Eine Zeitungslandschaft im Umbruch - WAN-IFRA

Transcrição

Eine Zeitungslandschaft im Umbruch - WAN-IFRA
Schwerpunkt
April 2001
zeitungstechnik<
Länderreport: Großbritannien und Irland
Eine Zeitungslandschaft
im Umbruch
Mike Fairhead, von einem längeren Auslandsaufenthalt nach England zurückgekehrt, stellt fest: In fünf Jahren hat sich in der Zeitungsindustrie Großbritanniens und Irlands manches verändert > S. 13. Die zahlreichen Zusammenschlüsse in
jüngster Zeit können auch zukünftige Fusionsaktivitäten beeinflussen. > S. 18.
Immer mehr Zeitungen entscheiden sich dafür, einen Teil ihrer Titel im Lohndruck
produzieren zu lassen. Wird der Trend anhalten oder sich umkehren? > S. 22. Die
Newspaper Society liefert ihr AdFast-System für die digitale Anzeigenübertragung
an Hunderte von Zeitungen Großbritanniens, aber es gibt auch Alternativen. > S. 26.
12
zeitungstechnik
April 2001
Der vorliegende Länderreport bildet
den Auftakt zu einer neuen zeitungstechnik-Serie. Diese Berichte werden Themen
und Trends beleuchten, die in den betreffenden Ländern eine aktuelle Rolle spielen,
und der Frage nachgehen, wie die Verleger
dort auf diese Herausforderungen reagieren. Wir hoffen, mit dieser Serie Verlagen
und Zulieferern weltweit wertvolle Einblicke und Erfahrungen vermitteln zu können.
Der erste Länderreport ist Großbritannien
und Irland gewidmet. Er wurde von Mike
Fairhead verfasst, dem für diese Region zuständigen Ifra-Repräsentanten.
Wer in einer Branche tätig ist, die
täglich vollen Einsatz fordert, verliert leicht
aus den Augen, was um ihn herum passiert.
Doch wenn er die gewohnte Umgebung
einmal eine Zeit lang verlässt, erkennt er
bei der Rückkehr umso leichter, was sich
verändert hat. Ich hatte diesen Vorteil, da
ich unlängst in die europäische Zeitungsindustrie zurückkehrte, nachdem ich fünf
Jahre lang in Nairobi tätig gewesen war,
wo ich die Verlagsgruppe Nation Newspapers bei der Installation moderner Technik unterstützte.
Mit gemischten Gefühlen
In den späten 90er-Jahren hat sich
vieles stark verändert. Es gibt aber auch
einiges, was sich entgegen meiner Erwartungen nicht verändert hat. Begrüßenswert
ist zweifellos, dass die Newstec wieder in
Brighton stattfindet. Die Konferenz wird
jetzt von der Ifra organisiert und alles deutet auf gute Besucherzahlen hin. Das Konferenzprogramm ist äußerst attraktiv und
greift Themen auf, die viele Zeitungsleute
nach eigenem Bekunden derzeit stark beschäftigen.
Am auffälligsten ist, wie sich die Besitzverhältnisse in der Zeitungsbranche
verändert haben. Der Trinity Mirror hat
sich durch die Fusion mit Midland Independent Newspapers und dem Daily Mirror
und durch die Übernahme der restlichen
Titel der Regionalzeitungsgruppe Thomson
Regional Newspapers (TRN) in England
stark vergrößert. Aus den Reed-Regionalzeitungen entstand die Newsquest-Mediengruppe, die den Verlag Westminster Press,
die expandierte Verlagsgruppe Southern
Newspapers und andere Unternehmen aufkaufte und schließlich selbst übernommen
wurde – vom US-Konzern Gannett. Johnston Newspapers schnappte sich Verlage in
Mike Fairhead
Schwerpunkt
Halifax, Wakefield und weiteren, nördlich
davon gelegenen Städten und übernahm
den Löwenanteil am alteingesessenen
EMAP-Konzern sowie die Verlagsgruppen
Portsmouth und Sunderland Newspapers.
Die Northcliffe-Gruppe übernahm Aberdeen Newspapers von TRN, konsolidierte
aber ihre Produktion und offeriert heute
eines der größten Angebote an qualitativ
hochwertig gedruckten Zeitungen, mit
denen sie finanziell sehr erfolgreich ist.
In Irland hat Independent Newspapers ihre dominierende Marktstellung
durch die Übernahme des Belfast Telegraph
weiter ausgebaut, aber die Irish Press wurde bedauerlicherweise eingestellt. Man
fühlt sich unweigerlich an das astronomische Phänomen eines „schwarze Lochs“ erinnert, dessen Gravitationskraft alles, was
in seine Nähe kommt, unerbittlich anzieht
und auf immer verschlingt. Man fragt sich
zwangsläufig, wann und wo das Ganze
enden wird!
Was mich zuversichtlich stimmt, ist,
dass es nach wie vor eine Vielzahl von
kleinen, robusten Unternehmen gibt. Ihnen
ist sehr zu wünschen, dass sie auf Dauer
bestehen können.
tet, aufgrund der vermehrten Vor- und
Sammelproduktion. Daher sind Investitionen in Rotationsmaschinen, die durchgängig vierfarbig drucken können, außerordentlich wichtig: Zum einen um der
Farbnachfrage gerecht zu werden, zum anderen um die Stückkosten zu verringern
und drittens um die Produktionszeiten zu
verkürzen, da jetzt spätere Redaktionsschlusszeiten gefordert werden, die durch
die elektronische Übertragung von Farbanzeigen auch realisierbar sind.
Bei den regionalen Abendzeitungen
hat sich der Trend zu Wochenendausgaben
mit höheren Seitenumfängen, verglichen
mit dem Wochenanfang oder Samstag,
fortgesetzt. Ihre Auflagen sind weiter zurückgegangen, während die Einnahmen aus
dem regen Anzeigengeschäft gestiegen
sind. Den kostenpflichtigen Wochenzeitungen geht es nach wie vor ausgesprochen
gut und die kostenlosen Zeitungen sind wie
erwartet rationalisiert worden und haben
expandiert. Der ausbleibende Auflagenund Seitenanstieg bei den Sonntagszeitungen deutet darauf hin, dass der Sonntag
seine traditionelle Rolle als Familientag
verliert, während das explosionsartige
Wachstum der Samstagszeitungen den kulturellen Wandel widerspiegelt, der sich derzeit in Großbritannien vollzieht: Der Samstag entwickelt sich immer mehr zum freien
Tag, der Sonntag hingegen zum Einkaufstag.
Die kostenlosen Metro-Zeitungen haben sich in den größeren Städten erfolgreich etabliert. Das Angebot wird jedoch
bewusst knapp gehalten. Da die Verkehrsbetriebe darauf bestanden, dass diese Zeitungen geheftet werden, sind in den
Druckereien zahllose Inline- und OfflineHeftmaschinen installiert worden. Dies hat
sich jedoch bisher nicht auf die Herstellung
anderer Produkte ausgewirkt.
Der erwartete Trend zu höheren Seitenumfängen, seriöser werdenden doch für
die breite Masse der Leser weiterhin sehr
attraktiven überregionalen Morgenzeitungen, einer Zunahme der kostenlosen Blätter
und der Wochenzeitungen, welche die Abwanderung aus den Städten widerspiegelt,
hat sich bestätigt, wie auch der Trend zu
mehr Farbe.
Ernsthaft in Betracht gezogen werden
nur noch Druckmaschinen, die durchgehend vierfarbig drucken können. „Schließlich liefert mein Bürodrucker fotografische
Konkurrenzfähig bleiben
Der Schrumpfprozess unter den Verlagen, die den Mut haben, Zeitungen zu
machen, geht einher mit einer fortschreitenden Nutzung höherer Datenübertragungsraten zur Rationalisierung des
Drucks. Durch den Einsatz von PDF ist die
regionale Druckproduktion überregionaler
Zeitungen bedeutend einfacher geworden,
die Zeitspanne zwischen dem Redaktionsschluss und dem Versandtermin hat sich
verkürzt und die Kosten haben sich verringert. Ich freue mich über aktuellere Zeitungsnachrichten am Frühstückstisch, die
jetzt besser mit lokalen Rundfunknachrichten konkurrieren können. Diese Entwicklung wurde insbesondere von der Daily
Mail genutzt, welche die größten Auflagenzuwächse verzeichnen konnte.
Die steigende Nachfrage nach Farbanzeigen und der Mangel an Farbdruckkapazitäten haben dazu geführt, dass mehr
vorgedruckt, eingesteckt und in Sammelproduktion gedruckt wird. In den letzten
fünf Jahren hat sich das Gewicht der Daily
Telegraph on Saturday fast verdoppelt.
Trotz insgesamt rückläufiger Auflagen sind
die Druckmaschinen heute besser ausgelas13
Schwerpunkt
Mike Fairhead
kostengünstig mit Zeitungen beliefern zu
können und sein Monopol auszubauen.
Glücklicherweise gingen die Zeitungsverlage und die kleinen Zeitungshändler, bei
denen viele Leser ihre Zeitung weiterhin
kaufen möchten, aus dieser Kraftprobe als
Sieger hervor.
Die gute Nachricht aus dem Vertriebsbereich ist, dass die meisten Fahrzeuge jetzt mit GPS (Globales Positionierungssystem) und Zwei-Wege-Funk ausgestattet
sind, sodass Verkehrsstaus rasch umfahren werden können. Die kundenspezifische
Software, für die man 1995 noch 30 000 £
zahlen musste, wurde durch Produkte ersetzt, die heute nur ein paar Hundert Pfund
oder weniger kosten. Die meisten Stadttaxis sind inzwischen standardmäßig mit
diesen Anlagen ausgestattet.
Auswahl britischer Regionalzeitungen.
Druckqualität. Warum kann eine Zeitung
das nicht auch bieten?“
Solche Druckmaschinen sind sehr
teuer und die stark differierenden Seitenumfänge zwischen Wochenanfang und
Wochenende bedeuten, dass die Maschine
genügend Kapazität bieten muss, um die
umfangreicheren Produkte am Ende der
Woche produzieren zu können.
Mit Druck voran
In den vergangenen fünf Jahren wurden zahlreiche Druckmaschinen installiert,
die als reine Turmkonfigurationen konzipiert sind und noch höhere Geschwindigkeiten und noch mehr Farbkapazitäten bieten. Daneben war in vielen Druckereien ein
Trend zur Aufrüstung älterer Druckmaschinen zu verzeichnen, um dem Wunsch nach
mehr Farbseiten und größeren Sektionen
nachkommen zu können. Die abenteuerlichste Installation habe ich in Bradford ge-
Preiskampf im Zeitungsvertrieb
Es kam zu einem Preiskrieg zwischen
den Zeitungsverlagen und Zeitungshändlern auf der einen Seite und der Buch- und
Zeitungsladenkette WHSmith auf der anderen. WHSmith wollte En-gros-Lieferungen
zu einem günstigeren Preis durchsetzen,
um Supermärkte und seine eigenen Filialen
> Fakten zur britischen Zeitungsindustrie
Die fünf größten Tageszeitungen: The Sun, The Daily Mail, The Daily Mirror,
The Daily Telegraph und Daily Express. (Alle genannten Titel haben Durchschnittsauflagen von mindestens einer Million Exemplaren pro Tag.)
Der größte Zeitungskonzern: Trinity Mirror. Er besitzt u. a. die Zeitungen The
Mirror und Racing Post sowie Regionalzeitungen wie die Daily Post in Liverpool.
Eigentumsverhältnisse: Die 20 größten Verlage besitzen derzeit 84 % der
Regional- und Lokalzeitungen.
Trend: Nach einer Veröffentlichung im Ifra Trend Report Nr. 84 sind die Auflagenzahlen der britischen Broadsheet-Zeitungen zwar seit dem Aufkommen
der Tabloid-Zeitungen (Boulevardzeitungen) kontinuierlich zurückgegangen, erfreuen sich aber in der Online-Welt weitaus größerer Beliebtheit. So hatte beispielsweise das Boulevardblatt The Sun im Januar eine mittlere Druckauflage
von 3,6 Millionen Exemplaren, während die renommierte Zeitung The Guardian
lediglich 410 000 Exemplare druckte. Die Website Guardianunlimited registrierte im Januar jedoch 25,9 Millionen Zugriffe, wohingegen die Website der Sun
nur ein Drittel so viele Besucher hatte. Nach Auffassung der Kolumnistin Sally
West hat dieser Unterschied demografische Ursachen. Tabloid-Leser sehen in
der Regel sehr viel mehr fern, während Broadsheet-Leser häufiger das Internet
nutzen und daher auch eher die Website ihrer Zeitung konsultieren.
14
April 2001
zeitungstechnik
sehen, wo sich die Druckeinheiten in unglaubliche Höhen stapeln.
Die meiner Meinung nach interessanteste Meldung kam jedoch vom Daily Telegraph, der mit einer bewährten Tradition
bricht, um kanallos mit einer Platte im
Umfang zu drucken, was zwar enorme Einsparungen an Papier und Druckplatten
ermöglichen dürfte, aber einen Unsicherheitsfaktor birgt, da die Zylinderumdrehungsgeschwindigkeiten einer solchen
Druckmaschine bedeutend höher sind als
bei Maschinen herkömmlicher Bauart. Wie
werden sich die Druckmaterialien weiterentwickeln, um diesem Umstand Rechnung
zu tragen?
Mit der zunehmenden Komplexität
der Druckereien wächst auch der Bedarf an
Automatisierungslösungen zur Makulaturverringerung. Mit Erstaunen stellte ich fest,
dass bei der Automation sehr viel weniger
Fortschritte gemacht wurden als erwartet.
Wenn wir ein Automobilwerk zu leiten hätten, würde es uns nicht im Traum einfallen,
die Produktqualität menschlichem Gutdünken zu überlassen. Massenproduktion erfordert absolute Konstanz und auf Anhieb
erzielbare fehlerfreie Ergebnisse. Die Technik für die Automatisierung von Farbzufuhr, Wasserzufuhr, Register, Farbeinstellung, Rollenlogistik, Lagerbestandskontrolle (mittels funkgestützter Erfassung von
elektronischen Identifizierungsmarken) und
anderen Prozessen ist jedenfalls verfügbar.
Warum hat unsere Branche so lange gebraucht, um elektronische Farbregelungssysteme zu entwickeln?
Ein Problem, das Manager aller Zeitungen nach wie vor beschäftigt, ist der
Farbabrieb an den Händen der Zeitungsleser. In den 80er-Jahren wurde bereits
festgestellt, dass sich diese unangenehme
Begleiterscheinung durch die Verwendung
von höherwertigen, sprich teureren Druckfarben vermeiden lässt. Nicht nur das – der
Farbverbrauch pro Quadratmeter wurde um
fast die Hälfte reduziert und die Rotationsmaschinen blieben sauberer, was sich positiv auf die Bahnbruchstatistik und die Makulaturrate (Senkung um bis zu einem Prozent) auswirkte. Die Zeitpläne ließen sich
leichter einhalten; die Stückkosten sanken
trotz eines verdoppelten Mengenpreises der
Druckfarben und man profitierte von der
etwas besseren Umweltverträglichkeit der
Pflanzenölfarben. Stückkosten ermittelt
heute so gut wie niemand mehr. Die Kosten
zeitungstechnik
April 2001
für Massengüter werden fortlaufend gesenkt, aber niemand macht sich die Mühe,
die Herstellungskosten pro Produkteinheit
zu ermitteln. Vielleicht ist ein neuer Ansatz
in der Kostenrechnung vonnöten, der Zeitungsbetriebe mit anderen Industriebetrieben vergleichbar macht.
Bevor wir den „Schwermaschinen“Teil dieses persönlichen Berichts verlassen,
möchte ich noch erwähnen, dass ich ernüchtert festgestellt habe, dass Zeitungsrotationen zwar mit Geschwindigkeiten
von 70 000 bis 80 000 Ex/h (Doppelproduktion) gefahren werden können, aber
selten die ganze Nacht auf vollen Touren
laufen. Die Produktionsgeschwindigkeit
liegt meist bei 50 000 bis 60 000 Ex/h und
die Nettoleistung bei 40 000 bis 50 000
Ex/h.
Auf Computer-to-Plate umstellen
oder nicht, das ist die Frage, und es ist nur
eine Frage der Zeit, bis Montagebogen und
Mike Fairhead
Schwerpunkt
ver-Technologie und arbeiten zumeist mit
Standard-Software. Die Gemeinkosten für
den Betrieb dieser Systeme sind enorm gestiegen. In den IT-Abteilungen einiger Verlage sind heute mehr Mitarbeiter beschäftigt als vor der „Rationalisierungswelle“ in
den 80er-Jahren. Die Kosten für SoftwareUpgrades (z. B. für QuarkXPress) sind immens, wenn man rund 500 Arbeitsplätze
auszustatten hat. Ich sehe bei vielen Verlagen die dringende Notwendigkeit, Software- und Personalkosten zu reduzieren.
Da scheint die Umstellung auf ein Betriebssystem wie Linux, das geringe Gemeinkosten aufwirft, durchaus logisch. Es war also
ein Schritt in die richtige Richtung, Daten
mit PDF und ähnlichen Ansätzen geräteund softwareunabhängig zu machen.
Techniken für den Bildempfang von
Agenturen oder anderen Quellen sind kein
Thema mehr – der Bildempfang ist überall
vollständig automatisiert. Viele Zeitungen
Fish4 (www.fish4.co.uk) ist ein Portal in Großbritannien, über das auf über 80 % der regionalen Zeitungen zugegriffen werden kann.
Negative zu den Linotype-Setzmaschinen
ins Museum wandern.
Frontend
Von Frontend-Systemen spricht in
den Redaktionen heute niemand mehr. Die
heutigen Systeme basieren auf Client-Ser-
15
Schwerpunkt
Mike Fairhead
Das Portal-Konzept gewinnt jetzt
auch im Anzeigenverkauf an Boden. Die
Überlegung, wie man dem Kunden die
Suche vereinfachen kann – beispielsweise
nach einem neuen Haus, einem neuen
Auto, einer neuen Stelle – und die steigende Mobilität der Arbeitnehmer schaffen
einen Bedarf an landesweiten und sogar
internationalen Datenbanken und Wirtschafts-Netzwerken. Der Verkauf über
Internet-Anzeigen wird eines Tages landesweit erfolgen, daher ist es erforderlich, die
Anzeigen auf nationaler Ebene zusammenzuführen. Wenn die Zeitungsverlage zusammenarbeiten und die Anzeigen ohnehin
von den Zeitungen bereitgestellt werden,
ist es bedeutend einfacher und kostengünstiger, eine nationale Datenbank einzurichten. Eine Portal-Strategie kann auch bedeuten, dass derjenige, dem das Portal gehört, bestimmt, was Sache ist. Zurzeit gibt
es zwischen den verschiedenen Gruppen
eher Kooperation als Konflikte. Fish4
(www.fish4.co.uk) ist ein gutes Beispiel. Die
Fish4-Websites gingen im Oktober 1999
ans Netz, unterstützt von der britischen
Regionalpresse. Sie stehen für eine bedeutende Investition in interaktive Medien.
Fish4cars, Fish4jobs und Fish4homes bieten eine Vielzahl von Online-Anzeigen
zum Kfz-, Stellen- und Immobilienmarkt.
Unter der Dachmarke Fish4 sind insgesamt
1,9 Millionen Unternehmen vertreten, darunter 80 % der britischen Regionalzeitungen, also mehr als 800 regionale Tagesund Wochenzeitungen.
Die Nachrichtenpräsentation im Internet wird immer ansprechender und es
wächst die Begeisterung, ein neues Medium
zu kreieren und in der Gestaltung eigene
Wege zu gehen. Das Web ist ein dynamisches Medium, das nicht den engen Grenzen der Print-Publikation unterliegt, sondern eine Fülle neuer Möglichkeiten – von
Ton über bewegte Bilder bis hin zu vollkommen neuen Inhalten und Präsentationsformen – bietet. Multiple-Media folgt
dem Internet unmittelbar auf den Fersen.
Erstaunlich ist jedoch, dass der Wandel in
Richtung echter Multiple-Media-Redaktionen bei den Journalisten in Großbritannien
und Irland noch keine rechte Begeisterung
geweckt hat. Im hiesigen Markt können nur
wenige Zeitungen als echte MultipleMedia-Verlagshäuser bezeichnet werden,
und diejenigen, die diese Bezeichnung für
sich in Anspruch nehmen können, müssen
verwenden zudem eigene Digitalbilder. Bei
der Archivierung gibt es indes noch einiges
zu tun. Auch augenfällige Qualitätsprobleme müssen noch gelöst werden, z. B.
wenn die enthusiastische Bildvergrößerung
wieder einmal über das hinausgeht, was der
Fotograf an Bilddaten eingefangen hat.
Zeitungen, die es versäumen, ihre
Journalisten darin zu schulen, Bilder im
Hinblick auf die Tonwertzunahme anzupassen, haben erhebliche Farbqualitätsprobleme. Bei Schwarzweißbildern macht sich
dieses Problem in der Regel noch stärker
bemerkbar. Verlage, die großen Wert auf
Schulungen legen, erzielen sehr viel bessere Ergebnisse, haben geringere Kosten und
weniger Terminprobleme. Einigen gelingt
sogar die Aufnahme in den International
Newspaper Color Quality Club, dem von
der Ifra und NAA durchgeführten Farbqualitätswettbewerb, der jetzt auch von der
PANPA in Australien unterstützt wird. Wie
ich feststellen konnte, beginnen jetzt auch
die überregionalen Zeitungen, GCR (Unbuntaufbau)- und andere druckrelevante
Korrekturtechniken anzuwenden, die bei
den Regionalzeitungen schon seit Mitte der
80er-Jahre üblich und im UKONS-Standard
verankert sind. Der nächste Schritt, so ist
zu hoffen, wird die breite Annahme der
ISO-Norm 12647-3 sein, die unter der Leitung der Ifra entwickelt wurde, um einen
einheitlichen internationalen Standard zu
schaffen und den Zeitungsdruck nicht nur
bis zum Proof, sondern bis zur Druckmaschine zu standardisieren. Ich sehe hoffnungsvoll der Zeit entgegen, wo anstelle
von „Verkehrsampeln“ Graubalance-Kontrollmarken die Norm sein werden.
Stichwort „E-. . .“
Allem ein „E-“ voranzustellen, war
fast so etwas wie eine Modeerscheinung.
Heute geht man etwas besonnener dabei
vor; im Vordergrund steht nicht mehr so
sehr das Bedürfnis, „politically correct“
oder „trendy“ zu sein wie noch vor fünf
Jahren. Heute fragen sich Unternehmer
vielmehr, wie sie das Internet am besten
einsetzen, um damit Geld zu verdienen,
und meinen nicht mehr beweisen zu müssen, dass auch sie in der Lage sind, eine
Website zu kreieren. Was nun gebraucht
wird, sind Portals zur Kontrolle und Vernetzung von Wirtschaftsbranchen. Wie
wichtig Indexiersysteme sind, wird jetzt jedem klar, der etwas Bestimmtes sucht.
16
April 2001
zeitungstechnik
sich noch aus der Zwangsjacke des vertikalen Managements befreien. Ifra Technologies Editor Kerry Northrup wird auf der
Newstec berichten, wie Unternehmen in
verschiedenen Regionen der Welt mit Multiple-Media-Nachrichtenquellen und -Produkten arbeiten. Auf diesen Vortrag darf
man sehr gespannt sein.
Der technologische Wandel, der heute
die Möglichkeit bietet, alles über das Internet zu verbreiten, hat die Schlagzeilen bestimmt und den Informationsanbietern, die
über die erforderlichen Breitband-Übertragungsmöglichkeiten verfügen, ermöglicht,
Internet-Radio ohne Grenzen zu betreiben.
Bis zur nächsten Newstec wird auch das
Fernsehen im Internet verfügbar sein und
es ist mit revolutionären Entwicklungen bei
Hardware, Software und Programmen zu
rechnen, sodass Rundfunk, Fernsehen,
Internet, Datenverarbeitung, Bibliotheken
und andere Informationsquellen noch
enger miteinander verschmelzen werden.
Demnächst werden wir über „Wetware“
reden. Wetware bezeichnet die Verbindung
aus Computerchips und menschlichem Gehirn zur Steigerung der Gedächtniskapazität, Assoziationsfähigkeit und Denkgeschwindigkeit. Ich persönlich halte diese
Entwicklung für erschreckend, aber im
Labor hat sie bereits begonnen.
Mit Zuversicht in die Zukunft
Mehr noch als vor fünf Jahren bin
ich heute beeindruckt, dass diejenigen Zeitungsverlage, die auf die Wünsche ihrer
Kunden in puncto Journalismus und Anzeigen eingegangen sind und sich nicht der
selbsterfüllenden Prophezeiung des Niedergangs hingegeben haben, wieder auf
Wachstumskurs sind. So manche Unternehmensführung hat aufgegeben, aber es ist
nicht zu übersehen, dass positiv eingestellte Unternehmen einen Aufschwung erlebt
haben. Sie sind Qualitätsprobleme angegangen, haben Makulatur und sonstige
interne Abfälle verringert, sich mit Selbstvertrauen dem Markt gestellt und Erfolg
gehabt. Den Typ des monetaristischen
Buchhalters, der eine Aura des Scheiterns
um sich verbreitet, gibt es zur Genüge.
Aber ich begegne auch vielen Zeitungsmanagern, die von der Schwarzmalerei genug
haben und mit einer positiven Einstellung
in das neue Jahrtausend gehen. 2001 sollte
das Jahr der Medien sein, nicht das Jahr
des Missmuts! <