Albanien I. Geschichte - II. Archäologie
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Albanien I. Geschichte - II. Archäologie
Albanien I. Geschichte - II. Archäologie - III. Baukunst URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=64.0000 I. Geschichte Das Gebiet des heutigen Albanien bildete im Mittelalter nie eine politische Einheit. Im geographischen Sinn meint der Begriff ein Viereck, dessen Endpunkte →Bar← (Antivari), Prizren, →Ohrid← und →Valona← (Vlora) waren (E. v. ŠUFFLAY). Im 2. - 1. Jahrhundert v.Chr. wurde Albanien von den Römern erobert und zunächst den Provinzen Dalmatia, Macedonia und Epiros zugeordnet. Nach der Verwaltungsreform Kaiser Diokletians (284 - 305) gehörte Albanien zu den neugebildeten Provinzen Praevalis, Epiros Nova und Epiros Vetus. Hauptstadt der Provinz Praevalis, die im Süden bis →Alessio← (Lezha) reichte, war →Skutari← (Shkodra). Mittel-Albanien bis zum Raum Ohrid gehörte zu Epiros Nova, dessen Hauptstadt →Dyrrachium← (Durrës) war. Das Land südlich von Vjosa gehörte zu Epiros Vetus, dessen Zentrum →Nikopolis← am Golf von Arta war. Bei der Reichsteilung 395 kam Albanien zur östlichen Reichshälfte. Im 1. - 4. Jahrhundert war Albanien einem Prozeß der Romanisierung (Norden) bzw. der Hellenisierung (Süden) ausgesetzt, der sich im Binnenland wohl nicht so stark bemerkbar machte. Parallel dazu verlief ein Prozeß der Christianisierung, der von den Küstenstädten (Dyrrachium soll bereits im Jahr 58 Bistum geworden sein) ausging. Im 6. - 7. Jahrhundert wurde auch das Gebiet Albaniens von der slavischen Landnahme betroffen; nur Teile des Küstenlandes konnten durch die Byzantiner behauptet werden, die in der 1. Hälfte des 9. Jahrhundert ihre Restbesitzungen in Albanien zum Thema Dyrrachium zusammenfaßten. Damals war aber bereits das gesamte albanische Binnenland der bulgarischen Expansion zum Opfer gefallen: Khan →Presjan← (836 - 852) hatte Ohrid und →Devol← erobert, →BorisMichael← (852 - 889) gewann →Berat← und das Küstengebiet zwischen Vjosa und Semeni, und Zar →Symeon← (893 - 927) beherrschte fast ganz Mittel- und Süd-Albanien; 893 soll er 30 Burgen im Thema Dyrrachium erobert haben, konnte die Stadt selber aber nicht einnehmen. Von dem christlich gewordenen Bulgarenstaat ging dann auch der Versuch aus, das seit dem Slaveneinfall wieder heidnische albanische Binnenland neu zu christianisieren: Nach 886 wurde das von den Bulgaren Kutmičeva genannte Gebiet der Mission des heiligen Kliment (→Clemens von Ohrid←) unterstellt, der in Devol auch eine Schule unterhielt, an der nach seiner Vita 3500 Schüler in altslavischer Sprache unterrichtet wurden. Zar →Samuil←, der Ohrid zur Hauptstadt seines Reiches machte, hatte vorübergehend (989 - 997) sogar Dyrrachium in seinem Besitz. Nach seinem Tode (1014) zerfiel das sog. Westbulgarische oder Makedonische Reich allerdings rasch wieder. Samuils Nachfolger Gabriel Radomir wurde von seinem Vetter Ivan Vladislav ermordet, der selbst 1018 bei dem Versuch fiel, Dyrrachium zurückzuerobern. Im gleichen Jahr fanden in der Nähe von Berat die letzten Kämpfe zwischen bulgarischen und byzantinischen Truppen statt, danach wurde Albanien wieder byzantinisch. Ein halbes Jahrhundert nach der byzantinischen Rückeroberung werden dann die →Albaner← das erste Mal in den Quellen erwähnt. Sie bewohnten ein →Arbanon← genanntes Gebiet im Hinterland von Dyrrachium und halfen 1081 den Byzantinern bei der Verteidigung des von den →Normannen← belagerten Dyrrachium. Im Gefolge des 4. Kreuzzuges (1202 - 1204) gewann Arbanon seine politische Selbständigkeit, verlor sie aber bereits 1216 wieder, als es dem Despotat von Epiros angegliedert wurde. Um die Mitte des 13. Jahrhundert wurde Albanien nicht nur Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen Epiros, Nikäa und dem wiedererstandenen bulgarischen Staat der Aseniden, auch eine westliche Macht versuchte dort erneut Fuß zu fassen: Der Staufer Manfred, König von Sizilien, nahm die antibyzantinische Politik der Normannenherrscher wieder auf. Er verbündete sich 1258 mit dem Despoten Michael II. Dukas Komnenos von Epiros, heiratete dessen Tochter Helena und besetzte Korfu, Dyrrachium, Valona und →Buthroton← (Butrinti), die als Helenas Mitgift deklariert wurden. Die Stauferherrschaft in Albanien war indes von kurzer Dauer, denn das gegen Nikäa gerichtete Bündnis Epiros-Sizilien war nicht sehr erfolgreich. Außerdem erwuchs Manfred im eigenen Königreich Sizilien ein Konkurrent, dem er nicht gewachsen war - →Karl von Anjou←, der 1263 vom Papst mit dem Königreich Neapel-Sizilien belehnt worden war. Nachdem er 1266 Manfred bei Benevent geschlagen hatte, trat er auch dessen Erbe in Albanien an. 1272 proklamierte Karl das 'Regnum Albaniae' mit dem Zentrum in Dyrrachium, das bis 1368 in anjouvinischem Besitz bleiben sollte. Peter Bartl Qu.: Acta et diplomata res Albaniae mediae aetatis illustrantia I - II, hg. L. V. THALLÓCZY, K. JIREČEK, E. V. ŠUFFLAY, Wien 1913 - 1918; Burime të zgjedhura për historinë e Shqipërisë II, Tirana 1962. Lit.: Illyrisch-alban. Forsch. I, hg. L. V. THALLÓCZY, München - Leipzig 1916; Historia e Shqipërisë I, Tiranan 1959; A. DUCELLIER, P. SCHREINER, Der Dux von Dalmatien und die Belagerung Anconas im Jahre 1173, in: Byzantion 41, 1971, 285 - 311 (bes. 302 zur ersten Erwähnung von "Arbania"); La façade maritime de l'Albanie au moyen age. Durazzo et Valona e e du XI au XV siècle, Thessaloniki 1981. URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=64.1000 II. Archäologie Vorgesehen mit 90 Zeilen. III. Baukunst Aus der Spätantike (der "frühchristlichen Zeit"), bis zum Einfall der Slaven im frühen 7. Jahrhundert, sind eine größere Anzahl an Kirchen, einige Befestigungen und mehrere profane Gebäude erhalten. Bei den Befestigungen handelt es sich bisweilen um Reparaturen oder Verstärkungen (z.B. Scampa - Elbasan); einen neuen Mauerzug mit Türmen erhielt Dyrrachium (Durres) Anfang 6. Jahrhundert, das offenbar im frühen 6. Jahrhundert auch ein neues Zentrum mit einem großen Rundplatz erhielt (unpublizierte Grabungen). Die Kirchen sind teilweise schlichte einschiffige Bauten (Zgerdhesh; Durres, Kapelle im Amphitheater mit Resten von Wandmosaiken), überwiegend Basiliken. Einige haben ein herausragendes Querschiff (z.B. Byllis, Tutrint, Elbasan, Phoinike), einen Ostabschluß mit drei Konchen (Durres-Arapaj); diese Formen finden in Epiros Parallelen. Hervorzuheben sind Dreikonchen-Bauten in Lin (mit Umgang; Parallele in Ohrid), Antioneia und Butrint (ursprüngliche Verwendung und Datierung ungeklärt). Die Kirche der Vierzig Märtyrer in Saranda war vielleicht ein Kuppelbau (Bauaufnahme fehlt, da bisher unzugänglich). Ein großartiges Baptisterium ist in Butrint erhalten, ein kleines in Lin. Fußbodenmosaiken sind mehrfach vorhanden und stilistisch teilweise mit Epiros (z.B. Butrint, Durres-Arapaj), teilweise mit Ohrid (Lin) verbunden, vielfach aber auch lokal (z.B. Saranda, Antigoneia, Mesaplik). Kapitelle und andere Bauplastik sind mehrfach importiert (vorzügliche Stücke in Durrachium kommen aus Prokonnesos), in anderen Fällen einheimisch (gute Beispiele in Byllis). Hinweise für genauere Datierungen der Bauten gibt es nicht, sie können nur allgemein in das ausgehende 5. und vor allem die 1. Hälfte des 6. Jahrhundert gesetzt werden. Aus dem Mittelalter (8. Jahrhundert bis 1468) sind Burgen, Stadtbefestigungen, Häuser und eine Reihe von Kirchen erhalten. Bei den Burgen handelt es sich mehrfach um Höhenburgen (z.B. Petrela, Kanina); eine Besonderheit sind die Anlagen am sog. Kanal von Butrint, die den Eingang zum See beschützten. Mehrere Städte erhielten neue Befestigungsanlagen; häufig wurden dabei ältere Mauern und Türme wiederverwendet (Lezha, Kruja, Durrachium, Berat [um 1205] und Butrint [13. Jahrhundert]). Ganz gewaltig wurde Shkodra ausgebaut (vor allem 1407 1416), das die Venezianer lange gegen die Osmanen (bis 1479) halten konnten. Reste von privaten Häusern sind sowohl im Norden (Sarda) wie im Süden (Borsh, Kamenica) bekannt. Es sind meist recht einfache Anlagen; hervorzuheben sind die dreistöckigen Hanghäuser in Borsh. Bei den Kirchen setzt sich der - katholische - Norden deutlich vom - orthodoxen - Süden ab; Grenze ist der Shkumbin (Genesos). Im Norden sind die Bauten mit der romanischen und gotischen Architektur des Westens verbunden, und zwar über die Kunst Dalmatiens. Verschiedentlich wurden aber auch Besonderheiten der byzantinischen Architektur übernommen (z.B. Wechsel von Ziegeln und Quadern beim Mauerwerk; Bauplastik). Es sind nur wenige Kirchen vorhanden, meist als Ruinen: Shkodra, Hl. Stephanos (frühes 14. Jahrhundert); Shirgj (Inschriften von 1290 und 1293); Danja (13. Jahrhundert; jetzt zerstört). Die Kirchen im Süden Albaniens können zum byzantinischen Kunstkreis gerechnet werden, haben allerdings meist provinzielle Züge des makedonisch-epirotischen Raumes. Die Bauten in Apollonia und Kurjan vertreten zwar byzantinische Bautypen, zeigen aber in Details Einflüsse aus dem Westen. Es gibt verschiedene Bauformen: einschiffige Hallen (Buhal, Shelcan); dreischiffige Basiliken (Peroni; Ruinen in Durrachium, Klos und Ciftlik); zahlreiche Kreuzkuppel-Kirchen mit verschiedenen Varianten. Durch Inschriften fest datierte Kirchen sind nicht vorhanden. Die Einordnung nach dem Stil ist schwierig und muß allgemein bleiben. Bauaufnahmen, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, gibt es bisher nicht. In das 10. Jahrhundert sind anzusetzten: Die Kreuzkuppel-Kirchen in Peshkepi (Anbau 13. Jahrhundert), Labowa, Marmiro und Zervat sowie die Basilika in Perondi (Glockenturm 13. Jahrhundert). Dem 11. und 12. Jahrhundert lassen sich bisher keine Kirchen zuweisen. Die Kirchen des 13. Jahrhundert sind vor allem mit der Kunst des Despotats von Epiros verbunden. Kreuzkuppel-Kirchen sind: Berat (Hl. Triada, Michaelskirche und erste Phase der Bachernenkirche), Kosina, Kurjan ("Athos-Typus"), Mborja, Zvernec und Apollonia; Mesopotam. Hl. Nikolaos, hat einen singulären Typus mit vier Kuppeln. An anderen Bautypen sind Buhal, Shelcan und Ciftlik zu nennen. Bauskulptur ist selten, höchst bedeutend sind aber die Kapitelle in Apollonia und die Reliefs in Mesopotam. Reste von Wandmalereien haben sich in Berat (Hagia Triada) und Mborja erhalten. Die Eroberung Albaniens durch die Osmanen brachte ein Ende der byzantinischen Herrschaft und damit auch der Kirchenbauten; in der 2. Hälfte des 16. Jahrhundert setzte die Bautätigkeit wieder ein ("nachbyzantinische Zeit"). Guntram Koch LIT.: G. KOCH, ALBANIEN. KUNST UND KULTUR IM LAND DER SKIPETAREN, 1989, 30 - 78, 322 F. (WEITERE E LIT. ZU DEN EINZELNEN MONUMENTEN); G. KARAISKAJ, DIE ALBAN. STADT SARDA, IN: ACTES DU XI CONGRÈS INTERNATIONAL D´ARCHÉOLOGIE CHRÉTIENNE 1986 (1989), 2637 - 2656; S. ANAMALI, ARCHITETTURA E DECORAZIONE TARDOANTICA IN ALBANIA, IN: CORSO DI CULTURA SULL´ARTE RAVENNATE E BIZANTINA 40, 1993, 447 – 474. URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=64.3000