Verkauf von Lebensversicherungen im deutschen Zweitmarkt
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Verkauf von Lebensversicherungen im deutschen Zweitmarkt
Verkauf von Lebensversicherungen im deutschen Zweitmarkt Bernd Honsel∗ Der Verkauf von Lebensversicherungen gewinnt zunehmende wirtschaftliche Bedeutung. Nicht zuletzt durch die Werbung der in diesem Markt tätigen Spezialanbieter wird den Verbrauchern zunehmend bewusst, dass der Verkauf in vielen Fällen die günstigere Alternative zur Stornierung ist. Nach Angaben des „Bundesverband Vermögensanlage im Zweitmarkt Lebensversicherungen e.V.“1 belief sich das im Jahre 2005 im deutschen Markt gehandelte Volumen mit ca. 500 Mio. € allerdings noch auf weniger als 5% des gesamten Stornovolumens von etwa 11,6 Mrd. €2. Der BVZL rechnet damit, dass etwa ein Drittel des Stornovolumens vorteilhaft im Zweitmarkt platziert werden könnte und mit fortschreitender Bekanntheit dieser Möglichkeit dieses Marktsegment rasch an Bedeutung gewinnt. Da sich professionelle Anbieter in diesem Markt erstmals 1999 etabliert haben, hat sich die Rechtswissenschaft bislang wenig mit den in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen befasst. In den wissenschaftlichen Darstellungen stand bisher die Abtretung zu Sicherungszwecken insbesondere zur Kreditabsicherung im Vordergrund3. Prof. Winter hat in seiner VVG-Kommentierung4 die Besonderheiten bei Abtretung von Lebensversicherungsverträgen behandelt und damit wesentliche Vorfragen für die Funktionsfähigkeit des Zweitmarktes geklärt. Ergänzend soll im Folgenden versucht werden, einige in der Praxis rele∗ 1 2 3 4 Der Autor hat von 1986 bis 2004 die Rechtsabteilung der Allianz geleitet. Seit seiner Pensionierung ist er als Rechtsanwalt beratend bei Bach Langheid & Dallmayr in München tätig. BVZL. www.bvzl.de/cms/upload/pdf/BVZL_Imagebroschuere.pdf. Winter, ZversWiss 91,S.203, 230ff. Bruck/Möller /Winter, VVG, 8. Auflage, 1988 Lebensversicherung H 251- 261. 505 vante Fragen zu klären. Dabei beschränkt sich die Darstellung auf die im deutschen Markt angebotenen Lebensversicherungen deutscher VU. Die für Investoren ebenfalls wichtigen Lebensversicherungen des englischen oder US-Marktes werden ebenso wie steuerliche Fragen nicht behandelt. I. Abwicklungspraxis Im deutschen Zweitmarkt werden in der Regel kapitalbildende Lebensversicherungen angeboten, deren Rückkaufwert 5.000 € übersteigt. Betriebliche Direktversicherungen sind nach dem BetrAVG nicht veräußerbar. Der VN erteilt dem Investor oder einem in diesem Markt tätigen Anbieter zunächst eine Informationsvollmacht, mit der er vom Versicherer die für die Wertermittlung relevanten Informationen erbittet, insbesondere über Versicherungssumme, Laufzeit, Beiträge, Tarif, erreichter Rückkaufswert, zu erwartende Überschussbeteiligung, Abtretungen und Bezugsberechtigungen sowie Abtretungshindernisse. Diese Informationen werden in der Regel auch ohne gesetzliche Verpflichtung erteilt. Auf der Grundlage dieser Informationen macht der Erwerber ein Angebot, das Abtretung der Versicherung gegen einen oft deutlich über dem vom Versicherer mitgeteilten Rückkaufswert liegenden Kaufpreis vorsieht. Die bei Stornierung der Lebensversicherung anfallende Kapitalertragssteuer übernimmt der Erwerber, sodass der Kaufpreis ohne Steuerabzug dem VN zur Abdeckung anfallender Investitionen oder Begleichung von Verbindlichkeiten zur Verfügung steht. Der Käufer übernimmt als neuer Beitragszahler den Vertrag. Unverändert bleibt die versicherte Person. Die bestehenden Zusatzversicherungen wie Berufsunfähigkeit oder Unfall werden gekündigt. Der Todesfallschutz für die versicherte Person bleibt bestehen. Allerdings steht von der Todesfall-Leistung ein Betrag in Höhe des Kaufpreises und der von ihm gezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen vorab dem Käufer zu. Bei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht wird dieses ausgeübt. Wird der Vertrag als Rentenversicherung fortgeführt, kann sich der Erwerber über eine entsprechende Risikoversicherung gegen das Risiko des vorzeitigen Versterbens absichern. 506 Die Risikokomponente des Lebensversicherungsvertrages hat bei diesem Geschäftsmodell nur eine geringe Bedeutung. Anders ist es im USMarkt, in dem der Erwerber die Beitragszahlung für die Lebenszeit des VN übernimmt und damit auch die Mortalitätsbeurteilung in die Anlageentscheidung einbeziehen muss5. In den USA können Versicherungen gerade in Hinblick auf den wahrscheinlich bald eintretenden Versicherungsfall zu Preisen deutlich über dem aktuellen Rückkaufwert angeboten werden6. II. Verfügungsrecht des Verkäufers Das Verfügungsrecht des Verkäufers kann eingeschränkt sein durch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts. Das in der Praxis häufigere widerrufliche Bezugsrecht steht der Veräußerung jedoch nicht entgegen. Dieses Bezugsrecht wird entweder schon im Zusammenhang mit dem Verkauf widerrufen oder es wird der Käufer ermächtigt, seinerseits das Widerrufsrecht auszuüben. Wurde die Lebensversicherung vorab beispielsweise zur Absicherung eines Bankkredits abgetreten, ist ein Verkauf nur nach Freigabe durch den Zessionar möglich. Derartige Abtretungen sind dem Versicherer anzuzeigen. Regelmäßig wird der Versicherer um Bestätigung gebeten, dass anderweitige Verfügungen der Übertragung der Police nicht entgegenstehen. Unklar und streitig war, ob auch anderweitige Verfügungen, die dem Versicherer nicht angezeigt wurden, der Wirksamkeit der Veräußerung entgegenstehen könnten. In den Versicherungsbedingungen7 ist jeweils geregelt, dass Abtretungen dem Versicherer gegenüber nur wirksam sind, wenn sie diesem angezeigt wurden. Daraus hat die früher herrschende Ansicht den Gegenschluss abgeleitet, dass nicht angezeigte Abtretungen Dritten gegenüber wirksam sind. Die Veräußerungsfähigkeit einer Lebensversicherung wäre danach erheblich eingeschränkt. Tatsächlich hat auch ein Käufer in einem vom AG Stuttgart entschiedenen Fall den nach Ansicht des Gerichts wucherisch geringen Kaufpreis damit zu rechtferti- 5 6 7 Vergl. Marktdarstellung USA des BVZL. www.bvzl.de/cms/front_content.php?idcatart=202&lang=1&client=1. Z.B. bei AIDS. § 13 Abs.3 ALB –alt-, § 14 Abs.4 ALB 94. 507 gen versucht, dass er ein erhebliches Risiko unbekannter Vorausverfügungen abdecken müsse8. Es ist ein Verdienst von Prof. Winter, dass die heute ganz herrschende Meinung in den Regelungen der Anzeigepflicht eine nach § 399 BGB zulässige und absolut auch gegenüber Dritten wirksame vertragliche Beschränkung der Abtretbarkeit sieht9. Ist mit der Lebensversicherung eine Berufsunfähigkeits-Rentenversicherung verbunden, ist nach Ansicht des KG10 das Abtretungsverbot des § 400 BGB in Verbindung mit § 850b Abs 1 Nr.1 ZPO zu beachten. Nach Ansicht des KG ist die für Rentenzahlungen geltende Beschränkung der Pfändbarkeit und damit auch der Abtretbarkeit auf die Rentenanwartschaft vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erstrecken. Diese Schwierigkeit vermeidet man – wo dies vertraglich vorgesehen ist – durch Kündigung der Renten-Zusatzversicherung. Es erscheint zweifelhaft, ob die Vorerstreckung des Pfändungsschutzes auf eine rechtlich nicht abgesicherte und durch Kündigung jederzeit entziehbare Rechtsstellung zutreffend ist. Zu Recht sieht Kollhosser11 nur bei untrennbarer Einheit zwischen Lebensversicherung und BU-Rentenversicherung hierin ein Abtretungshindernis. Bei staatlich geförderten Renten ist zur Absicherung des Versorgungszwecks die Pfändbarkeit eingeschränkt. Dieser Pfändungsschutz soll nach dem einem Gesetzentwurf, der derzeit beraten12 wird erweitert werden und kann auf Antrag des VN auch für bestehende Verträge vereinbart werden, die dann vom VN nicht kündbar und auch nicht abtretbar sind. III. Auskunft des Versicherers zum Vertragsstand In den wenigsten Fällen können die VN selbst alle für die Beurteilung der Werthaltigkeit einer Versicherung relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Für den Käufer stellt sich auch die Frage der Verlässlichkeit derartiger Informationen. Er wird daher darauf bestehen, eine Bestätigung des Versicherers zum Vertragsstand zu bekommen. 8 9 10 11 12 508 VerBAV 1985 S. 337, 338. Bruck-Möller/Winter, VVG, 8. Auflage 1988 Lebensversicherung H 257; Kollhosser in Prölls-Martin, VVG , § 13 ALB 86, RN 59. VersR 2003 S. 490. Prölls-Martin § 13 ALB 86 RN. 49. Bt-Drucksache 16/886. Die vom Versicherer dem Kunden jährlich zuzuleitende Mitteilung über den Stand der Überschussbeteiligung genügt hierfür nicht, da sich aus ihr normalerweise keine Information über eventuelle Beitragsrückstände oder anderweitige Verfügungen ergibt. Auch kann der Käufer der Standmitteilung nicht entnehmen, mit welcher laufenden Beitragszahlung er nach Kündigung der Zusatzversicherungen zu rechnen hat. Da der Kaufinteressent keine rechtliche Beziehung zum Versicherer hat, wird die Auskunft im Namen und Auftrag des Versicherungsnehmers beantragt. Eine gesetzliche Auskunftspflicht der Versicherer besteht nicht. Vertraglich ist ein unterjähriges Auskunftsrecht nicht vorgesehen. Auch nach dem ersten Vorschlag für die VVG-Novelle sollen nur die rechtlichen Vorgaben für die jährliche Standmitteilung neu geregelt werden. Zweifelhaft ist, ob man einen Auskunftsanspruch auf der Grundlage des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben13 begründen kann. Dies nimmt die Rechtsprechung an, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann14. Der Anwendung dieser Grundsätze könnte man entgegenhalten, dass der Versicherungsschein mit Nachträgen und Erläuterungen, die gesetzlich geforderte Standmitteilung sowie der Geschäftsbericht des Versicherers bereits den berechtigten Informationsbedarf des VN abdecken. Auf die Informationswünsche des Kaufinteressenten kommt es nicht an, da dieser in keiner Rechtsbeziehung zum Versicherer steht. Der Versicherungsnehmer kann sich – allerdings häufig nur mit fachkundiger Unterstützung – aus den Vertragsunterlagen die relevanten Informationen selbst zusammensuchen. Das von der Rechtsprechung entwickelte Auskunftsrecht dient nicht dazu, dem Vertragspartner zu einer übersichtlichen und für Dritte verlässlichen Vertragsdarstellung zu verhelfen. Etwas anderes gilt, soweit sich die relevanten Informationen aus den für den VN zugänglichen Dokumenten nicht ergeben, wenn etwa die bei Kündigung der Zusatzdeckungen entfallenden Beitragsanteile nicht separat ausgewiesen sind. Hier ist es dem VN nicht zuzumuten, vorab die 13 14 § 242 BGB. Palandt, Heinrichs, §261 BGB, Rn. 6. 509 eventuell noch benötigten Zusatzdeckungen zu kündigen, um die für den Verkauf relevante bereinigte laufende Beitragsbelastung zu ermitteln. Letztlich kann die Frage der Auskunftspflicht dahinstehen, da die Versicherer in der Praxis die gewünschten Informationen auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen. Sicherlich würde die Kundenbeziehung belastet, wenn der Versicherer die für die Veräußerung notwendige Mitwirkung ohne plausiblen Grund verweigern würde. Auch haben Versicherer wie auch Versicherungsvermittler ein Interesse daran, bestehende Verträge nicht durch Kündigung und Auszahlung des Rückkaufswerts zu verlieren. Die Unterstützung des Verkaufs kann daher auch als Maßnahme der Stornovermeidung angesehen werden, zu der der Versicherer unter Umständen dem Vermittler gegenüber verpflichtet ist. Eine Verpflichtung des Versicherers, bei drohendem Storno auf die Verkaufsmöglichkeit hinzuweisen, wie sie gesetzlich in England geregelt ist15, ist nach dem derzeitigen Recht weder aus dem Gesetz noch den bisher geltenden Verträgen zu begründen. Ob Bemühungen erfolgreich sind, dies in der VVG-Novelle zu regeln, ist nicht absehbar. Wenn sich die erbetenen Informationen im Rahmen der Auskunftspflichten halten, die die Versicherer auch anderweitig routinemäßig zu bearbeiten haben (z.B. Drittschuldnererklärung, Auskünfte an Banken, Sozialbehörden und Familiengerichte) wird die Beantwortung keine besonderen Probleme bereiten. Anders ist es, wenn sich das Interesse des Käufers auf den Gesundheitszustand des Verkäufers, die Entwicklung des Kapitalanlagebestandes oder die Auswirkungen steuerlicher Maßnahmen richtet. Derartige Auskünfte wird der Versicherer zu Recht verweigern. Besonders interessant sind für den Käufer die Aussagen zu voraussichtlichen Ablaufleistung. Derartige Aussagen machen die Versicherer in der Standmitteilung auf der Grundlage bestimmter Kapitalmarktszenarien, verbunden mit einem deutlichen Hinweis auf die Unsicherheit derartiger Prognosen16. Wenn für den Versicherer ersichtlich ist, dass die von ihm erbetene Auskunft zur Grundlage von Investitionsentscheidungen einen Dritten gemacht wird, muss er mit Schadensersatzansprüchen rechnen, wenn die Auskunft fehlerhaft ist. Er wird daher darauf achten, dass auch die Vorbehalte an einen Kaufinteressenten weitergegeben werden. 15 16 510 http://www.bvzl.de/cms/front_content.php?idcat=86&lang=1&client=1. BAV R2/ 2000, VerBAV 2000, S. 252. In einer vorbehaltlos erteilten Auskunft kann ein Verzicht auf Einwendungen gegen den Vertrag gesehen werden. Ergeben sich aus dem bei Auskunftserteilung bekannten Sachverhalt Anfechtungs-, Rücktrittsoder Leistungsverweigerungsrechte des Versicherers, kann in einer Auskunft, die hierauf nicht hinweist, ein Verzicht auf diese Einwendungen liegen. Es empfiehlt sich für den Versicherer, dass er auf Umstände, die er nicht prüfen konnte und die möglicherweise Einwendungen gegen den Versicherungsvertrag begründen können, hinweist. Insgesamt erhält der Käufer durch die Versicherauskunft eine weitgehend verlässliche, wenn auch nicht vollständig sichere Entscheidungsgrundlage. IV. Zustimmung der versicherten Person Ist der VN selbst versicherte Person, liegt im Verkauf gleichzeitig die Zustimmung zur Vertragsfortführung. War aber bisher ein Dritter, etwa ein Familienangehöriger die versicherte Person, fragt sich, ob die nach § 159 Abs. 2 VVG erforderliche Einwilligung erneut einzuholen ist. Ausgehend vom Schutzzweck dieser Bestimmung, potentielle Anreize zu vermeiden, dass ein Dritter der Gefahrperson nach dem Leben trachtet, kommt in Ausnahmefällen eine analoge Anwendung dieser Bestimmung in Betracht17. Nach dem oben unter Ziff. 1. dargestellten Abwicklungsmodell verbleibt die Todesfallsumme (abzüglich der vom Käufer gezahlten Beträge) beim bisherigen VN. Wird dies durch entsprechende Vertragsgestaltung auch rechtlich ausreichend abgesichert, ergibt sich keine relevante Änderung der Risikosituation für die Gefahrperson. Gleichwohl ist eine Zustimmungserklärung zu empfehlen, um rechtliche Auseinandersetzungen von vorneherein zu vermeiden. V. Zustimmung des Versicherers Die bei Verkauf beantragte Umschreibung der Police auf einen neuen VN bedarf als Vertragsänderung der Zustimmung des Versicherers. Auf die Erteilung dieser Zustimmung besteht kein Rechtsanspruch. Der Versicherer kann sie ohne Angabe von Gründen verweigern. Bei der geschäftspolitischen Entscheidung hierüber wird der Versicherer Bonität und Seriosität des Käufers und die ausreichende Absicherung einer ord17 Kollhosser in Prölls-Martin, § 159 VVG, Rn. 12: bei allen das Risiko der Gefahrperson wesentlich berührenden Verfügungen. 511 nungsgemäßen Vertragabwicklung berücksichtigen. Auch Rücksichtnahme auf den Ausschließlichkeitsagenten, der den Vertrag vermittelt und betreut hat, kann seine Entscheidung beeinflussen. Erteilt der Versicherer die Zustimmung zur Vertragsübernahme, geht der Vertrag mit allen Rechten und Pflichten auf den Käufer über. Da die bisherige versicherte Person aber weiterhin versichert bleibt, können die auf diese Person bezogenen Rechte und Pflichten (z.B. Mitwirkung an ärztlichen Untersuchungen, Datenschutzerklärung und Schweigepflichtentbindung) nicht auf den neuen VN übergehen. Es empfiehlt sich, die zur Vertragsabwicklung notwendige Mitwirkung der versicherten Person auch vertraglich abzusichern. Der Erwerber tritt in den Stand des Vertrages ein, der im Zeitpunkt der Vertragsübernahme bestand. Wenn sich aus der Versichererauskunft nichts anderes ergibt, kann der Versicherer Einwendungen gegen den Vertrag, die sich aus unrichtigen Risikoangaben, Obliegenheitsverletzungen oder Zahlungsverzug ergeben, auch dem neuen VN gegenüber erheben. Hierfür haftet der Verkäufer, der beim Rechtskauf den Bestand und die Einwendungsfreiheit des verkauften Rechts zu gewährleisten hat18. Zu einem weitergehenden Verzicht auch auf unbekannte Einwendungen wird der Versicherer in der Regel nicht bereit sein. Er bedürfte einer besonderen Vereinbarung zwischen Käufer und Versicherer. VI. Abtretung bei Verweigerung der Zustimmung Verweigert der Versicherer die Zustimmung zum Auswechseln des Versicherungsnehmers, kann der Käufer nicht vollständig in die Rechtsstellung des VN eintreten. Durch Abtretung und Ermächtigung zur Ausübung aller vertragsbezogenen Rechte kann aber die Rechtstellung des Käufers so weit abgesichert werden, dass sie wirtschaftlich der Übertragung der Versicherungsnehmerstellung gleichkommt. Abtretbar sind zunächst alle Ansprüche aus der Lebensversicherung (Ablaufleistung oder Todesfall- Leistung). Soweit zur Entstehung des Anspruchs ein Wahlrecht oder Gestaltungsrecht ausgeübt werden muss (insbes. Kapitalwahlrecht sowie Kündigung und Auszahlung des Rückkaufwerts), kann die Ermächtigung zur Ausübung derartiger Rechte dem Käufer eingeräumt werden. Auf dieser Grundlage kann der Käufer, soweit dies nach dem Vertrag möglich ist, auch die von ihm nicht benötigten Zusatzdeckungen (insbesondere Unfall und Berufsunfähigkeit) be18 512 § 453 BGB. enden. Dabei sollte, wegen der Zweifel an der Abtretbarkeit, die Kündigung der BU-Versicherung namens und im Auftrag des bisherigen VN erklärt werden. Wie bereits erwähnt, muss die Abtretung dem Versicherer angezeigt werden. Ferner erhält der Käufer mit der Abtretung die OriginalVersicherungspolice. Die Werthaltigkeit einer Lebensversicherung wird maßgeblich bestimmt durch die eingezahlten Beiträge. Beitragsschuldner bleibt bei einer Abtretung der bisherige VN. Der Käufer kann aber auch bei verweigerter Zustimmung aufgrund einer mit dem Verkäufer vereinbarten Erfüllungsübernahme19 die laufenden Beiträge entrichten und für den Verkäufer schuldbefreiend zahlen. Damit der Käufer die ihm zustehenden Rechte und Pflichten kennt, ist sicherzustellen, dass er die laufende Korrespondenz zum Vertrag bekommt. Grundlage hierfür ist ein entsprechender Auftrag des VN an den Versicherer, die anfallende Korrespondenz an den Käufer als seinen Empfangsbevollmächtigten zu schicken. Mit wirksam angezeigter Abtretung scheidet der Vertrag aus dem Vermögen des Verkäufers aus. Der Käufer wird Rechtsinhaber. Er hat nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch aus einer Treuhandbeziehung zum Verkäufer. Anderweitige Verfügungen des Verkäufers und gegen diesen gerichtete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beeinträchtigen seine Rechtsstellung nicht. VII. Absicherung der Todesfall-Leistung Die im Todesfall den Erben bzw. Bezugsberechtigten zustehenden Ansprüche bedürfen einer rechtlichen Absicherung. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Dritter als Gefahrperson versichert ist. Allein schuldrechtliche Ansprüche gegen den Käufer genügen – insbesondere wenn weitere Veräußerungen oder Einbringung in einen Investmentfonds möglich sind – nicht dem Sicherungsinteresse des Verkäufers. Besser ist seine Rechtstellung abgesichert, wenn die Abtretung der Todesfallsumme so geregelt wird, dass der Versicherer einen Teil dieser Summe, der den vom Käufer gezahlten Beträgen zuzüglich Verzinsung 19 § 329 BGB. 513 entspricht, unmittelbar an den Käufer zahlt und die restliche Versicherungssumme an die Erben des VN bzw. einen Bezugsberechtigten geht. Über eine entsprechende Ausgestaltung der dem Versicherer anzuzeigenden Abtretungserklärung kann dies erreicht werden. Da es sich zugunsten des Policenkäufers um eine Abtretung in variabler, von der Dauer der Beitragszahlung und der Verzinsungsregelung abhängiger Höhe handelt, sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung zu beachten. Danach muss auch der Schuldner in der Lage sein, die Höhe der abgetretenen Ansprüche selbst zu ermitteln. Da der Versicherer die laufenden Beitragszahlungen kennt, genügt es, wenn ihm in der Abtretungserklärung die Höhe des zu berücksichtigenden Kaufpreises, der Stichtag, ab dem der Käufer die Beitragszahlung übernimmt, und die Verzinsungsregelung bekannt gegeben wird. Er kann dann die Aufteilung der Todesfallsumme selbst vornehmen. Der VN kann bei dieser Teilabtretung in Bezug auf die ihm verbleibende Todesfall-Leistung auch Bezugsrechtsverfügungen treffen. So kann er bestimmen, dass für den nach Abzug des dem Käufer zustehenden Betrages der bisherige bezugsberechtigte Anspruchsinhaber wird. Dies erleichtert für den Versicherer die Abwicklung, da er sich nicht mit der Erbengemeinschaft auseinandersetzen muss. VIII. Verbleib der Versicherungsleistung beim Käufer Wie unter Ziff. 1 dargestellt, hat sich der US-Markt darauf eingestellt, dass Käufer von Policen auch am Risikoverlauf der Police (Lebenserwartung des VN) partizipieren. Entsprechende Modelle haben sich im deutschen Markt nicht durchgesetzt Es ist aber zu fragen, ob rechtliche Hindernisse einer Vertragsgestaltung entgegenstehen, bei der auch die Todesfall-Leistung in voller Höhe beim Käufer bleibt. Dem Verkäufer würde damit die Möglichkeit gegeben, bei schwerer Erkrankung und absehbarem Tod die Police zu einem Wert nahe der – für die Restlebensdauer abgezinsten – garantierten Todesfall-Leistung, unter Umständen also weit über dem Rückkaufwert, zu verkaufen. Den Kaufpreis könnte er für Behandlungs- oder Pflegekosten verwenden. Dennoch fällt es schwer, sich ein derartiges Modell vorzustellen, bei dem eine ungünstige Überlebensprognose zur Grundlage einer institutionellen Investitionsentscheidung gemacht wird. Im europäischen Umfeld hat der Schutz des Privatbereichs und der Persönlichkeitsrechte einen hohen 514 Stellenwert. Deshalb wird der Zugang zu Gesundheitsinformationen sehr restriktiv gehandhabt. Die ethische Einschätzung, die sich in der Diskussion um die Nutzung von Daten aus einer Genomanalyse herausgebildet hat, könnte auch gegen ein derartiges Geschäftsmodell eingewendet werden. Danach wurde die Nutzung von Genomdaten durch Lebensversicherer insgesamt ausgeschlossen, auch soweit sie zu einer günstigeren Beurteilung des Risikos führen. In der auf Druck der Bundesregierung abgegebenen „Freiwilligen Selbstverpflichtung“ haben die GDV-Mitglieder sich unter anderem verpflichtet, keine Rabatte aufgrund von Gendaten zu gewähren20. Auch werden die behandelnden Ärzte Vorbehalte gegen die Nutzung ihrer Gutachten durch Investoren haben. Stellungnahmen der relevanten Ethik-Kommissionen liegen nicht vor. In anderem Zusammenhang hat sich aber der nationale Ethikrat restriktiv zur Nutzung prädiktiver Gesundheitsinformationen ausgesprochen21. Selbst wenn gegen den Vertrag als solchen keine rechtlichen Einwände zu erheben sind, könnten die Aufsichtsbehörden doch mit dem Missstands- oder Zuverlässigkeitsargument gegen die Beteiligten vorgehen und, soweit sie für ihre Tätigkeit eine Erlaubnis benötigen, diese Lizenz entziehen. Werden derartige Verträge im privaten Umfeld geschlossen, sind gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit keine Bedenken zu erheben. Besondere Vorsicht ist allerdings geboten, wenn der Abschluss der Lebensversicherung durch falsche Angaben zur Risikosituation erreicht wurde. Auch wenn der VN die nach der VVG- Novelle weiter zu seinen Gunsten abgeänderten Vorschriften zur Anzeige von Gefahrumständen ausnutzen kann, ein ungünstiges Risiko bei einem Versicherer zu platzieren, kann es doch als Betrug gewertet werden, wenn sich aus dem nachfolgenden Verkauf ergibt, dass diese Risikosituation dem VN von vorneherein bekannt war. 20 www.gdv.de/Downloads/Themen/freiselbst11.doc. 21 www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/Stellungnahme_PraediktiveGesundheitsinformationen.pdf. 515 IX. Zulassungspflicht für Vermittler? Der Zweitmarkt für Lebensversicherungen könnte sich ohne Vermittler nicht entwickeln. Es handelt sich dabei nicht um Versicherungsvermittler im Sinne der EGRichtlinie, die jetzt (Stand September 2006) zur Umsetzung in deutsches Recht ansteht, da sie nicht am Abschluss, sondern nur am Verkauf bereits bestehender Versicherungen mitwirken. Anders kann es sein, wenn sie für den Erwerber zur Absicherung eines von ihm übernommenen Risikos eine Versicherungsdeckung vermitteln. Hierfür müssten sie sich als Versicherungsmakler oder -vertreter registrieren lassen. Soweit die Vermittler lediglich bei der Wertermittlung mitwirken, könnte man ihre Tätigkeit als Versicherungsberatung ansehen. Nach dem Entwurf des Umsetzungsgesetzes22 wird die Tätigkeit des Versicherungsberaters in § 34e GewO E zunächst sehr breit umschrieben („Wer gewerbsmäßig Dritte über Versicherungen beraten will, ohne von einem Versicherungsunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder von ihm abhängig zu sein“). Danach könnte auch eine rein wirtschaftliche Beratung in Hinblick auf die Möglichkeit der Veräußerung als relevant angesehen werden, auch wenn sie im Interesse eines potentiellen Investors übernommen wird. Der Entwurf der Gesetzesbegründung stellt aber klar, dass nur die bisher im Rechtsberatungsgesetz geregelte Tätigkeit des Versicherungsberaters gemeint ist. Demgemäß enthält § 34 e Abs.1 Satz 3 GewO E nicht nur eine beispielhafte Aufzählung, sondern auch eine Konkretisierung der im ersten Satz sehr weit geratenen Definition des Versicherungsberaters. Es heißt dort: „Die Versicherungsberatererlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertreten“. Die im Zweitmarkt tätigen Vermittler beraten Investoren und unter Umständen auch verkaufswillige Versicherungsnehmer in Bezug auf die Veräußerungsfähigkeit und Werthaltigkeit ihrer Lebensversicherung. Wenn sie mit dem Versicherer korrespondieren, geht es um die Sammlung der relevanten Informationen und Dokumente, die auf der Basis freiwilliger Kooperation gegeben werden. Eine rechtliche Durchsetzung 22 516 BT Drucksache 16/ 1935. der Ansprüche ist nicht gewollt und auch nicht üblich. Die Vermittler werden kaum, wenn sich eine rechtliche Auseinandersetzung anbahnt, eigene Beratungstätigkeit anbieten. Solange sich die Tätigkeit in dem beschriebenen Rahmen hält, handelt es sich demnach nicht um zulassungspflichtige Versicherungsberatung. Aus: Liber amicorum für Gerrit Winter Hrsg.: Volker Joachim Bergeest und Hubertus W. Labes (Verlag Versicherungswirtschaft GmbH, Karlsruhe, 2007, XVIII u. 790 S., 15,3 x 23,5 cm, Leineneinband, €€ 98,– , ISBN 978-3-89952-338-6) Mit Beiträgen von Prof. Dr. Christian Armbrüster, Dr. Gunne W. Bähr, LL.M, Prof. Dr. Horst Baumann, Dr. Volker-Joachim Bergeest, Dr. Harald Bischoff, Dr. Peter Steven Dickstein, Dr. Jan Dreyer, Dr. Helmut Eichhorn, Dr. Gerd Eidam, Prof. Dr. Michael Fehling, LL.M.,Dr. Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth/Dr. Ralf Gütersloh, Dr. Kai-Michael Goretzky, LL.M., Dr. Wolf-Dieter Hauenschild, Dr. Hansjörg Heppe, LL.M., Bernd Honsel, Dr. Detlef Huber, Dr. Edgar Jannott, Dr. Katharina Johannsen/Dr. Ralf Johannsen†, Detlef Kaulbach/Dr. Stephanie Honnefelder, Prof. Dr. Robert Koch, LL.M., Dr. Klaus C. Kossen, Dr. Florian Krause-Allenstein, Dr. Hubertus W. Labes, Dr. Theo Langheid, Ulf D. Lemor, Dr. Thorsten Meinert, Dr. Burkhard Messerschmidt, Dr. Utz Meyer-Reim, Dr. Gerald Miersch, LL.M., Dr. Tobias Möhrle, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus-Jürgen Müller, Prof. Valeriy A. Musin, Prof. Dr. Dr. h.c. Marian Paschke, Dr. Peter Präve, Stefan Richter, Dr. Thomas Richter, Dr. Dieter Schwampe, Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Dr. Volker Triebel, Prof. Dr. Johannes Wälder, Dr. Axel Wehling/Götz Treber, Prof. Dr. Manfred Werber, Dr. Jost Wiechmann, Dr. Eckhardt Wilkens, Dr. Stefan Zänker, Kapitän Dr. Harald Zeller/Dr. Jan Tjarko Eichhorn 517