Chirurgische Allgemeine Zeitung

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Chirurgische Allgemeine Zeitung
evidenz und ökonomie
Chirurgisch-Technische Assistenten
und andere
nichtärztliche Gesundheitsfachberufe
Reinhart T. Grundmann
Teil 1
Ein erwarteter oder gefühlter Chirurgenmangel hat
bei uns zur Propagierung
neuer nichtärztlicher Gesundheitsfachberufe,
wie
etwa Chirurgischer Operationsassistent oder Chirurgisch-Technischer Assistent
geführt. Die vorliegende
Übersicht zeigt das weite
Spektrum der Aufgaben,
die speziell in den USA von
mehr als 220 000 „mittleren
medizinischen Gesundheitsversorgern“ bewältigt werden. Grund ist vor allem die
wesentlich geringere Arztdichte als bei uns. Ob sich
mit einem solchen System
Kosten senken lassen, ist
offen. Die häufig als Gegenargument ins Feld geführte
Versorgungsqualität muss
bei Übertragung ärztlicher
Aufgaben an Technische
Assistenten jedenfalls nicht
leiden, wie Studien gezeigt
haben.
E
s ist noch nicht so lange her, dass äußere Wunden und Verletzungen, aber auch Abszesse,
Tumoren, Hämorrhoiden, Varizen, Verbrennungen
und Erfrierungen von Handwerkschirurgen, später
als niedere Wundärzte bezeichnet, behandelt wurden. Erst mit dem Tod des letzten praktizierenden
Handwerkschirurgen, Wilhelm Mayer aus Waiblingen, im Jahr 1931 gehörte der Wundarztberuf
in Deutschland endgültig der Vergangenheit an [1].
Heute werden chirurgische Eingriffe bei uns ausschließlich von akademisch ausgebildeten Ärzten
vorgenommen. Feiern die alten Wundärzte angesichts des sich abzeichnenden Nachwuchsmangels
in der Chirurgie bald ein Comeback? Man könnte
es vermuten aufgrund der Propagierung der neuen
nichtärztlichen Gesundheitsfachberufe, die indes
nicht überall auf Zustimmung stoßen. Dabei sind
es vor allem zwei Argumente, die speziell gegen
eine nichtärztliche Chirurgieassistenz angeführt
werden: Eine mögliche Gefährdung der ärztlichen
Weiterbildung, wenn dem technischen Assistenten
die erste Assistenz übertragen wird, mit der Folge,
dass die von den Weiterbildungsassistenten als Konkurrenten empfundenen technischen Assistenten
den interessanten Teil im OP übernehmen und den
Weiterbildungsassistenten die ungeliebte Bürokratie
auf Station überlassen. Ein zweites Argument stellen potentielle Qualitätseinbußen in der Patientenversorgung dar [2–4]. Die vorliegende Übersicht will
sich vor allem der letzteren Entgegnung annehmen
und die Datenlage hinsichtlich der Qualität der Versorgung bei Übernahme ärztlicher Aufgaben durch
Assistenzberufe und spezialisiertes Pflegepersonal
überprüfen. Dabei sollen auch ökonomische Aspekte erörtert werden.
Definition en un d
Tä tigkeitsb esch rei bun g
Operationstechnischer Assistent (OTA)
Für den operationstechnischen Assistenten (OTA)
wurden bereits zu Beginn der 1990er Jahre die ersten Ausbildungslehrgänge eingerichtet. Inzwischen
gibt es in Deutschland rund 50 Ausbildungsstätten
für OTA mit etwa 400 angeschlossenen Krankenhäusern und Kliniken [5]. Mit Einführung des OTA
sollte der Zugang zu einer OP-spezifischen Fachqualifikation erleichtert werden, ohne langwierige
Ausbildung zum OP-Pfleger (einschließlich Krankenpflegeausbildung). Die dreijährige OTA-Ausbildung sieht nur schulische, aber keine beruflichen
Voraussetzungen vor. Bislang fehlt allerdings eine
bundesrechtliche Regelung zur OTA-Ausbildung
[6]. Die Zahl der OTA in Deutschland beträgt mehr
als 2000, im Durchschnitt sind pro Krankenhaus
2,7 OTA beschäftigt. Bei einer Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts erklärten 82 Prozent
der Krankenhäuser, in Zukunft verstärkt OTA einstellen zu wollen [3]. OTA haben u. a. folgende
Aufgaben [7]:
OP-Vorbereitung: Instrumente, Materialien und Geräte vorbereiten; Funktion medizinisch-technischer
Geräte kontrollieren.
OP-Assistenz: Instrumentieren, d.h. notwendige
bzw. gewünschte Instrumente zureichen, Materialien anreichen. Beatmungs-, Absaug-, Blutdruckmess- und andere Geräte bedienen.
OP-Nachbereitung: Operationseinheiten nachbereiten, Instrumente desinfizieren und sterilisieren.
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n i c h tä r z t l i c h e g e s u n d h e i t s fa c h b e r u f e
Der CTA beteiligt sich als
Assistent des Operateurs
an chirurgischen Eingriffen, bedient medizinische
Geräte und übernimmt auch
verantwortlich ärztlich delegierte Aufgaben auf Station
und Ambulanz.
Chirurgisch-Technischer Assistent (CTA) und
Chirurgischer Operationsassistent (COA)
Der OTA übt üblicherweise nicht-ärztliche Tätigkeiten im OP aus. Demgegenüber geht es beim Berufsbild des Chirurgisch-Technischen Assistenten
(CTA) um die regelhafte Delegation bislang ärztlicher Tätigkeiten an besonders geschultes Personal. Voraussetzung für die erstmals 2006 von der
Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf angebotene dreijährige CTA-Ausbildung sind entweder die
Fachhochschulreife oder der Realschulabschluss
oder ein gleichwertiger Abschluss in Verbindung
mit einer zweijährigen abgeschlossenen Berufsausbildung [2]. Der CTA beteiligt sich als Assistent des
Operateurs an chirurgischen Eingriffen, bedient medizinische Geräte und übernimmt auch verantwortlich ärztlich delegierte Aufgaben auf Station und
Ambulanz. Die Tätigkeiten des von den AsklepiosKliniken ausgebildeten Chirurgischen Operationsassistenten (COA) umfassen u.a. [3, 8]:
K Klinikspezifische ausgewählte operative Zugänge
und Präparationen vorbereiten und ggf. durchführen
K Die chirurgische Assistenz während der Operation gewährleisten
K Legen von operationsspezifischen Drainagen und
Kathetern
K Die Wundversorgung sowie den Wundverschluss
vorbereiten und ggf. durchführen
K Die operativen Maßnahmen dokumentieren und
damit die Qualität chirurgischer Eingriffe überwachen und evaluieren
K Wundversorgung und ausgewählte Eingriffe in
der Ambulanz
Dies alles kommt dem eingangs zitierten “niederen
Wundarzt“ schon sehr nahe. In herzchirurgischen
Kliniken beinhaltet das Tätigkeitsfeld des ChirurgieAssistenten auch die konventionelle und minimal-invasive Venenentnahme [9]. Zugangsvoraussetzungen
für den Ausbildungsgang COA sind ein Abschluss
der Ausbildung als OTA oder eine Fachweiterbildung für den Operationsdienst sowie eine Berufserfahrung von in der Regel zwei Jahren [8]. Die
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie hat in
ihren Mitteilungen ärztlicherseits delegierbare und
nicht delegierbare Aufgaben auf Stationen und im
Operationsbereich benannt [10]. Diese sind in den
Tabellen 1 und 2 aufgeführt.
Gefäßassistent
Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie
(DGG) hat ein strukturiertes Aus- und Weiterbildungsprogramm entwickelt, durch das sich
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Angehörige medizinischer Assistenzberufe zur
Gefäßassistent/-in DGG© qualifizieren können [11].
Voraussetzungen sind ein Examen/anerkannter Abschluss als Krankenschwester, Arzthelferin, OTA,
MTA, RTA u.a. med. Berufe. Die Tätigkeitsmerkmale umfassen: Praktische Durchführung nichtinvasiver Untersuchungsverfahren unter vorläufiger
Wertung der Ergebnisse; Organisation von Gefäßsprechstunde und Gefäßstation; Erhebung einer Basisanamnese und eines Basisbefundes einschließlich
vorläufiger Symptomenzuordnung und Stadienein-
Tabelle 1 CTA in Deutschland – ärztlicherseits delegierbare
Aufgaben (nach [10]).
A) Delegierbare Aufgaben auf den Stationen
– vorbereitende Anamnese (Dokumentation),vorbereitende
OP-Aufklärung (Standardeingriffe), Befunddokumentation,
vorbereitende Standardarztbriefe
– einfache Verbandswechsel
– Blutentnahmen, Legen peripher venöser Zugänge,
Infusionsanlage
– Sicherstellung der Umsetzung angeordneter medizinischer
Maßnahmen, Untersuchungen und Konsile
– Organisation von Nachsorge in Kooperation mit Angehörigen
und Sozialdienst
–Verwaltungs-Dokumentationsaufgaben
B) Delegierbare Aufgaben im Operationsbereich
– optimierende Unterstützung der Ablauforganisation
– Standard-Patientenlagerung, OP-Felddesinfektion und Abdeckung
– OP-Assistenz, Wundverschluss (nach Schwierigkeitsgrad und
persönlicher Qualifikation des CTA)
– Wundverband, Lagerungsschienen
–OP-Verwaltungs-Dokumentationsaufgaben
– technische Assistenz (Arthroskopietürme, Navigationsgeräte u. ä.)
Tabelle 2 CTA in Deutschland – ärztlicherseits nicht-delegierbare Aufgaben (nach [10]).
A) Nicht delegierbare Aufgaben auf den Stationen
–(fach-)ärztliche Visite und Indikationsstellung
–ärztliches Patientengespräch, definitive OP-Aufklärung
–körperliche Patientenuntersuchung/-Befunderhebung
–Anordnung medizinischer Maßnahmen/Medikation,
Untersuchungen und Konsile
–komplexe Verbandswechsel, postoperative Wundbeurteilung
–Legen zentralvenöser Zugänge, Bluttransfusionen
–komplexe Arztbriefe, Dokumentationsüberwachung
–Fachkommunikation mit niedergelassenen oder Konsiliarärzten
–postoperative Fachkommunikation mit Patient oder Angehörigen
B) Nicht delegierbare Aufgaben im Operationsbereich
–Frakturreposition/reponierende Lagerung – Schienung
–Röntgendurchleuchtung
–Operationsdurchführung
–Operationsbericht
n i c h tä r z t l i c h e g e s u n d h e i t s fa c h b e r u f e
Der Physician Assistant
geht dem approbierten Arzt
einerseits zur Hand, ist aber
auch eigenverantwortlich
tätig.
teilung; Kodierung von Erkrankungen und gefäßchirurgischen Eingriffen; Vorbereitende Information
des Patienten (Stufenaufklärung); Blutabnahme und
Legen von Verweilkanülen; Wundmanagement nach
ärztlicher Anordnung; Vorbereitung des Patienten
im Operationssaal; Aktive Assistenz im Operationssaal; Assistenz bei Qualitätssicherungsmaßnahmen;
Überwachung ärztlich eingeleiteter Therapien. Insgesamt entspricht das Berufsbild dem des CTA, mit
spezieller Ausrichtung auf die Gefäßchirurgie.
Arztassistent – Physician Assistant (PA)
Der Bachelor-Studiengang Arztassistent/Physician
Assistant (B.Sc.) bietet eine akademische Ausbildung mit dem Ziel, einen Gesundheitsberuf zwischen Arzt und Pflegepersonal zu schaffen. Die
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe
kündigt den Studiengang bei uns wie folgt an [12]
(dem nichts hinzuzufügen ist): „Ärzte sollen durch
die Entlastung von Routinetätigkeiten mehr Freiräume in der ärztlichen Arbeitszeit erhalten und
gleichzeitig soll die Effizienz des Personaleinsatzes
im OP und der Ambulanz durch diese neue Berufsgruppe erheblich gesteigert werden. Der BSc Physician Assistant übernimmt im Rahmen einer Delegation durch einen Arzt und – soweit notwendig
– nach Rückkoppelung mit diesem – die folgenden
Tätigkeiten: Er kann eine Anamnese mit körperlicher Untersuchung durchführen, eine Diagnose vorschlagen, eine Konsiliardiagnostik berücksichtigen,
einen Behandlungsplan aufstellen und durchführen,
bei Operationen assistieren und kleine Eingriffe auf
Anordnung des Arztes durchführen. Ebenso kann
er medizinische Informationen adressatengerecht
weitergeben, Verlegungen bzw. Überweisungen or-
ganisieren und fachliche Protokolle und Dokumentationen der Behandlung erstellen. Der Studiengang
ist ein naturwissenschaftlich-medizinisch geprägter
Gesundheitsberuf ... Die Zulassung zum Studium
erfordert eine abgeschlossene Pflegeausbildung (Gesundheits-/Kranken-/Altenpflege) …“
Das Angebot einer Fachhochschul-Ausbildung zum
Physician Assistant als Bachelor of Science wurde
auf dem CTA-Workshop der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie kritisch gesehen, als Risiken
wurden Qualitätsverluste in der Versorgung, eine
Deprofessionalisierung des ärztlichen Berufs, ungenügend definierte Qualifikationsvoraussetzungen
und offene Rechtsfragen genannt [4].
Der Physician Assistant (PA) geht dem approbierten
Arzt einerseits zur Hand, ist aber auch eigenverantwortlich tätig. Dies gilt speziell für die USA, wo
der PA schon lange etabliert ist. In ländlichen und
innerstädtischen Ambulanzen, in denen sich der
Arzt nur ein- bis zweimal/Woche sehen lässt, stellt
der PA dort den Primärversorger dar, der auch kleinere Verletzungen durch Naht, Schienung oder Gips
versorgt. In der Herzchirurgie übernimmt der PA
die Entnahme der Blutleiter, legt invasive Katheter
und Thoraxdrainagen und leistet die erste Assistenz
[13]. Im Jahr 2008 waren in den USA 74 800 Stellen
mit PA besetzt, mit stark steigender Tendenz. Das
amerikanische Arbeitsministerium geht davon aus,
dass die Zahl der PA bis 2018 um 39 Prozent auf
103 900 zunehmen wird [14]. 26 Prozent der PA in
den USA betätigen sich in der Familien- und Allgemeinmedizin, 16 Prozent in der allgemeinen Inneren
Medizin und Subspezialitäten, 25 Prozent in der
Allgemeinchirurgie und Subspezialitäten sowie 11
Prozent in der Notfallmedizin [15].
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Für spezielle medizinische
Fragen zogen die Patienten
den Arzt vor, bei Routineaspekten wurden aber NP
genauso gern oder sogar
besser akzeptiert.
Nurse Practitioner (NP)
Bei Nurse Practitioners (NP) handelt es sich um
lizensierte Pflegekräfte, die zusätzlich eine spezielle
Graduiertenausbildung absolviert haben, die gewöhnlich auf der Master-Ebene anzusiedeln ist. NP
werden in den USA seit 1965 für die Behandlung
einer bestimmten Patientenpopulation zertifiziert,
etwa für Neonatalversorgung, Pädiatrie, Familienversorgung, Frauengesundheit, Erwachsene, Geriatrie, Psychiatrie, Akutversorgung. Bezogen auf die
Mitgliederzahlen des American College of Nurse
Practitioners sind zirka 60 Prozent der NP auf dem
Gebiet Familien- und rund 20 Prozent auf dem
Gebiet Erwachsenenversorgung aktiv. Zurzeit praktizieren dort landesweit 150 000 NP [16].
S tud i en z eigen ver gleic hb a re
Ver s o r gu ngsq u a litä t b ei
N ur s e Pr a c titioners u nd Är zten
Mundinger et al. gingen in einer randomisierten
Studie mit 1316 Patienten der Frage nach, ob in
einer allgemeinen Notfallambulanz bzw. Ambulanz
für dringliche Fälle die Primärbehandlung der Patienten durch NP ebenso gut wie durch Ärzte erfolgen
könne [17]. Sechs Monate nach dem Erstkontakt in
der Ambulanz gab es zwischen beiden Patientengruppen (NP-Versorgung bzw. Arzt-Versorgung)
keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des
selbstberichteten Gesundheitsstatus des Patienten
oder seiner Zufriedenheit. Auch physiologische Parameter ließen bei Patienten mit chronischen Erkrankungen (Asthma, Diabetes) keine Differenzen
erkennen, lediglich in der Gruppe der Patienten mit
Bluthochdruck war der diastolische Wert bei den
NP-versorgten Patienten im Mittel signifikant niedriger als bei den von den Ärzten behandelten Patienten, allerdings ohne klinische Relevanz (82 vs. 85
mm Hg). Die Autoren folgerten, dass die medizinische Versorgung der Patienten durch NP und Ärzte
vergleichbar war. Seit dieser Studie wurden weitere
prospektive Studien sowie retrospektive Erhebungen zur Betreuung von Patienten mit chronischen
Erkrankungen durch NP und PA publiziert. Für
Nicht-Risikogruppen nach Herzinfarkt [18], Patienten mit Diabetes [19] oder HIV-infizierte Patienten
[20, 21] wurde eine adäquate Versorgung durch NP
bestätigt. Ein Cochrane Review kam nach Analyse
von 16 Studien zu dem Ergebnis, dass NP und andere spezialisierte Pflegekräfte eine Primärbehandlung
mit gleich hoher Qualität wie Allgemeinärzte durchführten, Unfälle und echte Notfälle ausgenommen
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(sie wurden nicht analysiert) [22]. Allerdings sei die
Datenbasis für diese Aussage sehr begrenzt. Ob eine
solche Organisation auch zu Kosteneinsparungen
führe, sei offen. Die Gehaltseinsparungen bei Einsatz des spezialisierten Pflegedienstes im Vergleich
zum ärztlichen Dienst würden möglicherweise durch
geringere Produktivität der Pflegekräfte wieder wettgemacht. Andererseits stellen bereits heute profit­
orientierte Gesundheitsunternehmen in den USA
aus Kostengründen lieber NP und PA statt Ärzten
ein, was zu Rivalitäten zwischen Allgemeinärzten
und PA/NP führt [23]. Diese Situation gilt als einer
der Gründe, warum der Hausarzt-Beruf in den USA
dramatisch an Attraktivität verliert und sich immer
weniger Studienabgänger für die allgemeinärztliche
Versorgung, speziell auf dem Land entscheiden [23].
Das durchschnittliche Jahresgehalt eines PA wurde
für das Jahr 2008 mit 81 230 US $ [14], das eines NP
wird mit 70 358 bis 91 202 US $ angegeben [24]. Im
Vergleich hierzu kommt der Hausarzt auf 120 782
bis 169 681 US $ [25].
Fa lls d ie Gemeindes ch wes ter den
Ha u sa r zt entla sten kan n , s ol l te di es
d a nn nic ht erst rech t der bes s er
a u sgeb ild ete NP l ei s ten kön n en ?
Nach Buchan et al. kann der PA wenigstens 75 Prozent der Aufgaben eines Arztes übernehmen, bei 44
Prozent des ärztlichen Gehalts [26]. Grzybicki et al.
berechneten die Kosten einer Gruppenpraxis, in der
der besitzende Allgemeinarzt statt eines weiteren
Arztes einen PA beschäftigte [27]. In dieser Berechnung ließen sich die jährlichen Overhead-Kosten
der Praxis durch Einstellung des PA um 42 531 US
$ senken, bei einem Verhältnis von Kompensation
(Gehalt) zu Produktion (erwirtschaftete Umsätze)
von 0,36. Hooker gibt für Gruppenpraxen ähnliche
Zahlen an [28]: Die Kompensation zu ProduktionRatio beträgt danach 0,38 für PA, 0,41 für NP
und 0,49 für eingestellte Hausärzte. Unter diesen
Umständen ist es speziell für (Notfall) Ambulanzen
finanziell interessant, PA anzuwerben. Es bleibt
abzuwarten, ob und wann es den Medizinischen
Versorgungszentren bei uns erlaubt sein wird, diesen
Beitrag zur „Gewinnoptimierung“ zu entdecken.
Die Aufgaben des PA in einer allgemeinärztlichen
Praxis in den USA sind in Tabelle 3 dargestellt,
sie unterscheiden sich deutlich von den bei uns als
ärztlicherseits delegierbar angesehenen Tätigkeiten
(Tabelle 1).
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Die Patientenzufriedenheit bei einer medizinischen
Versorgung durch NP hängt, wie eine holländische
Erhebung gezeigt hat, von der Verteilung der Aufgaben ab: Für spezielle medizinische Fragen zogen
die Patienten den Arzt vor, bei Routineaspekten
wurden aber NP genauso gern oder sogar besser
akzeptiert, speziell wenn sie sich mehr Zeit als der
Arzt für Patient oder Angehörige nahmen [29]. Dies
mag den einen oder anderen Standesvertreter irritieren. Aber: Wenn in einem Artikel des Deutschen
Ärzteblatts auf die für die ehemalige DDR typische
Gemeindeschwester als eine „Geheimwaffe gegen
Überlastung und Unterversorgung“, speziell bei
Ärztemangel im ländlichen Raum hingewiesen wird
[30], dann kommt diese Beschreibung der Realität
der NP relativ nahe. Falls die Gemeindeschwester
den Hausarzt entlasten kann, sollte dies dann nicht
erst recht der besser ausgebildete NP für definierte
Patientengruppen leisten können …? Noch sind wir
aber weit von der Situation in den USA entfernt,
wo beispielsweise im Staat Washington bereits vor
einigen Jahren bei Mangel an Hausärzten 20 bis
25 Prozent der allgemeinmedizinischen Versorgung
von NP und PA übernommen wurden, entsprechend
jedem fünften Hausbesuch [31].
D e r k o n t ro l l i er end e F a c ha r z t
stellt e be i de n N P ei ne F ehl erq uo te
von 9 ,2 P ro ze nt f es t, v er g l i chen
mit 10 ,7 P ro ze nt i n d er A s s i s tenz ar z tg r up p e
Bereits 1999 wurden von Sakr et al. die Ergebnisse
einer randomisierten kontrollierten Studie mit 1453
Patienten veröffentlicht, in der kleinere Verletzungen in der Notfallaufnahme entweder von NP oder
von Assistenten in Weiterbildung behandelt wurden
[32]. Assistenzärzte und NP erhoben zunächst einen
Befund und stellten die Patienten dann einem Facharzt vor, der die Befunde falls nötig ergänzte. Die
Behandlung selbst erfolgte nur durch Assistenzärzte
oder NP, der Facharzt war nicht involviert. Der
kontrollierende Facharzt stellte bei den NP eine
Fehlerquote von 9,2 Prozent fest, verglichen mit
10,7 Prozent in der Assistenzarztgruppe. Die NP
waren bei der Krankenblatterhebung sorgfältiger
und weniger Patienten mussten einen ungeplanten
Nachbeobachtungstermin wegen Nachfragen zu
ihrer Verletzung wahrnehmen. Alle übrigen Prüfparameter (Genauigkeit der Untersuchung, adäquate
Therapie, geplante Nachbeobachtung und Interpretation der Röntgenbefunde) zeigten keine signi-
fikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
Die Folgerung war, dass entsprechend ausgebildete
NP, die sich an festgelegte Leitlinien halten, Patienten mit kleineren Verletzungen in gleicher Weise
oder in einigen Aspekten besser als junge Ärzte in
Weiterbildung versorgten. Andere Untersuchungen
bestätigten dieses Resultat. In einer weiteren randomisierten Studie, die die Versorgung kleinerer Verletzungen durch Weiterbildungsassistenten mit der
durch NP verglich, waren die klinischen Ergebnisse
ebenfalls nicht unterschiedlich, wiederum wies die
NP-Gruppe eine bessere klinische Dokumentation
auf. Die Patienten waren in der NP-Gruppe statistisch signifikant zufriedener mit der Behandlung
verglichen mit der Assistenzarztgruppe aufgrund
der besseren Information über ihre Verletzung und
Unfallvorbeugung [33].
In einer dritten Studie wurde die Genauigkeit der
Diagnostik in beiden Gruppen (NP vs. Weiterbildungsassistenten) überprüft. Die Fehlerquote für
übersehene Verletzungen oder inadäquate Versorgung betrug in der Assistenzarztgruppe 1,2 Prozent,
in der NP-Gruppe 2,7 Prozent und war damit nicht
signifikant unterschiedlich. (Von den insgesamt 29
Fehlern bei 1482 Patienten bezogen sich 13 auf
die Fehlinterpretation von Röntgenbefunden) [34].
Auch eine systematische Übersicht belegt, dass unter dem Gesichtspunkt der Qualität der Versorgung
die Datenlage dem großzügigen Einsatz von NP in
der Notfallambulanz nichts entgegenzustellen hat
[35]. Dies gilt dort sogar für das Legen der Thoraxdrainage [36].
Summa summarum unterscheidet sich die Tätigkeit
des PA in nichts von der
der jungen Assistenzärzte
auf der Intensivstation um
so den Schichtdienst zu
gewährleisten.
Tabelle 3 Aufgaben eines PA in einer allgemeinärztlichen
Praxis der USA (nach [27])
Anamnese und ärztliche Untersuchung
Patientenbelehrung und -beratung
Verschreibung von Medikamenten
Überweisung an Spezialisten
Exzision oder Kryotherapie von Hautläsionen
Fluoreszein-Augenuntersuchung
Augen- und Hörtest
Abszess-Inzision und -Drainage
Wundversorgung
Intramuskuläre Injektionen
Routine gynäkologische Untersuchung
Blutentnahme
Allergie Screening
Anordnung klinischer Tests und Röntgenuntersuchungen
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I nw i ew eit in d ie komp lexe
B eha nd l ung a u f d er Intensiv sta tion
techni s c he Assistenten eingeb u nd en
w er d en k ö nn en, ist ka u m u ntersu c ht
Eine systematische Übersicht kam zu dem Ergebnis,
dass sowohl hinsichtlich des optimalen Einsatzes
von PA und NP als auch hinsichtlich der finanziellen Aspekte Informationslücken bestehen, gleichwohl sei der Einsatz gerechtfertigt [37]. Mittlerweile
hat der Ärztemangel – auch aufgrund reduzierter
Arbeitszeit – 30 Prozent der chirurgischen Intensivstationen in den USA veranlasst, NP und PA
für die Tagesschicht einzusetzen, 11 Prozent auch
nachts [38]. Hoffman et al verglichen in einer nichtrandomisierten Studie die Behandlungsqualität auf
einer internistischen Intensivstation bei Einsatz
zweier unterschiedlicher Teams [39]. Das eine Team
bestand aus NP und einem visitierenden Facharzt,
der für die Behandlung verantwortlich war, das
andere aus visitierendem Facharzt und Assistenten
in Weiterbildung. Unterschiede hinsichtlich der Beatmungsdauer der Patienten, Länge des Aufenthalts,
Wiederaufnahmerate und Sterblichkeit fanden sich
nicht. Für uns (noch?) schwer vorstellbar sind die
Aufgaben des PA auf der Intensivstation, wie sie
von Dubaybo et al. definiert wurden [40]. Sie sehen
u.a. vor:
Erscheinungsweise: 10 Ausgaben pro Jahr (Doppelheft Juli/
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wenn die Kündigung nicht bis zum 31.10. schriftlich im
Verlag vorliegt. Kann die Zeitschrift aufgrund Streiks oder
höherer Gewalt nicht geliefert werden, so besteht kein
Anspruch auf Ersatz.
K Bei Patienten, die zur Beobachtung aufgenommen werden: Initiale körperliche Untersuchung,
Einleitung der Flüssigkeitstherapie, Sauerstoff-,
Blut- und Antibiotikagabe, etc. Korrektur durch
den visitierenden Facharzt (gleiches Prozedere, wie
wenn der Weiterbildungsassistent den Dienst übernommen hätte).
K Im Notfall Gabe von Vasopressoren, Flüssigkeit,
Antiarrhythmika; Einleitung der kardiopulmonalen
Wiederbelebung, etc.
K Legen zentralvenöser und arterieller Katheter,
Pleurapunktion, Lumbalpunktion, Peritoneozentese unter Aufsicht, d. h. der verantwortliche Arzt ist
auf der Intensivstation anwesend, aber nicht unbedingt bei diesen Maßnahmen zugegen(!).
Summa summarum unterscheidet sich die Tätigkeit
des PA in nichts von der der jungen Assistenzärzte
auf der Intensivstation, was auch beabsichtigt ist,
um so den Schichtdienst zu gewährleisten.
F
Literatur siehe Teil 2
Prof. Dr. med. Reinhart T. Grundmann
In den Grüben 144
84489 Burghausen
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www.medsachverstand.de
Anzeigen: Ingo Rosenstock
Tel. 06221/1377620, [email protected]
Britta Rajmann,
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und andere
nichtärztliche Gesundheitsfachberufe
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Ein erwarteter oder gefühlter Chirurgenmangel hat
bei uns zur Propagierung
neuer nichtärztlicher Gesundheitsfachberufe,
wie
etwa Chirurgischer Operationsassistent oder Chirurgisch-Technischer Assistent
geführt. Die vorliegende
Übersicht zeigt das weite
Spektrum der Aufgaben,
die speziell in den USA von
mehr als 220 000 „mittleren
medizinischen Gesundheitsversorgern“ bewältigt werden. Grund ist vor allem die
wesentlich geringere Arztdichte als bei uns. Ob sich
mit einem solchen System
Kosten senken lassen, ist
offen. Die häufig als Gegenargument ins Feld geführte
Versorgungsqualität muss
bei Übertragung ärztlicher
Aufgaben an Technische
Assistenten jedenfalls nicht
leiden, wie Studien gezeigt
haben.
P
A und NP werden zunehmend und mit einem
breiten Aufgabenfeld auch in onkologischen
Praxen beschäftigt [41]. Hierzu gehören Nachbeobachtung und Nachsorge der Patienten sowie das
Verschreiben der Chemotherapie. Letzteres ist allerdings nicht in allen Staaten der USA erlaubt,
in einer Umfrage gaben 77 Prozent der Befragten
an, Chemotherapien zu verschreiben, von ihnen
benötigten aber die große Mehrzahl (78 %) eine
(Ko-)Unterschrift des Arztes [42]. Auch invasive
Maßnahmen werden an PA delegiert, dazu zählen
Knochenmarkbiopsie, Parazentese, Legen von zentralen Zugängen und intrathekale ChemotherapieApplikation. In dieser Umfrage war es aber keinem
PA gestattet, die intravenöse Chemotherapie durchzuführen [42].
Seit Schoenfeld et al. in einer randomisierten Studie
bewiesen, dass spezialisierte Pflegekräfte verglichen
mit Gastroenterologen die flexible Screening-Sigmoidoskopie mit gleicher Sicherheit und Effektivität durchführten, wird in den USA und dem
UK die gastrointestinale Endoskopie zunehmend
von zertifizierten Pflegekräften vorgenommen [43].
Ein Übersichtsartikel über die bisher publizierten
Studien folgerte, dass die Daten den Einsatz von
Pflegekräften bei der diagnostischen Endoskopie
und dem Follow-up von Patienten mit chronischen
gastrointestinalen Erkrankungen rechtfertigen; jedoch bedürfe die Frage, ob das medizinische Langzeitergebnis dem von Gastroenterologen erzielten
gleichwertig sei, weiterer Abklärung [44]. Der randomisierte “Multi-institution nurse endoscopy trial“
(MINuET) [45], eine Studie mit 1888 Patienten, an
der sich 67 Ärzte und 30 Pflegekräfte in 29 Zentren
Image by © Corbis
Teil 2
des UK beteiligten, hat diese Frage nun beantwortet. In dieser Studie nahmen entweder Ärzte oder
Pflegekräfte die Ösophagogastroduodenoskopie
bzw. die flexible Sigmoidoskopie vor. Es gab keine
signifikanten Unterschiede im Ergebnis – ein Tag,
ein Monat oder ein Jahr nach Endoskopie – außer,
dass ein Tag nach Endoskopie die Patienten mit den
Pflegekräften zufriedener waren. Die Pflegekräfte
waren sorgfältiger bei der Überprüfung von Magen
und Speiseröhre, nahmen mehr Biopsien als die Ärzte vor und ließen auf den Berichten weniger Punkte
weg. Die Folgerung war, dass die diagnostische
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Endoskopie sicher und effektiv von Pflegekräften
durchgeführt werden kann.
D a s E r g eb n is d er End oskop ie wird
ni cht s o s ehr v om a ka d emisc hen
A us b i l d ung sgra d d es Untersu c hers
a l s v i el mehr v on seiner tec hnisc hen
E r f a hru ng b estimmt
Zu MINuET wurde auch eine Wirtschaftlichkeitsanalyse publiziert [46]. Danach war die eigentliche Untersuchung aufgrund des höheren Gehalts
der Ärzte im Vergleich zum Pflegepersonal in der
Ärztegruppe teurer, jedoch war die Untersuchung
durch die Ärzte kosteneffektiver, bezogen auf den
Gewinn an QUALYs (qualitätsadjustierte Lebensjahre), da die Pflegekräfte nach der Endoskopie
mehr Tests und Folgeuntersuchungen verordneten.
Dies bedeutete fünf bis sechs zusätzliche Tage an
perfekter Lebensqualität im Jahr in der Arztgruppe.
Für diese verbesserte Lebensqualität waren in der
Arztgruppe pro Patient und Jahr 56 £ mehr als in der
Pflegegruppe aufzubringen. Die Autoren schränkten
diese Aussage jedoch insofern ein, als sie darauf
hinwiesen, dass die Pflegekräfte mit zunehmender
Erfahrung in Zukunft weniger Folgetests verordnen
könnten. Die Untersuchung sei folglich zu wiederholen. Mit dieser Aussage geht eine retrospektive
Analyse von Screening-Koloskopien konform, die
von mehr oder minder erfahrenen Pflegekräften in
den USA ausgeführt wurden [47]. Wie nicht anders
zu erwarten, waren Komplikationsraten und Untersuchungsdauer von der Erfahrung der Pflegekräfte
abhängig, auch erreichten die weniger Erfahrenen
seltener das Zökum. Dies führt zu dem Schluss, dass
das Ergebnis der Endoskopie nicht so sehr von dem
akademischen Ausbildungsgrad des Untersuchers
als vielmehr von seiner technischen Erfahrung bestimmt wird.
A r b ei ts z ei tverkü r zu ngen la ssen
s i ch o hne d en Einsa tz v on NP/PA
i n d en USA nic ht ver wirklic hen
Der 2009 erschienene Bericht des Institute of Medicine (IOM) fordert für amerikanische Weiterbildungsassistenten eine maximale Arbeitszeit von 80
Stunden/Woche sowie eine Verkürzung der bisher
üblichen Schichtdauern [48]. Es wird geschätzt, dass
diese Forderung 1,6 Milliarden US $ (Basis 2006)
zusätzliche Arbeitskosten für die Ausbildungskliniken bedeutet. Die gesellschaftlichen Mehrkosten
326
CHAZ • 12. Jahrgang • 5. Heft • 2011
wären allerdings minimal, wenn mit Umsetzung der
IOM-Vorschläge die Rate der unerwünschten Ereignisse (Fehler) im Krankenhaus und deren Folgekosten aufgrund von Überlastung der jungen Ärzte
(Residents) reduziert würden, was vermutet wird
[49]. Da nicht alle zusätzlich notwendig werdenden Stellen mit Residents besetzt werden können,
kommt der Beschäftigung von PA und NP eine große Bedeutung zu. Es stellt sich dann die Frage, ob
die Beanspruchung chirurgischer Weiterbildungsassistenten mit der Anstellung von PA tatsächlich verringert wird und inwieweit technische Assistenten
evtl. mit Assistenzärzten konkurrieren – wie dies auf
dem CTA-Workshop der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie erörtert wurde [4]. Victorino und Organ haben hierzu eine Untersuchung durchgeführt
[50]. Es zeigte sich, dass eingearbeitete PA die Residents deutlich entlasteten, bei Arbeitszeiten, die für
uns nicht mehr vorstellbar sind: In sechs Monaten
sank nach Einstellung der PA die wöchentliche
Arbeitszeit der Residents von im Mittel 102 auf 87
Stunden. Die Einstellung der PA wurde von den
Weiterbildungsassistenten begrüßt, wobei es auf das
Betätigungsfeld des PA ankam. In der hier zitierten
Studie mussten PA entlassen werden, die sich zu sehr
auf das Assistieren im OP und andere chirurgische
Tätigkeiten fokussieren wollten, was tatsächlich –
wie im Workshop vermutet – zu Konflikten mit den
Assistenten führte. Die Autoren empfehlen, PA vor
allem auf Stationen und in Ambulanzen einzusetzen, was das von den Asklepios-Kliniken propagierte Betätigungsfeld eines COA [3,8] einschränkt.
Auch eine kanadische Untersuchung [51] berichtet
über eine hohe Akzeptanz der PA durch Weiterbildungsassistenten. Arbeitszeitverkürzungen lassen
sich ohne den Einsatz von NP/PA in den USA nicht
verwirklichen! Dies bestätigt eine Umfrage über 163
Ausbildungsprogramme für angehende Allgemeinchirurgen [52]. 79 Prozent der Programme stellten
wenigstens einen NP/PA ein. Die Aufgaben waren:
Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung
(84 %); Konsile nachfragen (58 %); Erstassistenz
(52 %); Anschauen der Patienten in der Notfallaufnahme (57 %). Der Anstellung weiterer PA/NP
standen nur finanzielle Engpässe entgegen, nicht die
Akzeptanz! In dieser Übersicht waren im Mittel 7,8
NP/PA pro Ausbildungsprogramm vorgesehen [52].
Ungeklärt ist, ob die Patientenversorgung durch
NP/PA im Vergleich zu der durch Weiterbildungsassistenten kostengünstiger ist. Carter und Chochinov gingen davon aus, dass die Beschäftigung von
NP das Krankenhaus mehr kostet als die junger
n i c h tä r z t l i c h e g e s u n d h e i t s fa c h b e r u f e
Assistenzärzte, bei denen allerdings die Weiterbildungskosten zum Gehalt addiert werden müssten,
was in den bisherigen Studien nicht angesetzt wurde [35]. Die Berechnungen kalkulierten ein, dass
der Resident im Gegensatz zu NP/PA unbezahlte
Überstunden leistet, wie dies in den USA generell
(und offiziell) der Fall ist. Bis dato ist in den USA
der am Anfang der Berufslaufbahn stehende hochmotivierte junge Weiterbildungsassistent mit seiner
66-Stunden-Arbeitswoche die preiswerteste Arbeitskraft im Krankenhaus! (Tabelle 4).
D e r am e r ik a ni s c he B o o m b ei
NP u n d PA – e i ne Z uk unf ts v i s i o n
fü r D e uts chl a nd ?
Erst 2010 hat der damalige Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Chirurgie Reiner Gradinger– sehr
zu Recht – darauf hingewiesen, dass die steigende
Zahl der Knie- und Hüftprothesenimplantationen
oder die extreme Zunahme von operativen Eingriffen an der Wirbelsäule in unserem Land nicht
mit der demographischen Entwicklung, mit der
Kommerzialisierung der Medizin aber sehr wohl zu
erklären sind [53]. Und weiter: „Es gibt kaum ein
Land in der Welt, in dem mehr Koronar-Stents eingesetzt werden, als bei uns. Es gibt kaum ein Land in
der Welt, in dem mehr Gastroskopien, Rektoskopien
oder Koloskopien durchgeführt werden …“ [53].
Noch ist demnach nicht die Unter- sondern eher die
Überversorgung Realität in unserem Land, nimmt
man die übrige Weltbevölkerung als Maßstab! In
der Presse lesen wir allerdings anderes, etwa: „Notruf nach dem Landarzt – Der Provinz droht ein
Medizinermangel. Schon sammeln Bürger Unterschriften für ihre Arztpraxen“ [54], oder: „Notstand:
Mediziner fehlen, Patienten stehen Schlange vor den
Praxen. Es droht akuter Chirurgenmangel“ [55].
Doch wie definiert sich ein Ärztemangel? Es lohnt
sich, aus Vergleichsgründen einen Blick auf die USA
Tabelle 4 Stundenlöhne im Krankenhaus – USA 2006
(nach IOM 2009 [48])
Berufsgruppe
Stundenlohn US $
Pflegehilfe11,21
Medizinischer und klinischer Laborassistent
16,55
Lizensierte Berufsschwester
18,12
Mittlere Versorger (PA und NP)
37,84
Arzt58,76
Junger Assistenzarzt
(ganzjährige 66-Stunden-Woche)
12,92
zu werfen, wo ebenfalls von Ärzte- und Chirurgenmangel, vor allem im ländlichen Raum, die Rede ist.
Laut Statistik des amerikanischen Arbeitsministeriums waren im Jahr 2008 in den USA 661 400 Ärzte
berufstätig [56], die American Medical Association
(AMA) gibt die Gesamtzahl aller Ärzte unabhängig
von ihrer Beschäftigung mit 921 904 für das Jahr
2006 an, dies bei einer Bevölkerung von rund 300
Millionen Einwohnern [57]. Im Vergleich hierzu lebten nach Angaben der Bundesärztekammer im Jahr
2009 in Deutschland (ca. 82 Millionen Einwohner,
d.h. 27% der USA) 429 900 Ärzte, von denen 325
900 berufstätig waren [58]. Damit kommen rein
rechnerisch auf jeden berufstätigen Arzt in Deutschland zirka 252 Einwohner, in den USA 454. Addiert
man zu den Ärzten die 74 800 PA und 150 000 NP,
sieht die medizinische Arbeitskräfterelation günstiger aus, es kommen dann auf einen „medizinischen Versorger“ in den USA 339 Einwohner, immer
noch ein Drittel mehr als in Deutschland. Bei den
Chirurgen sind die Verhältnisse ähnlich. Die Zahl
der Allgemeinchirurgen, worunter von der AMA
Allgemeinchirurgie, Abdominalchirurgie, Trauma
und Intensivtherapie subsumiert werden, wurde von
Lynge et al. für das Jahr 2005 in den USA mit 16 662
beziffert [59]. Im Vergleich zum Jahr 1981 bedeutete
dies auf die Gesamtbevölkerung bezogen einen prozentualen Rückgang an Chirurgen um 26 Prozent,
hauptsächlich aufgrund des starken Wachstums der
Gesamtbevölkerung, aber auch bedingt durch eine
geringe Abnahme der Absolutzahl an Chirurgen
(1981 gab es noch 17 394 Allgemeinchirurgen).
Die Ausbildung zum PA ist
etwa halb so lang wie die
Ausbildung zum Arztberuf,
bei weniger Restriktionen in
Ausbildung und Zulassung.
Nic ht v er gleic hb a r mit Deu tsc hla nd :
In d en USA ist d a s Med izinstu d iu m
ein Lu xu s, d en sic h nic ht jed er
leisten ka nn
Für Deutschland werden von der BÄK mit Stand
Ende 2009 bei insgesamt 30 386 berufstätigen Chirurgen aller Fächer (einschließlich Orthopädie) 12 704
Viszeral- und (Allgemein-) Chirurgen genannt [58].
Demnach ist – verglichen mit den USA – der Chirurgenmangel bei uns ein sehr relativer und beruht
eher auf regionalen Verteilungsproblemen, kürzeren
Arbeitszeiten, Bürokratiebedarf und Organisationsdefiziten, bei denen in Zukunft etwa die Beschäftigung von COA Abhilfe leisten könnte. Wichtiger ist
aber, das Fach weiterhin attraktiv zu gestalten, da es
generell nicht an ärztlichem Nachwuchs fehlt, wie
die immer noch steigenden Arztzahlen und die hohe
Zahl der Absolventen im Fach Humanmedizin bei
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CHAZ • 12. Jahrgang • 5. Heft • 2011
n i c h tä r z t l i c h e g e s u n d h e i t s fa c h b e r u f e
Die beschriebenen Berufe
sind Assistenzberufe, die
eigentliche Verantwortung
muss beim Arzt bleiben.
gleichzeitig sinkender Gesamtbevölkerung beweisen.
In den USA ist das Medizinstudium hingegen ein
Luxus, den sich nicht jeder leisten kann – im Jahr
2010 wurden nur 18 665 Medizinstudenten neu immatrikuliert [60]. Dies ist ein wesentlicher Grund für
den dortigen Mangel an Ärzten einerseits und dem
kompensierenden enormen Anstieg der NP- und
vor allem PA-Zahlen andererseits. Allein die privat aufzubringenden Studiengebühren betragen pro
Jahr beispielsweise in Stanford oder Harvard rund
40 000 US $, macht in vier Jahren 160 000 US $ für
das Studium an einer Medical School [61]. Verglichen damit sind die Kosten von 63 000 US $ für ein
komplettes PA-Programm geradezu „erschwinglich“
[62]. Die Ausbildung zum PA ist etwa halb so lang
wie die Ausbildung zum Arztberuf, bei weniger Restriktionen in Ausbildung und Zulassung [28]. Dies
erklärt die hohe Nachfrage in den USA nach nichtärztlichen Gesundheitsfachberufen, eine Situation,
die mit der unseren in keiner Weise vergleichbar ist.
N i chtä r z tlic he Gesu nd heitsf a chb eru fe können einen
w es entl i chen Beitra g zu r Entsp a nnung ei nes Ma ngels a n Chiru r gen
o d er Ha u sä r zten leisten
Die vorliegenden Daten belegen, dass die hier beschriebenen nichtärztlichen Gesundheitsfachberufe
einen wesentlichen Beitrag zur Entspannung eines
Mangels an Chirurgen oder Hausärzten, speziell
im ländlichen Raum, leisten können, ohne dass
darunter die Versorgungsqualität leiden muss. Bei
Erweiterung der bei uns ärztlicherseits delegierbaren Aufgaben können wohl auch Kosten gesenkt
werden, obwohl die Datenbasis für diese Aussage
begrenzt ist, denn sie beruht auf amerikanischen
Verhältnissen. Trotz dieser positiven Aspekte stellt
der Boom an PA und NP in den USA zunächst
einmal eine Notlösung für eine nicht anders abzudeckende Lücke an Ärzten dar. Es handelt sich um
einen Kompromiss, den bei uns umzusetzen nur sehr
begrenzt notwendig oder wünschenswert ist. In einer
Umfrage von Larkin und Hooker erwarteten fast
80 Prozent aller Patienten in einer Notaufnahme,
einen (Fach)Arzt zu sehen, nicht nur PA, NP oder
Weiterbildungsassistenten, wobei Weiterbildungsassistenten PA oder NP vorgezogen wurden [63]. Dies
beweist eindeutiger als manche Statistik, worum es
geht: Die beschriebenen Berufe sind Assistenzberufe, die eigentliche Verantwortung muss beim Arzt
bleiben und dies sieht auch die Mehrheit der Patien-
328
CHAZ • 12. Jahrgang • 5. Heft • 2011
ten so, unabhängig davon, wie akut die Beschwerden
sind und unabhängig von den zu erwartenden Kosten! Wenn wir Überschriften lesen wie „Physician
Assistant – Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal
wie ein Chirurg arbeite“ [9] oder – sogar mit Bild
in der auflagenstärksten deutschen Ärztezeitschrift
– „COA – Von den Patienten werde ich oft als Herr
Doktor angesprochen“ [3], dann ahnen wir, warum
diese neuen Berufe so viel attraktiver sind als der
„gewöhnliche“ Pflegeberuf, es ist das höhere Sozialprestige (US News & World Report führt PA für
das Jahr 2011 unter den 50 besten Berufskarrieren
auf! [64]). Tatsächlich will der Patient aber, wenn es
darauf ankommt, einen „richtigen“ Arzt sehen. Eine
Umfrage von Cheang et al. verdeutlicht, wie verwirrend die Terminologie der neuen nichtärztlichen
Gesundheitsfachberufe für den Patienten ist [65].
Obwohl mittlerweile auch im UK kleine Eingriffe
von den neuen Versorgern vorgenommen werden
können, worüber die Patienten nicht immer aufgeklärt werden (!), waren 79 Prozent der befragten Patienten bereit, lieber länger zu warten als von einem
Nichtarzt versorgt zu werden und 92 Prozent waren
der Meinung, dass der Eingriff eigentlich von einem
medizinisch Ausgebildeten erfolgen sollte. Es wird
also noch eine Weile dauern, bis die Patienten die
neuen Wundarztzeiten annehmen, die einzuläuten
oder zu vermeiden die chirurgischen Ausbilder im
wahrsten Sinne des Wortes selbst in der Hand haben
…
F
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[email protected]
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