerungsgewinne von ... € und ... € wurden mit den
Körperschaftsteuerbescheiden für 2003 und 2004 erfasst. In 2004 veräußerte die B AG
des Weiteren die Beteiligung an der 2. C. Der Veräußerungsgewinn von ... € wurde
ebenfalls in 2004 versteuert.
Mit Vertrag vom ... 2005 veräußerte die Klägerin ihre Beteiligung an der B AG zu einem
Kaufpreis von ... € an D.
Da die Veräußerung der Beteiligung an der B AG innerhalb von sieben Jahren nach
Anschaffung erfolgte, erklärte die Klägerin einen Veräußerungsgewinn von ... €. Dem
folgend wurde die Klägerin mit Bescheid vom 09.08.2007 zu einer Körperschaftsteuer
von ... € veranlagt. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im
Rahmen einer zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfung wurde diese
Veranlagung nicht beanstandet.
Am 09.10.2009 beantragte die Klägerin, den Körperschaftsteuerbescheid 2005 in der
Weise zu ändern, dass der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile
in Höhe von ... € bei der Körperschaftsteuerveranlagung außer Ansatz gelassen werde.
Diesen Änderungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14.12.2009 ab. Den
gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch vom 18.01.2010 wies der Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 16.09.2011 als unbegründet zurück.
Zeitgleich mit dem Änderungsantrag beantragte die Klägerin den teilweisen Erlass der
Körperschaftsteuer 2005. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ebenfalls mit Bescheid vom
14.12.2009 ab. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte bisher nicht
entschieden.
Am 19.10.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Ablehnung des Antrags auf
Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 2005 sei rechtswidrig, weil es dadurch zu
einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung der stillen Reserven in den
einbringungsgeborenen Anteilen komme. Der Beklagte habe die Vorschrift des § 8b
Abs. 4 S. 1 Nr. 1 i. V. m. S. 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 15.10.2002 (KStG a. F.) zutreffend angewendet. Die Vorschrift
sei jedoch verfassungswidrig und unionsrechtswidrig.
Die Doppelbesteuerung der einbringungsgeborenen Anteile erfolge dadurch, dass
sowohl bei der Eignerin der Anteile an der 1. und 2. C, der B AG, eine Besteuerung der
stillen Reserven erfolgt sei, als auch bei ihr, der Klägerin, im Rahmen der Veräußerung
ihrer Anteile an der B AG. Zwar treffe die Besteuerung unterschiedliche Rechtssubjekte,
sie knüpfe jedoch an das gleiche Steuersubstrat an. Grundsätzlich sei die Veräußerung
von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch eine Kapitalgesellschaft nach § 8b Abs. 2
KStG a. F. steuerfrei. § 8b Abs. 4 KStG a. F. enthalte eine Ausnahmeregelung für den
Fall, dass die Anteile durch Einbringung zum Buchwert erworben worden seien. Diese
Vorschrift solle somit die Besteuerung der stillen Reserven der eingebrachten Anteile
sicherstellen. Im vorliegenden Fall seien die Anteile an den Tochtergesellschaften
bereits veräußert und die stillen Reserven in den veräußerten Anteilen bereits bei der B
AG versteuert worden. Der gesetzliche Grund für die Regelung des § 8b Abs. 4 KStG a.
F. sei also in Bezug auf die Klägerin entfallen. Der Gesetzgeber habe es versäumt, für
diesen Sachverhalt einen Ausnahmefall zu regeln. Durch die doppelte Besteuerung
werde gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gegen das
Gebot der Folgerichtigkeit der Besteuerung verstoßen. Der Gesetzgeber habe
zwischenzeitlich die Problematik der Norm erkannt und diese ab dem
Veranlagungszeitraum 2006 geändert. In der Gesetzesbegründung werde ausdrücklich
auf die unsystematische doppelte Besteuerung stiller Reserven auf der Ebene des
Veräußerers einbringungsgeborener Anteile und auf der Ebene der die eingebrachten
Wirtschaftsgüter veräußernden Kapitalgesellschaft Bezug genommen (vgl. BT-Drs.
16/2710, Seite 27).
Im Übrigen würde eine umgekehrte Reihenfolge der Veräußerungsvorgänge bei ihr, der
Klägerin, und der B AG desgleichen eine doppelte Besteuerung der stillen Reserven
auslösen. Außerdem seien die steuerlichen Folgen für sie bei Abschluss des notariellen
Vertrags Ende 1999 nicht absehbar gewesen, denn die Vorschrift des § 8b Abs. 4 KStG
a. F. sei erstmals für den Veranlagungszeitraum 2002 in Kraft getreten.
Die 7-jährige Behaltefrist des § 8b Abs. 4 KStG a. F. verstoße zudem gegen die
Fusionsrichtlinie und sei unionsrechtswidrig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 14.12.2009 und der
Einspruchsentscheidung vom 16.09.2011 zu verpflichten, den
Körperschaftsteuerbescheid 2005 vom 09.08.2007 in der Weise zu ändern, dass der
Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile in Höhe von ... € außer
Ansatz bleibt und die Körperschaftsteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass kein Verfassungsverstoß durch die Besteuerung
nach § 8b Abs. 4 KStG a. F. vorliege. Die ebenfalls gerügte Unionsrechtswidrigkeit sei
bei dem vorliegenden reinen Inlandsfall unbeachtlich.
Die Beteiligten haben am 08.02.2013 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung erklärt.
Im Gericht haben vorgelegen die Körperschaftsteuerakte, die Bilanz- und
Bilanzberichtsakte, ein Sonderband Erlassantrag und Antrag Änderung, die
Rechtsbehelfsakte sowie zwei Bände Bp-Arbeitsakten zu der Steuernummer .../.../....
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie das Protokoll über
den Erörterungstermin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht konnte nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche
Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
II.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der ablehnende Bescheid des Beklagten ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 2005 dahingehend, dass der
Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Beteiligung an der B AG bei der Ermittlung
des Einkommens außer Ansatz bleibt. Insbesondere ist die der Besteuerung zugrunde
liegende Norm des § 8b Abs. 4 KStG a. F. nicht dem Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) zur Entscheidung vorzulegen.
1. Nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG a. F. bleiben bei der Ermittlung des Einkommens
Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder
Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des §
20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören, oder an
einer Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG außer Ansatz. Nach § 8b
Abs. 4 KStG a. F. ist Absatz 2 jedoch nur anzuwenden, soweit die Anteile nicht
einbringungsgeboren im Sinne des § 21 UmwStG a. F. sind. Satz 1 gilt jedoch nicht, (1)
wenn der in Absatz 2 bezeichnete Vorgang später als sieben Jahre nach der
Einbringung stattfindet oder (2) soweit die Anteile nicht unmittelbar oder mittelbar auf
einer Einbringung im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 1 oder § 23 Abs. 1 bis 3 UmwStG a. F.
und auf einer Einbringung durch einen nicht von Absatz 2 begünstigten Steuerpflichtigen
innerhalb der in Nummer 1 bezeichneten Frist beruhen.
Nach diesen Vorschriften hat der Beklagte zutreffend den Veräußerungsgewinn aus
dem Verkauf der Anteile an der B AG bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin
in Ansatz gebracht. Die Voraussetzungen des § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG a. F. liegen
vor, die Anforderungen der Rückausnahme werden hingegen nicht erfüllt.
Die Anteile der Klägerin an der B AG sind unstreitig einbringungsgeboren im Sinne des
§ 21 UmwStG a. F., denn die Klägerin hat die Beteiligung an der B AG durch
Sacheinlage in der Weise erworben, dass sie ihre Beteiligung an der 1. C und 2. C zu
Buchwerten einbrachte (vgl. § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG a. F.). Der Teilwert der
Beteiligungen überstieg die Buchwerte ausweislich der im Vertrag vom ... 1999 erfolgten
Bewertung um ein Vielfaches. Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 8b Abs.
4 S. 2 KStG a. F. liegen nicht vor, denn die Klägerin hat ihre Beteiligung an der B AG
bereits 2006, also vor Ablauf der Sperrfrist von sieben Jahren veräußert.
Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Einbringung, und damit der Beginn der 7Jahresfrist, vor In-Kraft-Treten der Regelung des § 8b Abs. 4 KStG a. F. erfolgt ist.
Erfasst werden auch Einbringungen, die - wie im vorliegenden Fall - vorher erfolgt sind.
Der Beginn der 7-Jahres-Frist liegt in dem Fall ebenfalls vor dem In-Kraft-Treten des
Gesetzes und kann - wie hier - schon teilweise abgelaufen sein (vgl. Frotscher, KStG §
8b Rn. 73; Dötsch/Pung KStG § 8b Rn. 146, 178; Linklaters Oppenhoff & Rädler, DB
2002 Beilage 1 S. 18). Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt darin
nicht, denn im Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile durch die Klägerin war die
Regelung bereits mehrere Jahre in Kraft, so dass die Klägerin ihre wirtschaftlichen
Dispositionen ohne weiteres auf die seit 2002 geltende Rechtslage hätte einstellen
können.
2. § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG a. F. ist verfassungsgemäß. Das Gericht ist nicht
gehalten, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 des Grundgesetzes (GG)
auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit von §
8b Abs. 4 KStG a. F. einzuholen. Die Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz und das darin enthaltene Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz gem. Art. 3 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich
und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie
auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich
je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen
Bindung an Verfassungsmäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an
Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf
an, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung von Personen und Sachverhalten
auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.
Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der
Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nur in Bezug auf die jeweils
betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfGBeschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 244).
Der Gesetzgeber hat im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des
Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden
Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen
Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz die Rechtsfolge knüpft und die er so als
rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene
Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der
finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss
im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf
abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu
besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die
Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Belastung niedriger Einkommen
angemessen sein muss (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2
BvL 13/05, a. a. O.; Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08. BVerfGE 122, 210,
230 ff. m. w. N.). Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Tatbestandes muss die
einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der
Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen
Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfG-Beschluss vom
09.12.2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, 230; BVerfG-Beschluss vom
12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 245).
Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung
und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidung erkennt das BVerfG in
ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken
auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an. Die steuerlichen Vorteile der
Typisierung müssen dabei im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig
verbundenen Ungleichheit in der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine
gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich
realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL
12/07, BVerfGE 127, 224, m. w. N.; Beschluss vom 15.01.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE
120, 1, 30).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen wird durch die Regelung des § 8b Abs. 4 S. 1
Nr. 1 KStG 2002 a. F. nicht das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen
Leistungsfähigkeit verletzt.
aa) Die Besteuerung des Veräußerungsgewinns einbringungsgeborener Anteile verstößt
nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
§ 8b KStG enthält die Grundentscheidung des Gesetzgebers, das im
unternehmenssteuerrechtlichen System des Halbeinkünfteverfahrens Bezüge und
Veräußerungsgewinne innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen nur einmal auf
der Entstehungsebene und dann erst wieder auf der Gesellschafterebene anteilig als
Einkommen versteuert werden. Demzufolge findet bei der Muttergesellschaft trotz des
Zuwachses an Leistungsfähigkeit durch die von der Tochtergesellschaft zufließenden
Bezüge oder Veräußerungsgewinne keine Besteuerung statt. Die prinzipielle
Freistellung von wirtschaftlicher Doppel- oder Mehrfachbelastung durch die
Körperschaft- und nachfolgende Einkommensteuer in Beteiligungsstrukturen ist in erster
Linie eine finanz- und wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers. Von
Verfassungs wegen ist sie nicht zwingend (BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL
12/07, BVerfGE 127, 224, 249). Die Entscheidung des Gesetzgebers,
Beteiligungseinkünfte nach § 8b KStG grundsätzlich steuerfrei zu stellen, ändert jedoch
nichts daran, dass sie gleichwohl die steuerliche Leistungsfähigkeit der
Kapitalgesellschaft erhöhen (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07,
BVerfGE 127, 224, 251). So wird die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den erzielten
Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Beteiligung an der B AG gestärkt, und zwar
unabhängig davon, ob auch bei der B AG der Leistungsfähigkeitszuwachs aus der
Veräußerung der Beteiligung an der 1. oder 2. C besteuert wurde. Ein Verstoß gegen
das Leistungsfähigkeitsprinzip, das für die Besteuerung jedenfalls einen
Leistungszuwachs voraussetzt, liegt damit nicht vor.
bb) Die von der Regel des § 8b Abs. 2 KStG a. F. abweichende Besteuerung von
Veräußerungsgewinnen nach § 8b Abs. 4 KStG a. F. verstößt auch nicht gegen das
Gebot der Folgerichtigkeit. Die Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG a. F.
betrifft einen außergewöhnlichen Sachverhalt, der die einmal getroffene
Belastungsentscheidung nicht berührt.
Der Zweck des § 8b Abs. 4 KStG a. F. besteht darin, Gestaltungsmöglichkeiten und
gegebenenfalls Gestaltungsmissbräuche in den Fällen zu vermeiden, in denen die
Beteiligung durch eine steuerneutrale Einbringung nach dem UmwStG erreicht wurde.
Können derartige Anteile steuerfrei veräußert werden, kommt es zu einer
gesetzessystematisch ungewollten Befreiung an sich steuerverhafteter
Besteuerungsgrößen. Eine so weit gehende Befreiung der Veräußerungsgewinne lief
der gesetzgeberischen Intention zuwider, so dass mit der Regelung des § 8b Abs. 4 S. 1
Nr. 1 KStG a. F. diese Besteuerungslücke geschlossen werden sollte (vgl. Frotscher,
KStG, 8b Rn. 63; Gosch/Bauschatz, KStG § 8b Rn. 290; Dötsch/Punkt, KStG § 8b Rn.
146; Förster, Stbg 2001, 657, 667). Insoweit wird mit dieser Regelung auch nur in
besonders gelagerten Fällen der Veräußerungsgewinn einer Besteuerung zugeführt,
und zwar in denen, wie im vorliegenden Fall, die Besteuerung der stillen Reserven im
Zeitpunkt der Einbringung unterblieben ist, weil die gesetzliche Option genutzt wurde,
die Mitunternehmeranteile zum Buchwert oder einem unter dem Teilwert liegenden Wert
einzubringen. Soweit die Möglichkeit der steuerfreien Übertragung von
Mitunternehmeranteilen genutzt wurde, wird nach der Intention des Gesetzes
grundsätzlich die unterbliebene Besteuerung nachgeholt.
cc) Der Gesetzgeber hält sich mit der Vorschrift auch innerhalb der Grenzen seiner
Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis. Nach dem dargelegten Regelungszweck
sollen durch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen in den Fällen des § 8b Abs. 4
KStG a. F. Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungsmissbräuche unterbunden
werden. Die Regelung dient damit der Abwehr unerwünschter steuerlicher Gestaltungen
und verfolgt legitime und zur Rechtfertigung von Typisierungsregelungen grundsätzlich
geeignete Zwecke (vgl. BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127,
224, 253).
Zwar ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass durch die Besteuerung ihres
Veräußerungsgewinns die in den zu Buchwerten eingebrachten Beteiligungen
enthaltenen stillen Reserven zweimal für steuerliche Zwecke verwendet werden (vgl.
Haritz, DStR 2004, 889, 891). Denn zum einen erfolgte die Besteuerung der in den
Mitunternehmeranteilen enthaltenen stillen Reserven bei der Veräußerung der 1. und 2.
C durch die B AG. Soweit der Veräußerungspreis die Anschaffungskosten der
eingebrachten Wirtschaftsgüter überstieg, hatte sie den Veräußerungsgewinn auf ihrer
Ebene zu versteuern. Zum anderen hat die Klägerin den Gewinn aus der Veräußerung
der (einbringungsgeborenen) Anteile an der B AG zu versteuern. Ursache hierfür ist die
steuerneutrale Einbringung der Mitunternehmeranteile, mit der Folge, dass nunmehr bei
der Veräußerung der in den übertragenen stillen Reserven liegende Mehrwert steuerlich
erfasst wird und eine Ausnahme von der Steuerbefreiung der Veräußerungsgewinne auf
der Ebene der Kapitalgesellschaft gemacht wird. Diese Ausnahme findet ihre
Rechtfertigung jedoch darin, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligung von einer
Besteuerung des Veräußerungsgewinns, der bei Einbringung der Mitunternehmeranteile
zum Teilwert entstanden wäre, abgesehen wurde. Denn bei einer Einbringung zum
Teilwert wäre bei der Klägerin nach den im Vertrag vom ... 1999 vorgenommenen
Bewertungen ein Veräußerungsgewinn von annährend ... Mio € entstanden und nach
Maßgabe des damals geltenden Anrechnungsverfahrens zu versteuern gewesen. Im
Grundsatz erfolgt eine Nachholung der Besteuerung der nach dem UmwStG zulässigen
Übertragung stiller Reserven.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin wird mit der Neuregelung dieser
Sachverhaltskonstellationen durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur
Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher
Vorschriften vom 07.12.2006 (BGBl. I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4 - SEStEG) lediglich
die gesetzliche Systematik der Besteuerung verändert, nicht jedoch auf eine
nachträgliche Besteuerung der zu Buchwerten eingebrachten Unternehmensteile
verzichtet. Zwar ist die Regelung des § 8b Abs. 4 KStG a. F. im Zuge dieser
Gesetzesänderung gestrichen worden, die rückwirkende Korrektur des steuerneutralen
Einbringungsvorganges zu Buchwerten erfolgt durch die Regelungen in § 22 UmwStG in
der Fassung des SEStEG. Es soll auch weiterhin sichergestellt werden, dass die im
Zeitpunkt der Betriebseinbringung aufgelaufenen und auf die Anteile der
übernehmenden Gesellschaft übertragenen stillen Reserven bei einer Veräußerung der
Anteile innerhalb der Sperrfrist von sieben Jahren letztlich im Zeitpunkt der Veräußerung
der (vollen) Besteuerung unterliegen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/2710, S.
30, 42). Allerdings sieht die Neuregelung systematisch eine rückwirkende Korrektur des
Einbringungsvorganges im Falle der Veräußerung innerhalb der Sperrfrist vor, so dass
es nicht mehr des Konstrukts einbringungsgeborener Anteile bedarf. Damit wird die
systematische Unstimmigkeit des bisherigen Systems einbringungsgeborener Anteile
behoben. Denn anders als bei der rückwirkenden Korrektur werden bei der Besteuerung
des Veräußerungsgewinns einbringungsgeborener Anteile auch die nach dem
Einbringungsvorgang entstandenen stillen Reserven und Wertzuwächse erfasst (vgl.
Dötsch/Pung, KStG § 8b Rn. 163). Im Fall der Klägerin wird dies deshalb besonders
augenfällig, weil im Zeitpunkt der Einbringung den Beteiligungen an der 1.und 2. C ein
Wert ... € beigemessen wurde. Die dafür erhaltenen Anteile an der B AG veräußerte die
Klägerin in 2005 zu einem Preis von ... €.
Die durch die Besteuerung des Veräußerungsgewinns einbringungsgeborener Anteile
gemäß § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG a. F. erfolgende Typisierung und Pauschalierung
führt nicht zu einer nicht mehr hinnehmbaren Ungleichheit der steuerlichen Belastung.
Die mit der Vorschrift verbundene Typisierung und Pauschalierung dient der
Vereinfachung. Die Regelung legt den Veräußerungsgewinn insgesamt der
Besteuerung zugrunde, insbesondere auch ohne danach zu differenzieren, ob in dieser
Höhe durch den Einbringungsvorgang stille Reserven übertragen wurden. Insoweit kann
es zu einer höheren Besteuerung kommen, aber auch zu einer niedrigeren, soweit sich
der Wert der Beteiligung zwischenzeitlich verringert hat. Das BVerfG hat den
Gesichtspunkt der Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit vielfach als
Rechtsfertigungsgrund für eine Typisierung und Pauschalierung anerkannt und so der
Entlastung des Rechtsanwenders bei Massenvorgängen Rechnung getragen (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 254 m. w. N.;
Beschluss vom 15.01.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 30 ff.). Für die Beurteilung der
Verfassungsmäßigkeit der vorliegenden Pauschalierung kommt es nicht entscheiden
darauf an, dass der Gesetzgeber - wie die Neuregelung durch das SEStEG zeigt derartige Vorgänge auch anders hätte regeln können. Entscheidend ist, ob die mit der
Pauschalierung und Typisierung verbundenen Vorteile der streitigen Regelung im
rechten Verhältnis der damit notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen
Belastung stehen.
Diesem Maßstab wird die Vorschrift des § 8b Abs. 4 KStG a. F. gerecht. Der
Gesetzgeber hat die Besteuerung des Veräußerungsgewinns einbringungsgeborener
Anteile zeitlich befristet, so dass derartige Veräußerungsvorgänge nur dann
steuerpflichtig werden, wenn die Frist des § 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG a. F. von sieben
Jahren noch nicht abgelaufen ist. Diese Sperrfrist orientiert sich an der Behaltefrist des §
26 Abs. 2 UmwStG a. F. (vgl. Gosch/Bauschatz, KStG § 8b Rn. 290; Watermeyer in
Herrmann/Heuer/Raupach, KStG § 8b Rn. 108), die ebenfalls der Verhinderung
unerwünschter Gestaltungsmöglichkeiten diente. Damit hat der Gesetzgeber die
steuerliche Verhaftung der einbringungsgeborenen Anteile zeitlich begrenzt. Hinsichtlich
des Zeitraums orientiert er sich an auch im Übrigen im Steuerrecht geltende
Behaltefristen, die es ausschließen, dass die Einbringung von Mitunternehmeranteilen
zu Buchwerten gegen den Erwerb einer Beteiligung lediglich aus steuerlichen Gründen
erfolgt. Gleichzeitig ist die Frist nicht so lang bemessen, dass betriebswirtschaftlich
sinnvolle Umstrukturierungen nachhaltig behindert würden.
Die mit einer Typisierung notwendigerweise einhergehenden Ungenauigkeiten halten
sich damit noch in dem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen.
3. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die die Sperrfrist des § 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG
a. F. gegen die Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das
gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von
Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten betreffen (Fusionsrichtlinie 1990) verstößt. Die Klägerin kann sich nicht
auf die darin getroffenen Regelungen berufen, denn sie regeln nur die Einbringung von
Unternehmensteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (Art. 1
der Richtlinie). Vorliegend handelt sich um einen reinen Inlandsfall, der insoweit
unionsrechtliche Vorschriften nicht tangiert.
III.
Die Klägerin hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die
Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 155 Abs. 2 FGO zugelassen.