Wie harmlos ist CANNABIS ?
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Wie harmlos ist CANNABIS ?
Wie harmlos ist CANNABIS ? 5. März 2012 Prof. Dr. Dr. M. Hambrecht Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie AGAPLESION ELISABETHENSTIFT DARMSTADT 2 1 0 2 z r ä .M 2 , o h c E r te d ä t s m r a D Seite 2 Übersicht • Allgemeines zu Sucht und Missbrauch • Ursachen von Sucht • Cannabis: Wirkung, Folgen • Therapie, Prävention Seite 3 Missbrauch = schädlicher Gebrauch Konsum, obwohl man um die negativen Konsequenzen weiss • körperliche Folgen • psychische Folgen • soziale Folgen Sucht = Abhängigkeit Kontrollverlust: nicht mehr aufhören können Körperliche Entzugssymptome Psychische Entzugssymptome Zwang zur Dosissteigerung Einengung des Konsummusters Einengung anderer Interessen und Aktivitäten Abstinenz – Konsum – Missbrauch – Abhängigkeit/Sucht (Problematischer Konsum) Ein Kontinuum Schätzungen zur Verbreitung von problematischem Konsum Nikotin 16,6 Mio. Raucher, davon 3,8 Mio. Tabakabhängige jährlich 110.000 - 140.000 Todesfälle Alkohol 3,3 Mio. Menschen mit problematischem Alkoholkonsum jährlich 50.000 - 70.000 Todesfälle Cannabis 2,4 Mio. Konsumenten, davon 400.000 mit Abhängigkeit Todesfälle ? Beruhigungs- und Schmerzmittel mindestens 1,5 Mio. Abhängige Todesfälle ? Heroin 30.000 Abhängige von „harten Drogen“ jährlich 1.500 Todesfälle Nicht-stoffgebundene Süchte z.B. Spielsucht, Arbeitssucht, PC-Sucht Ursachen von Sucht Psychologische Modelle Sozialwissenschaftliche Modelle Multifaktorieller Ansatz Kombination und Interaktion von Ursachen Biologische Modelle Sozialwissenschaftliche Modelle Ausdruck einer individuellen Entwicklungsphase Gruppenprozesse Protest gegen gesellschaftliche Normen Lebensform benachteiligter Randgruppen Psychologische Modelle Lerntheorie: Klass. Konditionieren, Operantes Konditionieren (Verstärker: Belohnung durch kurzfristiges Wohlbefinden; negativer Verstärker: Vermeidung unangenehmer Entzugssymptome), Lernen am Modell Tiefenpsychologie: depressiv-neurotische Struktur mit oraler Fixierung Ersatzobjekte frühe Störung: „ich bin, was ich bekomme“ Persönlichkeitsforschung: z.B. „Sensation seeking“ Konsummotive bzw. Persönlichkeiten mit Suchtrisiko 1. Gruppe: sich „besser fühlen“, „besser drauf sein“ (u.a. „sensation seeking“) Prävention und Therapie: gesunde Alternativen fördern 2. Gruppe: Vermeiden, sich schlecht zu fühlen (Selbstmedikation) Prävention und Therapie: Behandlung der Grundkrankheit, z.B. Angststörung, Depression, PTBS, Partnerkonflikt Einflüsse auf die Substanzwahl > Persönlichkeit > Pharmakologie > Legalität, Verfügbarkeit und Preis > Vorbilder, Umfeld Biologische Modelle - Untersuchungsebenen • Hirnstrukturen • Neurotransmitter und ihre Rezeptoren • Gene, die diese kodieren • Interaktion dieser Faktoren Limbisches System Seite 14 Limbisches System Seite 15 Ventrales Tegmentum Das Dopaminsystem Endogenes Belohnungssystem: mesolimbisch + dopaminerg 1. Ventrales Tegmentum + Nucleus accumbens (vord. Striatum) Verarbeitung belohnender Umweltreize: Motivation und Lernen 2. Aktivierung des Belohnungssystems durch Essen, Glückspiel, Sex u.a. aber besonders stark durch psychotrope Drogen 3. Suchterzeugende Substanzen: besonders starke Freisetzung von Dopamin im Ncl. Accumbens 4. Wiederholte Stimulation sensitiviert das Dopaminsystem: mehr Verstärkung durch prä- und postsynaptische Veränderungen Genetische Befunde 1. Sucht allgemein : Zusammenhang zwischen dem Dopamin-Rezeptor-Allel A(1) und schwerer Substanzabhängigkeit (Metaanalyse von 64 genetischen Studien) (Young et al., Addict Behav 2004, 29: 1275-1294) 2. Alkohol : Allele des GABAA-Rezeptor-Gens (GABRB2 1412T) auf Chromosom 5q34 korrelieren mit Alkoholabhängigkeit (Finnland; Indianische Population) (Radel et al. Arch Gen Psychiatry 2005; 62:47) Erhöhte Expression des GABAA-Rezeptor-Gens bei Alkoholkranken post mortem (Dodd et al., Addict Behav 2004, 29: 1295-1309) Cannabis Seite 19 Cannabisprodukte • Hanf: eine der ältesten „Kulturpflanzen“ • über 300 Inhaltsstoffe • der wichtigste: Tetrahydrocannabinol (THC) • Marihuana, „Gras“ = getrocknete Blüten und Blätter • Haschisch = Harz Seite 20 Cannabiswirkung • Wirkung ist dosisabhängig • Wirkungsbeginn beim „Kiffen“ nach Minuten, beim Essen nach 1/2 bis 2 Stunden • Durch Züchtung in den letzten 20 Jahren wurde die Konzentration an THC auf das 15-fache erhöht: Alte Studien taugen nicht. Seite 21 Der Weg von Cannabis durch den Körper: langsam fettlöslich, verteilt sich im Körper, geht dann wieder ins Gehirn; Rückresorption im Darm; aktive Metabolite; erst nach 30 Tagen wieder völlig ausgeschieden bei wiederholter Einnahme: Akkumulation Plasmahalbwertszeit nach Inhalation: 30 Stunden noch nach 12 Stunden verlängerte Reaktionszeiten Noch 4 Wochen nach dem letzten Joint verminderte Intelligenz- und Gedächtnisleistungen Seite 22 Nutzen ? Cannabis als Medikament China 2737 v. Chr.: Hinweis auf medizinische Anwendung appetitsteigernd gegen Übelkeit/Brechreiz gegen Schmerzen / Spastik bei Krebsleiden, Chemotherapie, AIDS, Multiple Sklerose teilweise umstrittene, teilweise nicht überlegene Wirkung als Arzneimittel verschreibungsfähig: pharmazeutische Zubereitung von THC: Marinol® (Dronabinol) Seite 23 Körperliche Wirkungen von Cannabis Bindungsstelle = Cannabinoid-Rezeptor Körpereigener Ligand = Anandamid Cannabis wirkt fast auf jedes Organ, z.B. Herz-Kreislauf: Tachykardie, Gefäßerweiterung enthält (außer Nikotin) die selben Bestandteile wie Tabak und höhere Konzentrationen an krebserregenden Stoffen chronischer Konsum führt zu Bronchitis, Emphysem Hinweise auf Immunsuppression u. Chromosomenschädigung Seite 24 Psychische Wirkungen Erwünschte Wirkung: euphorisierend-sedierend, entspannte Gleichgültigkeit, „rosarote Brille“ Unerwünschte Wirkungen: 22% hatten auch Panikattacken und Angst (Bad Trips, Flashbacks) 16 % berichten Depression (Suizidrisiko 4 mal höher als bei nicht-usern) 21 % berichten Erschöpfung und Motivationsverlust 10-20 % der regelmäßigen Konsumenten: psychose-artige Zustände 5-10 % schizophrener Psychosen durch Cannabis ausgelöst 20 % (60.000 Menschen) der chronisch schizophren Erkrankten: Cannabisproblem Seite 25 Wirkungen am Gehirn Aktivierung des mesolimbischen Belohnungssystems: subjektives Gefühl, gerade etwas Schönes und Wichtiges zu erleben Dopamin-Ausschüttung im ventralen Striatum, Nucleaus accumbens und Stirnhirn Seite 26 Seite 27 Cannabis - Risiken Seite 28 Cannabis schädigt das reifende Gehirn Ratten in der Pubertät und bereits erwachsene Ratten erhielten 25 Tage lang ein synthetisches Cannabinoid. Cannabinoid-Gabe in der Pubertät führte im Erwachsenenalter zu deutlich schlechteren Leistungen in Standardtests für - Lernen - Gedächtnis - Neugierverhalten - sensorische Filterfunktionen (Besserung durch Haldol) Erwachsene Cannabis-Ratten: keine Defizite in diesen Experimenten Schneider & Koch, 2003 Seite 29 Cannabis-assoziierte psychische Störungen Cannabismißbrauch Cannabisabhängigkeit Intoxikationspsychose: Stunden bis 2 Tage in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Einnahme Cannabisinduzierte Psychose: Tage bis Wochen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum (Differentialdiagnose zur Doppeldiagnose mit Schizophrenie, s.u.) Chronische Persönlichkeitsveränderung / Amotivationssyndrom: bei starken Konsumenten, Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz Kognitive Störungen: chronisch bei starken Konsumenten, z.T. reversibel nach mehrwöchiger Abstinenz Seite 30 Differentialdiagnose: Cannabis-induzierte Diagnose oder „Doppeldiagnose“ Psychose und Cannabismissbrauch/-abhängigkeit ? „Doppeldiagnose“ wenn Psychose zwar in engem zeitlichem Zusammenhang mit Cannabiskonsum auftritt, Psychose aber auch nach Monaten (nach ICD-10: 6 Monate) trotz THC-Abstinenz und geeigneter Therapie symptomatisch bleibt und/oder Psychose trotz Abstinenz rezidiviert Seite 31 Hohe psychiatrische Komorbidität bei Cannabiskonsumenten Die Mehrzahl aller starken bzw. aller abhängigen Konsumenten (70 % der Abhängigen) hat mindestens eine komorbide psychische Störung, v.a. andere substanzbezogene Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens/ADHS, affektive und Angststörungen Die psychiatrische Komorbidität korreliert mit Einstiegsalter des THC-Konsums (bes. unter 16 Jahre) Stärke des THC-Konsums Schwere der Abhängigkeit Seite 32 Abhängigkeit von Cannabis Auch körperliche Entzugserscheinungen: unruhig, schlaflos, aggressiv, appetitlos, Zittern und Schwitzen deshalb oft: >>> Fortsetzung des Konsums und Abhängigkeit Unfähigkeit zur Abstinenz: 35 % konnten nicht aufhören, obwohl sie es wollen Kontrollverlust: 13 % meinten, Konsum nicht kontrollieren zu können Von allen, die je Cannabis konsumieren, werden 10 % abhängig. Bei ca. 3 Mio. (un-)regelmäßigen Cannabiskonsumenten in Deutschland sind demnach 300.000 abhängig. Konsummenge dabei individuell unterschiedlich, meist mehr als mehrere Joints wöchentlich Risiko für Abhängigkeit steigt mit frühem Beginn und häufigem Konsum Seite 33 Suchtpotential von Cannabis im Vergleich Daumenmaß: Anteil der Abhängigen unter denjenigen, die jemals konsumiert haben Alkohol: 8 % werden abhängig Cannabis: 10 % werden abhängig Heroin: 27 % werden abhängig Nikotin: 33 % werden abhängig Cannabiskonsum täglich : 40 % werden abhängig Seite 34 Längerfristige Wirkung von Cannabis am Gehirn Dauerstimulation führt zu Zwang zur Dosissteigerung (wegen Gewöhnung) Gegenregulation im Motivations- und Lernsystem und so negative Auswirkungen auf Motivation, Lernvermögen, Aufmerksamkeit, Hedonie und Stimmung Cannabis: neurotoxisch auf Hippocampus-Neurone Cannabis wirkt sensitivierend für Opiateffekte Seite 35 Kognitive Wirkungen Seite 36 Kognitive Wirkungen Verschlechterung geistiger und psychomotorischer Fähigkeiten: Reaktionszeiten, Koordination, Gedächtnis, Konzentration (schon nach niedrigen Dosen von 5-10 mg) Reduziert sind Aufmerksamkeit, Kritikfähigkeit und Urteilsvermögen Nach Alkohol die häufigste Droge, die an Autounfällen beteiligt ist. Im Flugsimulator: Piloten merken selbst ihre eingeschränkte Aufmerksamkeit nicht. Bleibende Denkschäden sind umstritten. Seite 37 „Amotivationssyndrom“ „Persönlichkeitsentkernung“ • Gleichgültigkeit, Initiativelosigkeit • Verlust persönlicher Werte und Ziele • Chronische Depression ? • 21 % der Cannabiskonsumenten berichten Erschöpfung und Motivationsverlust. • Motivationsverlust/Depression: Ursache oder Wirkung von fortgesetztem Cannabiskonsum ? Seite 38 Cannabis und Schizophrenie Seite 39 Früher Verlauf einer schizophrenen Psychose nach der ABC-Studie Vollerfassung: 232 Patienten mit erstmaliger psychotischer Episode 1987-89 Prodromalphase Alter 24,2 Zeitdauer 2 Mo. Psychotische Vorphase 30,1 30,3 29,0 1,1 Jahre 5,0 Jahre positive Symptome negative und unspezifische Symptome erstes Anzeichen einer psychischen Störung (unspezifisches oder negatives Symptom) erstes positives Symptom Maximum der Positivsymptomatik Ersthospitalisation Seite 40 ABC-Ersterkranktenstudie: Kumulierte Lebenszeitprävalenz 25% % 20% 15% 10% 5% 0% 24 % 14 % Ersterkrankte Drogenmissbrauch 7% 14 % Parallelisierte Kontrollen Alkoholmissbrauch Seite 41 ABC-Ersterkranktenstudie: Beginn von Drogenmissbrauch und erstem Anzeichen der Schizophrenie Drogen vor Schizophrenie > 5 J. 1-5 J. < 1 J. 17% 10% selber Monat Drogen nach Schizophrenie < 1 J. 1-5 J. > 5 J. 0 34% 5% 17% 17% n=29 Seite 42 Schweden: „Rekrutenstudie“ (prospektiv !) Cannabiskonsum in der Jugend und spätere Hospitalisierung wegen Schizophrenie Ausgehend von 45.000 jungen Männern Abgleich der Selbstauskunft bei der Musterung mit Psychiatrieregister 15 bzw. 27 Jahre später Dosis-Wirkungsbeziehung Bei 50 oder mehr Joints pro Jahr: Adjustiertes Relatives Risiko 2,3 bzw. 3,1 Wenn andere psychiatr. Diagnosen nicht ausgeschlossen werden, RR = 6 bzw. 6,7 Andreasson et al. 1988 Zammit et al. 2002 Neuseeland: Dunedin-Studie Geburtskohorte des Jahres 1972/73 Ausgehend von 759 Neugeborenen erfaßte auch schon psychotische Symptome mit 11 Jahren hier: Untersuchungen mit 15, 18 und 26 Jahren Cannabiskonsum >> Psychotische Symptome oder Diagnose Adjustiertes Relatives Risiko 1,8 (CI 1,2 - 2,6) 10 % der 15jährigen Cannabiskonsumenten hatten mit 26 Jahren eine schizophrene Störung aber nur 3 % der damaligen Nicht-Konsumenten. Keine Prädiktion depressiver Symptome Keine Prädiktion von Schizophrenie durch anderen Drogenkonsum Arseneault et al. 2002 Genetik, Cannabis und Psychose Gene x Environment Interaction Catechol-O-Methyltransferase COMT • COMT beteiligt am synaptischen Dopamin-Metabolismus • COMT-Gen auf Chromosom 22q11 • Codon 158: G oder A = Val oder Met • Allele Val/Val: höchste COMT-Aktivität, Met/Met niedrigste • Dunedin-Geburtskohorte (geboren 1972/73 in NZ) Gene x Environment Interaction: Val/Val (Val/Met) x Cannabis bis Alter 18 J. >>> erhöhtes Risiko für Psychose bis Alter 26 J. (Caspi et al. Biol Psychiatry 2005, 57: 1117-1127) Seite 45 Cannabis und Schizophrenie Komorbidität: 5 - 40 % Anteil an der Verursachung von Schizophrenie: 8 % (Schätzung aus mehreren Studien) Rezidivrate: deutlich erhöht (neben dem Absetzen von Medikamenten der wichtigste ursächliche Faktor) wahrscheinlich genetisch vermittelte Vulnerabilität Seite 46 Verbreitung Seite 47 Epidemiolog. Suchtsurvey 2009 (Basis: repräsentative Stichprobe von N = 8.030 18-65jährigen) • 4 % haben in den vergangenen 12 Monaten mind. einmal Cannabis konsumiert (ca. 1,6 Mio.) • 1,2 % der 18-65jährigen gelten als cannabisabhängig, = ca. 400.000 Bundesbürger • 28.000 sind wegen primär cannabisbezogener Störungen in Behandlung Seite 48 THC-Konsum bei Jugendlichen 12-17 Jahre (Quelle: BzgA 2011) Mittleres Einstiegsalter : 1993 17,3 J. >> 2004 16,4 J. << 2011 16,7 J. Mindestens einmal THC konsumiert: 1993 6 % << 2004 15 % >> 2011 7 % 4,8 % der , 8,4% der Konsum in den letzten 30 Tagen: 1993 2 % << 1997 5 % >> 2011 2% Regelmäßiger Konsum; 1993 1,7% >< 2001 2 % >> 2011 0,8 % Seite 49 THC-Konsum bei jungen Erwachsenen (Quelle: BzgA 2011) 18-25 Jahre Mindestens einmal THC konsumiert: 1993 23 % << 2004 43 % >> 2011 40 % 33% der , 45% der Konsum in den letzten 30 Tagen: 1993 10 % >> 1997 6 % >> 2011 5% Regelmäßiger Konsum; 1993 6 % >> 2001 4 % >> 2011 3 % Seite 50 Trends im Konsum (Quelle: BzgA 2011) Cannabis Einstiegsalter hat sich stabilisiert Konsum gegenüber 1997/2004 etwa halbiert kein Einfluss der Schulform Nikotin rückläufig bei Jugendlichen (Raucheranteil: 28 % in 2001 >> 12 % in 2011) und bei jungen Erwachsenen (50 % in 1997 >> 37 % in 2011) Keine Geschlechtsunterschiede Alkohol rückläufig bei Jugendlichen: 2011: erster Konsum 13,6 Jahre; erster Rausch 14,9 Jahre 14% mindestens einmal wöchentlich Alkohol, 15 % mindestens 1x Rauschtrinken in den letzten 30 Tagen, 4 % mindestens 4x Rauschtrinken in den letzten 30 Tagen Junge Erwachsene: kein einheitlicher Trend Beratung – Therapie – Prävention Seite 52 Therapie des Cannabisentzugssyndroms • Allgemeine Prinzipien: in der Regel ambulante, supportive Maßnahmen, stationär bei schwerem Entzugssyndrom und Komorbidität • Ggf. Pharmakotherapie: Niederpotente Neuroleptika, Benzodiazepine (keine Evidenz aus Studien, Suchtpotential !) Kleine Studien mit Bupropion, Mirtazapin, Valproat, Dronabinol Seite 53 Cannabis-Abhängigkeit: Steigende Behandlungsnachfrage in Deutschland in ambulanter Suchtbehandlung wegen Cannabis: 1999: 7.000 Konsumenten 2008: 26.500 Konsumenten (Pfeiffer-Gerschel et al. 2009) Seite 54 Stadiengerechte Suchtintervention Motivation und Absicht, aber kein Handeln konkrete Absicht, Entscheidungen, erste Aktivitäten CONTEMPLATION CONTEMPLATION keine eigene Motivation PREPRECONTEMPLATION CONTEMPLATION Rü ckf Suchtentwicklung PREPARATION PREPARATION a ll ACTION ACTION aktive Veränderung von Verhalten, Gefühlen, Einstellungen und/oder Umwelt MAINTENANCE MAINTENANCE aufmerksame Selbstkontrolle « Heilung « Prochaska & DiClemente, 1993 Seite 55 Therapie der Cannabisabhängigkeit • Ambulante Programme mit motivationalen, VT- und/oder familientherapeutischen Ansätzen: Abstinenzraten von 20-35 % (Studien aus USA u. Australien) Cochrane-Review von Denis et al. 2006 • Positive Ergebnisse neuerer randomisierter Studien in Europa und BRD (CANDIS, INCANT) • Implementierung in die Regelversorgung, auch webbasiert (Realize it, Quit the Shit) Seite 56 CANDIS: Beispiel einer ambulanten Psychotherapiestudie zur Cannabisabhängigkeit • RCT der TU Dresden, 2004-2007 (Hoch et al.) • N =122 Jugendliche und Erwachsene • 10 Sitzungen Einzeltherapie über 2-3 Monate • Motivationsförderung, KVT, Problemlösetraining • 49 % Abstinenz in der Therapiegruppe (versus 12,5 % in der KG) • 30 % Reduktion des Konsums • Weniger assoziierte psychische und soziale Probleme • nach 3 und nach 6 Monaten noch relativ stabile Ergebnisse Seite 57 CANDIS II: Transfer in die Regelbehandlung • RCT, Multicenterstudie, 2008-2009 (Hoch et al.) • N = 255 Teilnehmer aus 11 Beratungsstellen • 10 Sitzungen Einzeltherapie über 2-3 Monate • Motivationsförderung, KVT, Problemlösetraining • 53 % Abstinenz in der Therapiegruppe (versus 25 % in der KG) • nach 3 und nach 6 Monaten noch relativ stabile Ergebnisse CANDIS-Manual beim Hogrefe-Verlag 2011: „Modulare Therapie von Cannabisstörungen - Das CANDIS-Programm“ von Hoch et al. Seite 58 Ambulante Psychotherapie der Cannabisabhängigkeit Realize it • deutsch-schweizerisches Projekt 2004-2007 • in 13 Drogen- und Suchtberatungsstellen • Naturalistische Studie mit Begleitforschung • 5 Einzelberatungen + 1 Gruppensitzung, sowie Begleitbuch • Elemente der KVT • Ergebnisse: Konsumreduktion, verbesserte Befindlichkeit • seit 2008 Transfer in die Regelversorgung in Beratungsstellen Seite 59 „Therapie“ im Internet Quit the Shit über http://www.drugcom.de Web basierte „Informations- und Beratungsservice“ 50 Tage-Programm Elemente: Psychoedukation, KVT Definition von Zielen Tagebuch Rückmeldungen durch das Beratungsteam auf Tagebucheinträge „Forum“ von Betroffenen Es werden vorläufig positive Ergebnisse berichtet Seite 60 „Therapie“ im Internet BE.U ! Eine Kampagne des Drogenreferats der Stadt Frankfurt http://www.be-u-online.de Informationen Quiz Cannabis-Check Tipps Quit the shit Seite 61 Pharmakotherapie der Cannabisabhängigkeit • Keine spezifische Pharmakotherapie verfügbar • Offene, kleine Studien und Fallserien mit: Rimonabant (CB1-Rez.-Antagonist), Naltrexon, Dronabinol (partieller CB1-Rez.-Agonist), Bupropion: schwache Effekte, NW • RCT, doppelblind: Valproinsäure, Nefazodon, Bupropion: kein Effekt Review: Vandry & Haney, CNS Drugs 2009 Seite 62 Prävention Primärprävention Information Abschreckung „Kinder stark machen“ Gleichaltrige als Multiplikatoren (Selbst-)Verpflichtung von Institutionen Sekundärprävention Risikopersonen und Frühstadien identifizierenbehandeln-beraten Tertiärprävention Rezidivprophylaxe, „Harm reduction“ Welche Prävention von Alkoholismus wirkt ? Gut belegt: • Preis, Mindestalter beim Erwerb, Verkaufsbeschränkungen • Senkung der Promillegrenze im Verkehr • Kurzinterventionen beim Hausarzt Noch zu erhärten: • • • • • Interaktionsorientierte Schulprgramme Gemeindezentrierte Präventionsprogramme Warnhinweise auf Alkohol und Zigaretten Anzahl und Nähe der Verkaufsstellen, Trinknormen im Betrieb Werksärztliche Kurzinterventionen im Betrieb Nicht belegt: •Familienorientierte Präventionsprogramme •Aufklärung in den Massenmedien •Werbebeschränkungen Loeber u. Mann 2006 Seite 64 Cannabis in der Politik Seite 65 Legalisierung / Duldung von Cannabis „Entkriminalisierung“ Aktuelles Strafrecht: Der Besitz „kleiner“ Mengen zum Eigengebrauch wird geduldet. In den verschiedene Bundesländern unterschiedliche Mengen. Prävention von Schlimmerem Niederlande: Hauptziel der Freigabe, nämlich die Prävention von Heroinkonsum, wurde nicht erreicht. Symbol individueller Freiheit Stroebele (B‘90/Die Grünen): „Ich rauche nicht, ich trinke nicht, möglichst auch keinen Kaffee, denn ich will einen klaren Kopf behalten - und ich bin für die Freigabe von Cannabis.“ Seite 66 Übersicht auf Englisch http://npg.nature.com/nrn/journal/v8/n11/full/nrn2253.html Robin M. Murray et al. Science and society: Cannabis, the mind and society: the hash realities Nature Reviews Neuroscience 8, 885-895 (November 2007) | doi:10.1038/nrn2253 Seite 67 Buchtipp Lisa Lindberg: Wenn ohne Joint nichts läuft. Was man über Cannabis wissen muss. Patmos Walter Verlag, 2003 ISBN 3-530-40148-X 14.90 Euro Seite 68 Kein Eintritt, kein Honorar, aber Spende erbeten für: Psychiatrischer Notdienst Darmstadt e.V. www.psychiatrischernotdienst.de Freitag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 18.00 bis 23.00 Uhr Telefon 06151 / 1 59 49 00 Seite 69 Und jetzt ? So ... ? So ... ? Oder so ... ? Seite 70