Wie Zeitungen heute konkurrieren können
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Wie Zeitungen heute konkurrieren können
» www.ifra-nt.com Standpunkt Mai 2006 zeitungstechnik Mark Alan Hughes Wie Zeitungen heute konkurrieren können Diskussionen über die trostlose Zukunft von Zeitungen können eigennützig sein, wenn sie von Journalisten geführt werden. Ich hingegen verdiene meinen Lebensunterhalt nicht mit Zeitungen – ich möchte, dass sie überleben, weil ich Leser bin. Problem Nr. 1: Zeitungsinhalte sind veraltet bevor die Druckfarbe getrocknet ist. Neue Technologien beschleunigen diesen Alterungsprozess und setzen die Zeitungen der Konkurrenz von schnelleren Content-Anbietern aus. Problem Nr. 2: Das Internet hat auch den Wettbewerb der Zeitungen untereinander verstärkt. Ebenso leicht wie meine Heimatzeitung Philadelphia Daily News kann ich die New York Times oder den New Zealand Herald lesen. Für Zeitungen stellt sich somit die Frage, wie und mit wem sie in dieser neuen Medienwelt konkurrieren sollen. Zeitungen werden erst lesenswert, wenn sie von dem Wunsch beflügelt werden, anderen Zeitungen den Rang abzulaufen. Das ist es, was die Leser vor allem wollen. Nehmen wir beispielsweise die Daily News und ihr örtliches Konkurrenzblatt, den Philadelphia Inquirer. In der InternetWelt, in der inhaltliche Monopole unhaltbar sind, hätten meiner Ansicht nach sowohl die Daily News als auch der Inquirer für potenzielle Investoren einen höheren Wert, wenn sie sich einen engagierten Wettbewerb liefern würden. Nur so lässt sich die Faszination und Gewohnheit des Zeitunglesens wiederbeleben – denn eine Zeitung, die sich mit keiner anderen misst, könnte ebenso gut als Nonprofit-Mitteilungsblatt erscheinen. Im Folgenden möchte ich nicht nur drei Wege beschreiben, die Zeitungen zum wirtschaftlichen Erfolg führen, sondern auch drei Möglichkeiten, wie die Daily News es dem Inquirer zeigen kann – und das meine ich im positivsten Sinne. > Erstens, berichten Sie zeitgerecht im Sinne Ihres eigenen Mediums. Montags für die Leser der Dienstagsausgabe darüber zu schreiben, was am Mittwoch anliegt, ist Mark Alan Hughes ist Distinguished Senior Fellow der Universität von Pennsylvania, USA, und wöchentlicher Kolumnist der Meinungsspalte bei der Philadelphia Daily News, wo dieser Artikel zuerst erschien. Zuvor lehrte M. Hughes an der Woodrow Wilson School der Universität Princeton (wo er mit 25 Jahren eintrat) und hatte Gastprofessuren an der Kennedy School in Harvard und an der Universität Swarthmore. Er war Senior Fellow an so renommierten Instituten wie Brookings und dem Urban Institute und amtierte als erster Vice President for Policy Development der Organisation Public/Private Ventures in Philadelphia. Seine Forschungserkenntnisse sind in akademischen Fachzeitschriften wie dem Journal of Urban Economics, Political Science Quarterly, Economic Geography, Journal of the American Planning Association und Urban Studies erschienen. Kommentare hierzu (per E-Mail an ntreader@ifra. com) sind jederzeit willkommen. Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der zeitungstechnik-Redaktion wieder. 20 ein wesentlicher Vorteil, den Zeitungen als Content-Distributionsform haben. RadioNachrichtensender konzentrieren sich auf das Heute, wöchentliche Nachrichtenmagazine auf die Trends, aber Tageszeitungen sind nach wie vor am besten geeignet, das einzufangen, was morgen und übermorgen von Bedeutung sein wird. Zeitungen können über die gestrige Rede des Bürgermeisters zur Mordrate mit Blick auf die morgige Anhörung der Stadtverordnetenversammlung zum Polizeidienst berichten, während der Woche in einem Leitartikel dafür appellieren, dem Morden ein Ende zu setzen, und über Monate hinweg Nachforschungen zu den Ergebnissen anstellen. Kein Konkurrent kann all diese Komponenten zusammentragen. > Zweitens, setzen Sie Ihr einzigartiges redaktionelles Urteilsvermögen ein. Zeitungen sind mehr als die Summe ihrer einzelnen Storys. Das Internet liefert uns täglich tausende von Artikeln zum Lesen. Es gibt Leute, die diesen Wildwuchs lieben und die Freiheit genießen, dort das aufzuspüren, was sie interessiert. Aber die meisten – und da wird es finanziell interessant – wollen ihre Nachrichten gar nicht selbst produzieren. Sie wollen, dass Redakteure mit sachkundigem Urteil eine Titelseite erstellen. Zeitungen sind die einzige Institution, der es gestattet ist, die Themen des Tages zu priorisieren. Diese Funktion liegt nicht nur im öffentlichen Interesse – sie ist das öffentliche Interesse! > Drittens, setzen Sie auf regional verankerte Inhalte. Mich interessiert nicht, was eine Zeitung in Philadelphia über Moskau, Bagdad oder Washington zu sagen hat. Das kann ich bei The Scotsman, The Wall Street Journal und AlDschasira lesen. Aber keines dieser Medien berichtet über unseren Stadtrat, die Auseinandersetzungen um unsere Flächennutzung oder unseren Lokalsport. Die Daily News ist in erster Linie eine Sportzeitung mit einer Lokalredaktion. Diese Kombination ist die einzige, die niemals von der New York Times im Internet ersetzt werden kann.