Eine Neuseelandreise bringt zwei Schweizer Weinimpor
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Eine Neuseelandreise bringt zwei Schweizer Weinimpor
Weine auf Die zehn Hektar Reben des Weingutes Clos Marguerite im Neuseeländischen Marlboroug stehen in Reih und Glied – mit bestem Weltreise Blick auf die nahe gelegenen Schneeberge. Eine Neuseelandreise bringt zwei Schweizer Weinimporteure mit einheimischen Weingütern in Kontakt. Aus ökologischen Gründen kam ein Import der so entfernt ihrer Heimat gekelterten Tropfen nicht in Frage. Nach viel Recherche und Rechnen kam es anders. Gabriel Caduff und Regula Nolè Mit Michael Coopers «Wine Atlas of New Zealand» im Gepäck zu Besuch bei 36 Weingütern, die Wine & Food Festivals in Brightwater und Marlborough, so lassen sich Land und Weine hervorragend erkunden. Der kürzeste Aufenthalt auf einem Weingut dauerte rund eine Stunde, der längste im biologisch dynamischen Weingut Richmond Planes beinahe einen Tag. Viel mehr Zeit hat das Verarbeiten des Erlebten und Gesehenen in Anspruch genommen. Neuseelands Weinkultur ist zugegebenermaßen jung. Die ersten Weingüter, wie beispielsweise das von Judy und Tim Finn gegründete Weingut «Neudorf» in Nelson, wurde in ZuGast | 82 | VIII/2013 den 1970er Jahren aufgebaut. Der grosse Boom folgte dann 20 Jahre später. So jung wie die Weingüter sind, so aufgeschlossen sind Neuseelands Winzer gegenüber neuen Techniken. Während hierzulande dem Schraubverschluss mit Skepsis begegnet wird, ist der Korkenzieher auch für Weine von Neuseelands Spitzenweingüter selbst in einer Preiskategorie von über 70 Neuseeländischen Dollars (rund 50 CHF) pro Flasche seit Jahren überflüssig. Gesund und sonnenverwöhnt Vorbehalte gegen neusseländische Weine schwinden schnell. Mit rund 2 400 Sonnenstunden bringt Aotearoa, wie Neuseeland von der Maorischen Urbevölkerung genannt wird, Weine mit ganz anderen Eigenschaften hervor, als schweizerische. Die Trauben am Bielersee müssen sich mit 1 700 Sonnenstunden begnügen. Die Trockenheit, die vorherrschenden Winde, die Böden und die Abgeschiedenheit Neuseelands tun ihr Übriges. Wenn in Neuseelands internationalen Flughäfen Hunde die Gepäckstücke beschnuppern, geht es nicht etwa um Drogen, sondern um das Verbot, Früchte und Pflanzen einzuführen. Das steht unter hohen Strafen, denn Erreger sollen keine auf die Inseln gelangen. Selbst der vorgängige Aufenthalt auf landwirtschaftlichen Betrieben oder das Mitführen von grobem Schuhwerk ist wegen Verschmutzungsgefahr deklarationspflichtig. Die strengen Regeln und Kontrollen haben bisher verhindert, dass Rebschädlinge in Neusseland vorkommen. Selbst wurzelechte Reben sind in Neuseeland verbreitetet. Die restliche Welt musste ihre Stöcke wegen der aus Amerika eingeschleppten Reblaus veredeln. Die geringen Niederschläge in den Weinanbaugebieten und die beständig wehenden Winde reduzieren erfolgreich Pilzkrankheiten. Ohne Subventionen erfolgreich Aus der schieren Angst vor dem Staatsbankrott hat Neuseeland 1984 die Subventionen für die Landwirtschaft gestrichen. Ein überzeugender Umstand, denn die meisten Weinbauern in der Schweiz profitieren von Direktzahlungen. Sie erhalten Flächen-, Hang- und Ökobeiträge, zusammengerechnet bis zu 7 000 Franken pro Hektar. 20 000 bis 35 000 Franken pro Hektar erhalten Weinbauern für die Umstellung der weit verbreiteten Chasselas- und Müller-Thurgau-Trauben auf marktfähigere Sorten. Auch in der EU wird der Weinbau mit Milliardenbeträgen subventioniert. Das führt nicht zu mehr Markt und nicht zwingend zu besseren Produkten. Die umweltfreundliche Produktion der Weine in Neuseeland wäre ein gutes Argument für die Einfuhr in die Schweiz. Gewisse Bedenken gibt es bezüglich des Transportes. Hier bringt eine vergleichende Ökobilanz der Fachhochschule Nordwestschweiz Klarheit. Verglichen wurden die Umweltbelastungen von je einem Weingut in Deutschland, im Libanon, in Neuseeland und in der Schweiz. Die Weingüter sind, mit Ausnahme desjenigen am Bielersee, Lieferanten des Weinhauses Caduff im schweizerischen Grossaffoltern. Die Ergebnisse der Studie sind nicht repräsentativ, sprechen aber deutliche Worte: Es ist durchaus möglich im Libanon, Neuseeland oder Deutschland Weine zu produzieren und in die Schweiz zu importieren, die insgesamt deutlich geringere Umweltbelastungen verursachen als einheimischer Wein. Günstig trotz langer Wege Auffallend ist, dass der Transport im Verhältnis zur Weinproduktion einen geringen Anteil der Belastungen ausmacht, selbst wenn der Wein um die halbe Welt transportiert wird. In der Studie wurde VIII/2013 | 83 | ZuGast als sehr treibstoffeffiziente Methode, der Gesamtverlust an Spritzmittel ist aber mit bis zu 90 Prozent auch am höchsten. Die steilen Lagen am Bielersee und die trotz der unlängst erfolgten Rebgüterzusammenlegung verteilten Rebflächen schlagen ebenfalls negativ zu Buche. Wein aus dem Libanon: die Domaine De Baal von Sébastien Khury aus Zahlé. Der Libanon gehört zu den ältesten Weinanbaugebieten der Welt. Überraschende Bilanz Auch wenn diese Studie nicht repräsentativ ist, beendet sie die Mär der unökologischen Weine aus Übersee. Weine aus Übersee können weitaus weniger Umweltbelastungen hervorrufen als einheimische Gewächse. Die Förderung landwirtschaftlicher Produkte aus der Region hat erwas mehr den Charakter der Erhal- 4 3 2 Schloss Proschwitz in Sachsen diente der Studie als Vergleichsweingut in Deutschland. Hervorragende Tropfen werden hier unter klimatisch günstigen Bedingungen gekeltert. ZuGast | 84 | VIII/2013 us no ba Li la ee hl ut De turen. Im Bekaa-Taal, wo Sébastien Khury seine Reben für den Domaine de Baal auf über 1 100 Meter über Meer anbaut, sind die nächte Kühl und die Tage sonnig. Das lässt die Trauben optimal reifen, und bei hoher natürlicher Säure reife Fruchtaromen entwickeln. Weine aus der neuen Welt brauchen nicht als Konkurrenten aufzutreten. Dies käme dem Vergleich eines Sportwagens mit einem FamilienVan gleich. Wer will schon mit der ganzen Familie im Sportwagen in die Ferien fahren? Auch wenn der Sauvignon Blanc von Clos Marguerite zu den Favoriten des Autors zählt, möchte er den Chasselas vom Bielersee nicht missen. Alle Weine haben ihre Existenzberechtigung, die Kunst liegt darin, den richtigen Wein zu jeder Gelegenheit zu kredenzen. nd d an ei hw Sc tung von Traditionen und der Stärkung der lokalen Wirtschaft. Dies allerdings mit ökologischen und ökonomischen Konsequenzen. Diese Feststellung dürfte in weiten Teilen auch auf Gebiete wie Australien, Südafrika oder Südamerika übertragbar sein. Ganz ähnliche Resultate hat der Vergleich zwischen der Zuckerproduktion in der Schweiz und jener in Südamerika ergeben. Nicht in die Beurteilung der Studie eingeflossen ist die Qualität der Weine. Und dies ist auch gut so. Weine aus Neuseeland oder dem Libanon mit viel mehr Sonnenstunden sind nicht zu vergleichen mit den Weinen vom Bielersee. Die vielen Sonnenstunden alleine würden die Weine aber bloß üppig und plump machen. Wesentlich sind auch die Tempera- Ne 0 n 1 Das Marketing schlägt zu Buche Die hohen Emissionswerte im Bereich Marketing der Überseeweine ist eine Folge des internationalen Absatzmarktes dieser Weine und der damit erforderlichen Kundenbesuche. Marguerite Van Hove, Besitzerin des in der Studie untersuchten Weingut «Clos Marguerite» im neuseeländischen Marlborouh, reist beispielsweise jährlich einmal nach Europa und besucht ihre Kunden. Die Weine des schweizerischen Winzers werden dagegen vorwiegend regional vermarktet. Einzig In kg CO2-Emissionen pro Flasche Wein sc hier zeigt sich ein ökologischer Vorteil regionaler Weine. Maßgebend für die ökologische Güte von Weinen ist die erforderliche mechanisierte Arbeit im Rebberg. Im Bekaa-Tal erübrigt die Trockenheit zwischen April und Oktober das Ausbringen von Fungiziden. Im regenarmen Marlborough in Neuseeland mit gerade mal 220 mm Jahresniederschlag, trocknen Winde die Reben zusätzlich ab. Mit einem Jahresniederschlag von 800 bis 1200 mm erfordern am Bielersee die klimatischen Bedingungen eine weitaus intensivere Pflege der Reben. Die jährlich fünf Sprühflüge für Fungizide durch die «Helipflanzenschutzgenossenschaft Bielersee» erweisen sich zwar z realistischerweise davon ausgegangen, dass der Winzer am Bielersee kleine Mengen mit seinem Personenwagen zum Weinhaus liefert, was zu nicht unerheblichen Emissionen führt. Dasselbe gilt auch für den Einkauf von Weinen durch den Kunden. Mit der durchschnittlichen Emission eines Personenwagens von rund 160 g CO2 pro gefahrenem Kilometer können gerade mal etwas mehr als 10 km zurückgelegt werden, um gleich viel CO2 zu emittieren, wie eine Flasche «Domaine de Baal» aus dem Libanon verursacht hat, bis sie im Weinhaus angekommen ist. Offensichtlich ist nicht die Distanz entscheidend, sondern vielmehr das gewählte Transportmittel. Beachtlich sind die Emissionen aus der Stromproduktion im Libanon. Elektrizität wird dort beinahe ausschliesslich aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Soll die aus dem beschlossenen Atomausstieg entstehende Stromlücke tatsächlich mit Gaskraftwerken kompensiert werden, dürfte auch hierzulande die Belastung aus der Stromproduktion ansteigen. Transport Administration|Marketing Energie Produktion: Strom|Heizöl|Wasser Energie Produktion: Benzin|Diesel|Kerosin Produktion In der Grafik sind die Resultate der Studie dargestellt: CO2-Emissionen pro Flasche Wein ausgewählter Weingüter. www.weingut-caduff.ch Informationen über die Studie: [email protected] www.closmarguerite.co.nz www.domainedebaal.com www.schloss-proschwitz.de VIII/2013 | 85 | ZuGast