Die Winzerin Stephanie Tscheppe-Eselböck über den Clan der

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Die Winzerin Stephanie Tscheppe-Eselböck über den Clan der
Regionalität
ohne
Religion
Die Winzerin Stephanie Tscheppe-Eselböck
über den Clan der Sizilianer, alte Möbel, das
Quäntchen Landlust und ihre biodynamischen
Weine, die neun seltsame Namen tragen
interview & Fotos manfred klimek
O
ggau ist eines jener typisch
burgenländischen Straßendörfer, die den Charakter um den
Neusiedler See prägen. Böse Zungen sagen, Oggau sei ein todlangweiliger Ort. Doch genau hier haben
Stefanie Tscheppe-Eselböck und ihr
Mann Eduard Tscheppe-Eselböck
ein altes Weingut erworben und
zu einem regionalen Musterbetrieb umgebaut, der den Gesetzen
der Tradi­tion nicht gehorchen will,
ohne dabei die Tradition als Wert
zu verleugnen. Im späten Frühjahr,
im Sommer und im Herbst hält das
junge Paar im eigenen Heurigen,
der zu den zwanglos modernsten
gastronomischen Spitzenbetrieben
Österreichs zählt, Hof.
Darf ich mich kurz umsehen? Woher
kommt diese Bank? Und wer hat
das Stück renoviert?
Gerne. Gehen Sie ruhig herum.
Diese Bank da, die war schon hier,
als wir das Haus gekauft haben. Ich
habe sie nur in einer anderen Farbe
anstreichen lassen, damit sie zu den
neuen Möbeln passt.
Und diese Sessel?
Das sind alte Thonet-Sessel, die
mein Großvater von überallher zusammengetragen hat. Mein Vater
hat sie dann über Jahre eingelagert,
ich habe sie wieder rausgeholt, und
jetzt haben sie hier im Esszimmer
einen guten Platz gefunden.
Ihre neun Weine tragen die Namen
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einer Großfamilie. Wofür stehen die
Personen?
Die Idee hatten mein Mann und ich,
nachdem wir eine ganze Weile über
die Etiketten nachgedacht hatten.
Das Weingut, das wir gekauft hatten, gehörte einer berühmten, sehr
traditionellen burgenländi­schen
Winzerin, Mechthild Wimmer,­die
für ihre Blaufränkischen in den
70er-Jahren bekannt war. Da musste
also ein Bruch her, der Moderne mit
Tradition verbindet. Die Art der Etiketten ist modern, der Wert der Familie traditionell. Wir wollten über
die Etiketten ebenso ausdrücken,
dass unsere Weine lebende Persönlichkeiten sind, die Natürlichkeit mit Charakter verbinden, doch
mitunter auch polarisieren dürfen.
Die neun Personen – Theodora,
Winifred, Atanasius, Timotheus,
Emmeram, Joschuari, ­Wiltrude,
Mechthild und Bertholdi – und
ihre verschiedenen Generatio­nen
stehen für neun Weintypen, die in
der Region unverwechselbar und
einzigartig sind. So wie es hier auch
Menschen gibt, die in ihrer Mentalität unverwechselbar und einzigartig sind. Wie in jeder Region.
Gibt es Vorbilder für die Leute? Gibt
es die sogar in echt?
Nein, die Persönlichkeiten und die
dazugehörigen Illustrationen sind
natürlich rein fiktiv. Obwohl manche Leute sagen, dass sie Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen
erkennen. Da muss ich dann immer
den Satz sagen, den man bei Filmabspännen liest: Ähnlichkeiten mit
real existierenden Personen sind
unbeabsichtigt und hatten keinen
Einfluss auf das Werk.
Sie haben sich vor sechs Jahren
entschlossen, mit Ihrem Mann, dem
Winzer Eduard Tscheppe-Eselböck,
ein altes, brachliegendes Weingut
im Burgenland zu übernehmen, das
früher wohl eine Legende gewesen
sein muss. Wir kam es dazu?
Mein Mann, er kommt aus der
Steier­
mark, und ich waren uns
einig, dass wir hier, in meiner
Heimat im nördlichen Burgenland, Wein wachsen und entstehen
lassen wollten. Und das auf die
authentischste Art. Das Weingut
stand schon lange leer und fand
keine Käufer. Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um
es aus dem Dornröschenschlaf zu
erwecken. Wir hätten daraus freilich ein weiteres brutal modernes
Weingut machen können, wie es
immer noch Mode ist. Und wir wären sicher auch damit erfolgreich
gewesen, eventuell sogar schneller.
Doch wir wollten einen anderen
Weg gehen und nicht jene Weine
machen, die man hier schon mannigfaltig angeboten bekommt. Deswegen haben wir nachgeforscht,
was hier früher wuchs und wie es
früher wuchs. Danach haben wir
die Traubensorten ausgesucht und
die Richtung beschlossen, etwa, dass
wir ausschließlich biodynamische
Weine keltern wollen. Und dass wir
uns auf die schwierige Spontanvergärung einlassen, für die man ein
Händchen haben muss. Teile unserer Trauben pressen wir mit einer
alten Baumpresse aus. Das bringt
zwar mehr Extrakt, ist aber mit
einer irren Handarbeit verbunden.
Ihre Weine sind zu Beginn nicht
leicht verständlich. Warum wird
diese Art Weinbau wieder modern?
Unsere Weine dürfen Ecken und
Kanten haben, sie müssen nicht
dem Anspruch auf sogenannte
technische Perfektion entsprechen.
Sie erzählen aber wahnsinnig viel
von ihrer Herkunft und davon, wie
es der Rebe das ganze Jahr über
ergangen ist, bis sie uns zur Ernte
harmonisch reife Trauben schenkt.
Dass diese Weine auf mehr und
mehr Interesse, Verständnis und
Begeisterung stoßen, hat damit zu
tun, dass vielen Menschen bewusst
wird, wie beliebig die Waren des
wohneninterview
unverwechselbar
Stephanie TscheppeEselböck keltert
gemeinsam mit ihrem
Mann Eduard biodynamische Weine mit
Persönlichkeit
H.O.M.E. 053
wohneninterview
heimkehrerin
Die Sehnsucht
nach „etwas
Ursprünglichem“
war in Stephanie
Tscheppe-­Eselböck
zu groß, um in der
­weiten Welt abhandenzukommen
namentlich
Die neun
Personen
stehen für
neun Weintypen, die in
der Region
einzigartig
sind
meinem Mann an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten, das enorm ortsgebunden ist. Und Weinbau
findet nun mal nicht in den Innenstädten der Weltmetropolen statt.
Haben Sie Landlust?
Ich liebe das Land und habe jeden Tag Lust aufs Land. Allerdings
brauche ich auch Abwechslung und
lasse mich gerne mal in der Stadt
inspirieren. Wien ist in einer guten
Stunde zu erreichen. Und zum Flughafen ist es auch nicht weit.
Fahren Sie Traktor?
Klar kann ich das, ich fahre aber nur,
wenn es wirklich sein muss. Das ist
bei unserer Art Weinbau nicht so oft
der Fall. Sonst bin ich lieber zu Fuß
„Wir gehen einen sehr speziellen Weg,
den viele Leute mit Esoterik verwechseln“
täglichen Konsums geworden sind.
Und natürlich wird diese Art Weine
gerade wieder modern, weil sie auch
der Seele und dem Geist guttun. Sie
bringen ein Wohlgefühl, das weit
über den Genuss eines guten Glases
Weins hinausgeht.
Ihre Eltern, Eveline und Walter
Eselböck, sind Pioniere der modernen österreichischen Gastronomie,
Ihr Vater war der erste popkulturell
verankerte Koch des Landes. Unter
Insidern gelten die Eselböcks als
sizilianischer Clan. Was bedeutet
Familie für Sie?
Familie bedeutet mir alles. Ich habe
aber nicht die Angst, abends schlafen zu gehen und am nächsten
Morgen neben einem Pferdekopf
aufzuwachen. (lacht)
Sie haben in Paris gearbeitet, sind
sehr jung in der ganzen Welt herumgekommen. Warum wurde es dann
ein schlichter Bauernhof in einem
langweiligen Dorf?
Eine gute Frage, die ich mir oft
gestellt habe. Die Sehnsucht nach
etwas Ursprünglichem war wahrscheinlich in mir zu groß, um in der
weiten Welt abhandenzukommen.
Außerdem habe ich das Glück, mit
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oder per Fahrrad in den Weingärten
unterwegs.
Sie ziehen neben der Firma, zu der
auch ein erfolgreicher Heuriger
gehört, drei Kinder groß. Wie kriegt
man da den Alltag in den Griff?
Da kann ich nur mit einem Klischeesatz antworten: Wenn man etwas mit Freude macht, fällt es leicht,
alles unter einen Hut zu bringen.
Gerade bei den Kindern hilft uns
die große Familie natürlich sehr.
Wie viel Zeit verbringen Sie im eigenen Haus? Sind Sie häuslich?
Wir verbringen natürlich viel Zeit
im Haus, weil wir hier arbeiten
und kreativ wirken. Zwischendurch
brauche ich aber den Abstand, damit ich mich wieder auf die eigenen
vier Wände freuen kann.
Uns ist zu Ohren gekommen, dass
Ihr Vater auch Möbel renoviert und
seine Hotelzimmer selbst einrichtet.
Begleiten Sie ihn auf Möbelsuche?
Wir tauschen uns viel über Archi­
tektur und Kunst aus, ich bin dankbar, dass ich viel von ihm lernen kann und manches von der
Wiege­an mitbekommen habe. Auf
gemein­samer Möbelsuche waren
wir jedoch noch nie.
Was ist Ihr Lieblingsstück im Haus?
Die alte Wiege, in der schon mein
Großvater und mein Vater in den
Schlaf geschaukelt worden sind.
Und danach meine drei Kinder.
Kinder und Keller sind schon da.
Wie sieht es in der Küche aus? Ich koche leidenschaftlich gerne.
Aber nicht so oft, wie ich es mir
wünschen würde. Es fehlt die Zeit.
Ist Regionalität die neue Weltkultur?
Eine Weltkultur ohne Regionali­tät
ist langfristig gar nicht mehr möglich. So wie mein Vater schon vor
20 Jahren in der Küche Regionalität
gelebt hat, auf den Wiesen loka­le
Kräuter gesucht und Produkte aus
der Region verkocht hat, erlebt dieser strikt regionale Zugang heute im
Weinbau eine Renaissan­ce, die von
Dauer sein wird, weil Regio­na­lität
und die zugrunde liegende Knappheit der Ressourcen für uns zur Gewohnheit werden müssen. Mit dem
Wissen um das Potenzial der Re­
gion haben wir uns das Ziel gesetzt,
das harmo­nische Optimum aus unseren Bö­den herauszuholen,­ohne
sie aus­
zu­
beu­
ten. Das ist ein sehr
spe­ziel­ler Weg, den viele Leute mit
Eso­te­rik verwechseln. Regio­na­li­tät
wird aber jenseits aller spiri­tuel­len
und ideologischen Fragen der einzige Weg bleiben, im Einklang mit
■
seiner Umgebung zu leben.
steckbrief
Stephanie Tscheppe-Eselböck ist mit Eduard Tscheppe-Eselböck verheiratet. Gemeinsam betreiben sie das unzählige Male ausgezeichnete biodynamische Weingut Oggau in
der Weinregion Neusiedler See/Hügelland. Stephanie Tscheppe-Eselböck ist die jüngere
Tochter von Eveline und Walter Eselböck, die mit dem „Taubenkobel“ eines der führenden österreichischen Restaurants betreiben. Die Familie gilt nicht nur im Burgenland als
einflussreich und stilprägend, Gut Oggau, ein Teil des Eselböck-Impe­riums, ist eines der
modernsten und authentischsten Bioweingüter der Welt. www.gutoggau.com