Ausgabe 1977 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Ausgabe 1977 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
W 3828 F HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT Herausgegeben o o m Hohenzollerltchen Gefchlchteoerein 27. Jahrgang Nr. i / M ä r z 1977 Pfarrkirche St Nikolaus in Feldhausen Hochaltarblatt „Vision des hl. Antonius von Padua". Ölbild von Franz Joseph Spiegier, 1740 FRITZ SCHEERER Von unseren Dörfern am Albrand in der fränkisdien Zeit Von den Dörfern des frühen Mittelalters wissen wir verhältnismäßig wenig. Die Quellen fließen erst im späteren Mittelalter reichlicher. In unserer Gegend gehen die schriftlichen Quellen nicht über das 8. Jahrhundert zurück. Bis gegen 700 sind wir so gut wie ganz auf Bodenfunde aus Reihengräberfeldern angewiesen. Von etwa 700 an treten dann die Grabfunde zurück und hören bald ganz auf. Dafür werden die schriftlichen Quellen redseliger, zunächst spärlich, aber gegen Ende des Jahrhunderts umso reichlicher. Mit dem Ausgang der Karolingerzeit versiegen sie wieder über ein Jahrhundert fast vollständig. Zunächst sind wir auf die klösterlichen Urkundensammlungen angewiesen. Besonders reiches Material, das auf viele Dinge Licht wirft, liefern uns die Klöster Lorsch und St. Gallen. Die Urkundenschätze des Klosters Lorsch sind im Codex Laureshamensis durch Karl Glöckner (3 Bände 1929-1936) vortrefflich dargeboten und erläutert worden, die des Klosters St. Gallen von H. Wartmann im Urkundenbuch der Abtei St. Gallen (2 Bände, 1863). Sie liefern Orts- und Personennamen und geben Auskunft über Rechtsverhältnisse, über Besitz, Wirtschaft, Verwaltung. Wenn es auch kleine und kleinste Mosaiksteinchen sind, was die Urkunden liefern, und von Vollständigkeit keine Rede sein kann, so müssen wir sie doch zusammenlesen und zusammensetzen, um einigermaßen ein Bild von den früheren Zuständen zu bekommen. Allerdings erfahren wir immer nur von solchen Leuten, die etwas von ihrer Habe an die Kirche schenkten, und in den meisten Fällen lernen wir auch bei ihnen nur einen Teil ihres ganzen Besitzes kennen. Von den Alamannen wurde bei der Landnahme nach 260 nur das offene Land besiedelt, das nicht von Wald bedeckt, sondern schon zur Römerzeit landwirtschaftlich genutzt war. Neuland wurde erst später gerodet. Da die Alamannen vorwiegend Viehzüchter waren, wurde unsere Albgegend von ihnen bevorzugt besiedelt. So finden wir in unserer Gegend von Tuttlingen bis Pfullingen viele -ingen-Orte (Spaichingen, Böttingen . . . Engstingen). In der Regel lehnten sich die neuen Siedlungen nicht an die römischen an. Dagegen hat die römische Grenze zwischen Obergermanien und Rätien unter Umständen eine Rolle gespielt. Ungefähr auf dieser Grenze verlief eine Römerstraße, die Prof. Nägele den „Alblimes" nannte. Sie verband die römischen Kastellorte (Laiz, Burladingen, Gomadingen, Urspring an der Lone usw.) Zwischen Münsingen und dem Kastell Gomadingen finden sich an ihrer Stelle die Flurnamen „Gemauerter Weg" und „Hochgesträß". Die alamannischen Gaugrenzen lehnten sich an diesen Straßenzug an (s. unten). Links und rechts dieser Alblimesstraße finden sich viele -ingenOrte (Blättringen, Benzingen, Winterlingen, Burladingen, Ringingen, Salmendingen, Melchingen, Erpfingen, Undingen, Willmandingen, Genkingen, Groß- und Kleinengstingen, Gomadingen, Münsingen usw.), um nur die wichtigsten zu nennen. Zunächst werden diese Siedlungen kleine weilerartige Orte mit eigenen Gräberfeldern gewesen sein. Im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts wachsen diese ältesten Siedlungen und vergrößern sich die Höfegruppen langsam zu Dörfern. H. Stoll hat dies anschaulich an dem Gräberfeld zu Hailfingen im Gäu nachgewiesen 2. Man mußte nach 496, nach dem großen politischen Rückschlag mit den Franken, im Lande bleiben, mußte heimisch werden und sich redlich nähren. Die Folgen sieht man u. a. in der Anlage neuer Siedlungen, das auch an2 dere Wirtschaftsformen voraussetzt. Jetzt gingen die Alamannen zu intensiverem Ackerbau über. Das Vorbild für den entwickelteren Ackerbau gaben die Franken, die ihn in Gallien kennengelernt hatten. Neue Gedanken und Reformen strömten ein. Am Anfang des 8. Jahrhunderts tauchte die Hufe auf und bürgerte sich allmählich ein. „Die Hufe, das Gut des abhängigen Bauern, von einer gewissen einheitlichen Größe und Zusammensetzung und mit bestimmten Abgaben und Diensten an den Herrn belastet, kommt von Westen herüber" (Heinrich Dannenbauer 3). Die Feldmark wurde in die künstliche Ordnung der Gewannflur gepreßt. „Hufe und Gewannflur dienen der besseren Einteilung des grundherrlichen Landes" (Dannenbauer). Die nun einsetzenden Urkunden der Klöster Lorsch und St. Gallen zeigen die Dörfer voll von Bauern, die adeligen Herren gehören, diesen zinsen und von ihnen verschenkt werden. Die Besitzer reicher Herrenhöfe findet man in Adelsgräbern bestattet, wo sie mitunter neben der von ihnen gestifteten Kirche im Schmuck ihrer Waffen und Kostbarkeiten ihre letzte Ruhe gefunden haben (Burgfelden, Gammertingen, Pfullingen usw.). Die silbervergoldete Gewandspange mit Tierornamenten und Spiralmustern aus dem alamannischen Frauengrab südlich Tübingen, die wahrscheinlich aus England stammt, kann nur einer reichen adeligen Frau gehört haben (1931 ausgegraben). Oder wenn in dem bekannten Gräberfeld von Oberflacht (beim Lupfen und Karpfen) unter anderem kunstvollem Gerät die Überreste einer Leier oder Harfe gefunden wurden, so handelt es sich um die Hinterlassenschaft eines Herrn, an dessen Hof als Zeitvertreib der Heldengesang gepflegt wurde 4. Es gibt keinen Zweifel, daß die Dörfer zum Teil von abhängigen Bauern der mittleren oder größeren Grundherren bewohnt waren. Die -heim-Siedlungen Wir finden gewisse Zusammenballungen von -heim-Siedlungen von Tuttlingen mit seiner Martinskirche in Richtung des einstigen Königshofes Rottweil (Weilheim, Rietheim, Dürbheim, Balgheim, Talheim, Aixheim) und auf den Höhen des Großen Heubergs (Gosheim, Bubsheim, Königsheim, Egesheim, Ensisheim (abg.) Obernheim, Hartheim, Ober- und Unterdigisheim). Hier liegt nahe, an eine staatlich geplante und gelenkte Besiedlung durch die Franken zur Sicherung der Straße nach Rottweil zu denken. 768 werden in Digisheim von einem reichen Herrn namens Amalbert, der auch in der Baar reichen Besitz hatte, acht namentlich genannte servi (Hörige: Waltharius, Lallo, Panzo, Zutta, Anno, Nuno, Tuto und Utriho, der letztere hat einen fremdklingenden Namen) mit ihren Familien (mindestens 20 Personen) samt ihren Huben dem Kloster St. Gallen geschenkt. Als Zeuge wird bei dem wichtigen Schenkungsakt ein servus Paldrich aufgeführt 5 . Das Verhältnis zwischen dem Herrn und den Hörigen scheint also gut gewesen zu sein. Ähnlich häufen sich größtenteils abgegangene -heimOrte in einer Siedlungslücke bei der um 1250 gegründeten Stadt Schömberg. Hier erscheinen sechs Orte wie nach einem Plan vermessen angelegt. In der Mitte liegen die abgegangenen Nordheim (Flurnamen „Northen" oder „Norden" beiderseits der Straße Schömberg-Neukirch) und Südheim (heute Domäne Sonthof), parallel dazu im Schlichemtal Altheim (abg. „Altschömberg" mit Hallstattkeramik der Schwäbischen Alb. Rot getönt, mit silbrig-schwarzen Graphitstreifen bemalt und mit weiß eingelegten geometrischen Mustern reich verziert, gehört die Hallstattkeramik Südwestdeutschlands zu den qualitätsvollsten Erzeugnissen vorzeitlicher Töpferkunst. 8. bis 7. Jahrhundert v. Chr (mit freundlicher Genehmigung des Jan Thorbecke Verlags Sigmaringen) einer Peterskirche) und Holzheim (abg., nur noch die Mühle erhalten), auf der anderen Seite Epfenheim (heute Zepfenhan) und Neukirch 0 . Sontheim hatte bis 1838 eine eigene Markung (1262 Suntheim) und bis 1841 eine Martinskirche. Der Grund für den Abgang des Dorfes dürfte der Ubergang der Siedlung an das Cisterzienserfrauenkloster Rottenmünster sein, das sie in einem Klostergutshof umwandelte. Wir haben also hier einen ähnlichen Vorgang wie bei dem Dorf Alaholfingen = Elfingen durch die „Bauernlegen" des Cisterzienserklosters Maulbronn zur Gutsherrschaft Elfingerhof. In Holzheim erhielt das Kloster St. Gallen 785 („Hoolzhaim") Güter geschenkt. Höfe und die Mühle gingen im 13. und 14. Jahrhundert an verschiedene Herren über. Wie Suntheim, Altheim und Nordheim wurde auch der Ort Holzheim von der Marktsiedlung Schömberg aufgesogen. Nur Zepfenhan konnte sich behaupten. Es war in der planmäßigen Verteilung das „Westheim". In seinem Ortsnamen Epfenheim steckt der Personennamen Epfo wie in dem Königshof Epfendorf im Neckartal. Aus „Zu Epfenheim" entwickelte sich der Namen Zepfenhan. Auch die Gruppierung dieser Orte spricht für die alte Ansicht, daß diese -heim-Siedlungen fränkische Gründungen sind. Kirchen mit fränkischem Patrozinium An den Grenzen von Obergermanien und Rätien oder in ihrer Nähe treffen wir viele Kirchen, die dem fränkischen Kirchenheiligen Martin geweiht sind. Besonders häufen sie sich an der Alblimesstraße (Ringingen, Großengstingen, Gomadingen, Dapfen, Münsingen, Zainingen). Diese Kirchen wurden vom alamannischen Hochadel nach merowingischem Vorbild angelegt, weil der Adel die Grenzgegenden in seinem eigenen Besitz hatte (s. Jänichen Nr. 1). Sie wurden auf hochadeligem Boden gebaut und waren zugleich eine Dokumentation des Grenzanspruchs gegenüber dem Adel der Nachbarschaft. Es war ein Vorrecht der Führungsschicht, die Grenzbezirke für sich zu beanspruchen. So kann der Anspruch im Pfullichgau für die alamannische Zeit nachgewiesen werden, weil der Berg, der sich bei Kleinengstingen neben der Römerstraße erhebt, „Pfullenberg" heißt. Das kann nur so gedeutet werden, daß diese Grenzgegend im Besitz des Pfullinger Hochadels war. Peter Gößler unterscheidet Urmartinskirchen und sekundäre Martinskirchen 7. Eine Urmartinskirche wurde von einem Hochadeligen errichtet, wahrscheinlich als Holzbau in der Zeit zwischen 650 und 750 auf dem Kirchplatz zu Pfullingen, auf der künstlich erhöhten „Planie". 1914 wurde auf der Nordseite der Kirche ein alamannisches Einzelgrab aus dem Anfang des 7. Jahrhunderts freigelegt 8. Das Grab enthielt wertvolle Beigaben, darunter eine mit zwei goldenen Nägeln verzierte Lanzenspitze und einen eisernen Buckel eines Holzschildes, der mit Silberblech eingefaßt und mit 32 Silbernägeln beschlagen war. Gößler vermutet, daß hier der Kirchenstifter begraben wurde. Dabei läßt er offen, ob man in ihm einen alamannischen Adelsherrn sehen will, dessen Herrschaft der fränkische Hausmeier konfisziert hatte 3 oder schon einen fränkischen Centenar, der dorthin gesetzt worden ist. Freie Leute sind hier noch in der staufischen Zeit bezeugt; um 1500 wird auch noch das Schrannengericht an offener freier Königsstraße gehalten. Das heutige Klein-Engstingen führte früher den Namen Frei-Engstingen. 783 wird erstmals ein „Aniginstingen" genannt. Die Pfarrkirche im benachbarten Großengstingen hat als Patron St. Martin, was erstmals 1275 bezeugt ist. In einem Reihengräberfeld fand man u. a. als Beigabe eines der seltenen Wurfbeile, eine sogenannte „Franziska", d. h. ein fränkisches Beil. Die Martinskirche in Gomadingen wird schon 1180 erwähnt. Auf einer Flußterrasse der Lauter erhebt sich auf einer beherrschenden Bergzunge die Martinskirche des Dorfes Dapfen, die wegen der einsamen Lage als Feldkirche angenommen wird, die den Mittelpunkt für die umliegenden Orte bildete. Erst später schlossen sich die Siedlungen an 9. Die Martinskirche in Trochtelfingen ist die Mutterkirche für die Filialen Hörschwag, Steinhilben, Meidelstetten und Wilsingen. St. Martin ist hier zwar urkundlich erst 1368 nachzuweisen. Doch steht fest, daß die Pfarrkirche eine alte Martinskirche ist, denn der heilige Martin ist auf dem Stadtsiegel von Trochtelfingen, das von 1322 bis 1755 verwendet wurde 10. Die Zaininger, Ringinger und öschinger Martinskirchen werden 1275 erstmals erwähnt. Die Siedlung Niederhechingen, deren Markung 1413 mit der von Hechingen vereinigt w u r d e n , hatte in der Martinskirche ihren kirchlichen Mittelpunkt. Sie ist wahrscheinlich sogar Pfarrkirche gewesen. Noch im Hagenschen Lagerbuch ist von einem Kirchhof die Rede, der allerdings damals nicht benützt wurde. Die Ebinger Pfarrkirche St. Martin, die über einem alamannischen Gräberfeld errichtet ist und zu der ein großer Sprengel gehörte, ist erst spät bezeugt 12 . Aller Wahrscheinlichkeit nach ist sie aber die älteste Kirche der weiteren Umgebung. Durch den Altkreis Balingen zog eine Provinzgrenze in Nordost-Südwestrichtung quer durch. Und auch an ihr sind zwei Martinskirchen festzustellen: Isingen und Sonthof (s. oben). Die Isinger Martinskirche dürfte lange vor der ersten Nennung Isingens (786) bestanden haben. Ihre Gründung ist für das 7., spätestens das 8. Jahrhundert anzusetzen. Dafür spricht auch ihr großer Zehntund Pfarrsprengel, zu dem mit einiger Sicherheit neben Rosenfeld, Steinbrunnen (abg.) und Erlaheim auch Binsdorf und Bubenhofen (abg.) und vermutlich noch andere Orte gehörten. Das Patronat St. Dionysius in Schlatt, 1275 erstmals genannt, scheint direkt auf fränkischen Einfluß hinzuweisen, wie auch das westfränkische Patrozinium St. Leodegar (von Autun) in Gammertingen. Bestimmte Sonderheiten wie die Sonderstellung von 12 Huben, Steuerfreiheit usw. sprechen bei Ostdorf für eine planmäßige fränkische Ansiedlung. Dafür spricht ferner, daß die Ostdorfer Kirche als die einzige in Württemberg dem westfränkischen Heiligen Medardus geweiht ist. Dabei besteht zwar die Möglichkeit, daß sie erst in der Mitte des 9. Jahrhunderts gestiftet wurde, als Judith von Friaul 863 in Balingen begütert und ihr Vetter Karlmann Abt des Medardusklosters Soissons (866-873) war. Fränkische Herren und welsche Siedler In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts bringen die karolingischen Hausmeier die fränkische Oberhoheit in Alamannien immer nachdrücklicher zur Geltung, bis sie schließlich in der Mitte des 8. Jahrhunderts (746 das Ge4 richt von Cannstatt) das Land völlig ihrem Reich einverleiben. Dies wird vor allem in der Verwaltung des Landes sichtbar (s. unten). Überall werden Grafen, die zum Teil Franken sind, als Vertreter des Königs tätig. Der einheimische Adel ist zwar nicht ganz ausgerottet; es finden sich sogar Familien weiterhin im Besitz ihrer reichen Güter oder gehen Mitglieder von ihnen Ehen mit fränkischen Herrengeschlechtern ein. Eine der Gemahlinnen Karl des Großen, Hildegard, stammte aus dem alten alamannischen Herzogshaus. Ihr Bruder, Graf Gerold kann 786 reiche Schenkungen an St. Gallen machen. Doch an die wichtigsten Stellen setzen die Franken ihre eigenen Landsleute. So taucht 789 in Rottweil ein Graf Ratolf auf, wahrscheinlich ein naher Verwandter des Königshauses, der große Vollmachten hatte. In Balingen (Judith, Tochter Eberhards von Friaul und der Königstochter Gisela) und am mittleren Neckar sind die fränkischen Unruochinger im Besitz von Gütern. Das Geschlecht stammt aus dem Niederfränkischen, wo die Familie noch im 11. Jahrhundert Grafschaften besitzt 13 . Damit sind hier nur zwei Beispiele genannt, die aber bedeutend vermehrt werden könnten. Selbstverständlich ist in den meisten Fällen der Graf nicht allein gekommen. Er hat ein beträchtliches Gefolge seiner Landsleute mitgebracht, da in dem unterworfenen Land durch große Konfiskationen, die nach dem Sturz des alamannischen Herzogtums über widerspenstige und unzuverlässige Adelsfamilien ergingen, genügend Güter zur Verfügung standen. Die fränkischen Herren brachten unfreie Bauern, Walchen, Welsche, aus dem Westen nach Schwaben, u. a. auch in unsere Gegend. In der Umgebung von Balingen, Tailfingen und Münsingen finden wir verschiedene Waldstetten, deren Name auf die schon 793 erwähnte Grundform „Walahstetten" zurückgeht (s. unten), deuten also auf Welsche hin, d. h. auf Romanen. So auch der Name Waldsee im Oberland. Das älteste Reihengräberfeld (Ende 6. Jahrhundert) bei Balingen liegt östlich der Eyach bei der einstigen Hirschbrauerei, von dem 1880 und früher mehrere Gräber freigelegt und u. a. alamannische Spathen und Saxe geborgen wurden. In dieser Gegend findet sich auch der Flurnamen „Waldstetten" (1543 „Walstetten"), was auf die Besiedlung mit Welschen hindeutet. Die Gehöftgruppe wurde der Kern des Dorfes Balingen um die Friedhofkirche. Wurden hier Welsche angesiedelt, nachdem die Inhaber der alamannischen Hofgruppen in fremdes Land verpflanzt waren? Wir finden im Ostfränkischen und Bayrischen Schwabenorte, in Frankreich schwäbische Ortschaften, so zwischen Soissons und Laon auf dem Gebiet gehäuften Königsgutes (s. oben Judith). Waldstetten, Ortsteil von Weilstetten, wird erstmals 793 als „Walahstetti" erwähnt, als Graf Berthold neben vielen andern Gütern auch hier Güter an das Kloster St. Gallen schenkte 14. Der heutige Namen Waldstetten setzte sich erst nach 1500 durch. Der Ortsname deutet auf eine Ansiedlung von Welschen hin. Nachdem im benachbarten Weilheim („Heimgarten") aus dem späten 7. Jahrhundert Gräber mit beschrifteten Gegenständen und eine Riemenzunge mit einem Psalmvers (Psalm 91, 11) aufgedeckt wurden, dürfte der Bestattete Christ gewesen sein und könnte seine Bestattung ins 8. Jahrhundert fallen. Hinter dem „Hohenberg" („Hochberg") bei Tailfingen findet sich das „Walental". Dort lag einst eine Bauernsiedlung Waldstetten, älter „Walstetten", die wohl schon sehr früh abgegangen ist. Sie ist nur noch aus den Flurnamen „Walstettertal" (1454, 1531) und „Waldstettertal" (1716) zu schließen 16. Die Siedlung mag im Hochmittelalter als Burgweiler für die benachbarte Burg ge- dient haben. Hinter dem Hohenberg schlossen sich viele zehntfreie Güter an, die einen Sonderbezirk bildeten. Auch die Münsinger Gegend hatte zwei Waldstetten, die heutigen ödenwaldstetten und Dürrenwaldstetten, die 1497 an das Kloster Zwiefalten kamen, das seine beiden „Walichstetten" (um 1100) durch vorgesetztes „Öden" und „Dürren" unterschied, Bezeichnungen, die vom wasserreichen Achtal aus verständlich sind. In ödenwaldstetten wird mehrmals eine Martinskirche erwähnt, die aber abgegangen sein muß. 1161 erscheint Rudolf von Walstetten als Zeuge, als Albert II. von Gammertingen in „Trundolvingen" einen Streit zwischen den Pfarrkirchen von Offenhausen und Kohlstetten über den Zehnten in Bernloch schlichtete le . Nördlich von Bernloch gibt es einen „Walenberg" (1394 „Walchenberg"). Auch diese „Walah"-Orte verdanken ihren Namen wahrscheinlich einer Neuansiedlung von Welschen in merowingischer Zeit. Überzeugend wurde dies für Oberbaden von Fr. Kuhn nachgewiesen: „Die Walchen-Orte Oberbadens" im 38. Jahrbuch der Schweizer Gesellschaft für Vorgeschichte, 1947. Ein besonders glücklicher Zufall liefert uns sogar die Bestätigung dafür, daß fränkische Herren Romanen ins alamannische Land gebracht haben. In Willmandingen auf der Reutlinger Alb schenkt ein Herr am 10. Juli 772 im „Ruothaus" oder „Ruotahi" eine von ihm zu Ehren des hl. Gallus „im Gau Burichincas" im Orte Willmandingen erbaute Kirche mit 31 Leibeigenen, 8 Wohnhäusern und 12 Huben Land dem Kloster St. Gallen 17. Die Unfreien, Männer, Frauen und Kinder, sind mit Namen aufgezählt und diese Namen sind merkwürdig. Sie sehen nämlich ganz anders aus, als was man sonst in alamannischen Urkunden findet. Frauennamen wie Wolfagde, Ahalagde, Leupagde wie auch Fratusinta, Hinolobe sind in Alamannien vollkommen fremd, genau so Männernamen wie Tankrad, Ricarius, Arichis usw. Namen solcher Art findet man häufig in der Gegend von Paris und Reims. Leider ist der Schenker nicht sicher greifbar; fest steht aber, daß diese Willmandinger Bauern keine Einheimischen sind, sondern Leute, die aus dem Westen, aus Gallien hierher verpflanzt worden sind. Am 1. August 773 schenkte derselbe Wohltäter, diesmal „Rodtaus" und „Rodtahi" geschrieben, der Willmandinger Kirche zwei weitere Höfe mit allem, was dazu gehörte an Feld, Wiesen, Weiden, Wegen, Häusern, Gebäuden und Einwohnern, wodurch sich die Zahl der dieser Kirche bzw. dem Kloster St. Gallen geschenkten Leibeigenen auf 42 erhöhte 18. Diese Urkunde ist u. a. bezeugt von einem Bleon, der auch in Lorscher Urkunden erwähnt wird (s. unten). Schenkungen an die Klöster Lorsch und St. Gallen Nach einer Urkunde vom 17. September 772 schenkte ein Bleon und sein Sohn Otto in „Burchinger marca et in Burlaidingen (Burladingen) et in Megingen (Mayingen) et in Merioldingen (Mertingen) et in Mulichingen (Melchingen) et Willimundingen (Willmandingen) et Gancgingen (Genkingen) et Gauzolfingen (Gauselfingen) quiquid habere videmur" dem Benediktinerkloster Lorsch an der Bergstraße, das im Jahr 754 durch Graf Chancor gegründet wurde 19. Die Heimat des Gründers der Abtei ist der Haspengau, die Gegend von Lüttich, also das Stammland des karolingischen Hauses. Chancor war einer der wichtigsten fränkischen Beamten, der mit der Eingliederung Alamanniens in das Frankenreich betraut war 20. Zwei der genannten Orte, Mayingen und Mertingen, sind abgegangen. Mayingen lag auf der heutigen Burladinger Markung. 1356 löste der Zollerngraf die beiden Orte Burladingen und Mayingen wieder ein, die an Hans von Salbadingen versetzt waren 21. 1386 verkaufte Graf Ostertag von Zollern an Georg Truchseß von Ringingen und Swenger von Lichtenstein Burladingen „und och Mayingen daz Wiler, daz zu dem vorgenannten Dorf Burladingen gehöret" 21a . 1392 erhält Kloster Mariaberg von Heinrich Spät, genannt Schierberg, und seinem Sohn ein Gut zu Mayingen 22. Noch im Bickelspergschen Lagerbuch von 1435 wird das Vogtrecht zu Mayingen aufgeführt. Mertingen wird noch in einer Urkunde von 1486 erwähnt 23. Die Markung dieses Ortes ging in der Markung Stetten u. Holstein auf, wo im Urbarheft für den zollerischen Anteil von Stetten der Flurnamen „Mürtingen" für einen Wald von etwa 250 Jauchert vorkommt 2 4 . Dann heißt es 1545 bei einer Rodung: „12 Jauchert, so von dem Wald Mertingen geräumt". Unter marca des 8. Jahrhunderts ist nicht eine Gemeindemarkung im heutigen Sinne gemeint, sondern „Grenze" und „Bezirk" für den Nutzungsbereich an Feld und Wald oder auch ein größerer Bezirk, der seinen Namen von einem zentralen Ort erhalten hat 2 5 . Einen solchen Bezirk bildete wohl die „Burchinger marca". Das Kloster Lorsch war schon 772 karolingisches Reichskloster, das unter königlichem Schutz stand und bedeutende Privilegien hatte. Es wurde Grablege der karolingischen Könige (Ludwig der Deutsche, Ludwig d. J. usw.). St. Gallen trat erst im 9. Jahrhundert in den Kreis der Reichsklöster. Nach Überführung der Nazariusreliquien nach Lorsch übte die Abtei eine besondere religiöse Anziehungskraft aus. Dies zeigt sich auch in dem raschen Anwachsen der Schenkungen, wie es von keinem ostfränkischen Kloster jener Zeit bekannt ist. Im Codex Laureshamensis sind über 3000 Schenkungen verzeichnet. Allein in Münsingen wurden während 40 Jahren insgesamt 12 Mansen (Wohnstätten), 13 Huben (Bauernhöfe mit Grundstücken) und 122 Mancipien (Unfreie) geschenkt 26. Ein Waldo schenkte dort 770 (n. 3220) in Münsinger und Auinger Markung 80 jurnales (Tagewerke) Ackerland, Wiesen mit 100 Fuhren Ertrag, dazu je eine Kirche in Trailfingen und Seeburg. Sehr alt sind die Beziehungen von Erpfingen zu Kloster Lorsch. 775 gab ein Kleriker Irminsbert eine der Maria geweihte „basilika" und 13 Leibeigne in „Herpfinger marca" dem Kloster. Man nimmt an, daß die bei der Grabung 1964 zutage gekommenen Mauerreste und Scherben von der 775 erwähnten Kirche stammen, die Maria und dem im Kloster Lorsch verehrten Heiligen Nabor geweiht ist 27. 7 77 und 778 sind weitere Schenkungen in Erpfingen an das Kloster Lorsch, dann auch in Mertingen und anderen Orten. 788 ist Lorsch in Großengstingen begütert (n. 3304). Ein Lambert (n. 3243), ein Altwin persbyter (n. 3253), der auch in „Taha", marca Empfingen begütert ist, und ein Herolt (n. 3241/48) machen Schenkungen in „Dalaheimer marca" in der Hattenhuntare, die in der Hauptsache die Steinlachorte umfaßte. Bis 843 erfolgen in Talheim Schenkungen an Lorsch, zuletzt auch die Kirche. 774 ist Lorsch in Mössingen begütert. Einen Schwerpunkt an Besitz hat das Kloster im Neckarknie bei Horb u. a. auf Empfinger marca (n. 3265), in Glatten usw. (s. auch Heimatk. Blätter 1970, Nr. 12 „Glatt und Glatten" von Dr.Stettner), auf den aber hier nicht weiter eingegangen werden kann. Der Besitz des Klosters Lorsch erstreckt sich vom Niederrhein bis in die Schweiz, von Lothringen bis nach Bayern. Bergfelden, Kreis Rottweil, hat wie Epfendorf und Oberndorf eine Remigiuskirche, Mühlheim a. Bach eine der seltenen Kilianskirchen. Beide sind spezifische Heilige der Franken und ihrer Missionare. 5 In einer Reihe von Orten hat neben dem Kloster Lorsch auch das Kloster St. Gallen bedeutenden Besitz erworben (s. oben Willmandingen, Genkingen, Mössingen). Einige Orte haben daher auch Galluskirchen, so Hönau, Hausen a. d. Lauchert (722-806 Schenkungen an St. Gallen), Frommern, Truchtelfingen usw. In Genkingen und Undingen, hart an dem Nordrand der Alb, gaben 776 ein Willefrit und ein Hariold Besitz an St. Gallen, wobei der letztere aber die Kirche in Genkingen ausnahm 28. Die Urkunde von 806 ist in „Undinga in pago Purichinga" ausgestellt und u. a. vom damaligen Grafen des Gaues, dem nach dem Cod. Lauresh. 3640 schon 778 als Graf des Burichingagaues vorkommenden Ercanpert bezeugt. Unter den Zeugen finden sich Cadaloh und Thruant. Cadaloh war fränkischer Reichsbeamter aus dem linksrheinischen Gebiet, 817 war er „comis". Er war der Sohn des Grafen Berthold, der 793 in 25 Orten an St. Gallen eine reiche Schenkung machte, vor allem im Baiinger und Ebinger Raum (Heselwangen, Endingen, Frommern . . . Ebingen, Lautlingen, Tailfingen usw., bis hinüber zur Neckarburg unterhalb Rottweil). Die geschenkten Güter erhielt er als „Prekarie" (im Lehensverhältnis) wieder zurück 29. 786 machte Graf Gerold in Nagaltuna (Nagold) in 15 Orten der „Perihtilinpara" (Bertholdsbaar) eine große Schenkung an St. Gallen u. a. in „Bisingun" (Bisingen), „Hahingun" (Hechingen), „Wassingun" (Wessingen), „Usingun" (Isingen), „Tormoatingun" (Dormettingen). Hechingen war spätestens 789 der Hattenhuntare zugewiesen, während Bisingen zur Grafschaft des Berthold (780-803) und Cunthard (817-820) gekommen war. In den wenigsten Fällen kann festgestellt werden, wie lange die Orte im Besitz der Klöster St. Gallen und Lorsch geblieben sind, da von der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts an die urkundlichen Nachrichten bis nach der Jahrtausendwende fast völlig versiegen. Der Besitzbereich des Klosters St. Gallen beschränkte sich im Gegensatz zu dem des Klosters Lorsch auf den alamannischen Raum. Außer Cannstatt überschritt St. Gallen den Neckar nach Norden nicht. Wie schon oben ausgeführt, trat auch St. Gallen erst im 9. Jahrhundert in den Kreis der Reichsklöster. Im Burichinggau begegnen sich die beiden Klöster. Es überschneiden sich hier die Einflußgebiete wie bei Horb im Neckarknie der beiden großen und bedeutenden Klöster. R. Seigel untersucht in „Glatt und Glatten" (s. Nr. 25) die Stifter und weist überzeugend nach, daß die Schenker an Lorsch in der Hauptsache dem mittleren und kleineren Adel angehören, denen in den Dörfern der Grundbesitz mit von ihnen abhängigen Bauern gehört, die sie zusammen mit dem Boden verschenken können. Warum so große Schenkungen an Lorsch erfolgten, da doch St. Gallen und die Reichenau viel näher lagen, können nur Vermutungen angestellt werden. Wohl wird die Verehrung des spätrömischen Heiligen Nazarius adlige Grundbesitzer, die vielleicht Franken waren, angezogen haben. Oder wollten die alamannischen Schenker zu den neuen Herren des Landes eine Verbindung schaffen oder ihnen Reverenz erweisen? Bei den großen Schenkungen der Grafen Gerold (786, 797) und Berthold (793) dürfte die Furcht vor Konfiskationen ihrer Güter durch den König oder seine Beauftragten eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben 30. 759 war der Abt des Klosters St. Gallen, Othmar, der die im 7. Jahrhundert gegründete Galluszelle zum Kloster ausgebaut hatte, Gegner der Franken. Er wurde daher abgesetzt und bei Stein am Rhein gefangen gehalten und wurde durch Abt Johannes ersetzt, der zugleich Abt von Reichenau und Bischof von Konstanz war. St. Gal6 len kam dadurch unter fränkischen Einfluß. Nun konnten auch die Schenkungen reichlicher fließen. Politische Gliederung Aus den Schenkungsurkunden ergeben sich einige Anzeichen für die politische Zugehörigkeit der Dörfer und die politische Einteilung des Landes. Offenbar wurde in der 2. Hälfte des 8. und in der 1. des 9. Jahrhunderts die ursprünglich zwei großen Baaren, die West- oder Bertholdsbaar (bis zur Lauchert) und die Ost- oder Folcholtsbaar (um den Bussen und Marchtal) in kleinere Grafschaftsbezirke aufgelöst. Dabei ist unsicher, ob der 772 bis 806 genannte pagus Burichinga auf der Albhochfläche südlich des Roßbergs, in dem die heutigen Orte Burladingen, Melchingen, Willmandingen, Undingen, Genkingen, Erpfingen, Meidelstetten, Gauselfingen und die abgegangenen Mayingen und Mertingen gelegen bezeichnet werden und zu dem wahrscheinlich auch das Killertal gehörte, von der Bertholdsbaar oder der Folcholtsbaar abgetrennt wurde. Fest steht nur, daß die Grenze zwischen Pfullichgau und Burichinga bei der Haidkapelle verlief und bis in die neueste Zeit herein verschiedene Grenzen bildete. Westlich der Römerstraße Laiz-Burladingen wurde um 800 die Grafschaft Scherra geschaffen (854 pagus Scerra) 81. Der regelmäßige Block aus der Zeit des Grafen Karamann (797-834) gab später die Grundlage ab für die Grafschaft Oberhohenberg. In dem unter der Burg Hohenberg liegenden Schörzingen wird sich ein Herrenhof befunden haben, auf dem 791 und 805 Urkunden ausgestellt wurden (791 Act. Scarcingas) 32. Noch Jahrhunderte später werden Orte dieses Raumes als „uf der Scheer" liegend bezeichnet, so 1064 Dürrwangen, Burgfelden, Ebingen, Tailfingen und Onstmettingen. Die Beispiele ließen sich noch vermehren. Harthausen hat heute noch den Zusatz „auf der Scheer" (schon 1454). In der fränkischen Zeit hat sich nicht nur die Bevölkerung vermehrt, die Zahl der Siedlungen zugenommen, eine entwickeltere Wirtschaftsform sich verbreitet, sondern auch die fränkische Verwaltung ihren Einzug gehalten, die die Grundlage der politischen Ordnung des Mittelalters geworden ist. Dabei hat auch die Zusammensetzung der Bevölkerung durch Eingriffe des fränkischen Staates starke Veränderungen erfahren. 1 2 3 4 8 6 7 8 1 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Hans Jänichen, D e r Alblimes und die alemannische Gaueinteilung, Bl. d. Schwab. Albvereins 1951, S. 1 f f . H. Stoll, Alamannische Siedlungsgeschichte archäologisch betrachtet, Zeitschr. f. Württ. Landesgeschichte 1942. H. Dannenbauer, Bevölkerung und Besiedlung Alemanniens in der fränkischen Zeit, Z W L G 1954, S. 16 f f . ]. Werner, Leier und H a r f e im germanischen Frühmittelalter, Festschr. f. Th. Mayer 1954. H. Wartmann, Urkundenbuch der Abtei St. Gallen I, S. 51. H. Jänichen, Siedlungen im oberen Schlichemtal v o n der Merowingerzeit bis ins 19. Jahrhundert, Alemannisches Jahrbuch 1955, S. 29 f f . G. Hoffmann, Kirchenheilige in Württemberg 1932. P. Gößler, Zur frühalemannischen Zeit, Reinicke Festschr. 1950, S. 6 3 - 6 6 . Viktor Ernst, Oberamtsbeschreibung Münsingen S. 3 6 0 - 3 6 1 . Wappenbuch d. Kreises Sigmaringen, S. 55. Mon. Zollerana I, N r . 546. Kreisbeschr. Balingen II, S. 238. Fr. Stalin, Geschichte Württembergs, S. 405. Wartmann I, 126. H. Bizer, Tailfinger Heimatbuch. O A B Münsingen. Wart. 66 und 70. Wart. 14 und 68 JOSEF H A U G Kloster u n d Klosterkirche Rangendingen Die Renovierung des ehem. Frauenklosters in Rangendingen ist abgeschlossen. Das markante Gebäude dient heute als Rathaus mit modernster Inneneinrichtung, während die Fassaden stilecht renoviert und erhalten wurden. Die am ehemaligen Kloster angebaute Kirche wurde äußerlich vollständig renoviert, während das Innere der Klosterkirche in nächster Zukunft einer gründlichen Renovation unterzogen werden soll. Eine Bürgerinitiative hat einen Förderverein zur Innenrenovierung der Klosterkirche gegründet. Der Förderverein hat sich unter der Führung seines 1. Vorsitzenden Gallus Dieringer zum Ziel gesetzt, die Restaurierung ideell und finanziell zu fördern und möglichst viele Mitbürger für dieses Ziel zu gewinnen. Aus diesem Anlaß wurde wiederholt über die Geschichte von Kloster und Kirche referiert, unter anderem in einer Sendung des Süddeutschen Rundfunks. Der nachstehende Beitrag erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, doch möchte er zum besseren Verständnis der wechselvollen Geschichte dieser ehrwürdigen barocken Gebäude beitragen. Zwr Geschichte des Frauenklosters in Rangendingen Das Dominikanerinnenkloster in Rangendingen ist aus einer Beghinenniederlassung entstanden. Es wurde gegründet um 1302 von dem Ritter Hans Heinrich von Lindach, für den lt. Jahrtagsbuch von 1466 jedes Jahr am 14. Februar (Hilaritag) ein Jahrtag mit Brotalmosen abgehalten werden sollte. Der Jahrtag für den edlen Ritter Hans Heinrich von Lindach, der dem Kloster durch Schenkung von Wald, Wiesen und Feld viel Gutes getan hatte, für ihn, seine Hausfrau, seine Kinder, Vorfahren und Nachkommen, wurde von dem Pfarrherrn, zwei Kaplänen und zwei auswärtigen Geistlichen mit Vesper, Vigil und zwei Ämter gehalten, wozu der Heilige (Heiligenpflege) ein schwarzes Tuch „darspraiten" und vier Kerzen aufstecken mußte. Wenn einige obere Geistliche nicht anwesend waren, sollte deren Präsenzgeld (3 Schilling und 4 x 9 Pfennig), das aus Konrad Broschen Haus zu liefern war, den Armen gegeben werden, und die gesamte Einwohnerschaft bekam auf Kosten der Gemeindekasse ein Laible Brot. Dies wurde bis etwa im Jahre 1861 auch so gehalten. Für das späte Mittelalter kann angenommen werden, daß die Zahl der Klosterfrauen erheblich zurückging 19 Cod. Laur. 3275 (in folg. n . . . ) . Irmgard Dienemann-Dietrich, D e r fränkische A d e l im 8. Jahrhundert in Alemannien, Vortr. u. Forschungen 1955. 21 Mon. Zoll. I N r . 330. 21a F H D A Sigmaringen R 75 K 10 F 23. 12 Zollerische H e i m a t 1937 N r . 11. 23 FUB VI 209/4. 24 F H D A Sigm. R 137 K 40 F 24 N r . 24 und 42. 25 R. Seigel, Glatt und Glatten, H o h e n z . Jahreshefte 1966. 26 O A B Münsingen 27 Grabungsbericht Dr. Fehr 1965. 28 W U B I 65. 29 R. Sprandel, D a s Kloster St. Gallen, Forsch, z. oberrheinischen Landesgeschichte. 30 S. N r . 29. 31 Näheres in „Baar und Huntari" v . H. Jänichen, Vortr. u. Forschungen 1952, S. 8 8 - 9 4 . 32 Wart. 122. 20 Klosterkirche in Rangendingen Foto: ]. Hang und das Kloster zeitweise aufgelöst war, bis Graf Eitel Friedrich III. zu Beginn seiner Regierungszeit (1576-1605) das Kloster nach einem Jahrtagsstiftungsbrief vom Jahre 1604 neu aufrichtete. Die Ordensprovinz des Predigerordens teilte am 26. August 1596 dem Grafen Eitel Friedrich mit, daß er wegen der Wohltaten, die er den Klöstern Stetten und Rangendingen erwiesen habe, teilhabe an allen Verdiensten und Gebeten des Ordens Der Klause waren auf Grund eines Freiheitsbriefes des Grafen Eitel Friedrich vom Jahre 1604 folgende Privilegien verliehen: Befreiung des Klosters von allen Lasten in Rangendingen; das gesamte Vieh durfte auf Wun- und Wald getrieben werden und sämtliche Güter waren von allen Auflagen, Frondiensten und sonstigen Beschwernissen befreit. Diese Befreiung hatte Kraft für alle Zeiten und bedeutete, da die Schwestern keine sonstigen Einkommensbezüge hatten, für das Kloster eine wesentliche Erleichterung ihrer wirtschaftlichen Lage. Sofern die Schwestern neuen Besitz erwarben, hatten sie hierfür die Lasten wie die Bürger zu tragen. Die Ordensschwestern sollten täglich für die Herrschaft beten und sich ihrer Freiheiten, die von niemandem geschmälert werden durften, freuen 2 . Laut Aufstellung der Güter in dem genannten Freiheitsbrief verfügte das Kloster in Rangendingen über ansehnlichen Besitz, der durch Stiftungen und Zuwendungen des öftern erweitert wurde. Am 8. November 1636 entlehnte die Gemeinde Rangendingen von dem Konvent 200 Gulden. Statt der Zinsen übernahm die Gemeinde die Frondienste, die das 7 Bild des S. Heinrich Suso in der Klosterkirche Rangendingen Foto: J. Haug Kloster zu damaliger Zeit zu leisten hatte. Bis zum Jahre 1710 hatte die Gemeinde teilweise noch höhere Beträge beim Konvent geliehen, was die Wohlhabenheit des Klosters in der damaligen Zeit deutlich macht. Unter anderem wurde im Jahre 1652 ein Erweiterungsbau erstellt. Die Besitzungen erreichten einen Umfang, der weit über die Gemarkungsgrenzen von Rangendingen hinausging. Am 21. Juni 1689 verkaufte Fürst Friedrich Wilhelm dem Frauenkloster Rangendingen vier Höfe in Weilheim um 2000 fl. Weitere Besitzungen waren in Gruol, Thanheim, Erlaheim, Wachendorf, Frommenhausen und der Seehof bei Haigerloch. Klosterkirche zum Hl. Kreuz in Rangendingen Schon im Jahre 1596 erhielt der Schreiner Michael Lorch aus Haigerloch den Auftrag, für die Klause in Rangendingen für 33 fl Möbel zu liefern, darunter das Gestühl in der Kirche und den Tritt in der Kapelle vor dem Altar, ein Beweis, daß das Kloster schon damals eine eigene Kirche bzw. Kapelle hatte. Sicher erhob sich an der Stelle der heutigen Klosterkirche auch ein Bau der hochgotischen Periode und sicher war auch ihre Ausstattung sehr wertvoll. Landeskonservator Laur (der Baumeister der Rangendinger Pfarrkirche) schrieb 1928 bei der Renovierung der Klosterkirche zu dieser ehemaligen Kirche: „Wo die gotischen Skulpturen der >Alten< Kirche hingekommen sind, läßt sich nicht mehr sagen. Sie scheinen unbefugterweise eine nach der andern verkauft worden zu sein. Auch das schön geschnitzte Emporegitter war schon in den Händen eines Altertumshändlers, ist aber durch mein Dazwischentreten noch gerettet worden. Alles andere war schon vor meinem Amtsantritt verschwunden." Über den Bau und Bauzeit der jetzigen Klosterkirche ist nichts Urkundliches auffindbar. Am 16. August 1754 erteilte Fürstbischof Franz Conrad von Konstanz dem Kloster die Genehmigung für die Haltung eines vom Bischof geweihten Altares. Am 8 8. November des gleichen Jahres gab der Fürstbischof dem Kloster das Recht zur Haltung und Verehrung des Allerheiligsten, vor einer bei Tag und Nacht brennenden Lampe und unter Vorbehalt der pfarrlichen Rechte. Von diesem Zeitpunkt ab war demnach die neuerbaute Kirche für den Gottesdienst benutzbar. Die Bauarbeiten dauerten doch noch geraume Zeit, wie aus späteren Anmerkungen hervorging. Das Langhaus der Klosterkirche ist 12 m lang und 8 m breit. Der eingezogene Dreisechstelchor hat 7 auf 5 m. Wie bei den meisten Frauen-Klöstern ragt die Empore, auf der sich eine Orgel befand, sehr weit in das Schiff herein, abschließend mit einem feingeschnitzten Gitter. Drei Barockaltäre, eine schöne Kanzel im gleichen Stil und Stuckornamente von bester Form gereichen der Kirche zur Zierde. Der Hochaltar zeigt ein wertvolles Altarblatt des Gekreuzigten, dessen Körper fein und zart in hell und dunkel durchmodelliert ist; die Seitenaltäre sind aus naturfarbenem Holz, kraftvoll und sicher geschnitzt. Der Nebenaltar der Evangelienseite ist als Rosenkranzaltar gestaltet. Das Altarbild zeigt die Rosenkranzübergabe durch die Gottesmutter an den hl. Dominikus und an die hl. Katharina von Siena, eine der namhaftesten Vertreterinnen des weiblichen Ordens der Dominikanerinnen. Auf dem rechten Seitenaltar sieht man das Bildnis des hl. Thomas von Aquin. In der Klosterkirche sind ferner folgende Heilige auf Ölgemälden mit geschnitztem Barockrahmen dargestellt: Aus dem Jesuitenorden der hl. Aloisius und der hl. Stanislaus; aus dem Dominikanerorden über den Seitenaltären der hl. Petrus, Märtyrer und der hl. Vinzen Verrius, der selige Papst Benedikt XI. und Papst Pius V., weiter der hl. Peter Conzalez sowie der selige Heinrich Suso. Es ist dies das einzige Bildnis dieses Heiligen in unserer engeren Heimat Hohenzollern. Deckengemälde fehlen. Den Turm ersetzt ein Dachreiter, in dem sich zwei Glocken befanden, die im Kriege abgeliefert werden mußten. Unter der Kirche befindet sich eine Krypta, in der die Ordensfrauen bis zum Jahre 1771 ihre letzte Ruhestätte fanden. Seitenaltäre und Emporengitter werden J. G. Weckenmann zugeschrieben (Laur). Die Altarblätter der Seitenaltäre mit ihren Beziehungen auf den Ordensstifter stehen an Wert den Hochaltarbildern weit nach. Dafür ist dasjenige des linken Seitenaltares sowie die Bilder mit dem Namen des Künstlers. F. C. Lederer 1754 bezeichnet. Das Blatt des rechten Altares ist eine Kopie des ursprünglichen Bildes, das Hofmaler Bregenzer, Sigmaringen, anfertigte. Das Hochaltarbild restaurierte Maler Steidle, Sigmaringen. Eine Signatur des eigentlichen Künstlers wurde trotz genauer Untersuchungen nicht gefunden. Das dunkle, geschnitzte Gestühl in Chor und Schiff, das schöne Gitter, die Gewölbestukkaturen, die Fenster mit den Butzenscheiben ergeben einen Raum der Unberührtheit, von Stimmung und Formensprache, wie wir sie nicht oft in unserer Heimat finden. Durch den Kirchenbau geriet das Kloster in erhebliche Geldnot. Auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses, wurde auch das Kloster in Rangendingen aufgehoben und sein Besitz dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen zuerkannt. Die Chronik schreibt hierüber: „Anno 1804 wurde das hiesige Frauenkloster unter der Regierung seiner hochfürstlichen Durchlaucht Hermann Friedrich Otto aufgehoben, die Gerätschaften und Güter an In- und Auswärtige verkauft, die Kirche aber der hiesigen Bürgerschaft gnädigst überlassen. Die Klosterfrauen, so noch fünf waren, sind am 18. September durch einen Herrschaftswagen nach Stetten bei Hechingen in das dortige Beichtigerhaus abgeführt worden." Im Jahre 1807 er- warb die Gemeinde das Klostergebäude für 1600 fl. Ab 1813 diente es zur Unterbringung der Schule und der Lehrerwohnungen. Im mittleren Stockwerk war nach Auszug der Schule bis heute das Rathaus. Umbau und Renovierung des eigentlichen Klostergebäudes durch die Gemeinde Rangendingen wurde im vergangenen Jahre abgeschlossen. Ferner ist die Außenre- staurierung der Klosterkirche beendet, während die gründliche und stilechte Erneuerung des Innern noch auszuführen ist. 1 2 Fürstl. Hausarchiv R 78 F 1 Fürstl. Archiv R 78 F. 232 JOSEF MÜHLEBACH Die preußischen Regierungspräsidenten in HohenzoIIern Ein bedeutsamer Abschnitt in der Geschichte Hohenzollerns ist die Ära von 1850 bis 1945. Im Jahr 1849 haben Fürst Konstantin von Hohenzollern-Hechingen und Fürst Carl-Anton von Hohenzollern-Sigmaringen mit Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 ihre Fürstentümer an die Krone Preußens abgetreten. Die Abtretung ist am 1. April 1850 wirksam geworden. Damit begann die preußische Zeit für die beiden bis dahin - seit 1806 selbständigen Fürstentümer, jetzt zusammengeschlossen als „Hohenzollernsche Lande" in den Regierungsbezirk Sigmaringen. Aus verwaltungstechnischen und personellen Gründen konnte die preußische Verwaltungsorganisation in vollem Umfang nicht schon am 1. April 1850 in Kraft treten. Die beiden - vorher Fürstlichen - Regierungen blieben bis 1852 bestehen: in Hechingen unter dem Präsidenten Albert von Frank, in Sigmaringen unter dem Präsidenten Anton von Sallwürk (geb. 1806). Herr von Sallwürk hat 1850 die Schrift „Die Vereinigung der Fürstenthümer HohenzoIIern mit dem Königreich Preussen" herausgebracht. (Ein Sohn des Fürstlich Hohenzollernschen Regierungspräsidenten A. von Sallwürk, Ernst von Sallwürk, war Badischer Staatsrat und hochangesehener „letzter der bedeutenden Staatsmänner aus der Glanzzeit einer großzügigen, echt liberalen Schulleitung. - „Der Badische Staatsrat Ernst von Sallwürk." In Heft 3/1976 der Zeitschrift „Badische Heimat.") Neben oder besser gesagt über den beiden Übergangspräsidenten Albert von Frank und Anton von Sallwürk stand ab 1. April 1850 der Königlich Preußische Kommissarius als Regierungspräsident für Gesamt-Hohenzollern. Das Ende der preußischen Ära (1945) soll zum Anlaß genommen werden, in einer knappen Dokumentation eine Darstellung der preußischen Regierungspräsidenten zu versuchen, soweit die archivalischen Unterlagen eine solche Darstellung erlauben. Freiherr von Spiegel-Borlinghausen (1850 bis 1852) Adolf Karl Freiherr von Spiegel von und zu Peckelsheim aus dem Hause Borlinghausen (Kreis Warburg), dort am 1. November 1792 als Sohn eines Rittergutsbesitzers geboren, war der erste preußische Regierungspräsident in Sigmaringen. Seinen aktiven Militärdienst, in dem er sich gleichzeitig auf den Verwaltungsdienst vorbereitete, beendete er 1829 als Major. Nach erfolgreicher Ablegung des Landratsexamens wurde ihm 1831 die kommissarische Verwaltung des Kreises Paderborn übertragen, der die Ernennung zum Landrat zum 16. Januar 1832 folgte. Aber ehe er seine Fähigkeit zum Landrat richtig entfalten konnte, wurde er im März 1834 als Regierungspräsident nach Koblenz berufen. 1837 erfolgte seine Ernennung zum Regierungspräsidenten in Düsseldorf. 1849 wurde Freiherr von Spiegel-Borlinghausen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil er nach Meinung des Staatsministeriums im Revolutionsjahr 1848 nicht entschlossen genug aufgetreten war. Zum 1. April 1850 wurde er dann vom Preußischen Innenministerium als Königlicher Kommissarius und damit als Regierungspräsident für die Hohenzollerischen Lande nach Sigmaringen berufen. In dieser Eigenschaft vollzog er - als erste wichtige Handlung - am 6. April 1850 die Übernahme des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen und am 8. April 1850 die Übernahme des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen auf das Land Preußen. Aber erst 1852 wurden die beiden Regierungen in Hechingen und Sigmaringen, die auch nach der Übergabe bestanden hatten, aufgelöst. Dem Königlichen Kommissarius Freiherrn von Spiegel war nur eine kurze Tätigkeit in HohenzoIIern beschieden. Schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt erkrankte er so schwer, daß eine Vertretung bestellt werden mußte, die in Gestalt der Königlichen Immediatkommission die Amtsgeschäfte führte. Ihr gehörten an der letzte Hohenzollern-Sigmaringische Regierungspräsident Anton von Sallwürk als Vorsitzender und zwei preußische Beamte, Regierungsrat Beyer und Staatsanwalt Giesecke. Freiherr von Spiegel starb am 26. April 1852 im 60. Lebensjahr und wurde auf dem Hedinger Friedhof in Sigmaringen beigesetzt. Graf von Villers (1852 bis 1853) Nachfolger des Freiherrn von Spiegel-Borlinghausen als Königlicher Kommissarius und Regierungspräsident war ab 1852 Marquis Ludwig Viktor von Villers, Graf von Grinocourt. Mit seinem Amtsantritt wurde die Immediatkommission aufgelöst. Unter diesem zweiten preußischen Regierungspräsidenten wurde 1852 die Frage des Regierungssitzes endgültig entschieden. Maßgebend für die Entscheidung war die Wohnungsfrage: Sigmaringen konnte - im Gegensatz zu Hechingen - die erforderlichen Wohnungen für die Dienstkräfte der Regierung zur Verfügung stellen. Graf von Villers blieb nur kurze Zeit im Amt. Schon 1853 verließ er Sigmaringen, um zunächst als stellvertretender Regierungspräsident bei der Regierung Minden, ab 1862 ebenfalls als stellvertretender Regierungspräsident bei der Regierung Koblenz und von 1875 bis 1881 als Regierungspräsident in Frankfurt/ Oder zu wirken. Dort ist Marquis Ludwig Viktor von Villers am 3. April 1881 gestorben. Robert von Sydow (1853 bis 1859) Herr Robert von Sydow, Wirklicher Geheimer Rat und Gesandter bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, war Regierungspräsident in Sigmaringen vom 18. Mai 1853 bis 26. März 1859. In seine Amtszeit fiel eine besondere diplomatische Mission in einem außenpolitischen Streitfall, der bei aller Geringfügigkeit beinahe einen Krieg ausgelöst hätte. Es ging um die Auseinandersetzung zwischen dem Preußischen Könighaus und der Schweizerischen Eidgenossenschaft in der Neuenburger Frage. Der Kanton Neuenburg, auch Neuchatel genannt, 9 war 1707 durch verwandtschaftliche Beziehungen an das Preußische Königshaus gefallen. Als Preußen der Schweiz gegenüber seine Rechte an Neuenburg geltend machte, wehrte sich die Schweiz, und nur dem diplomatischen Geschick des Herrn von Sydow, der Gesandter bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft war, war es zu danken, daß die Streitfrage durch einen gütlichen Vergleich beigelegt wurde: Preußen verzichtete auf seine Rechte an Neuenburg. Im übrigen hatte Herr von Sydow in seiner sechs Jahre währenden Tätigkeit in Hohenzollern als Regierungspräsident mehr als seine nur kurzfristig amtierenden Vorgänger Gelegenheit, sich die Wertschätzung der hohenzollerischen Bevölkerung zu erwerben. In seiner weiteren dienstlichen Laufbahn war er ab 1859 Königlich Preußischer Kammerherr beim Preußischen Staatsministerium und Preußischer Gesandter in Kassel, ab 1861 Wirklicher Geheimer Rat und Bevollmächtigter Minister beim Bundestag in Frankfurt, ab 1868 Mitglied des Preußischen Herrenhauses, ab 1873 Landrat in Görlitz im Regierungsbezirk Liegnitz. Zuletzt war Robert von Sydow ab 1878 Verwaltungsgerichtsdirektor bei der Regierung in Liegnitz in Niederschlesien. Seydel (1859 bis 1862) Dem Herrn Robert von Sydow folgte im Jahre 1859 als Regierungspräsident Herr Seydel. Er ist, Sohn einer alten Beamtenfamilie, in Berlin geboren und war vor seiner Berufung nach Hohenzollern in verschiedenen höheren Beamtenstellen, zuletzt als Geheimer Oberfinanzrat beim Preußischen Ministerium der Finanzen tätig. Gleichzeitig war er Mitglied der Centrai-Kommission für die Angelegenheiten der Rentenbanken beim Preußischen Landwirtschaftsministerium in Berlin. Im Jahre 1848 hat er der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt/Main angehört. Im März 1859 wurde Herr Seydel zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er hat sich aber als Berliner offensichtlich in der provinziellen Kleinstadt nicht heimisch gefühlt. Er wirkte hier nur drei Jahre - bis zum Frühjahr 1862. In seiner Geburts- und Heimatstadt wurde Herr Seydel im April 1862 vom Magistrat der Stadt Berlin mit 74 von 91 Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt. Seine Tätigkeit als Oberbürgermeister endete im Jahre 1870. Die Geschäfte der Regierung Sigmaringen führte vom Frühjahr 1862 bis Juli 1863 Regierungsrat Hermann Graaf als stellvertretender Regierungspräsident. Herr von Blumenthal (1863 bis 1874) Herr von Blumenthal, geboren um 1803 in Potsdam, ist nach Abschluß seines juristischen Studiums am 27. März als Auskultator in den Staatsdienst eingetreten. 1831 war er Kammergerichtsassessor und ab 1832 Regierungsassessor. Von 1833 ab war er als Regierungsrat bei den Regierungen Cöslin und Königsberg, von 1835 ab als Oberregierungsrat und Abteilungsdezernent bei der Regierung Königsberg beschäftigt. Im Jahre 1841 wurde Herr von Blumenthal zum Präsidenten der Regierung Danzig ernannt. Am 1. Juli 1863 hat er das Amt des Regierungspräsidenten in Sigmaringen angetreten. In der AntrittsBekanntmachung (Reg. Amtsblatt Sigmaringen Nr. 27/ 1863) schreibt von Blumenthal: „Ich verspreche, mein Amt zu verwalten in unverbrüchlicher Treue gegen unsern Allergnädigsten König und Herrn, mit gewissenhafter Beobachtung der Verfassung und der übrigen bestehenden Gesetze, Gerechtigkeit und Wohlwollen zu üben, und mir das Wohl des Bezirks nach Kräften angelegen sein zu lassen." Präsident von Blumenthal wirkte in FIohenzollern erfolgreich bis zu seiner Zurruhesetzung Ende September 1874 - nach einer Dienstzeit im Staatsdienst 10 von nahezu 48 Jahren. Bei seinem Eintritt in den Ruhestand verlegte er seinen Wohnsitz von Sigmaringen nach Potsdam. Hermann Graaf (1874 bis 1887) Nachfolger des Herrn von Blumenthal als Regierungspräsident war Johann Hermann Graaf, geboren am 2. November 1811. Nach Beendigung des juristischen Studiums ist er am 8. November 1833 als Oberlandesgerichts-Auskultator in den Staatsdienst eingetreten. Ab 1839 war er Gerichtsassessor, ab 1843 Regierungsassessor und ab 1847 bei der Regierung Marienwerder Regierungsrat. Im Jahre 1853 wurde er als Regierungsrat an die Regierung Sigmaringen versetzt. Von 1862 an war Hermann Graaf stellvertretender Regierungspräsident. Im Jahre 1864, nach zehneinhalbjähriger Wirksamkeit in Hohenzollern, erfolgte seine Ernennung zum Oberregierungsrat unter Berufung zum Dezernenten der Finanzabteilung bei der Regierung Bromberg. Zum 26. Oktober 1874 wurde H. Graaf vorläufig, zum 15. Dezember 1874 endgültig zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er bekleidete dieses Amt bis zu seiner von ihm selbst beantragten Zurruhesetzung am 30. April 1887. Bei seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhielt Hermann Graaf wegen seiner hohen Verdienste den Titel „Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat" mit dem Rang eines Rates Erster Klasse. Kurz vor seinem Wegzug nach Münster in Westfalen veröffentlichte er, zuletzt mit dem Ehrenbürgerrecht der Stadt Sigmaringen ausgezeichnet, in Hohenzollerischen Tageszeitungen einen Abschiedsgruß an die Bevölkerung Hohenzollerns, in dem es unter anderem heißt: „Ich nehme einen unauslöschlichen, wohltuenden Eindruck von meinem in dienstlicher Beziehung hier niemals getrübten Aufenthalt von nahezu 24 Jahren mit in den Ruhestand, in den Abend meines Lebens." H. Graaf ist am 2. März 1891 in Münster gestorben. Freiherr Adolf Frank von Fürstenwerth (1887 bis 1893) Gustav Adolf Freiherr Frank von Fürstenwerth, Sproß einer hochangesehenen Hechinger Familie, ist am 16. April 1833 geboren. Er war der einzige Regierungspräsident, der aus Hohenzollern stammte. Auch er ist wie sein Vorgänger nach Abschluß des juristischen Studiums (1856) als Auskultator in den Staatsdienst eingetreten. (Der Auskultator wurde 1869 vom Referendar abgelöst). Im Jahre 1862 erfolgte, nachdem Freiherr von Frank die zweite Staatsprüfung mit Auszeichnung bestanden hatte, seine Ernennung zum Regierungsassessor bei der Regierung Frankfurt/Oder, er war dann ein Jahr bei der Bundestags-Gesandtschaft in Frankfurt/Main, dann bei der Regierung Bromberg und später bei der Regierung Stettin tätig. In dieser Zeit hat er sich auch als Soldat bewährt und 1864 am Sturm auf die Düppeler Schanzen teilgenommen. 1868 wurde er kommissarisch und 1869 endgültig zum Oberamtmann in Hechingen ernannt. 1877 schied Freiherr von Frank in Hechingen aus, um als Regierungsrat eine Stelle bei der Regierung Breslau anzutreten. Der Tätigkeit in Breslau folgte 1879 eine solche beim Oberpräsidium in Schleswig. Nach seiner Ernennung zum Oberregierungsrat wurde dem Freiherrn von Frank die Direktion der Abteilung des Inneren bei der Regierung in Schleswig übertragen. Vom 6. Mai 1887 bis Ende 1893 war er Regierungspräsident in Hohenzollern. Auf Drängen nationaler Kreise ließ er sich trotz gesundheitlicher Behinderung 1893 als Hohenzollerischer Kandidat für den Reichstag aufstellen, nachdem er schon 1869 als einer der beiden hohenzollerischen Vertreter in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt worden war. Freiherr Adolf Frank von Fürstenwerth ist am 6. Dezember 1893 in Hechingen gestorben. Die Nachrufe für ihn rühmen seine hohe Befähigung, seine charakterlichen Vorzüge, seine Energie und seine nie ermüdende Initiative, Eigenschaften, die auch andere Mitglieder der Familie vor ihm in hohe Stellungen, u. a. als Kanzler und Regierungspräsident im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, ausgezeichnet hatten. Franz von Schwartz (1894 bis 1898) Franz Albert Maria Schwartz ist als Sohn des Majors im Generalstab Albert Schwartz am 18. Januar 1839 in Münster in Westfalen geboren. Der Vater Albert Schwartz hatte sich bei der Belagerung von Metz im deutsch-französischen Krieg 1870/71 besondere Verdienste erworben und ist dafür geadelt worden. Nach Beendigung des juristischen Studiums, dem er sich an den Universitäten Berlin und Heidelberg widmete, war Franz von Schwartz wie folgt tätig: als Auskultator ab 1861 bei der Regierung Magdeburg, als Regierungsassessor ebenfalls in Magdeburg ab 1866, als Assessor ab 1867 bei der Regierung Königsberg, ab 1868 bei der Regierung Gumbinnen, 1869 bis 1872 bei der Regierung Sigmaringen, dann ab 1873 zunächst ebenfalls als Assessor und ab 1876 als Regierungsrat bei der Regierung Merseburg, ab 1877 als solcher bei der Regierung Magdeburg, ab 1889 als Oberregierungsrat bei der Regierung Wiesbaden und ab 1891 als Verwaltungsgerichtsdirektor und stellvertretender Regierungspräsident in Stettin. Zum 20. April 1894 wurde Franz von Schwartz zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Er blieb in dieser Stellung bis zu seiner von ihm selbst beantragten Zurruhesetzung Ende Februar 1898. Beim Eintritt in den Ruhestand fanden seine hohen Verdienste im Wirken um das öffentliche Wohl und seine vorbildlichen Charaktereigenschaften gebührende Anerkennung. Karl von Oertzen (1898 bis 1899) Karl Friedrich von Oertzen, Sohn des Großherzoglich Mecklenburgischen Staatsministers von Oertzen, ist am 22. Januar 1844 geboren. Nach seinem juristischen Studium trat er im November 1867 als Gerichtsauskultator in den preußischen Staatsdienst ein. Vom Oktober 1873 an war er als Gerichtsassessor in den Bezirken der damaligen Appelationsgerichte zu Breslau und Frankfurt/ Oder beschäftigt. Von Juli 1875 bis März 1879 stand er im Dienst des Auswärtigen Amtes und zwar beim Generalkonsulat in London und beim Konsulat in Konstantinopel. Ab 1877 während des Russisch-Türkischen Krieges war er Verwalter des Konsulats Rustschuk. Nach Ernennung zum Regierungsrat im Jahre 1882 war Karl von Oertzen Landrat in Grevenbroich, ab 1889 Landrat in Hannover. 1895 schied er, freiwillig, aus dem Staatsdienst aus, um Kabinettsminister im Fürstentum LippeDetmold zu werden. Er blieb in dieser Stellung nur bis 1898. Auf seine Bewerbung wurde Karl von Oertzen nach Wiedereintritt in den preußischen Staatsdienst vom Innenministerium zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Seine Tätigkeit in Hohenzollern endete schon im folgenden Jahr, bevor er sein Amt zur vollen Entfaltung bringen konnte. Auf seinen Antrag wurde Karl von Oertzen mit Kabinetts-Order vom 16. November 1899 als Regierungspräsident an die Regierung Lüneburg versetzt. Der aktive Dienst des Regierungspräsidenten von Oertzen in Lüneburg endete mit dessen Zurruhesetzung im Jahre 1909. Franz Graf von Brühl (1899 bis 1919) Franz Graf von Brühl ist am 1. November 1852 in Pforten, Kreis Sorau, Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, geboren. Nach dem im Oktober 1875 abgelegten ersten ju- ristischen Staatsexamen war er zunächst als Referendar bei Staats- und Gerichtsbehörden beschäftigt, leistete zwischenzeitlich seinen Militärdienst ab und bestand 1882 die große juristische Staatsprüfung. Anschließend war er beim Amtsgericht Forst, Regierungsbezirk Frankfurt/Oder, als Gerichtsassessor beschäftigt. Zum 1. Juli 1883 wurde ihm die kommissarische Verwaltung des Oberamts Gammertingen übertragen. Seine endgültige Ernennung zum Oberamtmann in Gammertingen erfolgte zum 1. April 1884. Zum 1. Februar 1885 wurde Graf von Brühl zum kommissarischen Landrat des Kreises Daun im Regierungsbezirk Trier berufen. Endgültig zum Landrat in Daun ernannt wurde er im Oktober 1886. Im März 1889 wurde er Landrat des Kreises Koblenz und zugleich Polizeidirektor der Stadt Koblenz. Am 1. Mai 1896 kam er als Verwaltungsgerichtsdirektor und stellvertretender Regierungspräsident zur Preußischen Regierung in Sigmaringen. Nach seiner endgültigen Ernennung zum Regierungspräsidenten leitete er die Geschäfte der Preußischen Regierung in Sigmaringen vom 14. November 1889 bis 30. September 1919. Unter allen Regierungspräsidenten in Sigmaringen hat Graf von Brühl die längste Dienstzeit aufzuweisen. In seiner sehr erfolgreichen Tätigkeit widmete er sich allen förderungswürdigen Anliegen des Regierungsbezirkes; großes Interesse wandte er der Landwirtschaft zu, die nach den Ablösungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf besondere Hilfe angewiesen war. Graf von Brühl verbrachte seinen Ruhestand in Freiburg, wo er am 28. Januar 1928 gestorben ist. Eine Tochter des Grafen von Brühl lebt als Ärztin in Freiburg. Dr. Emil Beizer (1919 bis 1926) Emil Beizer ist am 18. März 1860 in Baden-Baden geboren. Die Ahnen der Familie Beizer (Belser) stammen aus Gruol. Nach seiner juristischen Ausbildung war er ab 1892 Gerichtsassessor in Haiger loch und Hechingen, ab 1895 Amtsrichter in Sigmaringen. Der temperamentvolle, tüchtige, gewandte und anpassungsfähige Badener aus der Weltkurstadt verstand es, bald die Sympathie der hohenzollerischen Bevölkerung zu gewinnen. 1899 wurde Dr. Beizer zum ersten Mal in den hohenzollerischen Kommunallandtag gewählt. Von 1902 bis 1918 war er ununterbrochen stellvertretender Vorsitzender des Kommunallandtages und Landesausschusses. Am 18. November 1918 übernahm er die Führung der laufenden Geschäfte beim Landeskommunalverband der Hohenzollerischen Lande. Am 26. April 1919 wurde er vom Kommunallandtag zum Vorsitzenden gewählt. Dr. Beizer, ein gewandter Redner und Parlamentarier, hat als Zentrumspolitiker von 1903 bis 1913 dem preußischen Landtag, von 1906 bis 1918 dem deutschen Reichstag, 1919 der verfassunggebenden preußischen Landesversammlung und von 1922 an dem preußischen Staatsrat als Vertreter der Hohenzollerischen Lande angehört. Zum 1. Oktober 1919 wurde er vom Preußischen Minister des Inneren zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt. Als Jurist und Parlamentarier mit reichen, umfassenden Erfahrungen und als gründlicher Kenner der hohenzollerischen Verhältnisse konnte er besonders erfolgreich für Hohenzollern wirken. Als erster Beamter des Regierungsbezirks betrachtete er sich immer nur als Diener des Volkes. Als profilierter Zentrumspolitiker bekannte sich Dr. Beizer seinen Beamten und der Bevölkerung gegenüber als entscheidener Verfechter freiheitlicher Gesinnung. In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg war Dr. Beizer im schwäbischen Raum eine der ersten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der in ihren persönlichen Überlegungen die Bildung eines überregionalen Staatsgebietes „Großschwaben" vorschwebte. Dr. Beizer ist, hochgell ehrt, am 31. März 1926 als Regierungspräsident in den Ruhestand getreten und am 18. September 1930 in Sigmaringen gestorben. Alfons Scherer (1926 bis 1931) Alfons Scherer, in Straßburg geboren am 10. August 1885, stand nach Ablegung der beiden juristischen Staatsprüfungen von 1913 bis 1917 als Regierungsassessor im elsäßisch-lothringischen Landesdienst. Im Mai 1917 wurde er, 32 Jahre alt, zum Bürgermeister in Schlettstadt gewählt. Nach dem ersten Weltkrieg, aus Elsaß-Lothringen vertrieben, war er zunächst in der Reichsfinanzverwaltung tätig, aus der er am 1. Mai 1920 in die preußische Staatsverwaltung als Regierungsrat übertrat. Am 10. Juli 1922 wurde er im preußischen Staatsdienst zum Oberregierungsrat und am 1. April 1923 zum Regierungsdirektor ernannt. Im November 1923 wurde A. Scherer dem stellvertretenden Regierungspräsidenten für Wiesbaden in Frankfurt/Main zur vorübergehenden Verwendung zugeteilt. Zum 1. September 1924 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsvizepräsident bei der Regierung Wiesbaden und zum 1. Mai 1926 seine Ernennung zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen. Fünfeinhalb Jahre lang leitete Präsident Scherer die Regierungsgeschäfte in Hohenzollern. Er rechtfertigte in dieser Zeit seinen Ruf als außerordentlich tüchtiger Beamter. Unermüdliche Arbeitskraft, Energie und Gewissenhaftigkeit waren ihm in hohem Maße eigen. Die Angelegenheiten und Anliegen der hohenzollerischen Bevölkerung fanden in ihm einen eifrigen Sachwalter und erfolgreichen Förderer. Klar ausgeprägt waren seine Gesinnung und Haltung als überzeugter Demokrat. Die Dienstzeit des Präsidenten Scherer endete am 31. August 1931 mit dessen vorläufiger Versetzung in den Ruhestand. Im Jahre 1933 wurde A. Scherer, eben wegen seiner demokratischen Haltung, unter dem Nationalsozialismus in den dauernden Ruhestand versetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg fand er im Jahre 1945 kurzfristig Verwendung als Leiter der Spruchkammer für das Säuberungsverfahren in Rüdesheim. Seine konzilianten Entscheidungen aber nahm die amerikanische Besatzungsbehörde zum Anlaß, ihn von dieser Stelle abzuberufen. Regierungspräsident Scherer lebte dann seinen schriftstellerischen Neigungen bis zu seinem Tod am 3. März 1964. Dr. für. Heinrich Brand (1931 bis 1933) Als Sohn eines Kaufmanns ist Heinrich Brand am 9. Juli 1887 in Wesel am Niederrhein geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften, das er mit dem Referendar- und Assessorexamen und mit der Promotion abschloß, sowie nach dem Kriegsdienst während des ersten Weltkrieges, zu dem er sich freiwillig gemeldet hat, wurde er 1920 Regierungsassessor bei der Regierung Düsseldorf. Der kurzfristigen Tätigkeit in Düsseldorf folgte seine Berufung ins Preußische Ministerium des Inneren in Berlin als Hilfsarbeiter der Personalabteilung. 1921 wurde er Regierungsrat, 1923 Ministerialrat, 1926 Ministerialdirigent und 1927 Ministerialdirektor. Zum 1. Oktober 1931 wurde ihm die Stelle des Regierungspräsidenten in Sigmaringen übertragen. Durch seine praktische Arbeit, die der Förderung von Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie galt, ebenso durch die von ihm mit großer Tatkraft betriebene Organisation des Winterhilfswerkes des deutschen Volkes errang Dr. Brand in kurzer Zeit die ungeteilte Achtung und das Vertrauen der Bevölkerung der Hohenzollerischen Lande. Umso größer war die Bestürzung, als Dr. Brand im Februar 1933, also kurz nach der Machtergreifung durch Hitler - 30. Januar 1933 - vom Preußischen Staatsministerium in den 12 einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Die endgültige Zurruhesetzung erfolgte zum 31. Dezember 1933. Allen Bemühungen aus dem Volk, die Maßnahme gegen Dr. Brand rückgängig zu machen, blieb der Erfolg versagt. Dr. Brand wurde ein Opfer seiner politischen Haltung und Überzeugung. Nach dem zweiten Weltkrieg hat, Mitte Februar 1950, Bundeskanzler Dr. Adenauer Dr. Heinrich Brand mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bundespresseamtes beauftragt. Dieses Amt hat die Aufgabe, die Verbindung zwischen der Bundesregierung und der Presse und damit der deutschen und der Weltöffentlichkeit herzustellen. Dr. Brand schied aber schon im November auf seinen Wunsch aus dem Bundespresseamt wieder aus und wurde, ebenfalls auf seinen Wunsch wieder eine Verwaltungsaufgabe übernehmen zu wollen, zum 15. Dezember 1950 zum Regierungspräsidenten in Aachen ernannt. H. Brand ist 1953 in den Ruhestand getreten und nach langer Krankheit am 28. Januar 1971 im Alter von 83 Jahren gestorben. Dr. für. Carl Simons (1931 bis 1939) Carl Simons ist am 30. Januar 1877 in Neuß, Regierungsbezirk Düsseldorf, geboren. Dem Besuch des Gymnasiums in Bonn folgte das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg, Berlin und Bonn. 1901 legte C. Simons die erste, 1907 die große juristische Staatsprüfung ab. Am ersten Weltkrieg nahm er als Rittmeister der Reserve das Dragoner-Regiments 14 teil. 1917 wurde er reklamiert und zum Landrat des EifelMosel-Kreises Wittlich ernannt. Mit seiner Familie 1923 von der französischen Besatzungsbehörde ausgewiesen, kam Dr. Simons nach kurzfristigen Beschäftigungen bei preußischen Regierungen als Oberregierungsrat an das Oberpräsidium in Kassel. Zum 27. Februar 1933 erhielt er vom Preußischen Minister des Inneren die kommissarische Verwaltung der Stelle des Regierungspräsidenten in Sigmaringen übertragen. Die endgültige Ernennung zum Regierungspräsidenten erfolgte Anfang Juni 1933. Dr. Simons hat während seiner Dienstzeit in Sigmaringen sehr erfolgreich für die Hohenzollerischen Lande gewirkt. Besonders tatkräftig hat er sich für die Förderung des Handels und Gewerbes, ebenso aber auch für die Landwirtschaft eingesetzt. Bei den zuständigen Berliner Dienststellen hat er in diesem Streben bedeutungsvolle Förderungsmaßnahmen erwirken können. Ende Juli 1939 ist Dr. Simons auf seinen Antrag, der auf seine innere Ablehnung des nationalsozialistischen Systems zurückging, in den Ruhestand versetzt worden. Er starb, 83 Jahre alt, am 20. November 1960 in Wiesbaden. Dr. jur. Hermann Darsen (1940 bis 1941) Hermann Darsen ist als Sohn des Konter-Admirals Z. D. Karl Darsen am 14. Januar 1892 in Charlottenburg geboren. Das Studium der Rechtswissenschaft schloß er mit dem Referendarexamen 1912 und mit der Assessorprüfung 1920 ab. Am ersten Weltkrieg nahm er als Frontsoldat teil. Aus seiner dienstlichen Laufbahn seien folgende Daten angeführt: 1912 bis 1920 Referendar bei mehreren Amtsgerichten und Regierungsstellen, 1920 bis 1921 Regierungsassessor bei zwei staatlichen Dienststellen, 1. Oktober 1921 Regierungsrat bei der Freien Stadt Danzig, Mai 1926 Regierungsrat beim Polizeipräsidium Danzig, November 1927 Regierungsrat beim Senat der Stadt Danzig, Mai 1934 Oberregierungsrat beim Oberpräsidium Koblenz, Mai 1935 Oberregierungsrat beim Oberpräsidium Magdeburg, 1936 Vizepräsident bei der Regierung Merseburg, 1938 Vizepräsident beim Oberpräsidium Stettin. Zum 1. August 1940 ist Dr. Darsen zum Regierungspräsidenten in Sigmaringen ernannt worden. Es war ihm hier nur eine kurze Amtstätigkeit be- schieden. Schon am 31. Juli 1941 ist er in Sigmaringen gestorben. Im Nachruf der Regierung Sigmaringen ist über sein Wirken als Regierungspräsident ausgeführt: „Am 31. Juli 1941 verschied nach schwerer Krankheit infolge eines Herzschlages Herr Regierungspräsident SSOberführer Dr. Hermann Darsen im Alter von 49 Jahren. In tiefer Trauer und Anteilnahme mit den Hinterbliebenen steht die Gefolgschaft der Regierung und der ihr nachgeordneten Behörden an der Bahre dieses als Mensch und Beamter hervorragenden Mannes. In der kurzen Zeit seiner Amtstätigkeit als Präsident der Regierung Sigmaringen hat er es ebenso wie an allen Orten, in denen er früher dienstlich tätig war, verstanden, bei seinen Mitarbeitern wie in der Bevölkerung sich Achtung und Liebe zu erringen. Daß es ihm durch seine schwere Krankheit nicht vergönnt war, seine großen Fähigkeiten zum Wohle unseres Bezirkes in vollem Maße einzusetzen und daß der Tod schon so früh die Arbeit dieses hervorragenden Mannes beendet hat, erfüllt uns alle mit großer Trauer. Wir werden seiner stets in treuer Anhänglichkeit gedenken." Wilhelm Dreher (1942 bis 1945) Wilhelm Dreher ist am 10. Januar 1892 in Ay an der Iiier (bei Neu-Ulm) geboren. Nach der Ausbildung für einen handwerklichen Beruf trat er 1910 in die Kriegsmarine ein. Zweieinhalb Jahre gehörte er dem Kreuzgeschwader Ostasien an. Anschließend war er in eine Torpedoschule eingegliedert; während des Weltkrieges 1914/1918 war er ununterbrochen im Einsatz auf Fernfahrten. Als Aktivist der damaligen politischen Bewegung in den zwanziger Jahren wurde W. Dreher 1928 Mitglied des Reichstages als Vertreter der NSDAP. 1933 wurde er Ehrenbürger, Ratsherr und Polizeidirektor der Stadt Ulm. Zum 30. Januar 1942 wurde SS-Brigadeführer W. Dreher vom Führer Adolf Hitler zum kommissarischen Regierungspräsidenten in Hohenzollern ernannt. Seine endgültige Ernennung erfolgte zum 1. Oktober 1942. Gleichzeitig war er aufgrund der damaligen Verwaltungsgesetzgebung Leiter des Hohenzollerischen Landeskommunalverbandes. Die dienstliche Tätigkeit des Präsidenten Dreher, der 1944 nach Abberufung des Landesdirektors Karl Maier auch die laufenden Geschäfte beim Landeskommunalverband übernommen hatte, stand unter den Zeichen und Auswirkungen der Endphase des Dritten Reiches und zweiten Weltkrieges. Sie endete praktisch mit dem Einmarsch französischer Truppen (in Sigmaringen am 22. April 1945). Hohenzollern wurde unmittelbar nach dem Einmarsch Teil der französischen Besatzungszone. Im Juli 1945 wurde - übergangsweise - von der französischen Militärregierung, in deren Hand sich die gesamte Regierungsgewalt befand, ein „Präsident von Hohenzollern" (Klemens Moser) ernannt. Gleichzeitig wurde aber von französischer Seite klargestellt, daß die in Tübingen neugebildete Landesverwaltung für Württemberg auch für den preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen zuständig sei. Die französische Militärregierung veranlaßte dann die Aufnahme des „Präsidenten von Hohenzollern" in das am 16. Oktober eingerichtete Staatssekretariat für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns. Damit war Hohenzollern verwaltungsmäßig an Südwürttemberg angeschlossen. Am 15. März 1946 wurde durch Rechtsordnung des Staatssekretariats die Behörde des Regierungspräsidenten in Sigmaringen förmlich aufgehoben. Schrifttum 1. Akten des Staatsarchives Sigmaringen. V i e l f a c h sind die Akten beim Wegzug v o n Regierungspräsidenten an deren neue Dienststelle abgegeben worden. Sie sind daher heute nicht mehr greifbar. 2. Amtsblatt der Preußischen Regierung Sigmaringen v o n 1852 bis 1944. 3. Tagesnachrichten in hohenzollerischen Tageszeitungen. 4. Walter Sauter: „Die Regierungspräsidenten in H o h e n z o l lern". Donau-Bodensee Zeitung N r . 251, 254, 255, 277 / 1942. J O H A N N ADAM KRAUS U r k u n d e z u m Grosselfinger Narrengericht Bei den verschiedenen Beschreibungen des Grosselfinger Narrengerichts (aufgezählt in der Hohenz. Bibliographie Nr. 3987-4001) hat man bisher immer die Formen und Teile dieses heimatverbundenen Fastnachtsspiels finden können, aber niemals eine handfeste, über alle Zweifel erhabene Urkunde, wie schon in Hohenzollerische Heimat 1962, 42-43 geklagt wurde. Da sich im Laufe der Zeit das Spiel immer wieder änderte und neue Elemente der Narretei aufnahm, hat man keinen Wert darauf gelegt, frühere Urkunden aufzubewahren. Besonders bedauerlich ist dies bei der Urkunde vom 16. Februar 1605. Endlich hat nun Herr Hans Landenberger, Grosselfingen, der über das Spiel im Jahr 1977 ein 30seitiges bebildertes Heft bei A. Conzelmann, Bisingen, herausgab, auch eine Ablichtung einer wirklichen Urkunde aus dem Jahr 1706 des damaligen Pfarrers mir zugestellt, die zwar nicht das Spiel beschreibt, aber imstande ist, alle etwaigen Zweifel über die Echtheit des Narrengerichts zu zerstreuen: Lectori salutem plurimam! Demnach, daß durch ohngemeinen Eifer (das) allhiesige Narren-Gericht zu Grosselfingen, hohenzollerischem Marktflecken, drey sonderbare guethe Werkh zue hegster Ehre Gottes (zue Nachfolg eines ieden Christgläubigen Menschen) zue Heil und Wohlfahrth aller Lebendi- gen und Abgestorbenen fundiert und gestiftet (hat), als: Erstlich: mit Uebergebung in paratis pecuniis Capital 14 fl (Gulden) dem alhiesigen Gotteshauß vor ein Jahrdag die Lunae post domincam Sexagesimae fir alle Incorporierte, lebendige und abgestorbene Mitglieder allhiesigen Narrengerichts cum oblatione sub sacro de Requiem a parocho loci zum halten. Secundo: auß ihrem eigenen Costen pro pia memoria ein Creuz vor dem Berg zue Gedächtnus Jesu Christi, der daran für uns alle gelitten und gestorben, daran (uns) erlöset, aufgericht (haben). Tertio: Ein Todtenfahnen, allen Abgestorbenen zum Grab vorzutragen, in das Gotteshaus vermachet. Also ist ihnen a parocho Loci juxta veteram et immemorialem consuetudinem ad recognitionem pro renovatione versprochen und zuegesagt worden pro die Mercurii Cinerum ad oblationem soviele leichte Heller, als (es) Narren dies allhiesigen Narrengerichts (sambt ihren Eefrauen damit eingeschlossen), doch mit dieser Clausula und Anhang, daß, so Herr Pfarrer dis Orts iuxta morem antiquum auf Fasnachtszeith bei den Narren und von den Narren bey ihrem hochen und großen Gerichtstag sollt ahngeklagt und umb ein Straf angezogen werden (wie groß und hoch sie immer were) Er (der Herr Pfarrer) sich mit diesem obbeditten leichten Hellern redemieren, lösen, frey, ledig u. los machen khan, damit alle Straf 13 todt und ab sein soll und die Narren ahn ihm keine weitere pärtention haben sollen. Letztens ist ahnbei zu merkhen, daß allhiesiges Narrengericht obligat und schuldig (sey), ehe sie ihren großen Johrdag halten, bevohr von dem Pfarrer dis Orts gebührendermaßen Lizenz und Erlaubnus begehren sollen. Zue Urkundt dessen bezeuget, underschrieben mit eigener Hand und Bettscchaft Datum Grosselfingen, den 9 ten Tag des Monats Februarii 1706. Joannes Georgius Sehr, Cammerarius et parochus ibidem. (Siegel) (Später:) Joannes Martinus Konig, ss. Theol. Examinatus et approbatus, parochus loci 19. Februar 1740 (Siegel) (Später:) Joannes Bapt. Jacobus Hochschilt, jur utriusque cand. paroch. loci, 12. Febr. 1741. In heutigem Deutsch der Inhalt: Der Pfarrer Johann Gg. Sehr von Grosselfingen beurkundet am 9. Februar 1706: Das Narrengericht daselbst habe drei besondere gute Werke zur Ehre Gottes vollbracht: l ) M i t baren 17 Gulden in die Pfarrkirche auf Montag vor Fastnachtssonntag für alle lebenden und verstorbenen Mitglieder der Vereinigung eine Totenmesse mit Opfergang gestiftet. 2) Auf eigene Kosten vor dem Berg ein Feldkreuz errichtet. 3) Eine kirchliche Totenfahne für die Beerdigungen angeschafft. Dafür habe er als Ortspfarrer nach alter unvordenklicher Gewohnheit zur Anerkennung und ihrer Ergötzung auf den Aschermittwoch so viele leichte Heller als Gabe zugesagt, als das Narrengericht Mitglieder einschließlich der Ehefrauen zähle. Dies gelte mit dem Vorbehalt, daß der Pfarrer nach altem Brauch, falls er von den Narren bei ihrem großen Gerichtstag in große oder niedere Strafe geraten sollte, dann soll er mit den besagten leichten Hellern davon frei gekauft sein und aller Strafe enthoben bleiben. Endlich ist das Narrengericht verpflichtet, beim Pfarrer die Genehmigung zu ihrem großen Jahrtag einzuholen. Diese Abmachung erneuerte 1740 der Ortsgeistliche Johann Martin König und 1741 der Nachfolger Joh. Jak. Hochschilt. Man sieht aus dem Schriftstück von 1706 unschwer, die alte Überlieferung des Narrengerichts, wenn auch immer wieder Änderungen und Erweiterungen vorkamen, wie es bei einem Organismus eigentlich nicht verwunderlich ist. Eine genaue Jahreszahl der Entstehung ist freilich zu ersehen. Ganz klar tritt der kirchliche Charakter, bzw. die Bindung an die Kirche hervor, was erklären kann, warum in den zollerischen Strafprotokollen bisher kein Eintrag über etwaige Mißbräuche zu finden war. Die Grosselfinger Pfarrer haben offenbar den Volksbrauch fest in den Händen behalten. Auffällig bleibt das Fehlen des Krauthafens mit Speck, der vom Geistlichen zu liefern ist. Es scheint ihm die Lieferung der „leichten Heller" an die Narrengesellschaft vorausgegangen zu sein, die ja der Pfarrer aus dem Opfergang der Gemeinde entnehmen konnte. Bei Geldknappheit jedoch mag er lieber auf Erzeugnisse seiner eigenen Landwirtschaft zurückgegriffen haben! Wichtig bleibt anzumerken: Der Herr Pfarrer Sehr von 1706 war ein Grosselfinger Pfarrkind, geboren laut Visitationsbericht ums Jahr 1647 am Orte selbst und seit 1674 hier tätig. Somit hatte er einen guten Uberblick über seine Gemeinde (die 1706 nur 400 Erwachsene [über 14 Jahre] zählte) und konnte aus eigener Erfahrung und der Ortsüberlieferung schreiben, das Narrengericht bestehe seit unfürdenklichen Zeiten! Diese historische Tatsache stellt die Forschung endlich auf festen Grund, mögen auch Einzelheiten gewechselt haben, wenn das Spiel immer gegenwartsbezogen bleiben sollte. Da im Jahre 1612 neben dem Kirchenpatron S. Hubertus auch der Pestpatron S. Sebastian als Neben-Schutzherr genannt wird, ist das frühere Vorhandensein einer Pestbruderschaft wie in Nachbarorten nicht auszuschließen, die dann mühelos in das religiös fundierte Spiel eingebaut werden konnte. Unter dem Geistl. Rat Heyse sind die Bestimmungen nachweisbar umgeformt worden und weitere Änderungen im Lauf der Jahrzehnte würden uns nicht wundern, so z. B. die Vorverlegung der pfarrlichen Gabe an die Narren vom Aschermittwoch in die Woche zuvor, also v o r Beginn der kirchlichen Bußzeit! G. R. Nikolaus Maier t Am Fastnachtssonntag, dem 20. Februar 1977, ist nach längerem Leiden der Geistliche Rat Nikolaus Maier, ehem. Dekan u. Stadtpfarrer von Gammertingen, im 86. Lebensjahr in die Ewigkeit abberufen worden. Er stammte aus altem, gläubigem, 400 Jahre nachweisbarem Bauerngeschlecht in Ringingen bei Burladingen. Am 25. März 1891 geboren, wurde er vom Ortspfarrer aufs Gymnasium und Fidelishaus in Sigmaringen vorbereitet. Den Vater verlor er schon 1905, seinen Bruder durch ein im Krieg zugezogenes Leiden 1922. Mutter und Schwester umsorgten seinen Lebensweg. Nach dem Abitur besuchte er zum Theologiestudium die Universität Freiburg, wo neben den gewöhnlichen Fächern vor allem Professor Josef Sauer das in ihm schlummernde Interesse an kirchlicher Kunst und Volkskunde zu wecken verstand, das ihn zeitlebens nicht losließ. Der 1. Weltkrieg rief ihn zu den Waffen, bis (als Vizefeldwebel) eine eiternde Wunde ihn ins Lazarett Gießen führte. Dort belegte er an der Universität sein geliebtes Fach Geschichte. Die Kirchenbehörde rief ihn nach St. Peter ins Priesterseminar und am 22. Juni 1918 konnte er in der Heimat seine Primiz feiern. Nach sieben Vikarsjahren in Glottertal, Emmendingen, Sigmarin14 gen und Hechingen bezog er im Februar 1925 das Kaplaneihaus in Straßberg, wo die Kirchen des Schmeientals mit ihren Kunstwerken und die trutzige Burg seine Aufmerksamkeit erregten. Dort hat er auch den Berichterstatter voll Freude in die Gotteshäuser und auf das Straßberger Schloß geführt, was vermutlich für diesen der Anlaß wurde, sich später eingehend mit der Vergangenheit der ehemaligen Herrschaft Straßberg zu befassen. Nach zwei Jahren bezog Maier die Pfarrei Steinhofen und weiteren neun Jahren 1936 die Pfarrei Gammertingen, wo er 1950 Dekan (bis 1962), 1952 Geistlicher Rat wurde und 1963 im Ruhestand sich in sein Eigenhäuschen zurückzog. Seine kirchlichen u. seelsorgerlichen Verdienste wurden anderweitig gewürdigt. Schon als Kaplan und dann als Pfarrer hat Maier seine vielen volkskundlichen Beobachtungen und geschichtlichen Forschungen veröffentlicht, so im Hohenzollerischen Kalender, der Volkszeitung, dem „Zollerländle", im „Zoller", in „Heimatklänge", später im „Hohenz. Jahresheft", „Hohenzollerische Heimat", Freiburger Diözesanarchiv, Lauchertzeitung usw. wie dies in der „Hohenzollerischen Bibliographie" 1974 mit 36 Nummern verzeichnet ist. Dabei war der Bogen seines Interesses weit gespannt: Von den Prozessionen, Kirchengebäuden, Aussätzigenpflege u. Siechenhäusern zu Bauerhöfen, Rosenkranzbruderschaften, der Hochzeit Jan van Weerths im Straßberger Schloß, dem Leben der Fürstin Eugenie von Hohenzollern, Kirchenpatronen. Militärischem in Kirchenbüchern, Nachrufen von Geistlichen (Zembroth in Storzingen, Dimmler in Wilfingen) usw. Seine Ikonographie (Bilderbericht) betr. den hl. Fidelis von Sigmaringen ist leider nie fertig geworden. Man sieht unschwer, daß sich Maier die Zeit für seine heimatkundlichen Beiträge seiner ausgedehnten Tätigkeit als Pfarrer und Dekan geradezu abstehlen mußte. Am meisten ist ihm der hohenzollerische Geschichtsverein zu Dank verpflichtet. Kaum hatten sich nach Ende des 2. Weltkrieges und der Währungsumstellung die Verhältnisse wieder beruhigt, drängte er mit anderen Heimatfreunden auf Wiederherausgabe der heimatlichen Zeit- schriften, die dann samt den neuen Statuten des Vereins am 30. Juli 1948 nach Zustimmung der damaligen Militärregierung (!) beschlossen und er selbst zum Vorsitzenden berufen wurde, was er bis 1964 blieb. Dann konnte 1949 der erste Nachkriegsband der Hohenzollerischen Jahreshefte (der 72. der ganzen Reihe) erscheinen. Maiers Hauptverdienst ist es auch, wenn in Zusammenarbeit mit dem Oberlehrer Josef Wiest und dem Druckereibesitzer Sebastian Acker (beide in Gammertingen) am 1. Januar 1951 das Kleinorgan „Hohenzollerische Heimat" erscheinen konnte. Im Vorwort zur ersten Nummer hat Maier seine Pläne und Absichten dargelegt, die bis heute richtungweisend blieben. Der Hohenz. Geschichtsverein hat daher in Würdigung seiner Verdienste dem Geistl. Rat Nikolaus Maier an seinem Grab in Gammertingen am 24. Februar 1977 durch den derzeitigen Vorsitzenden Oberarchivrat Dr. Walter Bernhardt einen Kranz niederlegen lassen. K. WALTHER FRICK Geschichte einer N o n n e Maria Franziska Frick, 1762 bis 1784 Dem Kaufmann Franz Xaver Frick in Sigmaringen gebar seine Frau Magdalena Knoll im Jahr 1762 eine Tochter Maria Franziska. Der Vater hatte von seinem Vater den ausgedehnten Handel und das Geschäft geerbt, das heute noch als Modegeschäft in der Stadt existiert. Wie sein Vater Johann Georg war auch er zeitweise Bürgermeister und half der damals (nur damals?) der armen Stadt mit eigenem Vermögen, wo er konnte; sogar die Straßen ließ er auf seine Kosten pflastern. Das Mädchen, von dem die Rede ist, erkrankte mit fünf und dann wieder mit zehn Jahren gefährlich; beim zweiten Mal wurde sie durch einen Blutsturz „so liederlich und entkräftet", daß man sie mit den Sakramenten versah. In der Nacht darauf hatte das Kind eine Vision: ihr erschien das Jesuskind und sie meinte, es sagen zu hören, sie werde gesund, wenn sie ins Kloster gehe. Das gelobte das Kind der Erscheinung, und es wurde tatsächlich wieder gesund. - Doch kam die Krankheit wieder, das Mädchen mußte des öfteren „Blut brechen", hielt das aber vor ihren Eltern verborgen, damit sie nicht meinten, seine Konstitution sei zu schwach für das Klosterleben. Die Visionen häuften sich: sie sah deutlich vor sich das flammende Herz Jesu, die Mutter Gottes, den heiligen Aloisius, ja ihren eigenen Schutzengel. Das ging so durch Jahre, während derer Maria Franziska ihre Eltern beständig bat, sie ins Kloster, nach Inzigkofen und nur dorthin, gehen zu lassen. Als sie 18 Jahre alt war, willigten die Eltern ein, und da sie nicht nur sehr fromm waren, sondern auch sehr vermögend, stifteten sie das der Tochter zugedachte Heiratsgut in einer Weise dem Kloster, die heute noch zu sehen ist: der Turmhelm auf der Kirche von Inzigkofen, wie er heute da steht, ist diese Stiftung. Kaum eingekleidet, konnte sie ihre Kränklichkeit unter neuen, heftigen Anfällen nicht mehr verbergen. Man holte den Doktor, der eine ernste Diagnose stellte; die Mitschwestern rieten ihr, den geistlichen Stand wieder zu verlassen, aber kaum ging es ihr wieder besser, nahm sie Tag und Nacht unter vermutlich kaum erträglichen Schmerzen und unter Erschöpfung am Chorgebet teil. Bald darauf wurde es wieder so schlimm, daß die Eltern kamen, um sie heimzuholen, bis sie wirklich gesund werde. Die junge Schwester jedoch, sie hatte den Klosternamen Maria Fidelis erhalten, weigerte sich: im Kloster wolle sie leben und sterben. Man mußte sie ans „Redfenster" tragen, an dem Klosterinsassen mit ihren Angehörigen sprechen können, als ihre Eltern ein letztesmal kamen (was sie freilich nicht wußten, aber wohl ahnten). - Im Kloster hatte man Erbarmen mit dem jungen Mädchen, selbst der Visitator, der Beichtvater, wiederum der Arzt und die Schwestern rieten ihr, sich doch nach Hause holen zu lassen. Aber sie blieb standhaft, legte 1781 ihre ewigen Gelübde ab - es ging ihr wieder besser - und nahm am Gebet teil. Nach der Klosterchronik von Inzigkofen, der wir hier folgen, hat Schwester Fidelis beinahe Unmenschliches geleistet in ihrem dauernden Leiden. O f t konnte sie sich im Chor kaum rühren und, offenbar vor Schmerzen, konnte sie kaum lesen, mußte mit dem Finger die Worte festhalten, obwohl sie gut lesen gelernt hatte. Als sie endlich sterben mußte, merkte sie es und sagte es auch, aber man hatte sie so oft so elend gesehen, daß man es ihr nicht glaubte. Am anderen Tag war sie tot, 22 Jahre alt. Am 21. Juli 1784 ist sie nachmittags um drei gestorben. Ihren Klosternamen Fidelis erhielt sie vermutlich nicht nur deshalb, weil sie Sigmaringerin und der Name „gerade frei war" - denn es gibt in einem Orden nie zwei lebende Träger des gleichen Namens - sondern auch, weil der heilige Fidelis zu ihrer Verwandtschaft gehörte: eine seiner Schwestern ist eine Vorfahrin aller Fricks seit dem 17. Jahrhundert. - Sie liegt begraben in dem kleinen Klosterfriedhof hinter der Inzigkofener Kirche, sogar einige der alten Kreuze sind noch da, aber die Namenstäfelchen sind längst verrostet. Auf einem konnte man vor 25 Jahren noch bruchstückweise lesen: „tenebrae eam non compre.. .", die Stelle aus Jo 1, 1-14: und das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen. Quellenangabe: Dr. A l e x Frick „Chronik der Familie Frick", handschriftlich. 15 Register 1976 60 32 19 26 1, 23 55 46 54 52 20 38 8 64 40 50 Ablach, V. Schulwesen Baden-Württemberg, Museen (Buchbespr.) Boll, Seelsorger v. B. am Zoller Bommer Joh. Bapt., Maler i. Trochtelfingen Feldhauser Barockaltäre Gammertinger Post, 200 Jahre Haigerloch, Eisenbahn Harthausen a. d. Scher, aus Hechingen, St. Luzius in H. Hechinger Scharfrichter Hettingen, aus der Geschichte Hettingen, Hochzeit auf Schloß H. Hohenz. Münzen (Buchbespr.) Inneringen, die Nötenwang-Kapelle Inneringen, die Dreifaltigkeits-Kapelle Fidelis v o n Sigmaringen Wer sich mit den Darstellungen der Heiligen in der Kunst beschäftigt, wird überrascht sein zu erfahren, daß der hl. Fidelis von Sigmaringen unter den Künstlern besonders beliebt ist. Auch die Volkskunst hat ihn immer wieder als Motiv gewählt. Das alles ist einem prächtig ausgestatteten, im Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen erschienenen Buch von Richard Schell zu entnehmen, das den Titel trägt: „Fidelis von Sigmaringen (1577-1977). Der Heilige in Darstellungen der Kunst aus vier Jahrhunderten". Die katholische Kirche feiert 1977 den 400. Geburtstag des Heiligen; denn Markus Roy, so hieß der hl. Fidelis vor seinem Eintritt in den Kapuzinerorden, ist 1577 im hohenzollerischen Sigmaringen an der Donau zur Welt gekommen. Er war ein Sohn des Schultheißen Johannes Roy, dessen Familie aus den Niederlanden stammte. Er hatte sich nach dem Studium der Philosophie und beider Rechte und nach der Aufgabe seiner Stellung als Advokat dem geistlichen Beruf zugewandt und war Kapuziner geworden. Als Fidelis von Sigmaringen ist er in die Geschichte eingegangen: Sein Eifer in den Bemühungen, die Menschen im reformierten Graubünden für die katholische Kirche zurückzugewinnen, erweckte den H a ß seiner Gegner. So kam es zu seinem gewaltsamen Tod: In Seewis im Prätigau, den die Österreicher militärisch besetzt hatten - Pater Fidelis begleitete diese als Seelsorger von Feldkirch aus - , wurde er am 24. April 1622 erschlagen. Ein Jahrhundert später, 1729, wurde Fidelis seliggesprochen und 1746 zur Ehre der Altäre erhoben. HOHENZOLLERISCHE HEIMAT herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein In Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei K G , 748 Sigmaringen, Karlstr. 10. Die Zeitschrift,Hohenzollerische Heimat" Ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschidite Ihrer H e i m a t vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen audi populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie v e r ö f f e n t l . bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden können. Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " : 802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart Die Autoren dieser Inzigkofen, Bild a. d. Chronik v. Jungingen, 900 Jahre Lauchert-Zeitung, zum 100. Geburtstag Mariazell, Urspr. u. Entwicklung Mengen, diesseits u. jenseits der Ablach Pfullendorf, Denkmäler Pfullendorf, Maria Schray Rangendingener Auswanderer Rangendinger Redensarten Rottenburg/Neckar, St. Moritz (Buchbespr.) Sigmaringen, das einstige „Chalet" Sigmaringen, Gesch. d. Kloster Gorheim Sigmaringen-Hechingen, Gymnasium Persönlichkeiten Stein bei Hechingen, aus der Geschichte Stein, Pfarrer-Liste (Richtigstellung) Widmann Bakus, Schreiner in Hettingen Winterlingen, Benzingen u. Harthausen Haug, 13 u. 27 2 48 10 33 Seitdem wird der Heilige als Erstlingsmärtyrer der Congregatio de propaganda fide hoch verehrt. Er ist in seiner Heimat Sigmaringen Stadtheiliger und seit 1927 Landespatron Hohenzollerns. 260 Seiten mit 217 Abbildungen, darunter zehn farbigen. 17 x 24 cm. Leinen mit farbigem Schutzumschlag. DM 29.50. Burgen in Gefahr Da die Landesgruppe Baden-Württemberg der Deutschen Burgenvereinigung soeben (das heißt in der März-Mitte) erstmals ihre Jahreshauptversammlung im Kreis Sigmaringen abgehalten hat, nämlich in Saulgau, sei auch hier auf eine Denkschrift dieser Landesgruppe hingewiesen. Sie zählt, zum Teil mit Fotos, den erbarmungswürdigen Zustand von rund 50 Schlössern und Burgen im Land auf, die vor aller Augen zerfallen. Trotz der Milliarden, die das reichste Land der Bundesrepublik seit Jahren für alles Mögliche ausgibt, trotz der Beteuerungen, daß in diesem Musterländle die Natur, der Erholungswert und dies alles noch in Ordnung seien, stürzen Dächer ein, fallen Mauern. Man hätte sie mit vergleichsweise wenigen Millionen alle erhalten können. - Hohenzollern ist mit Hornstein und Falkenstein in dieser erbarmungswürdigen Aufzählung vertreten; um die letztere Ruinenburg kümmert sich inzwischen immerhin lobenswerterweise die neu gegründete „Aktion Ruinenschutz", von der in dieser Zeitschrift schon die Rede war. Nummer: Fritz Scheerer, Rektor i. R. A m Heuberg 42, 7460 Balingen Josef 49 48 44 17 31 15 64 58 30, 47 16 59 53 7451 Rangendingen Josef Mählebach, Landesverw.-Rat a. D., Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen Redaktionsausschuß: Hubert Deck, Konrektor 745 Hedilngen, Tübinger Straße 28 T e l e f o n (07471) 2 9 3 7 Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, H o h e Tannen T e l e f o n (07571) 8341 D i e mit N a m e n versehenen Artikel geben Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeldinen für den Inhalt Badstraße 2, 7800 Freiburg/Br. der Beiträge verantwortlich. Mittellungen der Schriftleitung sind als soldie geWalther Frick, Journalist, kennzeichnet. H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen Schriftleitung: Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten. Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Wir bitten unsere Leser, die „ H o h e n z o l lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen. W 3828 F HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT ENTHAUPTUNG JOHANNES DES Herausgegeben Dom Hohenzollerifchen Gelchichteoerein 27. Jahrsang TÄUFERS Entwurf Zeichnung des Meinrad von Aw für das Deckengemälde Bittelschieß. Nr. 2 / J u l i 1977 in der Kirche von Foto: Karl und Faber MANFRED H E R M A N N Z u m Maler Franz A n t o n v o n A w (1672-1715) in Sigmaringen Im Gegensatz zum vielbeschäftigten Rokokomaler Andreas Meinrad von Aw (1712-1792), dessen Kirchenfresken in Pfullendorf, Klosterwald, Haigerloch, Sigmaringen, Zwiefalten und Meßkirch zahlreiche Bewunderer finden, blieb dessen Vater Franz Anton weitgehend unbeachtet. Selbst Auguste Wagner-Würz die dem Sohn eine ausführliche Arbeit widmete, charakterisierte ihn als „einfachen Faßmaler" und ließ ihn nach einem langen Leben nach 1755 sterben. Außer den beiden Altaraufträgen für das Frauenkloster Gorheim bei Sigmaringen von 1699/1700 kannte sie keine weiteren Werke. Die Folgerung, es könne sich bei ihm nur um einen unbedeutenden Meister gehandelt haben, ließ sie unausgesprochen. Mehr zufällig zusammengekommene Notizen sollen helfen, Leben und Werk des Malers Gestalt gewinnen zu lassen. Am 26. August 1697 starb in Sigmaringen an Fieber und Schüttelkrämpfen der „herrschaftl. Sigmaring. Laquay" Johann Adam von Aw, der erste hier ansässige Vertreter der Familie 2 . Wohl bald nach der Wiederherstellung des im 30jährigen Krieg stark zerstörten Schlosses unter die fürstliche Dienerschaft aufgenommen (um 1660), heiratete er am 22. April 1663 die Tochter Magdalena des Biersieders Jakob Orth. In dessen Haus (Marktplatz 28), nicht im Schloß, wohnte das junge Paar, dem acht Kinder geschenkt wurden (4 Jungen und 4 Mädchen). Nach dem Tod des Schwiegervaters verkaufte die Witwe Maria Bücheler Hans Adam am 16. August 1669 den halben Hausanteil, den anderen gab sie 1671 ihrem Tochtermann Johann Dirheimer, einem Maurer aus Wasserburg am Bodensee (1708 Bürgermeister). Am 20. Juli 1672 wurde dem Paar der Sohn Franz Anton getauft, der sicher als Junge neben dem Haus auch im Schloß aufwuchs. Dort gab es gewiß laufend Ausstattungsarbeiten durchzuführen, bei denen er manchem Künstler begegnete. Bei welchem Maler der Vater den Buben in die Lehre gab, wissen wir nicht. Mit 18 oder 19 Jahren ging der junge Mann auf die Wanderschaft, bei der er wohl auch in der nächstgelegenen Werkstätte, bei Jerg Ferdinand Veser (1652-1725) in Andelfingen bei Riedlingen, vorbeischaute. Jedenfalls war Franz Anton von Aw 1695 wieder in der Heimatstadt. In diesem Jahr stiftete der junge Fürst Meinrad II. (1673-1715) in die Pfarrkirche Veringendorf zwei Seitenaltäre, an denen er das Hohenzollern-Sigmaringische Wappen anbringen ließ 3. Nach dem Abbruch des romanischen Langhauses 1723 blieben sie unverändert erhalten, wurden jedoch 1887 an die Rückwände der Querhausarme versetzt. Jener auf der Nordseite - in der Predellenkartusche mit 1695 datiert - zeigt in einem großformatigen, oben rundbogig geschlossenen Tafelbild mit schwerem Akanthus-Rahmen die sitzende Mutter Anna. Rechts neben ihr steht die jugendliche Maria, die sie in die hl. Schrift auf dem Schoß einführt; dahinter, auf eine Steinbank gelehnt und die beiden betrachtend, der hl. Joachim. Der rechte Bildteil wird mit einer Vorhangdraperie ausgefüllt, der linke gibt über eine Balustrade mit Vase hinweg den Blick frei auf eine Parklandschaft mit schloßartigem Gebäude. In den Gewändern herrschen blaue, grüne, ockerfarbene und kraftvoll rote Töne vor; Vorhang und Parklandschaft sind grün angelegt, der Himmel ist mit blaugrauen und orangen Farben gemalt. Gewisse Schwächen des wohl jugendlichen Malers werden an der linken Hand der Mutter 18 Anna erkennbar, auch die Schritthaltung der Maria ist nicht überzeugend gelungen. Im ganzen gesehen, lieferte der Künstler ein ansprechendes Bild. - Weitaus größere Schwächen enthält das dreipaßförmige Gemälde auf Holz im Altaroberteil auf der Gegenseite mit der Darstellung der Flucht nach Ägypten. Neben Josef und dem Esel mit Maria und Kind schreitet ein schützender Engel einher. Sowohl die drei Gestalten wie das Tier sind recht naiv wiedergegeben und nicht mehr als ein Gesellenstück. Vielleicht ist es auch früher als 1695 entstanden. Die persönlichen Beziehungen des Stifters zu Franz Anton von Aw lassen dessen Autorschaft als sehr wahrscheinlich erscheinen. Die Rechnungen der Frauenpflege von Maria Schray bei Pfullendorf enthalten für 1694/95 eine Ausgabe von 4 fl „dem Maler von Sigmaringen" für das Fassen der hl. Franziskus und Antonius, heute in der Vorhalle der Pfullendorfer Friedhofskapelle. In den gleichen Rechnungen für 1695/96 steht eine Ausgabe von 8 fl dem Maler von Sigmaringen für 2 FastenAntependien an den Seitenaltären ULF zu Maria Schray 4. Beide Male kann es sich nur um Arbeiten von Aws handeln, da wir zu dieser Zeit von keinem anderen Maler in Sigmaringen wissen. Drei Monate nach dem Tod des Vaters heiratete der ledige Malergesell Franz Anthoni von Aw die Tochter des Biersieders Johann Georg Bannwarth am 24. November 1697. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor, drei Jungen und vier Mädchen (drei starben im Kindesalter). Bemerkenswerterweise stellte sich Fürst Meinrad von Hohenzollern bei allen als Pate zur Verfügung, allerdings ließ er sich bei den Taufen jeweils durch Kammerherr Joachim Kolbinger vertreten. Patin war stets die Untervögtin Magdalena Epplin geb. Gebhardtin. Diese Beziehungen sprechen für ein enges Verhältnis des Malers zum Schloß und für eine öftere Beschäftigung durch den regierenden Fürsten. Ein Zeichen für die religiöse Einstellung des Elternhauses ist die Tatsache, daß sich der 1700 geborene älteste Sohn Karl Anton für den Priesterberuf entschied 5 . Von weiteren Meisterarbeiten erfahren wir in der Chronik des Franziskanerinnenklosters Gorheim bei Sigmaringen®: „Um Martini 1699 ist der hl. Creütz altar, welcher herr Frantz Anton von Au, Burger und Mahler in Sigmaringenstatt, zue fassen umb 48 fl verdingt gewesen, von gemeltem Mahler gefasset und aufgerichtet worden, zuem fassen dieses altars hat das convent hergeben 22 fl und die Schwester Elisabeth Denjoni 10 fl. Die ybrige 16 fl hat gemelte schwester bey ihren befreindten und bekhanten erbethlet. 1700 ist der S. Antony altar auch von dem Mahler Frantz Anton von Au so ihm verdinget wäre umb 50 fl den winter hindurch zue Sigmaringen auch gefasset und im früling auffgericht worden, zue disem altar hat verehrt der resignierte herr Prälat zue Ottenbeyren 20 fl, das übrige gäbe das convent darzue." Nach der Aufhebung des Klosters Gorheim kamen beide Altäre 1815 in die Pfarrkirche Harthausen a. d. Scher, wo sie heute noch vorhanden sind. Allerdings hat der Antonius-Altar sein Mittelbild eingebüßt. Beide besitzen im Auszug ein Ovalgemälde von der Hand des Franz Anton von Aw, der ehemalige Kreuzaltar (heute Sebastiansaltar) ein Bild Jakobus d. Ä., der ehemalige Antoniusaltar (heute Marienaltar) die Darstellung einer Fran- Andelfinger Malers Jerg Ferdinand Veser (Feser), den am 9. Dezember 1687 getauften Johann Joseph 9 (in Sigmaringen nur Joseph genannt), der ebenfalls das väterliche Handwerk ausübte. So gab sie den unversorgten Kindern einen Vater und sicherte den Fortbestand der Malerwerkstatt. Im übrigen hatte die Witwe schon am 6. November 1715 von Josef Staudinger das Haus 130 (Hinterm Rathaus 2) erworben 10 , ein Hinweis, daß Franz Anton von Aw bereits tot war. Verlor die Witwe ihre alte Wohnung und Werkstatt, die vielleicht zuvor im Schloß gewesen sein könnte? Was ist nach dem allzufrühen Tod des Vaters aus den beiden weiteren Söhnen geworden? Es entsprach den Gepflogenheiten, daß der Stiefvater sie in dessen Handwerk einführte, als sie etwa das Alter von 14 Jahren erreichten. Franz Joseph von Aw, getauft am 14. März 1704, ging wohl um 1722 auf die Wanderschaft. Am 6. November 1730 ist er wieder in der Heimatstadt anläßlich einer Taufe bezeugt, bei der er sich als Pate für den Sohn Franz Joseph des Mathäus Gaßner zur Verfügung stellte. Am 10. Juni 1731 schloß er vor seinem geistlichen Bruder Karl Anton mit Maria Antonia Kolbingerin, wohl einer Tochter des Kammerherrn Joachim Kolbinger, die Ehe. Aus dieser gingen vier Kinder hervor, zwei Buben und zwei Mädchen, denen der Hofrat Franz Anton von Raßler, am Fürstenhof eine Persönlichkeit, Pate war. Franz Joseph von Aw, Maler und Adlerwirt, starb bereits mit 36 Jahren am 17. Mai 1740 an einem heftigen Fieber. Uber seine künstlerische Tätigkeit ist bisher nichts bekannt geworden. Gemälde des St.-Anna-Altares Anton von Aw, 1695 in Veringendorf Foto: von Franz M. Hermann Der jüngste Sohn Andreas Meinrad von Aw, getauft am 28. November 1712, verlor noch nicht dreijährig den Vater und empfing durch Joseph Feser seine Malerausbildung. Er dürfte in dem Augenblick auf Wanderschaft gegangen sein, als der ältere Bruder Franz Joseph wieder in die Werkstatt zurückkehrte (um 1730). Am 16. Februar 1733 finden wir Meinrad - wohl aber nur für kurze ziskanerin mit Rosenkranz, vor einem Kreuz knieend. Beides sind schlichte Bilder ohne besondere Qualität, dennoch gefällig ausgeführt. Kleinere Arbeiten enthalten auch die Veringendorfer Kirchenrechnungen 7 : 1698/99 wurden dem „Maler zue Sigmaringen vor reparierung des rothen fahnen blads" 55 Kreuzer bezahlt. 1699/1702 wird unter N o l l V a verzeichnet: „Lauth quittung dem Mahler zue Sigmaringen Franz Antoni v. Aw vor außbesserung eines fahnen blatts bezalt 45 Kreuzer." Ferner: „Ao 1703 dem Mahler zue Sigmaringen undt dem schreiner von fronstetten (= Georg Göttling) vor die 2 portal zue beeden altären zu mahlen und zu machen L:q: bezalt 9 fl 45 xr." In der Tat scheinen Faßarbeiten den Großteil der Beschäftigung von Aws ausgemacht zu haben, zumal um oder kurz nach 1700 nicht allzuviele Altäre entstanden, da die meisten Kirchen nach den Schäden des 30jährigen Krieges in den 70er und 80er Jahren des 17. Jahrhunderts Neuausstattungen erhalten hatten. Schließlich sei noch aus Harthausen-Scher ein Eintrag aus den dortigen Kirchenrechnungen von 1715/16 genannt 8 : „Jtem der Malierin von Sigmaringen fir 5 bilder zu Mallen geben nach laut deß beylags - 1 fl." Zu diesem Zeitpunkt war der Maler offensichtlich schon tot. Leider besteht für diese Zeit das Sigmaringer Totenbuch nur noch aus einzelnen Blättern, die große Lücken ausweisen. Wohl im Herbst 1715 nahm der Tod dem Maler den Pinsel aus der Hand. Denn am 1. Februar 1716 heiratete die Witwe Franziska Bannwarth den Sohn des Gemälde des hl. Apostels altar in der Pfarrkirche von Aw, 1699 Jakobus d. Ä. am rechten SeitenHarthausen/Seh. von Franz Anton Foto: M. Hermann 19 Zeit - daheim, als er bei der Taufe des Franz, Sohn von Jakob Klingler, Pate war. Um 1738 befand sich der jugendliche Maler in Riedlingen, am 27. Februar 1740 nennt ihn das Sigmaringer Taufbuch als Pate bei Wendelin des Franz Gayer. Um diese Zeit übernahm er wohl die väterliche Werkstatt, der Name des Malers Feser erscheint nun nicht mehr. Überdies starb die Mutter Franziska Bannwarth am 24. Juni 1740. Aus dieser kurzen Lebens- und Werkskizze wird deutlich, daß dem Maler Franz Anton von Aw nur ein bescheidener Rang im Konzert der damaligen Künstler zugebilligt werden kann. In die 20 Jahre seiner Schaffenszeit fielen wohl kaum große Aufträge, durch die er sich hätte Ruhm erwerben können. Das meiste von seiner Hand ist wohl nicht erhalten geblieben. Dennoch soll er im 900. Jubiläumsjahr der Stadt Sigmaringen nicht vergessen sein. Anmerkungen: 1 2 Auguste Wagner-Würz, Meinrad von A w - Leben und Werk des süddeutschen Rokokomalers, Hechingen 1936. Totenbuch der Pfarrei St. Johann in Sigmaringen (im dortigen Pfarrarchiv) 1 6 2 2 - 1 7 1 6 . 3 W. Genzmer (Hrsg.), Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns - Bd. II. Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948, 384 N r . 3 und 4. 4 Johann Schupp, H o h z . Regesten aus den Pfullendorfer Archiven, H o h z . Jahrshft. Bd. 11 1951, N r . 1250 u. 1251. 5 6 7 8 9 10 1721 an der Univ. Freiburg/Br. immatrikuliert (Praenob. Dnus.Carolus Antonius ab A u w Simeringanus Suevus theol. spec.mor.) H H 1966, 56. Längere Zeit Kaplan in Veringendorf, wurde er am 21. April 1745 von Freiherr X a ver Jos. Valentin Speth von Z w i e f a l t e n zu Hettingen auf die Pfarrei Kettenacker präsentiert. D o r t förderte er vor allem die Verehrung des hl. Fidelis von Sigmaringen. Gestorben am 7. März 1757 und nach seinem Wunsch unter dem Haupteingang der alten Kettenacker Pfarrkirche begraben. D a s Totenbuch rühmt ihn als »sehr eifrigen Seelsorger«, der als guter Hirt seine geschwächten Kräfte nicht schonte. Bei der Beerdigung war auch zugegen der »wohledle Herr Meinrad von A w , des Verstorbenen Bruder und hervorragender Maler«. In Mtlgn. d. Ver. f. Gesch. Hohenzollerns 61. Jhg. 1930, 7 f. Im P f - A r c h . Veringenstadt. Im P f - A r c h . Harthausen-Scher. T a u f - , Ehe- u. Totenbuch A n d e l f i n g e n im dort. P f - A r c h . Alex Frick, Häuserbuch der Stadt Sigmaringen, im Fürstl. H o h z . Domänenarch. ALEXANDER SCHULZ Die Kirche v o n Bittelschieß u n d eine n e u entdeckte Entwurfszeichnung des Andreas M e i n r a d v o n A w Der Neubau der Kirche in Bittelschieß im Jahre 1758 ist eng mit der Errichtung der Sigmaringer Pfarrkirche St. Johann verbunden. Nicht nur die gleiche Erbauungszeit ist beiden gemeinsam, auch die ausführenden Künstler waren dieselben. Der damalige Pfarrer von Hausen a. Andelsbach, Viktor Hollenstein, zu dessen Sprengel auch Bittelschieß gehörte, stammte aus Lustnau in Vorarlberg. Dies war Grund genug, seinen Landsmann, den Baumeister Job. Martin Ilg aus Dornbirn (1706-1770), für die Bauleitung der neu zu erbauenden Pfarrkirche von Sigmaringen zu empfehlen. Durch Vermittlung des Hohenemser Rats und Oberamtmanns Franz Josef von Wocher in Rankweil, der zu einem Teil das Patronat über Hausen innehatte, erhielt dieser Architekt den Auftrag. Uber ihn und den Zimmermeister Hans Jakob Stoffler meinte jedoch Fürst Joseph Friedrich in Haigerloch ziemlich bissig: „Die Zwey männer Siehe ich vor einen gutten maurer- und Zimmermaister ahn, im übrigen aber in architectur vor keine Hexenmaister; hätte ich es früher gewußt, so würdte ein andtern Mann hergesteiltet haben, undt vielleicht umb wäniger gelt, oder wänigst nit mehr." Das Urteil war zu hart, denn Joh. Martin Ilg, der zu der Vorarlberger Baumeisterschule gehörte, meisterte die schwierige Aufgabe, die Sigmaringer Pfarrkirche am Hang unterhalb des Schlosses zu bauen, recht gut. Während nun der Bau der Sigmaringer Pfarrkirche seiner Vollendung entgegen ging, wurde auf Veranlassung des Hofkanzlers H. von Stader, des ehemaligen Herren von Bittelschieß, auch in diesem Dorf eine Kirche errichtet, nachdem ein älterer Bau abgerissen worden war. Im folgenden Jahr, 1759, baute Joh. Martin Ilg noch die Kirche im Nachbarort Rulfingen. Wenn auch nicht archivalisch gesichert, so legen doch Vergleiche die Vermutung nahe, daß der für die Sigmaringer Pfarrkirche tätige Stukkator Johann Jakob Schwarzmann (1729-1784) auch in Bittelschieß die 20 geistvollen Stukkaturen geschaffen hat. Zuvor hatte er die beiden Kirchen in Pfullendorf St. Jakob und Maria Schray in den Jahren 1750 und 1751 ausgeschmückt, sowie in Kloster Wald (1751/53) gearbeitet. Durch Signaturen belegt ist der Schöpfer der malerischen Ausstattung, der Sigmaringer Maler Andreas Meinrad von Aw. 1712 als Sohn des Faßmalers Franz Anton von Aw in Sigmaringen geboren, wuchs er nach dem Tode seines Vaters (1715) bei seinem Stiefvater Josef Feser auf und erhielt dort wie sein älterer Bruder Franz Josef (1704-1740) seine erste Ausbildung im Malerhandwerk. Um 1738 war er in Riedlingen beschäftigt, einer Stadt, die damals die beiden berühmten Maler Franz Josef Spiegier und Josef Ignaz Wegscheider beherbergte. Ab 1740 weilte er wieder in seiner Vaterstadt, wo er 1742 heiratete und 1754 sowie 1760 das Amt des Stadtschultheißen bekleidete. Gegen seinen Willen wurde er 1774 Ochsenwirt, da er das Gasthaus von der schwerverschuldeten Besitzerin übernehmen mußte. Seine Fresken befinden sich in Harthausen a. d. Scher (1741), in Haigerloch (1748 und 1755), Pfullendorf (1751/52), Kloster Wald (1752), Langenenslingen (1754), Zwiefalten (1764), Meßkirch (1774), Otterswang (1778), Rot a. d. Rot (1780) und in Hechingen (1782). Die letzten zehn Jahre seines Lebens schuf er keine Werke mehr. Andreas Meinrad von Aw starb 1792. Die Kirche von Bittelschieß besteht aus einem rechteckigen Langhaus mit eingezogenem dreiseitig geschlossenem Chor. An der Evangelienseite befindet sich die Sakristei, über der sich ein Oratorium mit zwei korbbogigen Arkaden gegen den Chor hin öffnet. Langhaus und Chor tragen flache, verputzte Holztonnen mit Stichkappen. Die Mittelspiegel beider Decken sind heute mit Bildern von August Braun aus Wangen versehen, die bei der Wiederherstellung der Kirche in den Jahren 1933/34 neu gemalt wurden. Ebenso stammt das Hochaltarbild von demselben Maler. Nur die beiden Seitenaltarblätter sind noch von Andreas Meinrad von Aw erhalten und stammen laut Datierung des Bildes auf der Epistelseite, der Darstellung der 14 Nothelfer, aus dem Jahre 1760. Das Innere der Kirche bewahrte die Geschlossenheit des Gesamteindrucks durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch, und noch heute besticht es durch seine harmonischen Verhältnisse und die feine Ausführung der Stukkaturen. Lediglich die ursprünglichen Deckengemälde und das Hochaltarbild existieren nicht mehr. Sie fielen dem großen Erdbeben vom Jahre 1911 zum Opfer. Die anderen Schäden konnten, wenn auch jetzt noch Risse davon zeugen, später wieder ausgebessert werden. Gingen die Deckenfresken auch unwiederbringlich verloren, so vermittelt wenigstens eine erst neulich im Kunsthandel aufgefundene Entwurfszeichnung zum Hauptgemälde im Langhaus eine gewisse Vorstellung von dem ursprünglichen Aussehen. Es handelt sich um eine aquarellierte Federzeichnung im Format von etwa 39:34 cm, die signiert und datiert ist: „A. Meinrad von Aw Ao 1758". Auf der Rückseite ist sie von alter Hand beschriftet: „Plafond der Kirche zu Bittelschieß." Daß es sich um einen Entwurf handelt, der zur Ausführung bestimmt war, zeigt die Quadrierung, die dazu diente, das Bild maßstabsgetreu auf die Decke zu übertragen. Interesse verdient auch das Thema der Darstellung, welche eine Enthauptung Johannes des Täufers zeigt, was in einer Kirche, die dem hl. Kilian geweiht ist, nicht ohne weiteres zu erwarten ist. (Folgerichtig zeigt auch das neue Deckenbild von A. Braun im Langhaus den hl. Kilian mit seinen Begleitern, den Heiligen Kolonan und Totnan.) In einem vierpaßförmigen Oval spielt sich vor einer Schloßkulisse auf einer Freitreppe, die als Podest dient, das dramatische Geschehen ab. Der Scherge ist im Begriffe, das Haupt des Johannes, dessen Körper auf den Stufen niedergestreckt liegt, auf eine Schüssel zu legen, welche eine der drei Dienerinnen bereithält, um sie der aufrecht dastehenden Salome darzureichen. Im unteren Bilddrittel verfolgen drei Soldaten sowie ein Bettler mit Hund das grausige Schauspiel, während von oben zwei Engel und ein Putto niederschweben, um Johannes den Lohn seines Märtyrertodes, die Palme zu überbringen. Die Bewegungen aller Personen weisen auf das Haupt des Täufers, das zusammen mit der Königstochter die Bildmitte bestimmt. Mit ihrer zurückhaltend verwendeten Hintergrundarchitektur und der noch zaghaft angedeuteten Natur im Vordergrund steht die neuaufgefundene Federzeichnung am Beginn der letzten Phase des Spätbarocks. Sigmaringen und Bittelschieß, das eine die fürstliche Residenzstadt, das andere eine schlichte Landgemeinde, haben in ihren Kirchen eines gemeinsam, nämlich die vom Geist des Spätbarocks geprägte Gesinnung, die, von den gleichen Künstlern geschaffen, zwei in Architektur und Ausstattung in sich geschlossene, heitere Kunstwerke entstehen ließ. Literatur Auguste Wagner-Würz, Meinrad v o n A w . Leben und Werk eines süddeutschen Rokokomalers, Hechingen 1936. Walter Genzmer (Hrsg.), D i e Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Bd. II: Kreis Sigmaringen, Stuttgart 1948, S. 9 3 - 9 5 . Manfred Hermann, Sigmaringen. St. Johann, Schnell, Kunstführer N r . 209, 2. Auflage, München-Zürich 1976. Karl u. Faber, München, Katalog zur A u k t i o n 145, 26.-28. 5. 1977, N r . 354. K. W. STEIM Im G r ü n d u n g s j a h r ein Student aus Haigerloch 500 Jahre Universität Tübingen / Studenten aus Hechingen und Haigerloch Die Universität Tübingen feiert in diesem Jahr ihr 500jähriges Bestehen. In diesen 500 Jahren haben viele hundert Studenten aus dem Bereich des früheren Kreises Hechingen dort studiert. Von besonderem Interesse dürfte sein, daß bereits im Gründungsjahr 1477 sich ein Haigerlocher Student in Tübingen einschrieb: Wernherus Grusinger. Die Matrikeln der Universität Tübingen verzeichnen allein aus der Zeit von 1477 bis 1600 eine ganz beachtliche Zahl von Studenten aus dem Mittelbereich Hechingen. Es sind fast 70, für die damalige Zeit beachtlich viele. Das Schulwesen war also im Mittelalter auch bei uns nicht so schlecht, wie oft angenommen. Es sind lediglich - eigentlich naturgemäß, wenn man die Aktenlage betrachtet - wenig Nachrichten schulischer Art aus dieser Zeit überliefert. Der erste Lehrer aus Haigerloch ist zum Beispiel erst für das Jahr 1472 überliefert. Auf den Haigerlocher Studenten Wernherus Grusinger der Jahre 1477/78 folgte bereits ein weiterer aus Haigerloch im Jahre 1484: Conradus Swartz (Schwarz). 1497 schrieb sich Hainricus Sinintz ein. 1501 kamen aus Haigerloch Hermannus Fulhaber und ein gewisser Laurencius. Für das 16. Jahrhundert ist dann noch ein Student namens Johannes Eckenfelder (1573) aus Haigerloch überliefert. Entsprechend der Größe der Stadt Hechingen waren es hier natürlich mehr Studenten. Sie können hier nicht einzeln aufgezählt werden. Als erste studierten in Tübingen Conradus Scriptoris (Schreiber) 1482, Johannes Sellatoris 1483. Leonardus Ernst 1493 und Caspar Fabri im Jahre 1497. Der erste Grosselfinger Student war im Jahre 1491 Ulricus Ulin. Aus Hausen i. K. schrieb sich 1483 Balthasar Lorch ein. Ein Johannes Owingensis kam 1522 von Owingen an die Alma Mater in Tübingen. Rangendingen war schon 1572 mit einem Studenten Conradus Strobel vertreten. 1482 studierte Georgius Planck aus Sickingen und 1538 Burghardus Coquus aus Stetten bei Haigerloch. Aus Weilheim zogen 1572 die beiden Johannes Jacobus Beutterus und Philippus Beutterus (Beuter, Brüder) als Studenten in Tübingen ein. Auch die Alb war schon bald in Tübingen vertreten. Viele Studenten kamen hier aus Melchingen: 1500 Eberhardus Fogel, 1510 Albertus Kruss (späterer Weihbischof in Brixen), 1519 Georgius Dolinger, 1551 Georgius Imele (Emele), 1583 Johannes Sartor und 1598 Balthasarus Gockel. Die Gemeinde Ringingen stellte im genannten Zeitraum die meisten Studenten ihres Bereichs: 1485 Georgius Truchsäss, 1511 Jochim Truchsäss, Georgius Truchsäss und 1512 Mathias Scheblin und Georgius Wint. 1526 Johannes Hauch, 1508 Jakobus Hegner, 1547 Diepoldus Ostertag. Aus Salmendingen studierte Ludovicus Amelin 1522. 21 K. W. STEIM HohenzoIIern und die StaufeivAusstellung Die große Ausstellung „Die Zeit der Staufer" in Stuttgart ist zu Ende gegangen. Sicher haben auch viele Kunst- und Geschichtsfreunde aus HohenzoIIern die Ausstellung besucht und nach „heimischen" Kunstgegenständen gesucht. Sie wurden aber etwas enttäuscht. Zwei Münzen aus einem Münzfeld in Owingen, ein Siegel des Herzogs Heinrich von Schwaben aus dem Fürstlichen Archiv und ein Aachener Kruzifixus vom Fürstlichen Museum aus Sigmaringen, Schachfiguren aus dem „Alten Schloß" bei Gammertingen und eine Münze der Grafen von Sigmaringen-Helfenstein waren ausgestellt. 4 » fc Gammertinger ausstellung in Spielsteine Stuttgart i und Schachfiguren aus der - Staufer- Die hohenzollerischen Städte gelten nicht als Staufergründungen, hier liegen auch keine Burgen dieses Geschlechts, das in den letzten Monaten eine so beachtliche Aufwertung erfahren hat. Dennoch wäre es falsch anzunehmen, in den früheren Landkreisen Hechingen und Sigmaringen, die die Hohenzollerischen Lande bildeten, gebe es keine ältesten Geschichtszeugen aus der Zeit der Staufer. Die älteste Kirche Hohenzollerns, die Pfarrkirche in Veringendorf, wurde zwischen 1100 und 1150 erbaut und gehört zu den wenigen Beispielen des schwäbisch-konstanzischen Kirchentyps: eine querschifflose Basilika mit halbkreisförmig geschlossenem Hauptchorraum und seitlich daran angebauten zwei Osttürmen. Von der wohl ebenfalls im 12. Jahrhundert an der Stelle einer noch älteren Michaelskirche erbauten Michaelskapelle auf Burg HohenzoIIern sind noch drei Reliefplatten vorhanden, die salische Kunstmerkmale aufweisen. Staufisch ist schließlich die Weilerkirche in Owingen, ehema22 Im 12. und 13. Jahrhundert, also in der Stauferzeit, wurden die meisten hohenzollerischen Städte angelegt, Hechingen, Haigerloch, Trochtelfingen, Gammertingen, Hetlingen, Veringenstadt und Sigmaringen, das derzeit gar seine 900-Jahrfeier begehen kann. Die spätstaufische Kunst des 13. Jahrhunderts ist in HohenzoIIern durch Werke der Baukunst, der Glasmalerei und der Plastik vertreten. Aus dieser Zeit stammt die ehemalige Klosterkirche in Stetten bei Hechingen, deren von Graf Friedrich dem Erlauchten gestiftete Glasfenster im letzten Jahrhundert in der Michaelskapelle der Burg HohenzoIIern. eingesetzt wurden. Weitere Fenster befinden sich heute in mehreren Museen. Auch ein Kruzifixus von Veringendorf ist als Spitzenwerk des späten 13. Jahrhunderts anzusehen. Mehr Kunstwerke des höfischlyrischen Plastikstils, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts die ritterliche Kunst der Staufer ablöste, sind dann in HohenzoIIern vertreten. % .'- lige Pfarrkirche des verschwundenen Dorfes Oberowingen. Das Langhaus stammt aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. In der staufischen Art aus Quadermauerwerk mit kräftigen Bossen und breitem Randschlag ausgeführt sind der Römerturm in Haigerloch, letzter Rest einer ehemaligen Burg, der Bergfried der Burg Dietfurt und der Sigmaringer Schloßturm. Nicht vergessen werden sollte hier das Haus HohenzoIIern selbst. Die Grafschaft Zollern, die dem Lande den Namen gegeben hat, war spätestens seit dem 11. Jahrhundert im Besitz des Zollerngeschlechts. 1061 werden bekanntlich die beiden ersten Zollergrafen erwähnt. Das ganze 12. Jahrhundert befanden sich diese Grafen im Brennpunkt des politischen Geschehens, bei Kreuzzügen und im Gefolge der staufischen Kaiser. Graf Friedrich I. von Zollern gelangte 1192 durch Heirat in den Besitz der Burggrafschaft Nürnberg und wurde - wohl infolge seiner guten Beziehungen zum staufischen Kaiserhause - im selben Jahr zum Burggrafen von Nürnberg ernannt. Friedrich war ständiger Begleiter des Kaisers Heinrich VI. und wurde zum Begründer der frankischen Linie der Zollern, die über die Markgrafen- und Kurfürstenwürde von Brandenburg auf den preußischen Königsthron und den deutschen Kaiserthron kam. Die wichtigsten Ausstellungsstücke mit einem Bezug zu HohenzoIIern auf der Staufer-Ausstellung in Stuttgart waren: eine Urkunde aus dem Fürstlich-Hohenzollerischen Haus- und Domänenarchiv Sigmaringen mit anhängendem Wachssiegel des Herzogs Heinrich von Schwaben (1216-1220). Aus der Hohenz. Kunstsammlung in Sigmaringen kam ein Kruzifixus aus Aachen um 1215 aus Bronze. Acht Schachfiguren aus Knochen oder Hirschhorn geschnitzt, wahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert, stammten aus Gammertingen. Sie wurden bei der archäologischen Untersuchung des Burgstalls „Altes Schloß" bei Gammertingen gefunden. Unter den zahlreich ausgestellten Münzen befanden sich Exemplare aus HohenzoIIern, so ein Hirschbrakteat (nach links schreitender Hirsch), der dem Grafen Gottfried II. von Sigmaringen-Helfenstein (um 1250) zugeschrieben wird. Zu sehen waren schließlich zwei sogenannte Tübinger Pfennige der gleichnamigen Grafen aus dem 12./13. Jahrhundert. Sie stammen aus einem Münzfund in Owingen. JOSEF F. GRONER D a s Gremlich^Haus beim O b e r e n Tor in Pfullendorf Schicksale eines alten Adelshofes Eigentümer und Bewohner Die Junker von Gremiich Ihre Verbundenheit mit der Stadt Die Renovierung des ehemaligen Adelshofes beim Oberen Tor in Pfullendorf, Pfarrhofgasse 21, gibt Gelegenheit, der Geschichte des Hauses, seinen Bewohnern und seinem baulichen Wandel, etwas nachzugehen. Die Junker von Gremiich oder Grämlich, denen ein grämlich aussehender Vorfahr zu ihrem sonderbaren Familiennamen verholfen hatte, sind seine ersten bekannten Bewohner und, außer den Grafen von Pfullendorf, überhaupt das älteste nachweisbare Herrengeschlecht der Stadt. Bereits zur Zeit der Stadtgründung erscheinen ein Friedrich (1216) und Heinrich (1228) Gremiich auf Urkunden der Staufer, zu deren Herrschaftsgebiet die ehemalige Grafschaft Pfullendorf ja gehörte. Die Familie breitete sich in Stadt und Land bis zur Donau und in die Bodenseegegend, meist mit reichem Grund- und Bodenbesitz, rasch aus 1 . Leider läßt sich kein befriedigender Stammbaum aufstellen, weil die Verwandtschaftsbeziehungen unter den vielen bekannten Personen nur unzureichend oder überhaupt nicht angegeben sind. Die Verwirrung steigert sich noch dadurch, daß sich die gleichen Namen (vor allem Heinrich, Hans und Konrad) dauernd wiederholen. Eines aber läßt sich mit Sicherheit sagen: die Gremiich waren tüchtige Leute. Sie haben zwischen 1257 und 1500 nicht weniger als dreizehn Ammänner (oberste Richter) und Bürgermeister 2 gestellt und sich überhaupt wie kein anderes Geschlecht um die Stadt verdient gemacht. Außer den hohen städtischen Würdenträgern, die zum Teil auch in der Reichspolitik tätig waren, brachte die Familie eine Reihe von Geistlichen hervor 3, und zwei weiblichen Mitgliedern, beide Anna mit Namen, ist es gelungen, um das Jahr 1500 Äbtissinnenmacht und -würde in Heiligkreuztal (Zisterzienserinnenabtei bei Riedlingen) zu erlangen. Es ist daher recht und billig sowie dem Anlaß entsprechend, den Namen Gremiich in Verbindung mit ihrem einstigen Wohnsitz wieder aufleben zu lassen und ihnen so ein Denkmal der Erinnerung und Dankbarkeit zu setzen. Der Älteste aus der Sippe, der sich als Bewohner des Hauses beim Oberen Tor genau nachweisen läßt, ist ein Heinrich Gremiich. Er stellte am 12. Juli 1435 eine Urkunde aus, die nichts anderes ist als eine Alimentenverschreibung. Er hatte nämlich, wie er ausdrücklich bekennt, von seiner „Kellerin" Anna Münch ein uneheliches Kind rrjit Namen Gretel. In der Urkunde vermacht er nun der Mutter beziehungsweise nach deren etwaigem Tod dieser Gretel 100 Pfund Pfennig in „guter Konstanzer Währung" und setzt als Garantie dafür sein „Hus und Hofraiti ze Pfullendorf by dem oberen tor gelegen" ein. Das war also 1435, und es ist anzunehmen, daß dieser Gremiich damals ein junger Mann war (vielleicht ist es der gleiche, der 1450 Bürgermeister wurde), also etwa 1410 geboren sein mag. Entsprechend diesen Jahreszahlen darf man den Bau seines Hauses, den er wohl von seinem Vater geerbt hatte, mindestens noch ins ausgehende 14. Jahrhundert zurückdatieren. Außer mit ihrem Haus beim Oberen Tor sind die Gremiich auch noch auf andere Weise in der Stadt gegenwärtig. Für das alte Heilig-Geist-Spital, dessen mächtige Anlage heute noch beherrschend auf dem Marktplatz steht („Deutscher Kaiser" und Geschäft Stadelhofer), stiftete ein Herman Gremiich nach dem Brand von 1285 eine beträchtliche Summe für den Wiederaufbau. Eine besondere Erinnerung an das alte Adelsgeschlecht bilden das Kaplaneigebäude St. Johann von 1734 in der Pfarrhofgasse 9 an der Stadtmauer 4 und das kleine Ovalbild oben am Dreikönigsaltar in der Stadtkirche mit dem Motiv der Taufe Christi durch Johannes. Im Jahre 1375 nämlich stifteten Hermann Gremiich und seine Schwägerin, eine Geborene von Elchingen, die Johannes-Baptista-Pfründe, mit deren Mitteln ein Kaplan für die Stadtseelsorge unterhalten werden konnte. Der Altar dieser Stiftung stand schon damals in der Ecke zwischen Turmwand und Chorbogen. 1745 wurde er in barocker Form erneuert, und als weitere Patrone kamen damals noch die Dreikönige hinzu, die dann den ursprünglichen Stiftungsheiligen etwas verdrängten, zumal Franz Joseph Spiegier die ganze Aufmerksamkeit für sein großartiges Dreikönigsbild in Anspruch nimmt. Die Inflation nach dem 1. Weltkrieg hat die GremiichPfründe natürlich völlig aufgezehrt, und so sind Wort und Sache inzwischen verschwunden. Auch das Gegenstück zum Dreikönigsaltar birgt eine Erinnerung an einen Gremiich, nämlich an Hans-Ludwig, der zwischen 1465 und 1480 in mehreren Urkunden auftritt. Als Liebhaber des Bogen- oder Armbrustschießens gründete er 1471 zusammen mit sechs Pfullendorfer Bürgern, von denen drei weitere ebenfalls jene Schießkünste pflegten, die St. Sebastiansbruderschaft, also eine fromme Schützengilde. Bürgermeister und Stadtrat stellten sich hinter das Anliegen der Gründer, und so erhielt die Bruderschaft noch im gleichen Jahr die kirchliche Bestätigung durch den Bischof von Konstanz, nachdem auch der zuständige Pfarrer, nämlich der Abt von Königsbronn und dessen hiesiger Verweser, Michael Setzing, zugestimmt hatten. 1497 endlich war von den Mitgliedern der Bruderschaft, die auch Frauen aufnahm, das nötige Geld zusammengetragen worden, um in der 23 Pfarrkirche einen Sebastiansaltar mit dazugehöriger Pfründe für den Unterhalt eines Bruderschaftskaplans zu errichten. Zu den besonderen Pflichten dieses Geistlichen gehörte es, jeweils am Mittwoch in der Frühe ein Amt zu singen. Später wurde der Sebastiansaltar zum besonderen Zufluchtsort in Zeiten der Pest (1541, 1566, 1628). Die hilflose Menschheit fühlte sich von diesen schrecklichen Seuchen wie von einem Hagel hinterhältig abgeschossener Pfeile überfallen, und so suchten sie in ihrem frommen Sinn beim pfeildurchbohrten St. Sebastian Hilfe gegen den Schrecken der „Pestpfeile". Wenn so ein „grosser Sterbend" hereinbrach, erhob sich auch ein großes Beten am St. Sebastiansaltar, und es dauerte fort bis in die allerneueste Zeit. Erst in unseren Tagen ließ man, wie so manches andere, auch die Tradition der ältesten Bruderschaft der Stadt einschlafen. - 1745 erhielt der St. Sebastiansaltar seine heutige Gestalt, und Franz Joseph Spiegier malte auch dazu ein großes, echt barockes Bild: Die hl. Irene pflegt die Wunden des Märtyrers Sebastian. Hinter ihm sieht der Pfullendorfer auch heute noch den Armbrustschützen Hans Ludwig von Gremiich. Verstummt ist inzwischen auch das Todesangst-ChristiLäuten, das Johann, der letzte Gremiich, 1659 gestiftet hatte 5 . - Unauffällig weisen zwei letzte Erinnerungszeichen an die verdienstvolle Familie hin: die holzgeschnitzten Wappentafeln an den Pfeilern zu beiden Seiten des Hochaltars in der Stadtkirche (Wappentier: ein aufsteigender Steinbock) 6. Die eine kündet vom Tod des Jakob Gremiich von Jungingen zu Bittelschieß, wohnhaft in Pfullendorf, gestorben 1612, die andere ist seiner Gemahlin, einer Euphrosina von Ramingen, gewidmet, gestorben 1629. Bald danach erlosch mit dem erwähnten Johann Gremiich von Jungingen, der am 22. Juni 1664 in Pfullendorf starb, das uralte Geschlecht 7. Die von Hornstein Franz Andreas Rogg zählt in seiner Stadtchronik (1774) als Bewohner nach den Gremiich die von Hornstein auf, leider ohne nähere Angabe. Die umfangreiche Familiengeschichte dieses von der Burg Hornstein bei Bingen im Laucherttal stammenden Geschlechts kennt nur vier Buben mit Namen Hornstein, die um 1525 die Pfullendorfer Lateinschule besuchten. Wahrscheinlich wohnten sie im Haus der Gremiich, denen sie durch Heiraten ihrer Vorfahren verwandtschaftlich verbunden waren. Die Barone von Hafner und ihre Verwandten Als nächste Familie nennt Rogg die Barone von Hafner von und zu Bittelschieß. Diese geadelten Bürger kamen durch Heirat der Anna Gremiich von Jungingen, einer der letzten ihres Stammes, mit dem Hohenzollerischen Rat der Grafschaft Veringen Dr. jur. utr. Jeremias Zenker (ab 1628 mit Adelstitel) in die Stadt. Dessen Tochter Apollonia nämlich war die 1. Ehefrau des Johann von Hafner, der Römischen Kaiserlichen Majestät und des Kurfürsten von Bayern Oberstleutnant. Hafner hatte von den Gremiich auch das halbe Bittelschieß übernommen und konnte 1667 vom Bischof von Konstanz noch die andere Hälfte dieses Dorfes hinzuerwerben. Nach dem Tod Apollonias 1665 heiratete er noch im gleichen Jahr in zweiter Ehe Elisabeth von Deuring von Hohentann (gest. 1703, begraben in der Stadtkirche „vor dem Chorgätter"). Aus dieser Verbindung ging der Sohn Franz hervor (1669-1746), der sich eine Schweizerin, Maria Anna Franziska Blarer von Wartensee (1665-1746), zur Frau nahm. 1680 war sein Vater Johann gestorben und in der Stadtkirche vor dem Gremlich-Altar (Dreikönigsaltar) beigesetzt worden. Seine Mutter Elisabeth schloß drei Jahre später nochmals eine Ehe, und zwar mit dem Baron Sigmund von Schellen24 berg. Dieser Ehe entsproß 1683 eine Maria Anna. Ihrem Mann Johann Heinrich von Kern gelang es gegen den Widerstand der Baronin Maria Anna von Hafner endlich 1715, sich im Gremlich-Haus festzusetzen. Mit Leodegar von Hafner, dem Sohn des Franz von Hafner, verschwindet die Familie aus der Stadt. In Sigmaringer Hände und zurück Leodegar verkaufte nämlich das Gremlich-Haus samt dem Bittelschießer Besitz im Jahr 1752 für 32 000 Gulden an den Fürstlichen Hofkanzler von Sigmaringen Johann Baptist von Staader, Edlen von Adelsheim (seit 1736). Danach zog er mit seiner Frau nach Frankental in der Pfalz, wo sie beide starben. Von Staaders Nachfolgern 8 erwarb 1843 Landwirt und Bierbrauer Nepomuk Rossknecht (1812-1865) das Haus mit der nördlich daneben liegenden Scheuer (1932 abgebrannt) und den großen Hofplatz. An die Südseite baute er ein Brauereigebäude mit hohen Fenstern und einem Industriekamin, das dem Obertorturm eine recht seltsame Konkurrenz machte. Am alten Bau prangte dann die Inschrift „Brauerei Löwen", und das Innere erfüllte sich mit der Fröhlichkeit biertrinkender Gäste 9. So blieb es auch unter Nepomuks Sohn Josef (1847-1906) und dessen Sohn Fritz (1881-1956), bis 1909 die Brauerei Zur Hölle, Radolfzell, in das Unternehmen einstieg, es schließlich ganz übernahm und am 21. Juni 1911 an den Spitalfonds verkaufte. Danach verschwand das Hochkamin aus der Stadtsilhouette. Das Brauhaus wurde in Familienwohnungen umgewandelt (1968 im Zuge einer besseren Führung der Hauptstraße abgebrochen) 10 . Das Erdgeschoß und der 1. Stock des alten Hauses dienten sodann als Wohnraum für Bedienstete des Spitals, während der 2. Stock als Pfründnerheim Verwendung fand. Der heruntergekommene Zustand des Anwesens erforderte immer dringlicher eine entscheidende Lösung 11. Die Vorstellungen des staatlichen Denkmalamtes setzten sich schließlich durch, und so wurde eine fachgerechte Erneuerung im Hinblick auf die Verwendung als Schulgebäude (Teil des Gymnasiums) 1976 in Angriff genommen und im Frühjahr 1977 glücklich zu Ende geführt. Der Bau Zwei Bauperioden Eindrucksvoller denn je steht nun, nach vollendeter Außen- und Innenrenovation, das Gremlich-Haus an seinem erhabenen Platz beim Oberen Tor. Das Gebäude ragt nicht nur durch seine Lage, Form und Größe, sondern vor allem durch seine solide Bauweise hervor. Es ist das einzige Privathaus in Pfullendorf aus alter Zeit, das ganz aus Stein gebaut wurde. Nicht nur die Stellung der Familie Gremiich (von der manche Mitglieder noch andere Häuser der Stadt bewohnten), sondern auch diese gefährdetste Stelle der Festung Pfullendorf legte eine solch gediegene Bauweise nahe. Tatsächlich wurden feindliche Angriffe im Lauf der Geschichte fast immer gegen das Obere Tor herangetragen. Die östliche Längsfront des Gebäudes bildet zugleich einen Teil der Stadtmauer, der dort allerdings noch ein breiter Wassergraben zum Schutz vorgelagert war. Die Stadtmauer zog sich dann - wie man jetzt bei der Renovation durch eine kleine Aufmauerung andeutete - bis zum Turm hin. Man kann sich leicht die harmonische Geschlossenheit der ganzen städtebaulichen Landschaft beim Oberen Tor vorstellen, hätte man die Mauer, unter Aussparung eines Durchgangbogens für den Verkehr, bis zum Turm hin weitergeführt und so den ursprünglichen Zustand einigermaßen wieder hergestellt. Uber den Wehrgang stiegen früher die Verteidiger bei Gefahr zu jenem hochstehen- den spitzbogigen Pförtchen hinauf, um dann auf dem hohen Turm ihren Beobachterposten einzunehmen. Als der alte Verputz 1976 große Lücken zeigte und schließlich ganz herabgeschlagen war, sah man an den gelblichen Molasse-Ecksteinen gegen den Turm hin deutlich, daß der Bau in früheren Zeiten nicht so breit war wie heute 12. Die originale Gestalt des Hauses wie überhaupt die bauliche Gesamtanlage an der ganzen Oberstadtbegrenzung ist auf den beiden Bildern "hinten im Schiff von Maria Schray, dem Schwedenbild (renoviert 1715) und der Votivtafel Walter (1742), recht hübsch dargestellt. Wie man auf dem Schwedenbild und übrigens auch auf dem bekannten Augsburger Kupferstich der Stadt von 1720 feststellen kann, war das Haus einst mit einem Satteldach bedeckt, und am Südgiebel zeigte es eine Fachwerkkonstruktion (sicher auch am Nordgiebel) 13. Das Innere brauchen wir uns für jene frühe Zeit nicht allzu großartig vorzustellen: gekalkte Wände, Balkendecken, als Einrichtung eine Anzahl strohgefüllter Bettladen, Tische, Stühle, Truhen, alles recht massiv, vielleicht da und dort an der Wand ein Ahnenbild und im Erdgeschoß natürlich die rauchgeschwärzte Küche mit dem nötigen Inventar an Kupferkesseln und Geschirr. Der Erweiterungsanbau im Zeitalter des Barock Jedenfalls entstand erst durch die Erweiterung um zwei Fensterbreiten zum Turm hin und dann durch die Stuckausstattung im Inneren die feudale Erscheinung eines barocken Herrenhauses. Ohne einer archäologischen Untersuchung des Gemäuers vorzugreifen, läßt sich sagen, daß der Anbau entsprechend den oben erwähnten Bildern nicht vor 1720 ausgeführt worden sein kann, jedoch 1742 fertig war, denn das Votivbild Walter, das Meinrad von Au in diesem Jahr gemalt hatte, zeigt das Gremlich-Haus bereits mit einem Walmdach (die Stadtansicht auf diesem Ölgemälde ist zwar in der Zeichnung recht ungenau, doch die Dachkonstruktion des GremiichHauses läßt an Klarheit nichts zu wünschen übrig). Die repräsentative Erweiterung im Geiste des Barock erfolgte demnach zur Zeit, als Franz von Hafner Besitzer des Hauses bzw. des „Hofes" war, wie man damals sagte. Vielleicht hat Baron von Schellenberg, der junge Stiefvater Hafners, dabei finanziell kräftig mitgeholfen. Dieser Herr scheint kapitalkräftig und auch spendefreudig gewesen zu sein. Der Stadtkirche vermachte er jedenfalls einen schönen Augsburger silbervergoldeten Meßkelch. Unglücklicherweise ist das Meisterzeichen ausgebrochen, und in der Wappenplakette im Fuß des Kelches steht zwar der Name Schellenberg und die fromme, orthographisch nicht ganz vollkommene Bitte „Sacerdos Dei memendo mei" (Priester Gottes, gedenke mein), doch die Jahreszahl fehlt leider. Die Beteiligung der Familie von Schellenberg am Erweiterungsbau scheint so deutlich und eindrucksvoll gewesen zu sein, daß man das Anwesen daraufhin kurzweg „Schellenberger Hof" nannte. Auch Rogg berichtet darüber 1774, als alles schon längst in andere Hände gekommen war, unter dem Titel „Schellenberger Hof". Und bis zur Generation der jetzigen Pfullendorfer Großväter war diese Bezeichnung noch durchaus bekannt und gebräuchlich. sogenannten Rokoko, einer spielerischen Ausstattungskunst, die in unserer Gegend etwa um 1740 einsetzt und durch Johann Jakob Schwarzmann (1729-1784) im Chor der Stadtkirche und in Maria Schray (1750 und 1751) sowie etwa in Bittelschieß, Wald, Sigmaringen und Meßkirch ihren überwältigenden Ausdruck fand. Die Stuckaturen im Gremlich-Haus sind freilich völlig anderer Art. Sie zeigen nicht die rauschende Pracht, leidenschaftliche Wucht und piatische Fülle des jugendlichen Vorarlbergers (vgl. Kirchenführer von St. Jakob), sondern sprechen eine äußerst zurückhaltende Sprache. Nur wenig erhaben und feingliedrig treten sie mit ihrer sehr disziplinierten Ornamentik aus der Stuckfläche heraus. Man muß schon scharf hinsehen, um die zarte Linienführung der kleinen Kompositionen zu erkennen. Es ist darum auch nicht verwunderlich, daß sie beinah verschwunden waren, nachdem einige Weißelschichten ihre Konturen verwischt hatten, und darum dem Unverstand und der Unachtsamkeit verfielen. Von Schwarzmann können die Stuckaturen also nicht stammen, wie man, verleitet durch die irrige Annahme, der Künstler habe jahrzehntelang in Pfullendorf gewohnt 14, schon vermuten zu dürfen meinte. Auch in die zwar gedämpften, doch immer noch recht schwungvollen späteren Schaffensperioden des Meisters (vgl. Schussenried, Meßkirch) lassen sich die Stuckarbeiten im Gremlich-Haus wegen ihrer völlig anderen Handschrift nicht einordnen. Daß Schwarzmann später noch einmal nach Pfullendorf zurückgekehrt wäre, ist sehr unwahrscheinlich. Das erneute Auftreten eines Mannes, der mit 21 Jahren in der Stadt seinen ersten großen Künstlerruhm erworben hatte, könnte dem Chronisten Rogg nicht entgangen sein. Andererseits bemerkt Rogg nach der Erwähnung des Kaufes durch den Herrn von Staader 1752, dieser habe „hernach den Hoff renovieret und herrlich hergestellt". Darf man diese Worte des sonst sehr schlicht berichtenden Rogg nicht als Hinweis dafür nehmen, daß der Fürstlich Sigmaringische, soeben in den Adelsstand erhobene Hofkanzler, der für den Kauf des Pfullendorfer Hofes die schöne Summe von 32 000 Gulden hinlegen konnte, auch noch imstande war, anschließend für die „herrliche Herstellung" durch eine zeitgemäße Stuckierung aufzukommen? Dabei muß man annehmen, daß er die Stuckatoren, die den verfeinerten Stil adliger Herrschaftshäuser beherrschten, über seinen amtlichen Bekanntenkreis beibrachte. Ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet könnte wahrscheinlich auf irgendwo vorhandene Parallelen hinweisen und so die Frage nach Herkunft und Meister der Stuckaturen beim Oberen Tor anhand stilistischer Kriterien beantworten. Ob man bei diesen Überlegungen nicht auch an die Kaplanei St. Johann denken darf? Die Stuckausstattung dort läßt sich durchaus mit der des Gremlich-Hauses vergleichen, doch scheint sie etwas älter und von gröberer Hand zu sein (die Kaplanei wurde 1734 erbaut). Johann Schupp will hier den Pfullendorfer Stuckator Franz Xaver Guhl (geb. 1735) ins Gespräch bringen. Für die Kaplanei mag man ihn in Erwägung ziehen, doch für einen Stuckierungsauftrag Staaders kurz nach 1752 war er noch zu jung. Guhl wirkte 1786 bei der Renovierung des Rathauses mit, doch damals arbeitete er schon klassizistisch. Die Stuckierung der Innenräume Das Gremlich-Haus, Reichsstadt ein kleines Prunkstück der alten Ist man mit der Datierung des Erweiterungsbaus für die Zeit zwischen 1720 und 1742 einverstanden, so lassen sich auch die Stuckaturen im Inneren (Eingangshalle, Treppenläufe, Flur, Wohnzimmerdecken, soweit noch vorhanden) einigermaßen zeitlich festlegen. Rein stilmäßig stammen sie aus der spätbarocken Kunstepoche, dem Wie dem allem auch sei, die Pfullendorfer können froh sein, daß sie in letzter Minute noch den traditionsreichen und großartigen Bau des Gremlich-Hauses gerettet haben und in seinen glücklich erhaltenen Stuckaturen ein einzigartiges Kunstwerk besitzen. Wer Sinn für Kulturgeschichte hat, wird es besonders als Denkmal der feuda25 len Vergangenheit unserer Stadt schätzen. Deutlicher denn je bildet das Haus nun einen hervorragenden Punkt im Gesamtbild der Stadt und i eckt in jedem, der von irgendwoher auf es zugeht, ein freudige Überraschung. Von jetzt an ist es für die beren Klassen des Gymnasiums bestimmt. So steht es ;derum im Zeichen einer höheren Kultur, der die alten Gremiich schon vor vielen Jahrhunderten auf ihre Weise gedient haben. Hinweise: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. 30. Leipzig 1936. Archiv der Stadt Pjullendorj. Pfullendorf (Gemeindeverwaltung), Karlsruhe Generallandesarchiv. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 5 (1976) 1 2 0 / 1 2 1 : Kulturförderungsprogramm hilft der Denkmalpflege, 11. Frick, Walther: D a s weiße und das graue Kloster und der alte »Löwen«. Wie man in Pfullendorf Denkmäler pflegt. H o henzollerische H e i m a t 26 (1976) 1 5 - 1 6 . Groner, Josef: St. Jakob Pfullendorf (Kirchenführer). Schnell und Steiner, München-Zürich 1976. Pfullendorf, Königlich-staufische Stadt. Konstanz 1971. Hornstein-Grüningen, Edward von: Die von Hornstein und Hertenstein. Konstanz 1911. Kindler von Knobloch, Julius: Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. I. Heidelberg 1898. Mühlebach, Josef: Bittelschieß. Aus der Geschichte eines D o r fes. Hohenzollerische H e i m a t 23 (1973) 2 2 - 2 4 . Rogg, Franz Andreas: Locus triumphalis 1774 (Chronik der Stadt Pfullendorf). Handschriftlich (Archiv der Stadt P f u l lendorf, Pfullendorf). Schmid, Karl: Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I. Freiburg i. Brsg. 1954. Schupp, Johann: Künstler und Kunsthandwerker der Reichsstadt Pfullendorf. Selbstverlag des Verf. 1952. D i e Freie Reichsstadt Pfullendorf und ihre Geschlechter. Stadt Pfullendorf 1964. Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf. Karlsruhe 1967. Staatsarchiv Sigmaringen. Anmerkungen: 1 Der Erwerb neuen Grundbesitzes hat sich häufig in einer Erweiterung des Adelsnamens niedergeschlagen, so e t w a : Gremiich von Bittelschieß (seit 1429), von Hasenweiler, von Zusdorf, von Menningen, von Krauchenwies, von Sandegg (Schweiz). N a c h der ehelichen Verbindung mit der Erbtochter von Jungingen 1480 erscheint der N a m e »Gremiich von Jungingen". 2 Bürgermeister treten erstmals mit der Zunftordnung von 1383 auf. D a m a l s wurde die Feudalordnung in der Stadt durch ein demokratisches System friedlich abgelöst. D i e früheren Ammänner, die bislang die Stadt regierten und zugleich Recht sprachen, mußten sich fortan mit der rein richterlichen Funktion zufrieden geben. Deutung des Ortsnamens Heiligenzimmern Der Ort hieß ursprünglich „Zimbern in horgun". Der erste Teil des Ortsnamens kommt von horg, horgen = sumpfig, also Wohnort am Sumpf, was zur Niederung, in welcher Heiligenzimmern liegt, paßt. Der zweite Teil des Ortsnamens wird von Holz (daher Zimmermann) abgeleitet, Zimmern soviel als Häuserheim oder von dem Volksstamm der Zimbern, die sich hierzulande niedergelassen und zahlreiche Orte dieses Namens gegründet haben sollen. Heiligenzimmern wird im Jahre 1034 zum erstenmal urkundlich erwähnt und zwar in einer Urkunde, die im Altarstein in Heiligenzimmern im Jahre 1847 aufgefunden wurde. Dieselbe befindet sich im Pfarrarchiv in Haigerloch. Schon 1304 war Heiligenzimmern ein Pfarrdorf und hatte früher einen eigenen Adel, wobei ein Ritter Werner, genannt Simmerli, im Jahre 1269 als Zeuge bei den Grafen von Hohenberg auftritt. G. W. 26 3 Im höheren Klerus ist nur ein Gremlich-Domherr von Konstanz auszumachen. Sonst finden sich unter den Gremlich-Geistlichen z. B. ein Pfarrer von Linz und einer von Zell a. A. 4 D a s ursprüngliche Gremlich'sche Kaplaneihaus befand sich in der Hauptstr. N r . 3 beim Oberen Tor. 5 D i e Einziehung der Kirchenglocken in den Weltkriegen war der äußere Anlaß für das Verstummen dieses Geläutes. 1795 ließ die Stadt eine neue »Todesangst-Christi-Glocke« mit spätbarocker Ornamentik gießen. Sie wurde 1942 für Kriegszwecke beschlagnahmt, kam jedoch 1945, etwas beschädigt, zurück, ohne jedoch ihre traditionelle Funktion wiederzuerlangen. 6 Weitere Gremlich-Wappen finden sich an der Sakristeitüre von Einhart und in der Kirche von Menningen. Vgl. auch Karl Obser in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 70 (1916) 1 9 3 - 2 0 2 , (Gremlich-Wappen in Salem). ' Dieser letzte Gremiich starb im H a u s A m Alten Spital N r . 2 (heute Geschäft Paul Kaufhold). 8 Johann Baptist von Staader starb 1783. Unter seinem Sohn Adolf kam der Bittelschießer Besitz an das Fürstentum Sigmaringen (1787). Wie es mit dem Gremlich-Haus bis zur Übernahme durch die Rossknecht 1843 genau weiterging, läßt sich augenblicklich nicht ausmachen. 9 Der Malermeister und Amateurkünstler Matthäus H o f mann, Pfullendorf, hat die damalige »Brauerei Löwen« in einem Ölbild festgehalten. 10 Praktisch waren hier mittellose oder wenig bemittelte alte Männer untergebracht. 11 Das H a u s befand sich 1976 in einem äußerst desolaten Zustand, weil seit der Übernahme durch den Spitalfonds 1911 keine durchgreifende Renovation mehr vorgenommen wurde. Man trug sich sogar mit dem Gedanken, es abzureißen und auf dem Platz ein Warenhaus zu errichten. D e m D a zwischentreten des staatlichen Denkmalamtes ist es zu verdanken, daß der alte Bau erhalten blieb. 12 D a ß der heutige K o m p l e x aus zwei Teilen, die verschiedenen Epochen angehören, besteht, ist evident. Als Baujahr einfach „um 1700" anzugeben, ist darum nicht zulässig (vgl. A d o l f Schahl: Kunstbrevier Oberschwaben). 13 D a s Schwedenbild stammt also aus der Zeit vor 1715, dem Motiv nach zu schließen noch aus dem 17. Jahrhundert. 1715 hätte das H a u s entsprechend der damaligen Stilrichtung z w a r bereits ein Walmdach tragen können, doch ist dies nicht anzunehmen, sonst hätte der Renovator die Satteldachform und das Giebelfachwerk nicht so auffallend deutlich herausgehoben. Diese Annahme wird durch den späteren Augsburger Kupferstich (Stadtansicht 1720) bestätigt. 14 Schwarzmann wurde 1729 in Schnifis (Vorarlberg) geboren und ist 1784 dort auch gestorben. Er stammte aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie. N e b e n seiner künstlerischen Tätigkeit übte er in seiner H e i m a t die Funktion eines Amtmannes im Gerichtsbezirk Jagdtberg aus. Brunnenheilige im Narrenhäs Unter diesem Titel erschien im Verlag des Südkurier in Konstanz ein Buch über Narrenbrunnen und närrisches Wasserbrauchtum einst und heute. Tatsächlich hat das närrische Brauchtum an vielen Orten mit Wasser und Brunnen zu tun. Man denke nur, um in Hohenzollern zu bleiben, an das Bräuteln in Sigmaringen oder das Grosselfinger Narrengericht. So ist es kein Wunder, daß sich an vielen Fasnachtsorten im schwäbisch-alemannischen Raum die Narrenzunft ein Denkmal in Form eines Narrenbrunnens gesetzt hat. Der Verfasser, Hans-Günther Bäurer aus Stockach beschreibt nicht nur über 40 Narrenbrunnen, sondern berichtet eingehend über das zugehörige örtliche Brauchtum und dessen Geschichte. So ist das Buch eine Fundgrube für Freunde der Volkskunde, insbesondere des schwäbisch-alemannischen Fasnachtsbrauchtums (204 Seiten mit 17 farbigen und 28 einfarbigen Abbildungen, DM 29.50). B MANFRED H E R M A N N Die T h u m u n d Taxissche Postablage Burladingen Der Burladinger Postablagestempel auf Brief oder Marke wird ab und zu auf einer Auktion angeboten; meistens ist dann das Los mit einem relativ teuren Preis ausgezeichnet. Ist der Stempel auf Grund des damaligen Postumfangs tatsächlich selten? Burladingen, heute eine bedeutende Industriegemeinde mit mehr als 10 000 Einwohnern war noch vor 100 Jahren ein relativ armer, bescheidener Ort. Seit dem Mittelalter gehörte er zur Grafschaft bzw. zum Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. Durch Errichtung einer kaiserlichen Poststation am 1. 10. 1756 in Hechingen, am Postkurs Stuttgart-Schaffhausen, war das Fürstentum an den Postverkehr angeschlossen. 1776 erklärte sich der Fürst von Thum und Taxis bereit, auf der Strecke Hechingen über Gammertingen nach Riedlingen eine Extrapost einzurichten, um eine Verbindung mit dem Schwäbischen Oberland herzustellen. Diese führte auch durch Burladingen. Allerdings gab es keine Gelegenheit, der Extrapost Briefe mitzugeben. Bis zum Jahre 1845 wurde die gesamte Post zwischen Gammertingen und Hechingen von einem privaten fahrenden Boten erledigt. Erst seit dem 1. 1. 1845 verkehrte zweimal wöchentlich zwischen Hechingen und Sigmaringen ein Eilwagen, der neben Personen auch Briefe und Pakete beförderte. Damit war auch Burladingen an das Postnetz angeschlossen. Unterm 15. Oktober 1853 wurde durch die Regierung in Sigmaringen bekannt gegeben, daß zwischen den einzelnen Poststellen auch in verschiedenen Unterwegsorten Personen auf freie Plätze des durchpassierenden Eilwagens oder der Beichaise eingeschrieben werden können, natürlich gegen Entrichtung des Personengeldes. In Burladingen war dies bei Hirschwirt Stehle möglich. Durch Initiative des Vorstandes des Sigmaringer Postamtes, General-Postdirektionssekretär Wilcke, wurde am l . J u n i 1858 eine tägliche Personenpostverbindung zwischen Sigmaringen und Hechingen eingerichtet. Gleichzeitig traten an diesem Kurs eine Reihe von Briefsammelstellen (Kollektionen) in Tätigkeit: in Veringenstadt, in Hettingen und in Burladingen. Der Postkollektor, der in Burladingen dem Postamt Hechingen unterstand, nahm also Briefe entgegen, versah sie mit Briefmarken und brachte auf ihnen den zweizeiligen Kastenstempel H E C H I N G E N - B U R L A D I N G E N an, unter handschriftlicher Beifügung des Datums. Dann gab er die Postsachen dem durchpassierenden Postwagen nach Sigmaringen oder Hechingen mit. Dagegen befaßte sich der Kollektor nie mit der Zustellung von Briefen. Der 3 6 x 1 1 mm messende, stets in Schwarz abgeschlagene Kastenstempel, besitzt gegenüber anderen eine Eigenart: Seine vier Ecken sind abgeschrägt. In der Zeit der Postkollektion wurde er offensichtlich stets auf der Marke und nicht, wie vorgeschrieben, daneben verwendet. Die Gebrauchsdaten des Kollektionsstempels lassen sich exakt angeben: vom 1. 6. 1858 bis zum 19. 4. 1864. Postmeister Ernst Thierbach von Sigmaringen, Postkommissar der Hohenzollerischen Lande, bemühte sich ab 1863, jeden Ort, auch den kleinsten Weiler, durch sogenannte Landpost zu erreichen. So trat auch in Burladingen am 20. April 1864 eine Postablage in Tätigkeit, die das Provisorium der Briefsammelstelle ablöste. Von Burladingen aus wurde am Dienstag, Donnerstag und • ' Burladinger stempel Postablagestempel und Hechinger Nummern- Samstag der Weiler Hermannsdorf durch den Landpostboten begangen. Später kam noch der Ort Gauselfingen dazu, der ursprünglich von Gammertingen aus betreut wurde. Eigentlich müßte in beiden Gemeinden ein Briefkasten mit einem einzeiligen Rahmenstempel vorhanden gewesen sein. Leider wurden noch nie Abdrücke davon gefunden. Postablagebesorger war der Kaufmann Cornel Pfister, dessen schwungvolle Unterschrift wir heute noch auf Postscheinen bewundern. Er verwandte auch weiterhin den einstigen Kollektionsstempel, doch setzte er ihn jeweils vorschriftsmäßig neben die Marken, die in Hechingen mit dem Nummernstempel „305" entwertet wurden. Während der ganzen Postablagezeit wurde der Zweizeiler im Kasten nie durch einen Datumstempel ersetzt, wie das in Veringenstadt, Jungingen und Krauchenwies geschah. Eigenartigerweise stempelte Pfister die angekommene Post zunächst nie auf der Rückseite (wie das sonst üblich war), so daß der Burladinger Postablagestempel anderen gegenüber wesentlich seltener ist, zumal das Posteinzugsgebiet relativ klein blieb. Erst als die Thum und Taxispost am 1. Juli 1867 an Preußen überging, finden wir im September und Oktober den Ablagestempel auch auf der Rückseite der Briefe. Mit dem Ubergang der Post an Preußen wurde Burladingen, wie alle anderen Postablagen zu einer Postexpedition II. Klasse. Noch gab es eine Zeitlang weiter den zweizeiligen Kastenstempel (letztes Verwendungsdatum in meiner Sammlung der 11.10.67), dann wurde er durch den neuen Expeditionsstempel, Einkreiser mit vollem Datum und Stundenangabe, abgelöst. Als erstes Datum besitze ich einen Stempel vom 22. 10. 1867; er wurde bis in die Mitte der achtziger Jahre hinein verwendet. Übrigens sind Marken der Preußenzeit mit Ablage und Expeditionsstempel von Burladingen gleich selten. Das Postamt Hechingen hat den Burladinger Ablagestempel im Oktober 1867 eingezogen, aber nicht vernichtet. Man entfernte die zweite Zeile (Burladingen) und verwendete den Stempel im Innendienst und auf Postscheinen weiter. Daß es sich um den ehemaligen Burladinger Stempel handelte, erkennt man an den abgeschrägten Ecken. Quellen und Literatur: Thele, Geschichte des Postwesens in den Hohenzollerischen Landen, Berlin 1912; Amtsblätter der Königlich-Preußischen Regierung in Sigmaringen 1 8 5 3 - 7 0 ; Alfred Rist, T h u m und Taxis in Hohenzollern in RheinLahn-Bote 1965 und 1966. 27 J O H A N N ADAM KRAUS Die Seelsorger v o n Z i m m e r n bei Hechingen Vorbemerkung: Das Dorf Zimmern, neuestens mit der Gemeinde Bisingen vereinigt, war lange Zeit Filiale der Pfarrei Steinhofen. Von 1134-56 wohnte Graf Gottfried, ein Bruder des Zollergrafen Egino, auf dem Bürgle zu Zimmern, von dem heute nur der Flurname übrig ist. Am 13. Dezember 1765 wurde durch den Cardinalbischof Franz Konrad von Rodt zu Konstanz ein Benefizium dahier bestätigt, das dann 1873 zur Pfarrei erhoben ist. Doch sind erst seit 1819 eigene Seelsorger bekannt. 1 1819-21 Konrad Volm, geb. Hechingen 21. 12. 1796, Priester 1819. Er ging 1821 nach Hausen i. Kill., 1839 nach Weilheim und starb in Hechingen am 31. 3. 1877. 2 1821-23 Hermann Milden, geb. Hechingen 7. 6. 1798, Pr. 1820; 1823 Pfr. in Stetten u. Holst., t 26. 5. 1870 ( H J H 1955,96). 3 1823-28 Josef Anton Reiner, geb. Hechingen 5. 1. 1795, Pr. 1821; Vik. Hechingen, 1823 Benefiziat i. Zimmern, 1828 Pfv. Stein, 1828 Owingen, gest. 14. 4. 1858. 4 1828 Aushilfe: Anton Seitz, geb. Hechingen 21.8.1796, Pr. 1821; 1826-33 Pfr. i. Thanheim, dann entlassen. 5 1828-30 Hermann Friedr. Bulach seit 23. Mai; geb. Hechingen 8.9.1801, Pr. 1824, Vik. Hechingen, Kapl. Zimmern, 1830 Stadtpfr. Hechingen, 1841 Dekan, Beirat der Fürstin Eugenie; f 1- Mai 1857. 6 1830-31 Wunibald Gsell, geb. Thanheim 7.4. 1801, Pr. 1828; Vik. Hechingen, 1831 Pfr. Wilflingen, 1853 Dettensee, 1858 Fischingen; f 18. 6. 1882. 7 1831-39 Lorenz Schweinler, geb. Hechingen 3. 8. 1803, Pr. 1828; Vik. Möhringen u. Hechingen, 1830 Kapl. Steinhofen, 1839 Pfr. Hausen/Kill.; gest. 12. 3. 1882. 8 1839 Aushilfe durch den Vik. Werner von Weilheim seit 5. Juli. 9 1839-42 t Josef Harer, geb. Weilheim 25.9.1806; Pr. seit 15. 8. 39, ist 21. 4. 41 krank. Es helfen aus Blumenstetter von Boll, Coop. Klaffschenkel - Hechingen, und J. B. Diebold - Thanheim. In Wessingen helfen Pfr. Volm - Weilheim und Vik. Gottfr. Pfister - Steinhofen. Harer starb am 20. 8. 1842. 10 1842 seit 20. 8.: Vik. Job. Bapt. Blöchlinger, kommt aber schon 17. Sept. nach Steinhofen. 11 1842-54 Gottfried Pfister seit 18. 10., geb. Hechingen 7.5.1811, Pr. 1826; Vik. Rangendingen 1863 Pfr. Burladingen, 1870 Heiligenzimmern; gest. 25. 5. 1887. Im Jahr 1854 hat er getauscht mit: 12 1854-55 Johann Birkle, bisher Jungingen; geb. Rangendingen 22.5. 1823. Pr. 1847; geht am 11. Aug. 55 nach Heiligenzimmern, 1857 Krauchenwies, später krank nach Isny, f 25. 5. 1886. 13 1855-56 Hermenegild Fechter, seit 18. Nov.; geb. Hart 23.4.1828, Pr. 1854, bish. Vik. Burladingen; starb in Hechingen am 22. 8. 56 an Lungentuberkulose. 14 1856-57. Am 18. August wird als Verw. angewiesen Christian Eger, bisher in Jungnau, kommt aber jahrsdarauf als Kplv. nach Gammertingen. 15 1857-69 f Konrad Braun, geb. Thalheim 16.9.1829, Pr. 1854; bish. Coopr. in Hechingen, wird durch Fürst Karl Anton präsentiert am 28. Juli. Stirbt nach 12 Jahren an Blutsturz am 20. 1. 1869. 16 1869-70 Verw. Josef Klotz, geb. Weilheim 13.4. 1840, Pr. 1866; bisher in Hetlingen, geht 1870 28 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 ans Pfv. nach Bisingen, 1875 Hartheim b. Meßkirch, 1877 Menningen, 1888 Heiligenzimmern, gest. 6. 8. 1899. 1870-71 Tryphon Krom, geb. Sigmaringendorf 10. 11. 1836, kommt hierher von Bietenhausen am 30. 8. 70, geht jahrsdarauf nach Levertsweiler, gest. 21. 3. 1906. 1871-85 Eugen Jung, geb. Sigmaringen 6. 6. 1846, Pr. 1869, bisher Kplv. in Veringendorf, wird nach Examen am 23. 4. 73 als erster Pfarrer dahier investiert, geht 16.11.85 nach Stein, dann Harthausen, zuletzt seit 1894 Pfr. Bingen, f 17. 11. 1899. 1885-86 Verw. Vinzens Hellstern, bish. Vik. in Urberg, kommt 23. 9. 86 nach Ostrach. 1887-96 August Bailer, bish. Pfv. Grosselfingen, kommt 27. 4. an, invest. 15. 11. 87, geb. Sigmaringen 2.10.1860, geht von hier nach Sigmaringendorf, gest. 8. 1. 1906. 1896-97 Verw. Johann Gg. Hagmann, bish. Sigmaringendorf, geb. Braunenweiler (Wtbg) 30. 9. 67, Pr. 1893; ging 1897 nach Diessen, später Dogern, gest. 6. 7. 1933 i. Bonlanden (Wtbg). 1897-1904 Josef Ant. Weber, bish. Pfv. Salmendingen, geb. Hechingen 8.4.1866, Pr. 1890; invest. 17. 8. 1897, geht nervenleidend 1904 als Kpl. nach Heigerloch, verzichtet auf die Pfarrei erst 7. 11. 07; gest. Hechingen 25. 2. 1929. 1902 halfen Franziskaner von Gorheim aus. 1902-03 Aushilfe: Hermann Herz, bish. Rektor i. Moselweis b. Koblenz, geb. Weildorf 19. 4. 1874, Pr. 1899; ist später Pfr. i. Dettlingen, invest. 1912, gest. 3. 4. 1946. 1903-04 Verw. Ferdinand Haussler, bisher Vik. Bruchsal, geb. Bietenhausen 12. 3. 1875, Pr. 1910; geht 18. 10. 04 nach Boll, 1916 Neufra, 1937 Levertsweiler, 1951 pens. Mengen, f 4. 7. 1961. 1904-20 Verw. seit 18. 10.: Eugen Mößner, bish. Veringendorf, geb. Colmar 15.9. 1877, Pr. 1901; präs. 18. 4. 08, invest. 8. 6. 08; geht 15. 12. 1920 nach Mindersdorf, Ruhestand 1932; f Hechingen 27. 10. 1938. Wessingen wurde 1913 von Weilheim nach Zimmern umgepfarrt. 1920-29 Karl Miller, bisher i. Stein, geb. Bingen 26.2.1886, Pr. 1911; invest. 26.3.22, ging 1929 nach Harthausen/Sch. f Sigmaringen 14. 4. 40. 1929-38 Wilhelm Dreher, bish. Vik. Rotenfels, geb. Frohnstetten 17.6.91; Pr. 1921; invest. 24.11.29; ging 10. 8. 38 nach Veringenstadt, inv. 13. 5. 40; ging 1950 nach Weilheim, 1953 Ruhestand Sigmaringen, gest. 11.4. 1960. 1938-41 Sebastian Maier, bish. Vik. B-Baden; geb. Ringingen 4. 7. 06, Pr. 1931; ging 1941 als Pfr. nach Langenenslingen, 1948 Sigmaringen, später Oberkirch b. Solothurn, 1975 Ruhestand i. Heidenheim (Wtbg). 1941 Mai 3.: August Seiler, bish. i. Müllen, geb. BBaden 10. 6. 01, Pr. 1929; ging bald nach Gutmadingen, wo er 30. 10. 1960 starb. 1941-47, hier seit 21. Juni: August Kälble, bish. Neulußheim, geb. Fussbach 3.1.03, Pr. 1930; ging 1947 nach Neuhausen/Villg., später Tiergarten (Bd.), wo er 19. 4. 1960 starb. 1947 Wilhelm Topp, bish. Vik. Villingen, geb. Sigmaringen 28. 11. 1912. Pr. 1937; hier seit 23.4.47, invest. 18. 5. 1947. Genialer Musiker! Ad multos annos! J O H A N N ADAM KRAUS Zur B o h n e r z g e w i n n u n g auf der Alb Im Jahr 1975 erschien im Verlag Acker KG in Gammertingen (bzw. Gemeindeverwaltung Veringenstadt) ein 50seitiges Heftchen von Dr. Erwin Zillenbiller mit dem Titel „Bohnerzgewinnung auf der Schwäbischen Alb" mit Tabellen und Zeichnungen. Der Verfasser stützt sich hauptsächlich auf Überlieferungen der Leute und Akten des Staatsarchivs Sigmaringen sowie auf J. Maiers Aufsatz über das Hüttenwerk Laucherthal im Hohenz. Jahresheft 1956. Maier hat die Bohnerzgewinnung in Inneringen auch im Heimatbuch der Gemeinde 1966, 245 ff. behandelt und in der 1975 erschienenen „Bibliographie der hohenzollerischen Geschichte" werden S. 286-287 etwa 37 frühere Arbeiten über dieses Thema aufgeführt, welche alle das hohenzollerische Gebiet betreffen. Im 15. Jahrhundert bestand an Stelle der jetzigen (stillgelegten) Burladinger Mühle eine Föhlin- oder Funkenschmiede (im Gegensatz zu einer Kaltschmiede) und im 18. Jahrhundert auch eine solche am Ausgang des Bittelschießer Täles. Auf dem Felsen der vorderen Burgstelle „Falken" bei Burladingen fanden sich Eisenschlacken vom ehemaligen Blau-Ofen des Burgschmieds und in Nähe des Monkberges bei Salmendingen werden 1530 die „Bläwinen" genannt, die wohl der Verarbeitung des Bohnerzes dienten. Entgangen ist Herrn Zillenbiller die Nachricht über einen Erzofen bei Veringenstadt von 1730, von dem heute noch der Flurname „Beim Hammer" zeugt. Damals hat der Sigmaringer Fürst für die Arbeiter des Gießofens beim Bischof zu Konstanz die Dispens vom Sonntagsgebot erwirkt ( H H 1958, 64). Bei Rangendingen gab es an der Starzel im Jahre 1544 eine Flur „Beim Hammerschläglin". Seit uralter Zeit haben die Schmiede in sog. Rennfeuern oder Blauöfen aus Erzen der Alb auf einfachste Weise mittels Holzkohlenfeuer das Eisen ausgeschmolzen und dann verarbeitet. In Ringingen zeugen noch viele „ErzIöcher" von dem kostbaren Metall, so im Eisenloch (1524 erw.), in Bäbeloch, Burrenhäule, Kästlesbühl (oberhalb Ruine Ringelstein), Käppelestaig und Hälschloch. Von Ende des 17. Jahrhunderts an lieferte man das in Erzwäschen gereinigte Bohnerz in die Hütten- oder „Bergwerke" Thiergarten a. d. Donau, 1710 Laucherthal und auch Friedrichstal. Beschreibungen einer solchen Wäsche finden sich in Albv. Blätt. 1912, 406 und in ZilIenbillers Schriftchen. Beim Waschen in großen Rührpfannen sank das Erz zu Boden, die Erde aber löste sich und wurde mit dem Wasser abgelassen. In Ringingen befanden sich laut Angaben des 1938 verstorbenen Steinhauers Karl Dietrich solche Erzwäschen am Mettenbergbrunnen hinter Eisenloch, am Eck vom Bäbeloch, am Eiselocher Weg, am Langenrain, bei Großbrunnen, an Raißles Häldele und bei's Kipfen Kreuz unter Hälschloch. Nach der alten O / A Beschreibung Riedlingen (1827, 63) bestand um 1820 eine Abmachung zwischen Württemberg und HohenzoIIern-Sigmaringen, wonach die Ringinger Erze nach Friedrichstal (b. Freudenstadt!), die Egelfinger und Emerfelder Erze nach Laucherthal zollfrei geliefert werden durften. Im Jahre 1811 wurde von der Sigmaringer Regierung (Amtsblatt 12. Sept.) eine Erzgräberordnung erlassen. Das Meßkircher Forstamt, das noch lange für Ringingen zuständig war, erlaubte am 7. Juli 1827 das Graben im Gemeindewald am Weg ins sog. Adamsteich (zwischen Burrenhäule und den Privatwäldern). Die Löcher mußten nachher wieder zugefüllt und Bäumchen gesetzt werden. Von jedem Kübel zahlten die Gräber der Gemeinde einen Kreuzer, wenn das Erz im Lande blieb, dagegen wenn es ins Ausland ging, zwei Kreuzer als Bodenzins. Als Graber um 1817-30 sind bekannt: Math. Freudemann (Hs. 88), Anton Beck (28), Anton Kraus (89), Egid Hohner (86b), Franz Faigle (118), Math. Rueß (131), Andrä Dieter (86a) und Philipp Dieter (32). Wieviel eigentlich Erz gefördert wurde, ist nicht gesagt, doch nahm die Gemeinde im Jahre 1837 an Erzkübelgeldern 112 Gulden und 32 Kreuzer ein. Im Steuerkataster von 1847 stehen als Graber mit je 100 fl Steuerkapital erwähnt: Anton Beck, Philipp und Jordan Dieter, später noch Franz Faigle, die ans Hüttenwerk Thiergarten verkauften. Doch waren die Transportkosten vom Verdienst abzurechnen. Eigentümlicherweise ziehen sich die Erzadern fast immer in west-östlicher Richtung hin, und erreichten im Eisenloch eine große Tiefe von angeblich 30 und mehr Metern! Manchmal findet man auch eherne Schnecken, bzw. Abdrücke von Meeresschnecken, z. B. am Talwieser Weg und in Bräuneschmack auf den Äckern. Im Jahre 1857 ging das Gerede, man wolle nächstens in Burladingen eine Eisenschmelze bauen. Die Gemeinde Ringingen erließ am 25. August 1862 eine Erzgräberordnung: „1. Gesuche um Grab-Erlaubnis auf Gemeindegrund sind ans Bürgermeisteramt zu richten, das die Erlaubnisscheine ausstellt. Das Erzsuchen darf in der Regel nur mit dem Erzbohrer geschehen. Wo auf steinigem Grund dies nicht möglich ist, bedarf es zu Grabungen mit Hacke und Schaufel einer weiteren Erlaubnis. 2. Ist Erz gefunden worden, so wird dem Gräber ein Platz zum Aufhäufen angewiesen. Leere Gruben und Löcher sind alsbald zuzufüllen. 3. Bäume und Sträucher dürfen nur mit Genehmigung des Waldschützen umgemacht werden und gehören der Gemeinde. 4. Der „Erzgrund" darf bei Geldstrafe von Vs bis 5 fl nur auf ausdrücklich hierzu gestatteten Wegen abgeführt werden. 5. Halb geleerte Gruben sind nicht im Stich zu lassen. Für den technischen Ausbau der Gruben (Sprießen etc.) wird die Gemeinde einen geeigneten Mann als Aufseher bestellen. 6. Sollten die Hüttenwerke einen inspizierenden Techniker fordern, so ist dies lediglich Sache der Interessierten. 7. Ausbeutete Gruben müssen dem Bürgermeister gemeldet werden, das er auf Zufüllung drängen kann. Wird die Frist der Einebnung nicht erfüllt, so wird dies von der Gemeinde auf Kosten des betr. Gräbers besorgt. 8. Den Aufsichtspersonen ist im allem Folge zu leisten. 9. Die Höhe des Kübelgeldes als Entschädigung an die Gemeinde wird vom Gemeinderat festgesetzt werden. Das hohenzollerische Hüttenwerk Laucherthal zieht bei der Abrechnung dieses Kübelgeld für die Gemeinde sofort mit ab. 10. Jeder Erzgräber muß diese Bestimmungen unterschreiben." Noch im Dezember 1871 erlangte Jordan Dieter die Befugnis, auf dem Burren nach Sand oder Erz zu suchen, doch mit der Auflage, die Löcher wieder zuzufüllen. Eng mit dem Erzgraben verbunden war das Köhlerhandwerk, das in Ringingen bis 1914 noch von den Schmieden betrieben wurde. Schon 1404 gabs daselbst den Familiennamen Kohler. Kohlplatten bestanden a) in Saien unterm Siechenbrünnle, b) auf der Hagenwies am Dannemer- oder Burladinger Weg, c) auf dem Kälberwasen im Buckental unterm Ringelstein, d) bei der Flur Ziegelhütte, e) unweit des Bildstocks St. Johannes von Stetten im unteren Teil des Kirchholzes. Schmied Josef Dorn legte um 1912/13 zwischen den beiden Käppelestaigen 29 eine Kohlhütte an. In den Jahren 1735-37 sind aus den Herrschaftswäldern zu Ringingen ins „Bergwerk" Thiergarten 1571 Bergklafter Holz verkohlt worden, das Klafter zu 50 kr, also zu 1309 fl 10 kr. Als man 1748 den Martin Hipp (Hs. 99) ertappte, wie er im Herrschaftswald einen Stamm Holz zum Verkohlen fällte, wurde er zur Strafe eine Stunde in den Spanischen mantel gesteckt (umgedrehte Tonne mit Loch für den Kopf!) und mußte dem Melchinger Jäger (Förster) Johann Georg Bogenschütz 24 Kreuzer bezahlen. Heute zeugen nur noch die Erzlöcher von der mühseligen Arbeit der Erzschürfer. J O H A N N WANNENMACHER Ein hartes Auswandererschicksal Josef Gehweiler aus Grüningen bei Riedlingen schreibt 1855 aus Amerika einen Brief an seine Frau Mein Auswandererbrief aus Amerika in Heft 4 der „Hohenzollerischen Heimat" vom Dezember 1976 hat vielseitiges Interesse gefunden. Neben verschiedenen Zuschriften ist mir u. a. von einem Bezieher der „Hohenz. Heimat" aus Grüningen b. Riedlingen nachstehender Auswandererbrief zur Veröffentlichung zugegangen. Hierzu sei folgendes bemerkt: Josef Gehweiler aus Grüningen war Schreiner und betrieb nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Bei der Ablösung hatte er noch ein Drittel eines großen Bauernhauses übernommen. Wie bekannt ist, waren aber die Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts sehr schlechte Jahre. Trotz allen Fleißes war es Gehweiler nicht möglich, sein Anwesen zu erhalten und seine Familie zu ernähren. Dazu kam noch großes persönliches Unglück. Von sechs Kindern waren in wenigen Jahren fünf gestorben. Wie soviele in damaliger Zeit entschloß sich dann Gehweiler zur Auswanderung. Da aber seine Frau damit nicht einverstanden war, verließ er im Oktober 1854 heimlich seinen Ort und begab sich notgedrungen auf den Weg nach Amerika. Welch hartes Schicksal ihn aber zuerst traf, berichtet er in einem Brief vom März 1855 an seine Frau in Grüningen, die dann mit dem einzigen Kinde doch noch auswanderte und ihrem Manne nach Amerika nachfolgte. „Seneca Falls State of Newyork of Amerika, den 18. März 1855 Theure Gattin! Ich grüße Dich erstens und alle, die an unserem Schicksal teilgenommen haben, und wünsche, daß Euch mein Schreiben in bester Gesundheit antreffe, so wie ich es wirklich auch bin. Mit bangem Herzen schreibe ich Dir diesen Brief, denn es ist bald ein halbes Jahr, daß ich von Dir fort bin und Ihr seitdem keine Antwort mehr von mir erhalten habt. Indem ich Dir von Straßburg aus schrieb. Wenn ich nach New York komme, so schreibe ich gleich. Allein die Sache ging ganz anders als ichs mir vorstellte, und was sollte ich schreiben. Wie es mir ging, das wollte ich nicht und schreibe es auch jetzt noch nicht, denn ich weiß ja noch nicht, ob Du mein Schreiben annimmst oder nicht. Ich will zuerst eine Antwort haben von Dir, wie es Dir ging und jetzt geht, und was man auch mit unserem Hauswesen angefangen hat, wie Du stehst mit Bruder und Schwager. Es geht mir immer vor, als sei jemand aus unserer Familie gestorben. - Schreibe mir gleich, so wie Du den Brief hast, dann werde ich auch sogleich wieder schreiben und Dir etwas Geld schicken, Du wirst's brauchen können. Auch werde ich dann schreiben wie es mir ging von Straßburg bis den 2. Februar 1855 - nicht gut. Darum schreib ich nicht. Auch wußte ich nicht, wohin ich Deine Antwort adressieren 30 sollte, weil ich keine Arbeit hatte. Den 21. Oktober (1854) ist unser Schiff namens „Kohedes" abgesegelt und den 15. Dezember sind wir in New York angelandet. Hatten sehr schlechtes Wetter, Schiffbruch und viel Sturm - wie ich nächstes Mal schreiben werde. Und Wer und was war Schuld, daß es mir so schlecht ging auf dem Wasser und hier in Amerika bis am 2. Februar? Ich selbst, weil ich in dieser Jahreszeit mit so wenig Geld fort ging, kurz, mancher würde unterlegen sein, wenn er in meiner Lage gewesen wäre. Den 15. Oktober, an der Kirchweih hatte ich noch 3 Kreuzer und sollte nach Amerika. Vom 15. Oktober die Kleider nicht mehr vom Leib bis am 2. Februar, den ganzen Winter unter freiem Himmel und später unter einem Dach übernachtet. Was mich dadurch traf, werde ich das nächste Mal schreiben. Auch die Sitten und Gebräuche von Amerika, wie ich hier her kam ohne Geld, das muß ich schreiben, daß ich alle Tage Gott gedankt habe, daß Du nicht hier warst, und hätte Dich recht notwendig brauchen können. Allein hier ohne Geld war es ein jämmerliches Leben hier in Amerika. Es waren in New York diesen Winter 35 000 arbeitslose Menschen, dazu kamen vom 15. Dezember an noch 13 700 Einwanderer, von denen bis im Januar die meisten in New York blieben und kein Geld hatten. Wenn eine Familie mit 5-6 Personen auch noch 150 fl (Gulden) hatte, das war nichts, denn es ist sehr teuer in Amerika dieses Jahr. Die Person kostet alle Tag ein Thaler (Dollar). Das ist 2 fl 30 xr (2 Gulden 30 Kreuzer) deutsches Geld. Kinder wurden von den Eltern verlassen und Eltern von den Kindern, Männer von Frauen und Frauen von Männern, so daß keiner vom anderen mehr weißt und sich findet. Kinder wurden von Müttern in fremde Häuser verstellt und gingen fort, wie ich dann später genau schreiben werde. Ich habe schon vieles erfahren hier in Amerika in kurzer Zeit. Mancher täuscht sich sehr nach Amerika zu gehen, weil er sich immer nur das Gute vorstellt und vom Bösen nichts hören mag, darum auch nichts glaubt, was man schreibt. Was ich aber das nächste Mal schreibe. - es mag sein, von was es will, es ist die Wahrheit und glaubt es sicherlich! Den 2. Februar kam ich vor ein schönes Haus an der Straße nach Buffallo und fragte um Warck (Work), das ist Arbeit auf deutsch. Es war niemand da als eine Frau. Sie ging mit mir in einen Schopf (Schuppen), gab mir eine Säge, dann mußte ich Holz sägen. Als sie sah, daß ich's gut kann, ging sie und richtete mir zu Essen. Dieweil kam der Herr nach Hause, sah mir auch zu und ging. Man holte mich zum Essen. Jetzt sollte ich immer reden und konnte nicht englisch, und sie nicht deutsch. Es waren nur 2 Personen, sonst hatten sie niemand. - 1 Pferd, 2 Kühe und 12 Schafe, 1 Schwein und 27 Hühner ist ihr Hab. Nach dem Essen mußte ich wieder sägen und dann den ganzen Monat, wußte aber nicht was ich bekomme. Am 25. Februar kam ein Herr gefahren, dann einer gelaufen. Ich mußte in das Zimmer kommen. Jetzt wurde gedollmetschtt. Der eine konnte deutsch. Es war eine bestellte Sache. Mein Herr, bei welchem ich arbeitete, rekommandierte mich zu seinem Bruder, weil er weiters niemand braucht und gab mit 4 Thaler (Dollar) Dann sollte ich mich verdingen zu diesem Herrn, wo ich wirklich bin. Das tat ich nicht. Ein Jahr - war mir zu lang, da machten wir es auf Monat aus. Er gibt mir im März 8 Thaler, den April 10 Thaler, im Mai 10 Taler, Juni 12 Taler, Juli 12 Taler, August 12 Taler, September 10 Taler, Oktober 10 Taler, November 8 Taler, Dezember 7 Taler, Januar 7 Taler, Februar 7 Taler. Alle Monat ausbezahlt. - Dieser Farmer ist Doktor, der erste in dieser Gegend, ganz gut studiert. In Deutschland wäre er soviel als der Doktor Vogel in Riedlingen. Bei diesem Herrn habe ich 2 Pferde, 2 Maulesel, 6 Kühe, 10 Schafe. Ich habe aber nicht länger im Sinn zu bleiben bis Mai oder längstens bis 1. Juni. Darum schreibe mir gleich, damit ich nicht gehindert werde. Wenn ich Geld habe, so kaufe ich mir Werkzeug zur Profession. Hier muß jeder sein eigenes Werkzeug haben, dann habe ich pro Tag 10-12 Schilling, das ist deutsches Geld (3 Gulden 6 Kreuzer - 3 Gulden 42 Kreuzer). Mein Werkzeug das ich mit habe, kann ich hier nicht brauchen. In dieser Gegend ist alles Amerikanisch und Englisch. Ich weiß eine einzelne deutsche Familie. Mein Herr u. Frau sind geborene Amerikaner. Ich kann noch sehr wenig englisch verstehen tu ich schon ziemlich. Das ist aber schwer: Arbeiten und nichts verstehen. Kein Wort reden mit keinem Menschen. Wenn jemand nach Amerika geht vom Ort Grüningen: Ich arbeite in Seneca Falls, meine Farm steht an der Eisenbahn nach Buffalo, sie geht durch den Hof. Die Adresse habt Ihr auf dem Couvert von meinem Herrn an mich. Tut den Brief, den ihr schreibt in das Couvert und schickt mir ihn durch die Post so schnell als möglich. Ich endige mein Schreiben für diesmal und bin in der Hoffnung eine baldige Antwort zu erwarten. Schreibe auch die Neuigkeiten, auch wie es mit dem Krieg steht. Laß schreiben. Besonders weiß ich niemand nichts zu schreiben, weil ich so unverhofft fort bin. Doch mag es stehen wie es will, grüße ich von Herzen meinen Bruder Konrad, Hw. Pfarrer Cammerer, Schwa- ger Härter, sie möchten mir verzeihen, es ist geschehen. Ich werde gut machen was noch fehlt, diesen Sommer, wenn mich Gott gesund erhält, wie ich es jetzt bin. Teure Gattin! - Besonders muß ich Dich ermahnen. Bete alle Tage zu Gott. Du hast Zeit und Gelegenheit zum Beten, daß mich Gott gesund erhält. Ich habe jetzt den Sieg erhalten, den ich sehnlichst gewünscht habe. Damit es uns soll wieder besser gehen. Es hat mich aber viele Seufzer, ja sogar viele Tränen gekostet, denn es ging mir so schlecht. Ich war krank 32 Tage auf dem Schiff, nachher wurde ich krätzig, dann bekam ich so viel Leiß (Läuse), es war ungeheuer, von Irländern, kurz das nächste Mal werde ich es nach der Ordnung schreiben, wie es mir ging. Daß Du wirst auch viel haben durchmachen müssen, samt Bruder glaube ich auch, durch mein Fortgehen, es ist aber geschehen und nicht mehr zu ändern. Habe Acht auf das Kind, wenn es noch lebt. Gesehen im Traum habe ich es schon oft, wie auch noch den Franziskus viel öfters als in der Heimat. Wenn ich einmal eine Antwort habe, wie es Dir geht, dann wollen wir sehen wie wir es machen mit dem Amerika gehen. Ist alles verkauft so lasse ich Dir freien Willen, wenn aber nicht, so gib ich meinen Rat, dann könnt Ihr es überlegen, was zu tun ist. Jetzt kann ich noch keinen geben. Grüße mir auch den Schneider Mayer und die Jagdpächter, den Sauter und Siskus Ruß, wie auch die Gefattern Gertrauda Sauter, den Gefatter J. Gehweiler und Schultheiß Rehm. Der Bruder Konrad soll Dir beistehen, wie auch Schwager Härter. Ich werde sie dafür belohnen. Bis jetzt konnte ich nichts tun, da ich nichts hatte. Wie meine Kleider aussehen, will ich gar nicht schreiben. Man sollte glauben es wär nicht möglich, daß sie soviel ausgehalten haben, jetzt aber geht es mir gut, wenn ich gesund bleibe. Bleibet also nocheinmal gesund. Habet sonst keine unnötigen Sorgen wegen mir. Schreiben werde ich alle 3 Monate. Du kannst schreiben so oft Du willst. Es ist mir allzeit willkommen. Du magst brauchen, was Du willst, Not sollst Du keine haben. Ich verbleibe allzeit Dein getreuer Gatte Josef Gehweiler WALTHER FRICK Hohenzollern b e k a m auch einen großen See Der Illmensee gehört jetzt zum Kreis Sigmaringen Der Begriff Hohenzollern steht in der Überschrift dieser Zeilen bewußt in Gänsefüßchen, denn er ist, im Sinn dessen, was die „HohenzoIIerische Heimat" pflegt, schillernd geworden: wir haben in den letzten Ausgaben über den Wildenstein, Meßkirch, Mengen und Pfullendorf geschrieben - Saulgau steht noch aus; alles keine hohenzollerische Städte und Plätze, aber durch die Kreisreform zu Sigmaringen gekommen. Die Problematik beschäftigt den Geschichtsverein schon die ganze Zeit über, seitdem die Reform verwirklicht wurde. Man weiß auch und hat darüber gesprochen, daß möglicherweise der Name des Vereins und dieser Zeitschrift einmal zu ändern sein wird. Unter diesem Vorzeichen also ist der Illmensee quasi zu Hohenzollern gekommen und verdient, hier ebenfalls einmal dargestellt zu werden. Den Soldaten des Zweiten Weltkriegs fällt natürlich sofort ein, daß es einen gleichen See, mit einem 1 geschrieben, in Rußland gibt, um den lange schwere Kämpfe tobten, und es ist kein Zufall, sondern Absicht, daß es in Illmensee, Kreis Sigmaringen, seit Jahren ein Denkmal gibt für die Toten vom großen Ilmensee. Alle Jahre wenigstens einmal treffen sich die Uberlebenden jener Kämpfe zu einer Feierstunde und zum Gedenken an diesem Mal. Das hat übrigens zu einer Berichtigung der Kreisreform geführt, was hier auch erwähnt werden darf: Der Bürgermeister von Illmensee, Franz Xaver Reis, und sein Gemeinderat fanden es nicht passend, daß bis auf wenige Meter an das Mahnmal heran sich die Badegäste lagerten, aber er konnte lange nichts machen, denn die Kreisgrenze Sigmaringen/Ravensburg geht fast genau an dem Gedenkstein vorbei. Schließlich erreichte Illmensee aber doch, daß der Kreis Ravensburg an den Kreis Sigmaringen, hier an die Gemeinde Illmensee, einen Streifen Wiese abtrat. Damit konnte Illmensee einen kleinen Sperrbezirk um das Mahnmal schaffen. Der See selber hat zwei Geschwister, den Ruschwei31 ler See, kaum tausend Meter entfernt im Nordwesten, und dahinter noch einen kleinen Weiher, und seit einigen Jahren ist das die heimliche Riviera Oberschwabens geworden, was nichts anderes heißt, als daß vieles gebaut wurde, von dem manches besser unterblieben wäre. Es gibt hier sogar einen Segelclub, es gibt eine Menge Zweithäuser, und die Meinungen zwischen verspätetem Umweltschutz und den Interessen von Bauherren stoßen gelegentlich hart aufeinander. Noch vor zwanzig Jahren waren die beiden Seen eher ein Geheimtyp, und der Ort Illmensee hatte zwar schon lange einige Gasthäuser, die für den Ort viel zu groß wären, wenn nicht schon lange Fremde gekommen wären, war aber doch immer noch ein kleines Bauern- und Fischerdorf, wie seit Jahrhunderten. Die geschriebenen Urkunden reichen bis 1275 zurück, wo Illmensee erstmals erwähnt wird und zwar als Pfarrei; die Urkunden der Spatenforschung reichen in die jüngere Steinzeit/Horgen-Kultur. - Im 13. Jahrhundert gab es den üblichen Ortsadel, der sich „von Illmensee" schrieb und später in Überlingen einsaß. Ihre Nachfolger wurden Herren von Hasenstein, wobei 1285 ein Burkhard von Hasenstein seinen Anteil an Illmensee an das Kloster Salem verkaufte. Der Burgstall von Illmensee ging mit dem übrigen Dorfteil an das (noch heute bestehende) Spital von Pfullendorf im Jahre 1387. Interessant ist, daß in der zugehörigen Urkunde bereits die Flurnamen in deutscher Sprache erscheinen. Und nun wird die Geschichte Illmensees sogar mit einem Hauch von Zollerischem umgeben, denn 1325 überträgt ein Ritter Swaenger von Lichtenstein, der zum Gefolge der Grafen von Zollern gehört, dem Kloster Salem zwei Fischlehen am See. Das eine bebaut einer namens Guntram, das andere ein Bäldlin. Das sind die ersten bekannten Namen von Bewohnern Illmensees. Jedermann kennt die große Bedeutung des Fisches als Nahrungsmittel im Mittelalter, wo es soviele Fasttage gab, namentlich in den Klöstern. Es gab um Klöster und Städte herum künstliche Fischweiher von einem Umfang, den wir kaum mehr erahnen; um wieviel mehr mußte ein solches Gottesgeschenk wie ein (heute noch) fischreicher See erscheinen. - Die Hälfte des Sees war zollerisches Lehen damals, in der Hand des genannten Swaenger, der es 1327 an Salem übertrug als Seelgerät. Das Kloster verpflichtete sich, allen seinen Mönchen an den drei „heiligen Abenden" (die Vorabende von Weihnachten, Ostern und Pfingsten) „drei ehrbare Dienst von Fischen" vorzusetzen, das heißt heute: drei anständige HOHENZOLLERISCHE HEIMAT herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei K G , 748 Sigmaringen, Karlstr. 10. D i e Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschichte ihrer H e i m a t vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden können. Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " : 802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart Die Autoren dieser Portionen. - Die andere Hälfte des Sees kam an die Grafen von Werdenberg - auch das ist schließlich weit hergeholt noch ein Hauch von Zollern - und an ihre Rechtsnachfolger, die Fürstenberger. Noch 1803 war der See auf diese Weise geteilt. Bemerkenswert ist, daß das Dorf Illmensee durch die Jahrhunderte bis ins 19. hinein immer kleiner wurde. Im Jahre 1353 zählte es 30 Häuser, im Jahre 1811 sind es nur noch 25. Was den so lange Zeit Pfullendorfischen Teil angeht, scheint sich auch da zu bewahrheiten, was man vom Spital ohnehin weiß: mit ihm war gut gschirren. Das Spital war immer sehr sozial gerichtet und drückte seine Untertanen nicht. Aus Hohenzollern erreicht man Illmensee über Pfullendorf. Von dort fährt man weiter nach Heiligenberg, aber nur bis Denkingen, wo die Abfahrt ausgeschildert ist. Nach wenigen Kilometern erreicht man erst den Ort Ruschweiler und gleich darauf Illmensee. Wenn man nicht gerade im Sommer kommt, wo der etwa tausend Meter lange und an der breitesten Stelle rund 500 Meter breite See von Badenden wimmelt, gerät man an ein Kleinod von Landschaft. Teils vom Wald begrenzt fast darf man sagen: bekränzt - teils von Feldern liegt der See da, wobei der Illmensee schöner in der Landschaft eingebettet ist als der Ruschweiler - aber das ist natürlich Ansichtssache. IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII Berichtigung zur Pfarrliste Boll Zu H H 1976, 20 Nr. 42: Seit der Abberufung des Verwesers Klaus Hagele im Oktober 1972 ist die Seelsorge dem H. H. Stadtpfarrer Dr. Theodor Seeger in Hechingen aufgetragen und wird praktisch durch seinen Kaplan H. H. Hans-Peter Jäger ausgeübt. Gb. Freiburg 5. 10. 3 8 ; Pr. 7. 5. 70. Die Anweisung des Klaus Fritz wurde gleich zurückgenommen und er schied aus. Der Pensionär H. H. Rudolf Reiser aus Gammertingen wohnte lediglich vom 1. 10. 74 bis März 1976 im Pfarrhaus Boll, jetzt aber in Illmensee. (Freundliche Mitteilung von H. H. Kaplan Jäger anläßlich der Wiedereröffnung der Wallfahrtskirche Mariazell am 1. Mai 1977, nach siebenjähriger Schließung und gründlicher Erneuerung als Folge eines Erdbebens.) Nummer: Walther Trick, Journalist, H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen Schriftleitung: D r . med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Redaktionsausschuß: Prof. Dr. J. Groner, A d o l f - K o l p i n g - S t r . 17, 7798 Pfullendorf Hubert Deck, Konrektor 745 Hechingen, Tübinger Straße 28 Telefon (07471) 2937 Pfarrer Manfred Hermann, 7451 N e u f r a / H o h e n z . Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, H o h e Tannen Telefon (07571) 8341 Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R., D i e mit N a m e n versehenen Artikel geben Badstraße 2, 7800 Freiburg/Br. die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt Dr. Alexander Schulz, Kunsthistoriker, der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche geReutlinger Straße 73, 7900 U l m 10 kennzeichnet. K. W. Steim, Pressereferent beim Manuskripte und Besprechungsexemplare Regierungspräsidium, 7400 Tübingen werden an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten. Johann Wannenmacher, Schulrat i. R., Wir bitten unsere Leser, die „ H o h e n z o l lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen. Goethestraße, 7487 Gammertingen W 3828 F HÖH ENZOLLERISCHE HEIMÄT Sigmaringen Lithograpme Herauegegeben oom Hohenzollerifdien Getchichtaoerein 27. J a h r g a n g von S. Lütz Nr. 3 / S c p t e m b e r 1977 nach C. A. von Mayenfisch, 1832 GREGOR RICHTER Sigmaringen 1077 * Ein Beitrag zur Problematik der Erstnennung v o n O r t e n Die Jahrhundertfeiern von Orten und Ortsteilen haben ihren guten Sinn. Sie geben Anlaß, über die geschichtliche Entwicklung Besinnung zu halten, den zurückgelegten Weg verständnisvoll und kritisch nachzuzeichnen und Maßstäbe für die Beurteilung der Gegenwart zu gewinnen. Naturgemäß wächst der Stolz der Bürger mit der Zahl der Jahrhunderte, auf die man sich berufen kann. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, daß nicht selten der Zufall eine Rolle spielte, ob eine Siedlung früher oder später mit einer schriftlichen Erwähnung bedacht wurde. Überhaupt können mit solchen Quellenbelegen manche Probleme verbunden sein, die sich allein durch quellenkritische Analysen lösen lassen. Am Beispiel von Sigmaringen, das 1977 das neunhundertste Jubiläum seiner ersten schriftlichen Erwähnung begeht, läßt sich die Problematik gut erkennen, wie einige Hintergrundinformationen verdeutlichen. Wie längst bekannt, ist von Sigmaringen in einer schriftlichen Belegstelle erstmals in Form einer, ja eigentlich mehrerer chronikalischer Nachrichten die Rede. Wie schon Sebastian Locher 1867 dargestellt und mit Textauszügen belegt h a t e r w ä h n t e der Annalenschreiber Berthold, es hätte König Rudolf 1077 eine Burg an der Donau belagert. Es ist zu ergänzen, auch das Chronikon eines gewissen Bernold 2 berichtet darüber. Den Namen der Burg erfährt man jedoch erst aus der Petershausener Chronik 3. Der Petershausener Bericht erzählt, die Herzöge Alemanniens hätten im März 1077 Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig gewählt, obwohl König Heinrich IV. noch am Leben war. Der Gegenkönig sei Ostern in der Nähe von Augsburg gewesen und „von dort zog König Rudolf nach der Burg Sigimaringin und belagerte sie". Als der Belagerer von der Herankunft seines Gegners König Heinrich hörte, der mit einem Heer nahte, „um die Festung zu entsetzen, zog er ab und ging nach Sachsen." Inhaltlich übereinstimmend berichtet die Fortsetzung der St. Galler Chronik über den Vorfall 4 . Die so doppelt bezeugte und mit sicherer Wahrscheinlichkeit auch in den Quellen Bertolds und Bernolds auf Sigmaringen bezogene Belagerung könnte als historisch unanfechtbares Faktum gelten, ließen nicht Zeit und Umstände der Niederschrift unserer Quellen einige Zweifel aufkommen. Denn nach den wissenschaftlichen Textausgaben entstammen lediglich die Annalen Bertolds und das Chronikon Bernolds der Feder von Zeitgenossen der geschilderten Vorgänge. Die Petershausener Chronik entstand aber erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts, die St. Galler Notiz sogar noch ein halbes Jahrhundert später. Liegen demnach zwischen den Ereignissen und der erstmaligen Bezeichnung des Belagerungsplatzes als Burg Sigmaringen an sechs Jahrzehnte, so muß man zumindest die Frage aufwerfen, wie weit dann überhaupt noch Glaubwürdigkeit besteht, überspitzt gefragt, ob Sigmaringen zu Recht in diesem Jahr den 900. Jahrtag seiner Ersterwähnung feiern durfte. Die Zweifel lassen sich im vorliegenden Fall sicher zerstreuen: Die Tatsache einer Belagerung in diesem Raum braucht nach den zweimaligen Angaben darüber in den unverdächtigen und zeitlich nahen Quellen Bertolds und Bernolds nicht infragegestellt zu werden. Da mittelalterliche Annalen und Chroniken in Kopie oder sonstwie späteren Geschichtsschreibern zugänglich geworden sind, was die oft wörtlich übereinstimmenden Textstellen mit älteren Aufzeichnungen beweisen, deshalb ist die Annahme berechtigt, der Petershausener und über ihn der St. Galler Chronist hätten Kenntnis von den Einträgen Bertolds und Bernolds besessen. Die Ortsangabe zu der Belagerung von Sigmaringen muß aber aufgrund anderer Uberlieferungen möglich gewesen sein. Hier nun möchten wieder Bedenken aufkommen, da ja zur Zeit der Abfassung der Petershausener Quelle nur noch hochbetagte Gewährsleute am Leben gewesen sein können, die eigene Erinnerungen an die Vorgänge von 1077 besaßen und leicht Irrtümern oder Verwechslungen erlegen wären. Solche Einwände verlieren jedoch an Gewicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es sich beim Jahr 1077 um kein gewöhnliches Jahr handelte. So wie sich die Jahre 1933 oder 1945 noch heute, nachdem längst Jahrzehnte vergangen sind, als Orientierungszeiten für Maßnahmen und Ereignisse von allen anderen Jahren abheben, so war und ist es mit 1077, ist ja das Bild vom Gang nach Canossa für eine wenig rühmliche Unterwerfung noch immer gebräuchlich. Dieses Bild aber geht auf einen Vorfall von 1077 zurück. Wie wir uns erinnern, erlangte 1077 der Investiturstreit seinen Höhepunkt, in dem es um die wichtige Frage ging, ob weltliche Herren über kirchliche Stellen bestimmen, und etwa der König die Reichsbischöfe einsetzen dürfte, oder ob dies allein Sache kirchlicher Instanzen sei. König Heinrich IV. hatte sich über entsprechende päpstliche Verfügungen hinweggesetzt, was ihm den Bannfluch einbrachte. Als daraufhin eine päpstlich ge34 sonnene Partei mit der Absetzung drohte und Papst Gregor VII. sich schon unterwegs nach Deutschland befand, da mußte sich der König zum Nachgeben bequemen. In Canossa traf er den Papst, der den drängenden Bitten des als Büßer auftretenden Königs nachgab und ihn vom Bann löste. Dennoch wählten deutsche Gegner Heinrichs IV. im Frühjahr 1077 Rudolf von Rheinfelden zum Gegenkönig, eben jenen Rudolf, der die Burg Sigmaringen belagerte. Die Ereignisse von 1077 waren also durchaus so herausragend, daß sie einen Orientierungspunkt abgaben. Überdies werden die Kämpfe zwischen dem rechtmäßigen und dem von der Opposition gewählten König auch sonst bezeugt und paßt die Belagerung einer offensichtlich von Anhängern Heinrichs IV. besetzten Burg in das Bild dieser Auseinandersetzungen. Man ist versucht, die erwähnten Umstände als bezeichnend dafür anzusehen, daß in der 900jährigen Geschichte Sigmaringens nicht nur gute Zeiten geherrscht haben. Weit gefehlt. Wie schon am Beginn der durch Quellen belegbaren Epoche, so war es auch später immer wieder, indem sich die allgemeinen Verhältnisse naturgemäß auf die Siedlungen des betroffenen Raumes auswirkten. Es galt dies nicht nur für kriegerische Auseinandersetzungen, sondern ebenso für Seuchen, Hungersnöte und Krisen, aber, und dies glücklicherweise, es galt dies nicht minder für Blütezeiten, ohne die es keine Fortexistenz und keine Weiterentwicklung gegeben hätte. Fragt man, was eine Erstnennung für die Geschichte eines Ortes, und somit, was die chronikalischen Nachrichten über Sigmaringen im Jahr 1077 bedeuten, so fällt die Antwort ebenso kurz wie ernüchternd aus, lautet sie doch: wenig. Auf keinen Fall darf man sie mit einer Gründungsurkunde verwechseln. In unserem konkreten Fall ist dies von vornherein klar, mußte doch die Burg Sigmaringen schon vorhanden sein, ehe sie belagert und somit Gegenstand einer chronikalischen Notiz wurde. Erste Nennungen werden mehr oder weniger dem Zufall verdankt, wenn in den Orten eine Schenkung gemacht, eine Urkunde ausgestellt oder sonst etwas getan oder vermerkt wurde, was einen schriftlichen Beleg erforderte bzw. wie im Falle von Sigmaringen für Wert gehalten worden ist, darüber eine Mitteilung zu machen. Wer also historisch weiter zurückgehen will, als die schriftlichen Zeugnisse reichen, der muß andere Quellen befragen. Im Raum um Sigmaringen ist von großer Wichtigkeit, daß es sich um eine Gegend handelt, die schon früh die Alemannen in Besitz nahmen und besiedelten. Wie wir uns erinnern, durchbrach der Stamm der Schwaben oder Alemannen im 3. Jahrhundert den nördlich der Alb verlaufenen römischen Limes und nahm er das Land bis zum Bodensee, später noch darüber hinaus, in Besitz. Die Landnahmezeit bis zum 6. Jahrhundert ließ die Alemannen vornehmlich in den klimatisch begünstigten fruchtbaren Flußtälern und Niederungen ansässig werden 5. Ein erstes Anzeichen für Niederlassungen aus dieser frühen siedlungsgeschichtlichen Epoche liefern die Ortsnamen auf ingen und heim. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, wie viele solcher Ingenoder Heim-Orte sich in unserer Gegend finden lassen, um mit einem Blick zu erkennen, hier liegt frühe alemannische Besiedlung vor. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß andere, ebenfalls frühe Namensformen wie Laiz begegnen. Die namenkundlichen Rückschlüsse aus Ingen- und Heim-Orten lassen sich oft durch Bodenfunde, vornehmlich durch alemannische Gräberfunde, eindrucksvoll bestätigen. Hier mag lediglich an die Funde im Sigmaringer Stadtbezirk Hedingen erinnert werden. Sigmaringen, Schloß und Stadt auf einem Meisterbrief Doch Ausnahmen bestätigen die Regel, und Sigmaringen ist eine solche Ausnahme. Trotz der Ingenendung handelt es sich hier nämlich nicht um eine alt-alemannische Siedlung. Solche sind im heutigen inneren Stadtgebiet vielmehr gewesen Hedingen, Brenzkofen und Gorheim. Auch einen echten alemannischen Sigmaringen-Ort hat es gegeben, und zwar das jetzige Sigmaringendorf. Da die Ingen-Siedlungen meist mit einem Personennamen verbunden waren, müssen wir den Alemannen Sigmar als Herrn von Sigmaringendorf annehmen, das demnach weit älter als die Stadt und für sie namengebend war. Der Weg ist leicht zu verfolgen. Ein mittelalterlicher Adliger, der sich nach Sigmaringen, dem heutigen Dorf, nannte und wohl auch dort saß, folgte vor 1077 dem Zuge der Zeit und erbaute sich an einem strategisch günstigen Platz eine Höhenburg, die sich leicht verteidigen ließ. Der Name des Erbauers übertrug sich auf seine Burg, auf die Burg Sigmaringen. Wie es gar nicht so selten vorkam und beispielsweise noch in Veringenstadt anzutreffen ist, bildete die Burg den Ausgangspunkt für eine neue Siedlung, die teils aus älteren Markungen herausgelöst werden mußte, teils diese aufsog. In Sigmaringen hatten die schon genannten Altsiedlungen Hedingen, Brenzkofen und Gorheim Markungsteile herzugeben, bis sie dann, vermutlich im 14. Jahrhundert, ganz in der inzwischen zur Stadt gewordenen neuen Siedlung aufgingen e . Die ersten Quellenbelege zu Sigmaringen nennen die Burg, nicht die dörfliche und städtische Siedlung. Mit Fug und Recht kann man daher auch vom 900jährigen Jubiläum des Schlosses Sigmaringen sprechen, das auf diese Burg zurückzuverfolgen ist. Naturgemäß hat die Bestimmung verschiedentlich im Laufe der Jahrhunderte gewechselt, so daß es sich von der mittelalterlichen Wehranlage zum Residenzschloß entwicklen konnte, was bauliche Konsequenzen zur Folge haben mußte. Der Zahn der Zeit, Brandkatastrophen und geänderte Stilauffassungen taten ein übriges, um das heutige Schloß mit Bauresten und Baubestandteilen aus neun Jahrhunderten in der jetzigen Gestalt entstehen zu lassen 7. Augsburger Kupferstich nach F. Wetz, 1803 Ist so das Jubiläum der Burg durchaus gerechtfertigt, so gilt dies nicht minder für die Stadt. Erstnennungen sind ja lediglich Fixpunkte eines Nachweises, daß von da an schriftlich bezeugte Siedlungsansätze vorhanden waren, sie lassen nur in den seltensten Fällen Rückschlüsse auf die seinerzeitige Größe der jeweiligen Siedlung zu, und die auf solchen Zeugnissen fußenden Jubiläen knüpfen lediglich an die entsprechenden Daten an. Im übrigen haben die Burg und später das Schloß Sigmaringen bis in die Gegenwart mit der Stadt in einer so engen Wechselbeziehung gestanden, daß ihre Geschichte nicht sinnvoll zu trennen wäre. Schloß und Stadt blicken gemeinsam auf eine 900jährige Tradition zurück. Das Jubiläumsjahr konnte Anlaß geben, sich dies erneut bewußt zu machen. D i e Abbildungen auf Seite 33, 35 und 37 sind, mit freundlicher Genehmigung des Verlages, dem Band »Hohenzollern in alten Ansichten«, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, entnommen. 1 Mitteil. Gesch. in H o h e n z . 1. Gedruckt: Monumenta Germaniae Historica, scriptorum V 1844, S. 294. 2 Monumenta, ebda, S. 434. 3 D i e Chronik des Klosters Petershausen, hrsg. v. Otto Feger (Schwäbische Chroniken der Stauferzeit Bd. 3) Thorbecke Verlag, 1956, S. 112 f. 4 Monumenta Germaniae Historica, scriptorum II, 1839, S. 156. 5 Vgl. Karten I V 1 - 2 des in Lieferungen erscheinenden Werkes Historischer Atlas v o n Baden-Württemberg, hgg. v o n der Kommission für gesch. Landeskunde in BadenWürttemberg in Verbindung mit dem Landesvermessungsamt Baden-Württemberg, die Beiworte zu den genannten Karten enthalten noch wichtige Literaturangaben. 6 Vgl. den Artikel „Sigmaringen" v o n E. Stemmler im „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands" Band V I Baden-Württemberg, Stuttgart 1965, mit weiteren Literaturangaben, ferner die von der Stadt zur 900-Jahrfeier herausgegebene Festschrift, Sigmaringen 1977. 7 Vgl. Walter Kaufhold und Rudolf Seigel, Schloß Sigmaringen. Geschichte, Beschreibung, Führung, Tübingen 1968. 35 WALTHER FRICK 900 Jahre Sigmaringen * Ausklang u n d Nachklänge Sigmaringen hat sein 900-Jahrfest gefeiert, bis auf einen geringen Rest von Herbstveranstaltungen. Diese Behauptung ist inkorrekt, und daraus hat man auch kein Hehl gemacht: nicht Sigmaringen ist 900 Jahre alt, sondern die Burg wird zum Jahr 1077 erstmals erwähnt. Als Kaiser Heinrich seinen berühmten Gang nach Canossa tat, versuchte sein Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden etliche feste Plätze zu erobern, darunter Sigmaringen; es gelang ihm nicht. Da bekannt ist, daß Sigmaringendorf älter ist als Sigmaringen, und daß auf d i e s e Siedlung die berühmte alemannische -ingen-Formel paßt (der Ort den die Sigmar- ingen bewohnen), und weil ferner so gut wie sicher ist, daß in Sigmaringendorf keine Burg stand, ist wohl mit dem „Castrum" der früheste Vorläufer des Sigmaringer Schlosses gemeint. Das ist nicht der Gegenstand dieser Betrachtung, man lese dies alles genau nach in der Festschrift der Stadt, die den gleichen Titel trägt wie diese Zeilen. Die Stadt ist erst rund 200 Jahre später urkundlich wieder faßbar, aber ihre heutige Verwaltung, Vertretung und Bürgerschaft hat - wohl auch zu Recht, andere machen es auch so - jenes Datum von 1077 zum Anlaß genommen, ein Fest zu feiern. Was von ihm materiell bleibt, sei an dieser Stelle jedem Heimatfreund empfohlen; es ist die schon genannte Schrift, zu erwerben für acht Mark bei der Stadtverwaltung, und die Jubiläumsmedaille in verschiedener Ausfertigung. Sie ist gut gelungen, man kann sie bei den Banken in der Stadt kaufen. Darüber hinaus werden Spätere auch vielleicht Zeitungsausschnitte lesen und Fotos betrachten. Das Fest zeichnete sich dadurch aus, daß es k e i n Fest war, jedenfalls nicht in dem Sinn, daß Sigmaringen einen Festakt, einen Festumzug, eine Festwoche üblichen Zuschnitts gefeiert hätte. Man entschloß sich, auch aus finanziellen Erwägungen, eine lange Reihe Veranstaltungen über eine lange Zeit zu verteilen. Das sollte den Vorteil haben - und hatte ihn auch - , daß das Fest ständig am Leben blieb. Es gab aber dennoch ein Kernstück, die Ausstellung im Staatsarchiv über die Geschichte der Stadt, eingeleitet durch eine festliche Stunde im Beisein von Regierungspräsident Dr. Max Gögler und dem Leiter des Staatlichen Archivwesens im Land, Dr. Günter Haselier. Wie es nicht anders sein kann, wenn man das Glück hat, ein Staatsarchiv im Ort zu haben, das auch das Stadtarchiv betreut, war die Ausstellung vorzüglich. Aber das gleiche Prädikat verdienen die verschiedenen Vorträge zum Thema an verschiedenen Abenden, und - freilich in ganz anderem Sinn - verdient es die noch zu sehende Ausstellung im Runden Turm, Sigmaringen in alten Bildern. Bürgermeister Rudolf Kuhn, um treffende Charakterisierungen nie verlegen, traf den Nagel auf den Kopf, wenn er sie als den „Nachtisch" zum Fest bezeichnete. Was da aus Sigmaringer Familien- und aus Stadtbesitz, teils auch von auswärtigen Leihgebern zusammenkam, hat es in ganz Hohenzollern noch nicht gegeben. Wie die Stadt einst aussah, wie vieles abgerissen oder umgebaut wurde, welche Menschen einst hier lebten, die unsereins noch als Kinder kannte, das war für die Menge der Bürger vielleicht das Schönste an der ganzen Feier. Darüber hinaus ließ die Stadt alles unter der 900-Jahrflagge segeln, was irgend sonst ohnehin veranstaltet worden wäre: Judo-Schaukämpfe und das Fischerstechen, Fußballspiele und musikalische Abende, darunter zuletzt eine Aufführung der Carmina burana in historischen Kostümen vor dem Schloß; den Tanz um den Stadtbrunnen, Standkonzerte und Feuerwerk. Allerdings hatten die Vereine der Stadt doch einiges mehr ins Jahresprogramm aufgenommen als in einem normalen Jahr, und so ergab sich bis zum Ferienbeginn im Sommer ein dichtgedrängtes 900-Jahr-Programm. Es gab natürlich Kritik; viele Bürger vermißten im Lauf des Jahres, trotz der Fülle des Gebotenen, einen wirklichen Festmittelpunkt. Man dachte an das nahe Mengen, wo vor einiger Zeit bei ähnlichem Anlaß die ganze Stadtgeschichte, mit Mann und Roß und Wagen stundenlang vor tausenden von Besuchern defilierte. Aber dann ist eben an zwei, drei Tagen, mit Festakt, Empfängen und Kinderfest, das ganze Ereignis abgefeiert. Auf die Weise, wie Sigmaringen es machte, sind die Eindrükke aber vielleicht doch nachhaltiger. Vielleicht ist auch die seit 25 Jahren so ungleichmäßige, so stark angewachsene und erheblicher Fluktuation unterworfene Bürgerschaft der Stadt ein wenig enger zusammengewachsen. Aber darüber kann man kein Urteil abgeben, das kann man nur mit dem schwäbischen Ausdruck andeuten: „'s wuut se weise!" FRITZ SCHEERER Pfarrei u n d mittelalterliche Stadt Haigerloch Unsere Städte sind in den meisten Fällen nicht gewachsen, sondern gegründet; es sind künstliche Gründungen einer bestimmten Periode, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts beginnt und bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts andauert. Selten wurde eine schon vorher bestehende Siedlung in eine Stadt umgewandelt oder zur Stadt erhoben, in unserer Gegend nur Binsdorf (Zollern), Scheer (Grafen von Montfort), Tübingen (Pfalzgrafen). Unsere Städte sind größtenteils Neuanlagen auf einer vorher unbewohnten Stelle. Manche wurden in unmittelbarem Anschluß oder ganz in der Nachbarschaft angelegt (Ebingen, Gammertingen, Hettingen), andere in größerer Entfernung (Balingen, Hechingen, 36 Oberndorf usw.), aber jeweils wurde der Name der vorher bestehenden Dorfsiedlung übernommen. Seltener sind die Fälle, daß eine Stadt „aus wilder Wurzel" erwuchs oder vom namengebenden Dorf in die eigene Markung oder in andere Markungen hineingesetzt wurde (Rosenfeld, Haigerloch, Sigmaringen). Diese haben keine Dörfer gleichen Namens zum Vorgänger. Die Städte wurden gegründet von den damaligen Trägern, Inhabern der Staatsgewalt, vom hohen Adel. Groß ist die Zahl der staufischen Gründungen, wie Heilbronn, Eßlingen, Reutlingen, Biberach u. a. Die Zähringer und die Herzöge von Teck gründeten in unserer Gegend Rosenfeld, Dornhan, Oberndorf. Die Grafen von Zollern Haigerloch. Stahlstich von S. ]. Davis nach Louis Mayer, 1836 sind die Gründer von Hechingen, Balingen, Schömberg und Binsdorf und die Hohenberger u. a. von Ebingen, Haigerloch, Rottenburg. Es gibt kaum ein Hochadelsgeschlecht jener Zeit, das nicht noch heute durch eine Stadt vertreten wäre. Zur Zeit der Städtegründungen bestand längst eine feste kirchliche Einteilung des Landes, ein System von begrenzten Pfarreien. Die Pfarreiorganisation unserer Gegend ist durch den Liber decimationis, in einem Zehntsteuerbuch des Bistums Konstanz von 1275 faßbar, in dem die Geistlichen sechs Jahre lang zu einer Kreuzzugssteuer veranlagt wurden. Die kirchliche Organisation war wohl schon um 1100 gefestigt. Die Pfarreien waren in Dekanaten, Archidiakonaten und schließlich im Bistum Konstanz zusammengefaßt. Jedes Dorf kannte seine Pfarrkirche, zu der es gehörte. Durch die Städtegründungen sollte die Einteilung möglichst wenig gestört werden. Wie sich nun das Verhältnis zwischen Pfarrei und Stadt entwickelt hat, soll in folgendem vor allem an Haigerloch gezeigt werden. In den Kirchensprengeln, die wir von 1275 an kennenlernen, sind vor allem die Heiligen der Pfarrkirchen Zeugen für die vorangegangene Zeit, die zum Teil bis in die Anfänge der Missionierung zurückreichen. Die erste Kirche unserer Gegend, die erstmals urkundlich erwähnt wird, ist laut einer Urkunde von 795 die ursprünglich St. Peter geweihte in Rangendingen An diese machte ein „Heriker" (Höriger) eine Schenkung. Doch 802 erwirbt das Kloster St. Gallen Besitzungen im O r t 2 . Damit wird St. Gallus Patron der Kirche. Wie Hans Jänichen für Dürrwangen und Tailfingen, die ebenfalls Peterskirchen und die benachbarten Frommern und Truchtelfingen Galluskirchen haben, beweisen konnte, sind diese Peterskirchen um 700-750, die Galluskirchen um 800 entstanden 3. So dürften auch die Peterskirchen in Rangendingen und Weildorf um diese Zeit gegründet worden sein. Sie zählen neben der ehemaligen Pfarrkirche St. Martin in Niederhechingen (heute „Friedrichstraße") zu den ältesten der Gegend. Weildorf Weildorf wird erstmals urkundlich 786 erwähnt, als Graf Gerold zu Nagold u. a. auch in „Wildorof" allen seinen Besitz an das Kloster St. Gallen schenkt 4 . Das Kloster St. Georgen erhielt 1095 durch Chunenmundus und seine Brüder „totum praedium quod habuerunt apud villam Wildorf ciciter duos Mansus (2 Mansen) 5, die 1438 an Konrad von Bubenhofen verkauft wurden. Auch das Kloster Kirchberg war in Weildorf begütert. Die erste kirchliche Nachricht, in der erstmals ein Pfarrer in Weildorf erwähnt wird, stammt aus dem Jahre 1237: Pfarrer R. von Weildorf war Zeuge bei Graf Burkhard III. von Hohenberg. Nach dem Liber decimationus hatte Weildorf einen Plebanus (Leutpriester), der zu 40 Pfund Tübinger Währung veranschlagt war, also jährlich 4 Pfd. Steuern zahlen mußte, und einen Vikar mit 13 Pfd. Die Vikarie wurde später nach Gruol verlegt. Die Pfarrei Weildorf war demnach gut dotiert. Wir finden deshalb 1260 den Grafen Diepold von Hohenberg als Pfarrer, der einen Gütertausch mit dem Kloster Kirchberg vornahm, und um 1380 den Grafen Albrecht von Hohenberg als Rektor in Weildorf 6. Im Liber quartarum von 1324 gibt Weildorf dem Dekanat den Namen. Nach den Kapitelsstatuten von 1489 zählte die Pfarrei zu den größten. Gruol, Bittelbronn, Hospach und die Oberstadt Haigerloch (s. unten) waren Filialen von Weildorf. Die Toten von Hospach wurden in Weildorf beerdigt (Flurnamen „Totenweg"). Die in Weildorf begüterten Ritter von Welelingen (Wellendingen), Berchtold und sein Bruder Konrad, stifteten 1299 in die Kirche zu Weildorf die Frühmesse St. Katharina 7. Trillfingen Trillfingen wird im Liber decinationis erstmals urkundlich erwähnt („Trühelingen"). Der Plebanus hatte ein Einkommen von 25 Pfd. Tübinger. Die Kirche war St. Valentin geweiht. Nach dem Mortuarium von 1417 gehörte Trillfingen zu den mittleren Pfarreien. Zur Pfarrei gehörte vom Haigerlocher Sprengel alles, was auf der rechten Seite der Eyach lag, also auch die Unterstadt Haigerloch. Schon 1467 wird eine Frühmeßpfründe St. Maria erwähnt 8 . Die Übersiedlung des Pfarrers von Trillfingen nach Haigerloch scheint am Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts erfolgt zu sein. Die Geistlichen Hans Hauck (1475), Andreas Nadler (1529) und Hans Knecht (1535) werden nach Hodler (S. 797) 37 noch Kirchherren bzw. Pfarrer und Dekan zu Tailfingen genannt, während 1546 Gall Schweizer bereits Pfarrer der Unterstadt Haigerloch heißt. Der Goßzehnt, Kleinzehnt und Lebender Zehnt in Trillfingen stand dem Pfarrer zu und damit auch in der Unterstadt Haigerloch, während in Weildorf und in der Oberstadt Haigerloch der Großzehnt Zollern zustand 9 und nur Kleinzehnt und Lebender Zehnt dem Pfarrer. 1547 heißt es: „Item was im Etther wechst, gehört der Zehnden dem Pfarrer in der Oberstadt zu". Es handelte sich in der Hauptsache um Wiesen und Gärten. Die Stadt Haigerloch Haigerloch bestand anfangs aus zwei Burgen und zwei Siedlungen. Der Name wird erstmals in der Notitia fundationis des Klosters St. Georgen 1095 erwähnt. In „Castro (Burg) Heigerloch super reliquis martyris St. Georgii" wird die Übergabe von Gütern bei Wilflingen am Fuße des Oberhohenbergs an das Kloster von einer Anzahl Adeligen bezeugt, u. a. von Arnold von Owingen, Arnold von Kirchberg, Adalbert von Weildorf und Mangold von Anhausen (abg. im Eyachtal bei Ostdorf). Gründer mindestens einer der Burgen waren die Grafen von Haigerloch (ca. 1080-1101 Adalbert von Haigerloch). Adalberts Bruder war Bruno von Wieseneck (1096-1126), Domherr von Straßburg, der zwischen 1115 und 1118 das Kloster St. Märgen im Schwarzwald gründete. In einem Nekrolog (Totenbuch) ist Brunos Todestag eingetragen. Im selben Buch ist auch der Herr von St. Peter in Weildorf, Graf Wetzel von Haigerloch, eingetragen, sowie die Leutpriester Albert und Heinrich von Weildorf. Die Grafen von Haigerloch wurden von den Hohenbergern beerbt 10 . Wie das Stadtbild heute noch zwei unterschiedliche Bestandteile aufweist, von denen der eine Unterstadt (im Talkessel am Fuße des Schloßbergs) und der andere Oberstadt (auf der Bergzunge) genannt wird, waren ursprünglich zwei Siedlungen, die sich an eine Burg anlehnten. Beide Siedlungen entwickelten sich zu besonderen bürgerlichen Gemeinden und haben im 13. Jahrhundert von den Hohenbergern Stadtrechte erhalten. 1237 erscheinen als Zeugen „H. scultetus de haigerloch und cives in H." u . Der Minnesänger Albert II. von Hohenberg spricht in einer Urkunde von 1296 von einem Haus, das Bertold von Wellendingen, sein Diener, in der „neuen Stadt ze Haigerloch in dem Haage gebaut hat" 12. Der Ausdruck „neue Stadt" bezieht sich auf die Oberstadt. Noch im Jahre 1306 hat Haigerloch zwei besondere Gemeinden und Schultheißen 13 . Ursula, die Witwe des Grafen Hugo von Hohenberg, erhielt 1354 als Pfänder Ebingen und Haigerloch die Burg und die obere und niedere Stadt 1 4 . Der sogenannte „Römerturm" ist der Bergfried einer in seiner Nähe gestandenen Burg. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts (1392) kommen noch „zwo Statt" und „zwo bürg" vor, später ist nur noch von einer Burg, vom „sloß", von „unserem sloß" die Rede, also von dem Schloß auf der rechten Eyachseite. Im 15. Jahrhundert sind beide Städte vereinigt. Haigerloch hatte im Mittelalter keine eigene Pfarrei. Die Einwohner der Oberstadt (links der Eyach) waren nach Weildorf, die der Unterstadt (rechts der Eyach) nach Trillfingen eingepfarrt. Die erste kirchliche Nachricht von Haigerloch stammt aus dem Jahre 1237. In diesem Jahr wird ein „Ulricus plebanus de Haygerloch" und 1245 ein Dekan in Haigerloch erwähnt, während sich Diepold (s. oben), ein Verwandter Graf Alberts von Hohenberg, 1260 Hirt und Leutpriester in Weildorf nennt 1 5 . Diese urkundlichen Nachrichten könnten den 38 Eindruck erwecken, daß Haigerloch schon im 13. Jahrhundert eine Pfarrei gehabt habe. Doch wie in vielen anderen Fällen, wurden hier Dorfpfarrer, die noch eine Stadt zu versorgen hatten, fälschlich Pfarrer der Stadt genannt. Denn im Liber decimationis (1275), im Liber bannalium (1324), im Liber marcarium (1360-1370) und noch im Haigerlocher Kapitelsstatut von 1417 wird in Haigerloch kein Pfarrer erwähnt, dagegen sind die Pfarreien Weildorf und Trillfingen aufgeführt. Bis gegen 1530 nennen sich viele Pfarrer nach den beiden Mutterkirchen. Sie zogen aber wahrscheinlich schon vorher in die Stadt. Pfarrer Epplin schreibt 1673, daß Haigerloch schon vor 80 oder 90 Jahren das Domizil des Pfarrers von Weildorf gewesen sei i e . Das Dekanat Weildorf und das Dekanat Haigerloch dürfte von demselben Pfarrer versehen worden sein, nur haben die Schreiber das einemal den rechtlichen Sitz, ein andermal den faktischen Sitz verwendet, so daß manchmal vom „Oberpferer" (in Haigerloch statt in Weildorf) und vom „Unterpfarrer" (statt in Trillfingen) die Rede war. Das ius parochiale blieb in Wirklichkeit in den Dörfern und die Pfarrer verblieben im Besitz ihrer dortigen Pfründen. Die Zeit der Übersiedlung der Pfarrer ist nicht näher bekannt. Die Kirche der Unterstadt zu St. Nikolaus ist erstmals in einem Ablaßbrief bezeugt (fälschlich „ecclesia parochialis in inferioni Haigerloch" genannt) und ist mit einer Frühmesse versehen (St. Katharina) und der Pfründe St. Sigismund (1437), die vor 1470 mit der Hofkaplanei vereinigt wurde. In den Investiturprotokollen von 1437 wird die Nikolauskapelle eine Filiale der Pfarrkirche Trillfingen genannt, ist aber 1463, 1468 und 1469 ebenda als eccl. parochialis (Pfarrkirche) ausgewiesen. In einer Urkunde von 1369 ist vom hl. Ulrich der Oberstadt die Rede. Auch in Urkunden von 1379, 1392, 1468, 1498 wird die Kapelle erwähnt. Sie stand östlich vom sog. Römerturm. Die Quellen zeigen auch bei St. Ulrich ein starkes Überwiegen der ecclesia, meist mit dem Zusatz parochialis. Der Sprachgebrauch Pfarrkirche muß also mit der Zeit stark ins Wanken geraten sein, da der Pfarrer Domizilwechsel nach Haigerloch vorgenommen hatte. Man sprach bald nicht mehr von den Pfarreien Weildorf und Trillfingen, sondern vom Pfarrer in der Oberstadt und der Unterstadt (s. oben). Selbst in kirchlichen Urkunden schloß man sich diesem Sprachgebrauch an. In der Folgezeit ist es oft zu Streitigkeiten gekommen, vor allem zwischen den Haigerlochern und den Weildorfern. Erst in einem Eintrag in den Investiturprotokollen von 1490 wird Weildorf wieder als Pfarrkirche und die Kapelle der Oberstadt als Filiale bezeichnet. Der Streit flammte nach dem Dreißigjährigen Krieg nochmals auf, besonders unter dem Pfarrer Epplin. Es wurde jedoch 1683 endgültig Ordnung geschaffen, indem die Schloßkirche (1584-1607 erbaut) zur alleinigen Pfarrkirche für ganz Haigerloch und die beiden Dörfer Weildorf und Trillfingen Filialen wurden. Schon 1613 hatte die Gräfin Katharina angeordnet, daß in der Schloßkirche „alle Tage Amt und Vesper gehalten und stets in der Stadt sechs Priester sein sollen": der Pfarrer und der Hofkaplan, ein Helfer des Pfarrers in Trillfingen, 2 Frühmesser und die Nachprediger für die andern hiesigen Kirchen und ein Priester für Weildorf und Bittelbronn 17. Endlich 1683 konnte der Generalvikar des Bistums Konstanz bestätigen, „daß die schönste und geräumigste Kirche, die bisher von curata gewesen sei, zur Pfarrkirche erhoben und die andern Kirchen für alle Zeit mit jener verbunden". Die Schloßkirche war damit zur Haupt- und einzigen Pfarrkirche erhoben. Die „Union" von 1683 hatte aber auch ihre Mängel, vor allem die Abhängigkeit der Dörfer Weildorf und Trill- fingen. Diese waren daher bestrebt, wieder eigene Seelsorger in ihrem Dorf zu haben, was dann 1719 teilweise durch Vikare erreicht wurde. Über die getroffenen Vereinbarungen für Haigerloch, Trillfingen, Weildorf und Bittelbronn, Hospach, Imnau und Höfendorf sei auf das auführliche Kapitel der „Errichtung der Pfarrei Haigerloch (Union)" von F. X. Hodler in „Geschichte des Oberamts Haigerloch" (1928) Seite 445-455 verwiesen. Balingen Zum Vergleich sollen nur noch kurz die Verhältnisse in Balingen angeführt werden. Die Pfarrkirche für Balingen war bis nach der Reformation die heutige Friedhofkirche, im einstigen Dorf Balingen rechts der Eyach. Um 1250 wurde von dem Grafen Friedrich von Zollern ein geeignetes Gelände links der Eyach für die Stadt gewählt, in der innerhalb der Mauern eine Filialkapelle, St. Nikolaus, errichtet wurde, die mit einer Frühmesse ausgestattet war. Als diese Kapelle baufällig wurde, er1 Urkundenbuch (UB) St. Gallen I N r . 139. U B St. Gallen I N r . 160. 3 H . Jänichen, Burgfelden ein Herrschaftssitz des 7. Jahrhunderts, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte, 1952, S. 4 9 / 5 0 . 4 U B St. Gallen I N r . 108. 5 N o t i t i a fundationis Mon. St. Georgen N r . 97. 6 Schmid, Urkundenbuch N r . 40 und 41. 7 Monumenta Hohenbergica (Mon. H ö h . ) N r . 171. 8 Investiturprotokolle. 2 teilte 1443 der Konstanzer Generalvikar die Erlaubnis, diese Kapelle abzubrechen und einen stattlichen Bau innerhalb der Stadt, die heutige Evang. Stadtkirche, zu erstellen, auf die dann die Rechte der Pfarrkirche übergingen. Der Name des Dorfes wurde auf die Stadt übertragen. Zum Pfarrverband gehörte bis 1500 als Filiale nur Heselwangen. Eine päpstliche oder bischöfliche Genehmigung über die Verlegung der Pfarrechte an die Stadtkirche wurde nie erteilt. Es kann deshalb auch kein Datum angegeben werden, von dem ab die Stadt-Kirche de jure als Parochie anzusprechen ist. Das Kirchenvolk des 15. und vor allem des 16. Jahrhunderts hat anscheinend nach den juristischen Förmlichkeiten nicht viel gefragt. In die neue Kirche wurden Altäre gestiftet und Jahrtage zum eigenen Seelenheil und dem der Verwandten (1501 Rübersche, 1502 Arnoldsche Stiftung). Vom Pfarrer wurde erwartet, daß er den Gottesdienst recht ausrichten und Trost für die mannigfachen Nöte spenden konnte. 9 F H D A R 378 K 28 F 1 N r . 1. H . Jänichen, Hohenzollerische Jahreshefte 1961, S. 10 f f . 11 Mon. H ö h . N r . 29 S. 13. 12 F. X . Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, 1928 S. 376. 13 Ebd. S. 432. 14 Mon. H ö h . N r . 513, S. 458. 15 Ebd. N r . 29, 31 und 40. 16 H o d l e r S. 439. 17 Ebd. S. 446. 10 HUBERT DEURINGER G e d a n k e n z u m Erntedankbrauchtum Das Leben auf dem Dorf - nicht nur im schwäbischen - hatte in vergangener Zeit seine festen und überlieferten Formen, die wir Brauchtum und Sitte nennen. Es sind noch keine 50 Jahre her, da war es überall auf den Dörfern noch Sitte und Brauch, den gesamten Jahresablauf in fester Gemeinschaft zu würdigen und zu feiern. Waren es im heute so sehr abgewerteten Mittelalter und Spätmittelalter bis zu 150 Tage im Jahr, in denen das Volk seine kirchlichen und weltlichen Feste feierte, so waren es auch noch bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ausgewogene Ruhetage, an denen mannigfaltige Festesfreuden das Volk, und hier meine ich insbesondere das Bauernvolk, genoß. Hier ist aber nur Platz, etwas über den Sommer, die Ernte und das Erntedankfest im schwäbischen Dorf zu plaudern. Der Sommer ist und war für die Bauern immer die schwerste Zeit. Eine Arbeit drängte die andere, damit kein Gewitterregen oder sonstige Unbill die abgemähte Habe verderbe. Als der Bauer noch seine Saat mit der Hand auswarf, machte er zuvor auf die Saatfrucht das Kreuzzeichen als Sinnbild für seine Gottesfurcht. Denn heilig war diese Handlung, zu der auch die Stille der Natur gehörte. Ebenso schweigsam gingen einst die Schnitter an ihre Arbeit, denn sie wollten die Sprache des knisternden, goldgelben Korns hören, das ihnen Sinnbild und Abbild der einstmals geheiligten Sonne war. Den ersten Schnitt durfte nur der Bauer selbst tun. Dann folgten die Frau und die Kinder, denn Gesinde gab es in der Regel im kleinbäuerlichen Schwaben nicht. So schneidet die Familie Gasse um Gasse in das Korn, bis der ganze Acker abgemäht ist. Das dauerte oft viele Stunden - je nach Größe der Parzellen - und so war es die Regel, daß man sehr früh morgens - und meist ohne Frühstück - auf das Feld ging. Oft, wenn man um 4 oder '/25 in der Früh geweckt wurde, hörte man schon auf der Straße das „gog-goggog-gog" der Wetzsteine im hohlen, gewässerten Kompf und die gemächlichen Schritte der Schnitter, die schon immer die ewigen Frühaufsteher im Dorfe waren. Das brachte meine Mutter oft in Harnisch, denn sie meinte immer, die Letzte zu sein. Wenn wir Kinder nicht schulfrei oder Ferien hatten, mußten wir oft vom Acker heim und in die Schule rennen. Inzwischen stand bereits die Sonne hoch am Himmel, und der Schweiß floß in Strömen. War man immer noch nicht fertig, gab es jetzt eine Frühstückspause. Die Mutter holte aus ihrem Korb Speck, hartgekochte Eier, Milch oder g'schtand'ne Milch, wohlschmeckendes Bauernbrot, und für den Vater Most oder Bier. Dann wurde ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen gesucht, und wenn keine Bäume standen, wurden die ausgezogenen Kittel über Gabeln und Rechen als Schattenspender gehängt. Göttliche Stille war überall, nur der Hochsommer sang in all seinen vertrauten Melodien! Stand die Frucht, so konnte sie mit der Flügelsense geschnitten werden, was den mühseligen Arbeitsgang des „Sammletelegens" ersparte. Meist aber war die damals noch langhalmige Frucht gefallen und mußte mühsam mit der normalen Grassense geschnitten werden, wobei man sehr sorgsam aufpaßte, daß man ja keine Ährenköpfe abschnitt, sonst gab es ein Donnerwetter vom Vater. Das geschnittene Getreide lag dann auf einer sogenannten „Schnur" dick übereinander und mußte in einem extra Arbeitsgang mit der Sichel zusammengefaßt und sorgsam auf eine schön ausgerichtete und dünn ausgelegte „Sammlet" verlegt werden, von der aus dann die 39 Weiterbearbeitung mit dem Rechen zum „Häuflemachen" und der Sichel zum „Eintragen" in die Garbe erfolgen konnte. Hatte man Pech mit einer Regenperiode, so mußte der geschnittene Acker oft mehrmals von der Sammlet weg — Halm für Halm — mit dem Rechenstiel umgedreht werden. Gewiß, es war harte - und für uns Kinder oft sehr harte - Arbeit, aber das Gefühl des Sinnvollen, des Erhabenen durchdrang jung und alt. Jeder Landmensch war in all seinen Arbeitsgängen direkt mit dem Boden und den Erntefrüchten körperlich verbunden. Von der Aussaat bis zur Ernte, ja sogar beim Dreschen des Getreides, beim Gang zur Mühle und allen Nebenarbeiten, wie etwa beim Füttern seines Viehes, hatte er direkte Berührung mit dem Lohn all seiner Arbeit das ganze Jahr hindurch, und deshalb war er durchdrungen von der Danksagung an seinen Herrgott für die erhaltene Nahrung. Um die Jahrhundertwende noch schmückte der Bauer sein Gerät mit Bändern und Blumen, wenn er zum ersten Erntegang antrat. Der erste Getreidehampfel wurde mit der Sichel geschnitten und bekam einen Ehrenplatz das ganze Jahr hindurch im häuslichen Herrgottswinkel. Zur Neuaussaat im darauffolgenden Jahr wurden Fruchtkörner daraus verwendet, damit auch die neue Ernte gut werde. reichliches Essen und Tanz folgten. Im Schwarzwald setzte man auf den letzten Wagen ein Kind mit einem Strauß in der Hand, aber auch eine Frauensperson, die man Erntegans nannte! Dieser wurde zur allgemeinen Belustigung ein rotes Sacktuch umgebunden, und allerlei Schnickschnack und lustige Derbheiten waren ausgelassene Begleitmusik. Im Oberland wurde auf dem letzten Wagen eine mit Kuchen und Würsten geschmückte Tanne oder Birke heimgeführt, die sich die Dorfjugend im edlen Wettstreit verdienen konnte. Später, als die Eitelkeit auch in die Dörfer einzog und keine Jungfrau mehr die Erntegans sein wollte, schmückte man auch den letzten Wagen mit einer Puppe in Menschengestalt. Alle diese schönen alten Bräuche entstammen dem selben Wunsch: Der Geist des Wachstums, der in den Feldern umgeht, zieht sich vor den Schnittern zurück. Deshalb werden Halme stehen gelassen oder Glückshämpfele im Herrgottswinkel oder am Scheunentor aufbewahrt, in denen sich dieser gute Geist bis zur nächsten Ernte aufhalten kann. Viel könnte hier noch über das Mystische und Mythologische im Erntebrauchtum erzählt werden. War die Ernte glücklich im Barnd und im „Kräch" verstaut, sah man überall frohe Gesichter, und das Festen blieb nicht aus. Für die Kinder, die mitgeholfen haben, Schon beim Aussäen legten unsere Altvorderen größten war der Erntedanksonntag ein ganz großer Freudentag, Wert auf alte Bräuche. So wurde im Schwäbischen bei denn vom Vater bekam man ein für damalige Zeiten zunehmendem Mond und zweckmäßig an einem Don- und doch sind es erst 30, 40 Jahre her — horrendes nerstag in ungerader Stunde mit dem Säen begonnen. Geldgeschenk: nicht nur die sonst üblichen Roten oder Wenn seit der letzten Ernte jemand im Hause verstorben Groschen, sondern ein Silberstück, in der Regel 5 RM. war, so wurde die Saatfrucht nicht durch die Haustüre, Diese hob man sich auf für die Kirbe, für den Martinesondern durch die Stalltüre getragen. — Als Sätuch ver- markt und für Weihnachten. Ein Teil jedoch wurde sofort wendete man gerne ein weißes Tischtuch, namentlich das verputzt, und überall sah man in den dorfnahen BaumTuch, von dem die Fasnetsküchle gegessen wurden. — wiesen — ja, damals spielte sich das Glück der Kinder noch Beim Einfüllen des Saatgutes stand der Bauer mit dem unter Gottes Sonne ab, und kein Fernsehen und sonstige Gesicht nach Osten gewandt, nahm seine Kappe ab und Fragwürdigkeiten bis hin zu den unseligen Diskotheken begann die Arbeit unter Anrufung der drei höchsten Na- zerstörten den schönen Dorfsonntag - hehlinge zigamen oder mit dem Wort: „Das walte Gott." - Um Vö- rettlepfaffende Buben, die ebenso verstohlen zur Bierflagel oder Ungeziefer vom Acker abzuhalten, streute man sche griffen! Dinge, die niemals zu einem Problem der ihnen an den vier Ecken je eine Handvoll Samen. - In damaligen Erziehung wurden, weil sich Erwachsene manchen Orten begann die Getreideernte mit einer Ern- u n d Kinder sehr wohl der Verbotswidrigkeit bewußt tebetstunde, bei der die erste reife Garbe auf den Altar waren. gestellt wurde. Der letzte Schnitter wurde mit einem Für die Burschen und Mädchen, aber auch für die Alten Spottnamen belegt, wie etwa „Mockel" oder „Erntesau" spielte die Dorfmusik auf dem Tanzplatz im Freien oder und wurde in eine Garbe gebunden! - In noch früherer auch im geschmückten Wirtshaussaal zum Tanz auf, Zeit, als das Korn noch mit der Sichel geschnitten wur- denn damals gab es auch in der bäuerlichen Musik eine de, nahm man Zuflucht zu allerlei geheimnisvollen Mit- gültige Einheit für jung und alt. Kein Pop und Pep, kein teln gegen das zu fürchtende Kreuzweh. - Alte Bauern- Beat und Soul, sondern Walzer, Polka, Rheinländer und sprüche für die Erntemonate August, September und Schottisch für jung und alt, wie es der Brauch war, und Oktober: wie es die Jungen von den Alten gelernt hatten. Die MuAugust: Kommt der Wind an Oswald aus dem Wald, no sikanten spielten um ihr Leben, und das stolze Bewußtsä bald; kommt er vom Gäu, no wart halt! - Septem- sein um das Geschaffene verband jung und alt, arm und ber: Wenn der September noch donnern kann, setzen die reich zu fröhlicher Ausgelassenheit. Machte die Kapelle Bäume viel Blüten an! - Oktober: An Ursula tus Kraut mal eine längere Atempause, um auch „zu ihrem Sach zu kommen", sangen die Burschen den Spottvers: heim, sonst schneit Simon und Jude drein! Die Bräuche früherer Jahre, die auf guten Ausfall der „Wo send dia Spielleut, Spielleut, daß ma's Ernte zielen, sind mannigfaltig und alt. - So ließ man net hairt?" in verschiedenen Gegenden eine Handvoll Ähren auf „Dia send en Krautgarta naus, do tonad se dem Acker stehen und steckte einen buntgeschmückten Grombira raus — Maien dazwischen, den man mit den Halmen verband. dort send die Spielleut, Spielleut, daß ma's net Man nannte ihn den Erntemai. Er blieb das ganze Jahr hairt?" auf dem Felde stehen, wurde teilweise aber auch mit „d'Spielleut send Lompa und spielet oms Geld dem letzten Erntewagen heimgeführt und bis zur nächund wenn sten Ernte außen am Scheunentor angenagelt (man verd'Spielleut net wäret, koi Freud auf dr Welt gleiche hier den noch lebendigen Brauch des Osterpalmwo send die Spielleut, Spielleut, daß ma's net steckens in der Sigmaringer Gegend und in einigen Alhairt?" penländern). Mit der Heimfahrt des ersten oder zumeist Und dann ging es weiter bis in die frühen Morgenstunletzten Erntewagens, die immer festlich geschmückt wa- den, die Tische bogen sich vor Bratenem und Gesottenem, ren, waren oft Umzüge mit Musik verbunden, dem und oft spät in der Nacht hörten wir Kinder in den 40 Betten die Lieder, die diese Spätheimkehrer voll Innbrunst sangen - manchmal auch gröhlten - . wie etwa „Weißt Du, wieviel Sternlein stehen", „Morga fruah, wenn d'Sonna lacht - loo, loo, loodiri" oder „Goldne Ähre, Du mußt fallen". - Erinnerungen an eine Zeit, die nie mehr kommen wird. Zur Nachernte gingen die Kleinhäusler - meistens Fabrikarbeiter, die keine Landwirtschaft hatten - zum Ährenlesen, und besonders Fleißige brachten oft ganze Zweiräderkarren voll Ährensäcke nach Hause. Ebenso wie die Dorfkinder nach dem Gallustag in die Gärten und Baumgärten gingen, um das noch hängende Obst von den Bäumen zu „speagla" - wie hier der Volksmund sagt. Es war ungeschriebenes Gesetz, daß nach diesem Tag alle Feldfrüchte vogelfrei waren und von jedermann abgeerntet werden durften. Wochenlang nach der Ernte gab es geschlossene Stoppelfelder, denn man wollte die Erde erst einmal zur Ruhe kommen lassen, bevor das Pflügen begann. Jetzt war die Zeit der früheren Militärmanöver und der Einquartierungen, an der wir Jungen - und vor allem die Dorfmädchen, schon wegen des Manöverballs - so viel Freude hatten. Nun begann auch das bunte Bild des Drachensteigens mit selbstgefertigten Drachen. Von älteren Burschen, die die Drachen kunstvoll fertigten, wurden wir Jungen oft scherzweise zum Dorfkrämer geschickt, um für 2 Pfennig „Hosendampf" zu holen, denn ohne diesen würden die Drachen nicht steigen, wie sie uns versicherten! Bald auch hörte man in den Scheunen die Dreschflegel, und auch hier gehörte zum festen Brauch, einen bestimmten Rhythmus anzuschlagen, der sich sogar in altem Spruchgut überliefert hat. Waren es der Drescher drei, so wurde nach dem Rhythmus geschlagen: „. . . ghei Heu ra, ghei Heu ra, ghei Heu ra." Waren es vier Drescher, klang es so: „Scheiß en Sack ond saug am Zipfl, scheiß en Sack ond saug am Zipfl, scheiß en Sack ond Zipfl." Bei fünfen gar klang es so: „Schultis, du Zipfl, Schultis, du Zipfl, Schultis, du Zipfl." - Auch beim Sensenwetzen hatte man einen Vierachteltakt, der so ging: „. . . dr Wetz isch guat! dr Wetz isch guat! dr Wetz isch guat." - Aber auch in der Mühle hörte der Bauer altes Spruchgut, so etwa, wenn das Räderwerk im Siebenachteltakt sprach: „. . . Es ist ein Dieb in der Mühl! Es ist ein Dieb in der Mühl." Kam dann das Mühlwerk besser in Gang, dann fragte die Mühle im Fünfachteltakt: „. . . Wer ist der Dieb wohl? Wer ist der Dieb wohl?" Und wenn dann das Mahlwerk auf vollen Touren lief, hieß es im schnellsten Dreiachteltakt: „. . . dr Müller! dr Müller! dr Müller! dr Müller!" Aus Takt und Lautklang hörte das feine Ohr des naturverbundenen Menschen einen Sprachklang, formte die Einbildungskraft Satz und Vers, gestaltete dichterische Lust wie im Spiel, Reim und Lied, wobei die Weise aus Klang, Hall und Widerhall entstand. Die Volksfrömmigkeit unserer Ahnen trug viel dazu bei, Bescheidenheit, Demut, Zufriedenheit und sittlichen Gehalt über Generationen hinweg zu bewahren. Lämmle sagt: das Verhältnis des naiven Menschen zum Religiösen und Göttlichen ist im Grunde genommen immer dasselbe gewesen. Im Gegensatz zu den Auslegungen der Gottwisser, die sich immer und immer wieder ändern. Für alles hatte das Volk seine ihm persönlich nahestehenden Heiligen, mit denen es auf Du und Du stand. Die Bauernheiligen und die 14 Nothelfer waren ihm vertraute Gesellen und Helfer in seinem Bestreben nach einer reinen Welt, zu denen es Zuflucht nehmen konnte, wenn es einmal das Glück verließ. Auch in seinem Glück, wenn die Ernte wohlfeil zu Hause war, dankte es zuerst s e i n e m Hausheiligen, und es ist daher nicht verwun- derlich, wenn mancherorts die Jugend in der K i r c h e Erntedanktänze hielt, die so recht davon Zeugnis ablegen, wie selbstverständlich einmal der bäuerliche Jahreskreislauf zwischen der Dorfgemeinschaft und der Dorfkirche gefeiert und gewürdigt wurde. Was ist nun heute von all dieser Herrlichkeit geblieben? In unserem heutigen Maibaum hat sich der ehemalige Erntemaien recht sinnwidrig manifestiert. Der Bändertanz wird hie und da noch von einzelnen Trachtengruppen vorgeführt, lebendig ist er nicht mehr. Zur bloßen Schaustellung geworden ist der Markgröninger Schäferlauf (ebenso wie das Ulmer Fischerstechen und der Münchner Schefflertanz). Größtenteils ist das Erntedankfest verschmolzen mit der Kirchweih oder derKirbe. Kein Sämann und kein Schnitter ist mehr zu sehen. Kein Singen ist mehr im Dorf zu hören, und die Feierabendbank vor dem Bauernhaus ist nahezu verschwunden. Kein Schmuck ziert mehr die letzte Garbe, denn es gibt sie nicht mehr. Die Maschine beherrscht anonym das Dorfgeschehen mit Hysterie, Rastlosigkeit und permanentem Lärm. Der Dämon Geld ist zum Maß aller Dinge geworden, und die Bauernheiligen hat die Kirche selber samt und sonders hinausgeschmissen. Der Individualismus des einmal stolzen Bauern wurde umerzogen in Liberalismus, und das Hasten nach Mammon und Wohlleben erhitzt die Leidenschaften zu Mißgunst und Neid - zur Auflösung der echten Dorfgemeinschaft. Wenn da und dort noch ein Brauchtum erhalten ist, so ist es vereinzelt und ohne Bedeutung für das Ganze. Ungezählte Brauchtümer sind tot - und Tote kann man nicht mehr zum Leben erwecken, wie Georg Schmückle richtig sagte. Man hat versucht, verschwundenes Brauchtum wieder einzuführen. Wo aber der Boden verdorrt ist, schlägt nichts mehr Wurzeln. Jedes Brauchtum hat sein eigenes Lebensgesetz, seine Voraussetzungen, es unterliegt dem Gesetz vom Werden und Vergehen, wie alle Dinge auf dieser Erde. Denn Brauchtum ist entstanden aus dem inneren Bedürfnis einer Gemeinschaft, als Ergebnis landschaftlicher, religiöser, charakterlicher Voraussetzungen, als Folge des Gemeinschaftswillens und Gemeinschaftslebens - das kann nicht diktiert werden. Sitte kann man nicht schaffen, sie muß sich selber bilden. Brauchtümer kann man nicht erfinden, sie werden geboren. Wo die Ehrfurcht schwindet vor dem Alten, da verwehen Sitte und Brauchtum, da zerbricht das Gesetz der Form, das tausendfältig Volk und Nation zusammenhält. Und wenn heute noch einer der Alten einem dieser Bräuche folgt, dann tut er es scheu und verstohlen, damit ihn seine verpopten Enkel nicht auslachen. Vorbei die Mystik der 12 Rauhnächte, der vielen Lostage, all die vielen Stallbräuche, vorbei die Danksagungen, die Baumbräuche, vorbei die ländlich-bescheidene Blasmusik, die Bräuche das ganze Jahr hindurch. Verschüttet sind die alten Brauchtümer, und das Herz möchte einem darob bluten, wenn man die Dinge weiß und das große Sterben mitansehen muß. Alles wurde zum alten Eisen geworfen — ohne jeden Ersatz. Unter dem Schlagwort „modern" und „weltoffen" wurden unsere Kinder umerzogen, damit ihnen alles Gewachsene (und Nationale) altmodisch und lächerlich erscheine. Aus der Furcht vor den bösen Geistern geschah das Schreckenläuten, der Lärm der Neujahrsnacht. Mit dem Schwinden der Geisterfurcht, der Ehrfurcht vor allem Unergründlichen blieb eine lärmende Gewohnheit zurück, die am Überdruß zugrunde gehen wird. Nichts von alledem ist geblieben, und eine tödliche Langeweile und Überdrüssigkeit befällt die heutige Jugend mit all ihren bekannten Erscheinungen. Aus dieser verwirrten und verunsicherten Welt aber werden die toten Brauchtümer nicht wieder auferstehen. 41 STEPHAN WIEST Ein hohenzollerischer Landpfarrer * hervorragender Meister der Beredsamkeit Wilhelm Mercy 1798-1819 Pfarrer in Gruol Unter den Geistlichen des Kapitels Haigerloch wie überhaupt des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts nimmt Wilhelm Mercy, als Johann Nepomuk am 9.2. 1753 in Uberlingen geboren, einen besonderen Platz ein. Bei großer Gelehrsamkeit und vielseitiger Belesenheit stand er besonders im Rufe eines glänzenden Redners und Meisters der Beredsamkeit. Dazu hatte ihn sein bisheriger Lebensweg geführt: der frühere Prämonstratensermönch war in seinem Kloster Rot Lehrer der dortigen Studenten gewesen, in Frankreich als Sprachlehrer geschätzt, im Allgäu ein vielverlangter Gastprediger, bevor ihn Herzog Karl 1787 als Hofprediger nach Stuttgart berief; nach dessen Tode war er von 1795 bis 1798 Stadtpfarrer in Stuttgart. Dort „entwickelte sich Mercys Rednertalent in glänzender Weise. Seine Predigten wurden von Katholiken und Protestanten eifrig besucht. Für den Herzog mußte er auch die Reden verfassen, welche dieser mit Vorliebe an seine Zöglinge hielt" Fürst Anton Alois verlieh ihm 1798 die Pfarrei Gruol; er schätzte den gewandten Geistlichen sehr hoch und schenkte ihm volles Vertrauen. Ohne eine eigentliche Stellung bei der Regierung inne zu haben, leitete Mercy in der Tat das Kirchen- und Schulwesen des Fürstentums. Auch in der Öffentlichkeit und bei seinen Amtsbrüdern stand der ehemalige Hofprediger in hohem Ansehen und war besonders als hervorragender Kanzelredner anerkannt. In dieser Eigenschaft hatte er aus seiner umfangreichen Kenntnis heraus „Grundsätze der Beredsamkeit für junge Geistliche" aufgestellt, die 1810 in Ulm im Druck erschienen 2 . Der Konstanzer Generalvikar und nachmalige Bistumsverweser Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg, der mit Mercy eng befreundet war, machte dem Autor der Schrift in einem Brief ein dankbares Kompliment für das neue Geschenk seiner literarischen Muse, die er bei dem Bildungsstand der Geistlichen offenbar für wichtig hielt, denn er schrieb: „Unsere Geistlichkeit vor Gelehrsamkeit zu warnen, finde ich sehr unnöthig" 3 . In seiner Schrift bejaht er als ersten Grundsatz die Meinung der Psychologen, daß man nur das recht verstehe, was man durch sich selbst erlernt habe und führt dazu aus seinem eigenen Bildungsgang an: „Vor mehr als vierzig Jahren, in der Barbarey des Zuchthauses, das man Schule nannte, und in der Finsternis der alten Lehrart nicht erzogen, nur herangewachsen - mußte ich mich durch eigene Bildung ohne Führer, ohne Wink für die Kanzel vorbereiten" 2 > s - 1 0 . Für die eigene Vorbereitung fordert er rechtzeitige Auswahl des zu behandelnden Themas und gründliche Bearbeitung desselben: „Schon am Sonntag Abend (1 Woche vor der Predigt) bestimmt sich der Anfänger zu seiner Materie" 2> s- 51 . Dabei wünscht er reale Betrachtung: „Mit Idealen geschieht nichts, oder wird wenig ausgerichtet, der Zweck muß erreichbar und das Auge auf ein Objekt geheftet sein" 2. S- 89. Intensive und rechtzeitige Beschäftigung mit dem Inhalt der Kanzelrede setzt innere Gesammeltheit einer abgeschlossenen Persönlichkeit voraus, wie er sie in seiner zurückgezogenen Lebensweise selbst darstellte. Seinen jungen Kollegen gab er dazu den Rat eines Zeitgenossen weiter, der „zur Glückseligkeit des Lebens ein starkes Schloß an seine Stube forderte. Im Schöße der Einsamkeit erhalten wir die Originalität unseres Geistes, hohe Gedanken und Muth" 2< s- 55 . Als Quellen eigener Einsichten und sprachlicher Förderung bieten 42 sich immer wieder die alten Klassiker an, deren eifriges Studium immer wieder warm empfohlen wird: „In der Elocution gebührt die Palme Griechen und Römern. Wir müssen also die Klassiker, die wir - noch Schulknaben - erklärten und nicht verstanden, als Männer wieder aus dem Staube hervorwühlen, um ihre Schönheiten einzusehen und zu empfinden. Ille se profecisse sciat, cui Cicero valde placebit (Quintilius)" 2 > s - 3 6 . So wie er selbst viel studierte, belesen und mit der schönen Literatur ebenso vertraut war wie mit den Wissenschaften, erwartete er auch für seine jungen Amtsgenossen davon geistige Anregung und sprachlichen Gewinn: „Die Dichtkunst muß uns die Sprache in unsere Gewalt geben, muß unseren Gedanken Schwung, Licht und Farbe leihen und uns in den Stand setzen, den großen Inhalt in einem gefälligen Gewand darzustellen. Et prodesse volunt et delectare poetae (Horaz). Das ist auch die Aufgabe des Redners" 2> s- 37 . Beschäftigung mit Dichtern und Denkern regt auch die notwendige Phantasie an: „Einen Reichthum der Einbildungskraft muß jeder Prediger besitzen, um sich klar, deutlich und stark auszusprechen, und den Aspekt, wo es nützlich ist, rege zu machen" 2> s- 38 . Ausdrucksreichtum und Wahl der richtigen Worte war Mercy eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg eines Redners: „Wisset Ihr nicht, daß nicht nur die Stärke des Beweises, sondern auch die Wahl des Ausdrucks Pflicht eines Redners ist" 2- s- 52 . Gute Formulierungen anderer soll man sich merken und für eigene Verwendung bereit halten: „In was immer für einem Buch dir eine sich auszeichnende Stelle begegnet, eine neue Ansicht, eine treffende Schilderung des menschlichen Herzens, ein Kernspruch etc., schreibe sie heraus und setze dankbar den Namen des Autors hinzu" 2> s- 47 . Das Merken des Autors eines Zitates schien ihm sehr wichtig, denn „nur zu viel kommt es bey einer Maxime darauf an, wer sie gesprochen hat" 2 > s - 1:l . So wie v. Wessenberg in einem Brief an seinen Freund die Wahrheit als begehrteste Freundin preist - „amicus Socrates, amicus Plato; magis amica veritas!" - so sollen Ziel der Predigten Wahrheit und Tugend sein und alle Mittel deren Verbreitung dienen: „Nichts schadet der Wahrheit und Tugend mehr, als ungeschickte Verteidigung" 2> s- 63 . Um das erstrebte Ziel zu erreichen, meint der Verfasser: „Der Kunstgriff eines weltlichen Redners, ein starkes Argument voranzuschicken, das seichte in die Mitte zu stellen und mit dem stärksten zu schließen, taugt nicht für den Prediger. Alle Gründe, die er bringt, müssen überzeugen, alle Texte, die er anführt, entscheidend sein" 2- S- " 4 . Die Predigt wie der gesamte Gottesdienst soll dem Gläubigen religiöse Anregung bringen und nicht politische Botschaft oder Mittel der „Systemveränderung" sein: „Das Christentum wendet sich unmittelbar an den Menschen, sucht keine andere Veränderung, als seines Inneren zu bewirken, und läßt der Welt ihren Gang. Unser Herr hat von politischen Händeln seiner Zeit nicht ein Wort gesprochen" 2> s- 67 . Dabei muß sich der Prediger in seine Zuhörer hineindenken und ihre Vorstellungswelt berücksichtigen: „Wir können keine anderen Leute bekommen, als uns die Welt giebt; wer kennt nicht die heutige Erziehung?" 2> s - 8 7 . Dabei kannte er durchaus das Los und die Mentalität seiner Zuhörer, die dem Geistlichen sein Wirken nicht allzu leicht machen. „Stark, beynahe herrisch ist ein Geistlicher" auf der Fol- daran. Sagt doch der Apostel ,Ist Jemand unter euch durch Leid gedrückt, er bete! Ist er froh, so singe er Loblieder!' Jak. 5,12. Unsere Bauern sind meist in dem ersteren Falle" 2> s- 60 . Der erfahrene Redner warnt bei seinen Ratschlägen, von Regeln für die Beredsamkeit alles zu erwarten; vielmehr bedürfe es des eigenen Fleißes im Lesen und Formulieren, denn „Die Beredsamkeit hat das Eigene, daß sie nicht aus Regeln gelernt werden kann" 2> s - A u c h sieht er die große Gefahr, der ein Prediger vor seiner aufnahmebereiten Zuhörerschaft gegenübergestellt ist: „Gefährlich ist einem Jüngling die Kanzeltreppe, die ihn über das Volk erhöht" 2 . S. 12. Die inhaltsreiche Schrift scheint besonders bei dem Freunde des Verfassers, Freiherrn von Wessenberg, eine gute Beurteilung gefunden zu haben; denn in mehreren Briefen anerkennt er die literarische Leistung und drängt gleichzeitig den Pfarrer in Gruol, die Schrift des Kardinals Maury „Essai par l'éloquence de la chaire" umgearbeitet in deutscher Sprache herauszugeben, so am 12.2.1811: „ . . . e s müßte ganz frei umgearbeitet werden, um für deutsche Prediger eine nützliche Anleitung zu werden. Sie sollten es unternehmen, Sie sind der Mann d a z u " 3 ! Und wenig später am 8.3.1811: „Wie sehr wünschte ich, daß Sie, mein wertester Freund, sich dieser Arbeit unterziehen. Männer von Talent sollten meines Erachtens immer in demjenigen Fach etwas Vorzügliches zu leisten trachten, worin sie am meisten Stärke besitzen" 3 . Pfarrer Wilhelm Mercy a. Hodler, Gesch. d. O A . Haigerloch, Bild N r . 221 ter des Beichtstuhles, im Dörrofen einer Landschule, vor dem ekelhaften Bett eines wimmernden Kranken, beim verpestenden Hauch eines langsam Sterbenden, beim Schluchzen der Witwe, dem Jammer der Waisen, der Armut, der Not, „wann er Bauern versöhnen soll, die um eine Handvoll Gerste wie um den Besitz eines Königreiches hadern. Der allein hält den Sinkenden unter seiner Last empor, der das Verborgene sieht" 2• s - 1 2 . Immer wieder erfolgt der Rat, den Zuhörer ernst zu nehmen und auf sein Wesen einzugehen: „Studiere den Bauer! Im konventionellen Leben gleichen sich alle Menschen; der Charakter des Bauern ist mannigfaltig und verwickelt. Unser Beruf gibt uns täglich Anlaß, ihn besser kennen zu lernen. Bald finden wir an ihm ein ungezogenes Kind, bald einen Weisen. Er bedürfte manchmal nur einer reineren Sprache, um seine Regeln, aus dem gemeinen Leben aufgegriffen, einem Philosophen in den Mund zu legen" 2> s- 58 . Mercy kennt die Bauern auf seinen Kirchenbänken, er weiß, was sie bewegt und drückt; darum versteht er auch ihr Verhalten im Gottesdienst: „Ich fasse leicht, warum der Bauer - ich meyne den größten Teil, Besitzer kleiner Gütchen, Tagelöhner - in der Kirche nicht singen will. Er überläßt es den Chorknaben, die des Lebens Mühe nicht kennen, und nimmt keinen Teil Berücksichtigt man neben den rednerischen Fähigkeiten noch die Aufgeschlossenheit Mercys für den Geist der Aufklärung, seine bedeutende Stellung in der Wessenbergischen Schule, sein Eintreten für die Bereinigung des Gottesdienstes von allen Überladungen sowie für die Förderung der Bildung und Schule auf dem Lande, die Einführung der Pockenschutzimpfung und sein soziales Bemühen um die Bekämpfung der Armut als der Hauptursache der Demoralisation des Landvolkes, so ist es ersichtlich, daß seine Stellung weit aus der seiner Mitbrüder herausragte. Hodlers Feststellung ist daher verständlich, daß der Pfarrhof in Gruol zu Mercys Zeiten ein Sammelpunkt nicht nur der Geistlichen, sondern auch der gelehrten und vornehmen Welt aus weiter Ferne war und Professoren, hohe Beamte, adelige Damen und Herren zu ihm auf Besuch kamen, zu dem schlichten Landpfarrer, den seine Verehrer den „christlichen Philosophen" nannten! Quellen: 1 Franz Xaver Hodler, „Geschichte des Oberamts Haigerloch" - Selbstverlag des Kreisausschusses Hechingen 1928, S.738-743 2 Wilhelm Mercy, „Grundsätze der Beredsamkeit für junge Geistliche" - U l m 1810 - Hohenzollerische Landesbücherei H e c h i n g e n V 221 3 Briefe v. Wasenbergs an Pfarrer Mercy in Gruol 1802-1820, Abschriften von Hubert Knaupp im Pfarrarchiv von Gruol J O H A N N ADAM KRAUS Die Seelsorger v o n Kettenacker Vorbemerkung: Da das deutsche Wort „Acker" vom lateinischen agere = „(Vieh)treiben" abgeleitet ist, dürfte der Ortsname Kettenacker soviel bedeuten als Trift oder Weidefeld eines Mannes Ketto. Die älteste Nachricht über den Ort, der neuestens zur Gemeinde Gammertingen geschlagen wurde, stammt aus dem Kloster Salem. Am 6. November 1194 besaß dieses Cisterzienserkloster die Kirche und den Zehnten samt einem Hof zu „Ketenach", und damit das Pfarrbesetzungsrecht (WUB 2,307). Doch war dies am 7. Juni 1193 noch nicht der Fall (ebenda S. 292). Der Besitz wechselte jedoch. Denn im Jahre 1300 ging der Kirchensatz (Patronatsrecht!) von Kettenacker zusammen mit der Burg Jungingen vom Johanniterorden an den Grafen Eberhard von Wirtem43 berg über durch Tausch (WUB 11). Bei diesem Hause war es noch bei der Landesteilung im Jahre 1442, ging aber 1474 an Hans von Bubenhofen (W. Reg. 6234) und 1524 von den Bubenhofen samt der Herrschaft Gammertingen an die Herren Speth über, 1827 dann durch Kauf an Hohenzollern-Sigmaringen. Im kirchlichen Zehntbuch von 1275 wird zwar die Pfarrei Kettenacker erwähnt, war aber so arm, daß der ungenannte Pfarrer keinen Kreuzzugszehnten zu geben brauchte . . . Folgende Seelsorger sind urkundlich nachzuweisen: 1.1325 Januar 21: Henricus Krum, Leutpriester oder Plebanus ( H J H 1962, 62). 2. 1420 Sept. 26: Pfarrer ist Henricus Galerus, genannt Huet, Neffe des Zwiefalter Abtes Georg Eger aus Tigerfeld (Schmiedsfamilie). Er stiftete in Zwiefalten einen Jahrtag mit einer Wiese zu Geisingen (Zwief. U. 556). 3. 1436 Juni 27: Udalricus May, Pfarr-Rektor zu K., nimmt Absenz und ein Verweser wird bestellt, ebenso am 17. Juli 1437 (Krebs 738). 4.1445 Nov. 21: Nikodemus Rotter, Plebanus, zahlt am 27. Nov. 8 fl. Erstfrüchte seiner Pfründe an den Bischof von Konstanz. 5. 1450: Daniel Winschenk, zahlt ebenso am 16. April 8 fl. 6. 1458: Konrad Nupfer, ebenso am 25. Januar. 7.1461 Tanuar 21: zahlt der neue Pfarrer Johannes Kötzlin (Keczlin) als Erstfrüchte 6 fl. Er wird noch 1482 hier erwähnt. Im Jahre 1467 erhielt er die Erlaubnis, für seine ruinöse Kirche in der Diözese zu kollektieren. 8. 1492: Konrad Johannes Fink zahlte als Plebanus am 7. Sept. 1494 als Erstfrüchte 8 fl. Im Jahre 1503 wurde die Pfarrei Kettenacker dem neuen Kollegiatstift Hettingen durch die Herren von Bubenhofen einverleibt. 9. 1504: Der hiesige Leutpriester Nikolaus Michael Himelrich zahlt am 6. Mai als Erstfrüchte 10 fl. 10. 1520-24 Nikolaus Spengler. Als Leutpriester erhält er 1522 auf 1 Jahr Abwesenheits-Urlaub. Das Hetlinger Stift scheint nicht mehr bestanden zu haben (FDA 1950, 154-178). 11. 1554 Mitverwaltung durch den Feldhauser Pfarrer Georg Hass. 12. ca. 1573 Pfarrer Johann Conrad Saup in Feldhausen, gebürtig von Konstanz. 13. 1580-84 Mitversehen vom Feldhauser Pfarrer Johann Schaupp, identisch mit obigem Joh. Saup, Constantiensis. 14. 1603 Simon N. 15. 1612-14 Ulrich Rättich aus Sigmaringen, wohl identisch mit dem 1616 hier genannten Pfarrer Ulrich Zutias aus Sigmaringen. 16. 1616 Johannes Glattis, Pfarrer, von Kettenacker gebürtig. 17. 1620-22 Johannes Selg von Obermarchtal, prokl. am 23. Sept., invest. am 20. Januar 1621 (ZfhohG 89, 142), resignierte 1622. 18. 1622-24 Johann Jak. Gotterbarm, prokl. 28. Mai, invest. 29. Juli. 19. 1624-26 Valentin Bölzlin von Ehingen, ging nach Hausen i. Kill. 20. 1626-29 Johann Hemmerlin. 21. 1629-33 t Martin Hugo, starb hier, wohl an Pest, die damals grassierte. 22. 1633-35 f Michael Oth, ebenso! 23. 1635-39 Mg. Georg Bölzlin. Zog im letztgenannten Jahr weg, und „hat sich der Pfarrei niemand angenommen und auch kein Einkommen mehr vorhanden"! Im Jahre 1659 am 19. Juli hat der Konstanzer 44 Weihbischof Georg Sigismund Müller den Martinsaltar (wohl Hochaltar) geweiht, und die Reliquien S. Victorini et Antoninae eingelegt. Im Jahre 1661 ist die Feldkapelle St. Georg ruinös, wird 1700 von der Herrschaft Speth renoviert. 24. 1664-67 f Sebastian Heinrich Conrad, Uraniensis, d. h. aus Altdorf i. d. Schweiz, starb hier (Zfhoh. G. 1966, 155). 25. 1667-75 Vitus Sayn, präs. 20. Mai, invest. 26. 3. 68, geb. 1599 in Chur, starb in K. am 27. Juli 1675. 26. 1675-77 Stephan Hoffartner (Hassferter?), präs. 1.8.75, prokl. 19.9. invest. 22.11. Er ist 1681 in Andelfingen (Zfhoh. G. 1966 No 282.) 27. 1677-93 Michael Gaugel, präs. 17.6., invest. 5. 8. 77. 28. 1693-97 Johann Friedr. Schaller, präs. 4.7.; prokl. 14. 7.; Erstfrüchte 10 fl. 54 kr. 29. 1697-1720 Johann Gg. Dürrheimer, präs. 28. 8.; prokl. 4. 9. 30. 1722-31 Josef Wetzel (irrig: Vogel) aus Neufra, präs. 24. 3.; prokl. 17. 10. Ging nach Hettingen, wo er 1739 starb. 31. 1731-45 Jakob Heinrich Häusel (Heisel) aus Hechingen, geb. 1702. Hat im Jahre 1745 hier 256 Seelen, starb am 11.3. 1745. 32. 1746-57 Carl Anton von Ow aus Sigmaringen, geb. 13. 1. 1700. 33. 1757-63 Christian Stoß aus Riedlingen, geb. 3. 2. 16; war 1755 Kaplan in Riedlingen gewesen. 34. 1763-66 Johann Michael Arzeth aus Zwiefaltendorf, geb. 1. 5. 34; ist 1767 Kaplan in Fridingen (Kap. Wurmlingen). 35. 1766-77 Jakob Mattes aus Kolbingen, geb. 7. 5. 33; ging nach Feldhausen, wo er am 6. 11. 99 starb. 36. 1777-91 Karl Anton Reiser aus Gammertingen, geb. 1. 9. 41; wechselte nach Gammertingen. 37. 1792-97 Johann Bapt. Rudolf aus Feldhausen, geb. 16. 6. 52, starb 45jährig 21. 8. 97. 38. 1798-1810 Martin Stähle aus dem Elsaß wegen der französischen Revolution geflohen. Geb. zu Winzenheim b. Kolmar. Erhielt 1810 einen Ruf nach Straßburg. 39. 1810-25 Johann Nep. Reiser aus Baach, geb. 1776, ord. 1800, gest. in Neufra 1852 (FDA 17,21). 40. 1825-28 von Feldhauser Pfarrer Johann Nep. Müller versehen. 41. 1828-33 Vitalis Stengel aus Stetten b. Haig., gest. 1854 (FDA 17,28). 42. 1833-46 Johann Nep. Weihrauch aus Haigerloch, gest. 1869 (FDA 17,84). 43. 1846-53 Roman Hohl, aus Hippetsweiler, geb. 1788, starb hier 1853 (FDA 17,23). 44. 1854-60 David Fechter aus Hart, 1816-98 (FDA 1901,289). 45.1860-61 Rudolf Mayer aus Hechingen, 1833-1905 (FDA 1906,69). 46. 1862 Dr. Josef Rud. Stockner aus Brixen, 1812-65, t in Ablach 1865 (FDA 17). 47. 1863-78 Christian Eger aus Imnau, geb. 26.8.01; ord. 21. 9. 26, invest. 10. 2. 63, t 31. 8. 78. 48. 1879-82 von Feldhausen aus verwaltet. 49. 1882-1904 f Mathias Flad aus Killer, 1835-1904 (FDA 1906,57). 50. 1905-47 t Adam Beuter aus Tailfingen, 1876-1947 (FDA 1951,207). 51. 1947-72 f Johann Locher aus Stetten u. Holst., geb. 6. 12. 96; gest. 9. 3. 1972. Baute Kirche und Pfarrhaus neu. 52. 1972-75 von Feldhausen aus versehen durch Stephan Bienias, geb. 10. 12. 1929 in Derschau (Oppeln), kam am 16. 4. 75 nach 7519 Eppingen-Richen. 53. 1975- Herbert Hoffmann, geb. Wittgendorf 10.1.1911, ord. 30.7.39; kam als Pensionär von Ketsch her am 1. 5. 74, wurde am 1. 10. 75 zum Verweser ernannt. Ad multos annos! J O H A N N ADAM KRAUS Nachträge z u „Burgstellen u n d Adel in Hohenzollern" Als Anhang zur Nr. 4 oder „Hohenzollerischen Heimat" 1969 erschienen 12 Seiten Angaben über ehemalige Ortsadelige und verschwundene Burgsitze, soweit man von solchen bis dahin Kunde hatte. Inzwischen fanden sich weitere Daten, die hiermit nachgetragen seien. Bei der Literatur ist noch zu nennen: E. Schmell, Historische Zeitschrift 1945, Heft 2. Achberg: Ein Heinrich v. A. zum Jahr 1239 findet sich in Mitt. 3, 39. Affelstetten bei Jungnau: Eine genauere Zusammenstellung liegt für die H H vor. In Apfelstetten im Lautertal ist nach der OA-Beschreibung Münsingen 1912, kein Ortsadel festzustellen. Unser Weiler A. ging 1355 mit Jungnau, Blätteringen etc. von Burkart von Jungingen kaufweise an die Frau des Wolfgang von Jungingen über, 1367 an die Herren von Reischach und blieb dann bei Jungnau (Mitt. 60, 56 f). Beerstein hieß 1605 die Burgstelle auf dem Hausener Kapf am Burladinger Tiefental, früher vermutlich Berstein (von Bär oder Eber). Die Burg scheint schon im 13. Jh. mit Erscheinen der Johanniter in JungentalStarzeln abgegangen zu sein ( H H 1970, 41; Albv. 1933, 9f). Benzingen: Zu dessen Herren ist jetzt H H 1974, 40 zu vergleichen. Betra hatte ebenfalls Ortsadel: Ums J. 1100 schenkte ein Budo von Betharah auf Veranlassung des Edelfreien Swigger von Isenburg dem Kl. Hirsau fünf Huben zu Weissach (Vaihingen). Bubo war Swiggers Vasall, die Oberherrschaft über diese 5 Höfe schenkte letzterer dazu (Cod. Hirsaug. 68 b). Bietenhausen ist im Verzeichnis zu tilgen, denn der von Hodler zu 1240 genannte Hogo von Betenhusen gehörte nach Bettenhausen b. Sulz. Bisingen: Der Adel v. B. beginnend mit Werner 1188 (FUB I, S. 71) und Rudolf 1200 ist dargetan in H H 1971, 119. Bittelschießer Täle: Die Burg ist schon 1490 Burgstall genannt, also unbewohnt. Der freistehende Fels scheint damals Erstein geheißen zu sein. Burladingen: Daten zum Schlößle im Dorf 1512 und 1612 finden sich in H H 1969, 41. Burre (Burrau) bei Wald war wohl den Herren von Reischach zugehörig. Eberhard v. R. verkaufte am 5. 6. 1241 seinen Burgstall Borre ans Kloster Wald ( H H 1953, 38 und vor allem 1973, 25). Dettensee wurde in H H 1969, 49-55 behandelt. Dettingen: Vgl. Mitt. 15, 1 Seite 49 und 12, 14. Dietershofen hatte ebenfalls Adel. Eine Burgstelle ist nicht mehr zu erkennen. Am 14. Jan. 1284 sind Burkart und Eberhard v. D. in einer Walder Urkunde genannt (Sigm. R. 75, 502). Im J. 1304 bürgen Burkhart und seine Frau Adelheid mit dem Sohn Albrecht für dessen minderjährigen Geschwister Berthold, Heinrich, Katharina, Agnes. Ein anderer Burkart erscheint 1339, 1340 (Knobloch I, 227). Dietfurt. Vgl. Koobl. I, 227 u. Albv. 1894, 67. Empfingen: Ein Heinrich v. Empf. zu 1188 (FUB I. 70), Konrad v. E. 1304. Gauselfingen: Die Ruine Leckstein (Schlößle) wäre richtiger Lägstein zu schreiben; das bedeutet nach M. Buck „Stein an der Halde" ( H H 1970, 43). Glatt: Der 1246 genannte Berthold de Glate (Mitt. 3, 42) dürfte dem alten Ortsadel zugehört haben. Im J. 1296 erscheint dann hier ein Kunz der Nüwenegg von Glatte (Hodler 400). Grosselfingen: Die Hainburg mit Kapelle wurde in H H 1975, 24-26 besprochen. Ein Weiler Hagenbach findet sich 1344 (Mon. Zoll. I. S. 163). Habstal hatte ebenfalls Adel: Burkart 1281 (Mitt. 3,72; 11,30). Haigerloch: Außer den vorzollerischen Grafen erscheint auch Niederadel: 1225 ( H H 1971, 69). Hamburgs neuer Besitzer: Architekt Werner K. Hahn in Haigerloch. Hausen i. Kill, siehe Beerstein. Heggelbach (Gmde Oberndorf, bad. Pfarrei Billafingen) hatte 1169-1600 nachweisbaren Adel des Namens Häckels- oder Hägglinsbach, dessen Burgstelle durch die heutige Georgskapelle markiert ist. Burkart 1169-89; Hermann 1223, Burkart u. Eberhard Gebrüder 1240-78 bzw. 1296; Burkart bis 1302; Hans 1501-16. Wappen: In weißem Schild zwei blaue Querbalken (Adolf Futterer, Heimatbuch Billafingen 1934, 212 f; Knobloch 2, 5-7). Imnau ist ebenfalls nachzutragen: Um 1325 findet sich ein Ulrich von Ymmenowe und ein Maier (villicus eines hohenbergischen Hofes) de Ymmenowe (Hodler 774). Am 7. März 1330 nennt Albrecht von Stetten, genannt der Ganusser, seine Mutter Sophie selig, seinen Großvater Albrecht von Imnowe und dessen Gattin Diemut selig (Kirchbg. U 296; H H 1971, 128). Inneringen: Außer der adeligen Guta v. I. (erwähnt am Ende des Nachtrags von 1969) fanden sich um 1300 eine Gisela mit Sohn Rudolf von Inneringen, die dem Kl. Heiligkreuztal einen Hof zu Fridingen abkaufen (WUB 11,340). Die stark veränderte Umgebung der Kreuzkapelle am Ortsrand ist höchst burgverdächtig! Langenenslingen: Schon um 1150 treffen wir einen Hermann v. Enslingen im Rotulus Sanpetrinus, im J. 1241 einen Ulrich v. E. (WUB 4, 12). Levertsweiler: Von der ehemaligen Burg Laiterberg waren nach E. Schnell im J. 1845 noch Wälle und Gräben zu sehen. Lichtenstein bei Neufra: Als Stammburg nachgewiesen: H H 1973, 36-37. Magenbuch: Von der alten Burg östlich des Dorfes waren 1845 noch Baureste zu sehen (E. Schnell). Melchingen: Bereits um 1100 ein Adilbert v. Mälchingen (Zwief. Chronik). Als letzter des Stammes starb 1504 der Johanniterkomtur Ber v. M. in Basel ( H H 1972, 135; Vier Aeste des einen Stammes: Hohz. Ztg. 8. Mai 1972). Die Reste der Burg werden 1976 f konserviert. 45 Neckarhausen: Vergangenheit des Ortes: H H 1973, 12. Im J. 1246 ist ein Ritter Konrad von Husen Zeuge in einer zu Empfingen ausgestellten Urkunde (WUB 4, 132 f). Rangendingen: Adel und Burg wurden in H H 1970, 30 f behandelt. „Heinrich von Lindach" schon daselbst 1962, 15/ 16 und im Schwarz. Boten vom 18. 3. 1971 beleuchtet. Reischach: Als erster erscheint 1191 Ulrich v. R. H H 1973, 25; Knobloch 3, 474. Vgl. Borre. Riedetsweiler: Im J. 1264 tauchen 2 Brüder auf: Marquard und Heinrich von Riozenwiler, die ans Kl. Salem ihre Lehen in Bözenhart verkaufen. Marquard ist auch 1273 Zeuge einer Urkunde der Grafen von Heiligenberg (Knobl. 3, 529) Ringingen: Zu den ältesten Herren ist H H 1972, 58 beizuziehen. Rulfingen: Ein Albert v. R. wird 1286 genannt (Mitt. 3,79). Schmeihen: Die Burg ist 1334 hohenbergisches Lehen. Laut Rottweiler UB führt 1342 Heinrich von Schmiechen im Schild den Kopf und Rumpf eines Bären (AIberti 2,697). Anna v. S. Gattin des Hans von Salbadingen führte 1357 einen Lindenzweig (?) im Schild. Im J. 1391 ist Eberhard von Husen (Donautal), Sohn des in Sigmaringen seßhaft gewesenen Hugo v. H., Besitzer des Dorfes Smiechen mit Zubehör, will es im Fall der Kinderlosigkeit an die Brüder Hans und Stubenberg von Stuben, Söhne seines Oheims Ulrich von Stuben selig, vermachen. Im J. 1411 hat Eberhard von Husen, Märklins Sohn, bei der Teilung mit seinem Bruder Erhard v. H. vom Vater das Burgstall Schmeyhen samt Mühlstatt erhalten. Im J. 1497 ist Sixt von Husen der Besitzer geworden (Schriften Bodensee, 1889, Heft 18). Schnatren hieß die zweite Erpfinger Burg auf dem Berg gegen Holnstein. Auf ihr saßen die Salmendinger. Spöck: Ein Rudgerus genannt Specker wird 1285 von Schnell erwähnt. Steinhofen: Adel und Burgstelle sind in H H 1972, 47 behandelt. Stetten b. Haig.: Die adeligen Vertreter von Stetten finden sich unter Haigerlocher Bürgern in H H 1971, 70-72. Ihr Sitz war vielleicht der 1438 vom Kloster St. Georgen an Konrad von Bubenhofen veräußerte Kayhof (befestigter Hof). Tafertsweiler: Im J. 1274 saß ein Conradus de Tageprechteswilare auf einem Salemer Hof zu Ostrach (Schnell 1845, 2,95). Oder war er bürgerlich? Thalheim b. Meßkirch: Das Schlößle, wohl anstelle einer früheren Burg, wird schon 1635 ruinös genannt (Mitt. 31,123). Ein Konrad v. T. 1265, 1285 (WUB 10,63 und 11,511). Wolfrad 1292, Konrad 1305 (FUB 5,207). Thanheim: Überlegungen zu Adel u. Burg: Hohz. Ztg. Nr. 288 vom 13. Dez. 1974. Wehrstein: Zusammenstellung der Herren: H H 1972, 44; 1973, 5. Zell (Boll): Zur Burg der Schenken v. Zell, später von Stauffenberg, siehe H H . 1976, 19-20. Uwe Ziegler: Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur Hohenzollerns im 19. Jahrhundert. (Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns, Heft 13, 1976) 238 Seiten. maßnahmen unterhalb der Ebene politischer und legislativer Entscheidungen im Konkreten zu verfolgen. Die Arbeit ist in drei große Abschnitte gegliedert. Der erste beschreibt die gesellschaftliche und wirtschaftliche Struktur der beiden Fürstentümer Hechingen und Sigmaringen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1806 bis 1850). Behandelt werden in beiden Ländern parallel u. a. die Bereiche Bevölkerung, Staatsverfassung und -Verwaltung, Kirche, Schule, Wirtschaft, Landwirtschaft und Agrarreform. Im zweiten Teil beschreibt der Verfasser die durch den Übergang in preußische Staatshoheit eingetretenen Veränderungen in Staatsverwaltung, Wirtschaft und Landwirtschaft in dem durch die Zusammenlegung der beiden Fürstentümer gebildeten Regierungsbezirk Sigmaringen. Der als Anhang bezeichnete dritte Teil, der umfangmäßig die Hälfte der Gesamtuntersuchung ausmacht, besteht aus Zusammenstellungen von quantitativen Daten zu verschiedenen Bereichen der Agrarstruktur und Agrarreform: Er bringt Übersichten über Gemarkungsgrößen, landwirtschaftliche Nutzflächen und Betriebsgrößen, Bevölkerungs- und Grundbesitzverteilung, herrschaftlichen Zehntertrag, Fronen und Getreidepreise in den beiden Fürstentümern bzw. im Regierungsbezirk und schließlich als Schwerpunkt eine nach Dörfern angeordnete Aufschlüsselung von Höhe und Verteilung der Geldsummen, welche die Bauern für die Ablösung ihrer Lasten an die Berechtigten (vorwiegend die Fürsten von HohenzollernHechingen und -Sigmaringen, Thum und Taxis, Fürstenberg, die zuständigen Pfarreien und Heiligenpflegen, der Studienfonds Sigmaringen) bezahlten. Hier liegt eine Studie vor, die sowohl den Charakter eines Nachschlagwerkes besitzt, als auch gleichzeitig übersichtlich aufbereitetes Datenmaterial zur vertieften Erforschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Einzelfall und im übergreifenden Vergleich zur Verfügung stellt. Erstmals wird dem Leser hier eine zusammenfas- Die vorliegende Arbeit, eine bei Prof. Decker-Hauff am Institut für geschichtliche Landeskunde und historische Hilfswissenschaften in Tübingen angefertigte Dissertation, geht von der Frage aus, in welcher Weise die eigentümliche staatsrechtliche und politische Stellung Hohenzollerns - 1806 überlebten die beiden Kleinstaaten Hohenzollern-Hechingen und -Sigmaringen in untypischer Weise das Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, 1850 gingen sie an den Staat Preußen über, die wirtschaftliche Dominanz des sigmaringischen Fürstenhauses blieb aber bestehen - sich auf Verfassung, Verwaltung, Wirtschaft und Sozialstruktur dieses Landes auswirkte. In den Vordergrund rückt der Verfasser dabei die Agrarreformen, unter denen die Ablösung und Aufhebung der noch aus dem Mittelalter stammenden feudalen Bindungen und bäuerlichen Lasten, wie herrschaftliche Leiherechte an Grund und Boden, Leibeigenschaft, Fronen, Zehnte, Weiderechte usw. zu verstehen ist. Dafür nennt der Verfasser zwei Gründe: Zum einen war Hohenzollern auch im ganzen 19. Jahrhundert noch ein so gut wie ausschließlich agrarisch geprägtes Gebiet, in dem der Landwirtschaft auf wirtschaftlichem und sozialem Sektor die ausschlaggebende Rolle zukam. Zum anderen bot die räumliche wie quellenmäßige Überschaubarkeit Hohenzollerns die Möglichkeit, die konkreten sozialen Folgen dieser Agrarreformen differenziert und zugleich beispielhaft für ein ganzes Land umfassend zu analysieren. Der letztgenannte Grund ist das hauptsächlichste Anliegen des Verfassers: Im Gegensatz zu der vorherrschenden Tendenz der bisherigen Forschung sucht er die Voraussetzungen und Auswirkungen der Reform46 sende Darstellung der Verwaltungseinrichtungen Hohenzollerns im 19. Jahrhundert in die Hand gegeben, ein schon längst überfälliges Desiderat, ohne das eine Aufarbeitung des bisher in Hohenzollern nur in Teilsaspekten erforschten 19. Jahrhunderts nicht möglich ist. Die sehr knappe, abrißartige Beschreibung der staatlichen Institutionen führt an einigen wenigen Stellen zwar zu verkürzten und daher mißverständlichen Aussagen — so war die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung in den beiden Fürstentümern vor dem Übergang an Preußen noch nicht völlig durchgeführt (S. 85), vielmehr bestand in Hohenzollern-Sigmaringen in den unteren Instanzen, in Hohenzollern-Hechingen in den oberen die Verbindung von Justiz und Exekutive bis 1852 fort; in der Städteordnung für das sigmaringische Fürstentum von 1810 bestand das Stadtgericht aus dem Schultheiß und zwei Ratsmitgliedern, während das vom Verfasser als Gericht bezeichnete Gremium aus den vier höchstbesteuerten Bürgern und zwei freigewählten Abgeordneten (S. 45) tatsächlich der Bürgerausschuß war - sie gewährleistet aber die straffe Systematik und schnelle Benutzbarkeit des Werkes. Von ganz besonderem Interesse ist die in den Kapiteln Wirtschaft zusammengetragene Aufstellung von Industrieunternehmen in den beiden Fürstentümern und später im Regierungsbezirk, die Darstellung der letztlich gescheiterten gewerblichen Förderungsmaßnahmen durch Preußen und der Beurteilung von Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur und Mentalität der hohenzollerischen Einwohner durch den preußischen Kommerzienrat und schlesischen Industriellen Reichenheim 1854. In dem der Landwirtschaft und den Agrarreformen gewidmeten Kapiteln wird ein Abriß der Struktur und Verfassung der Landwirtschaft gegeben, der von der Viehzucht über landwirtschaftliche Nutzflächen und Besitzverteilung zwischen Herrschaft, Gemeinde und Bauer bis zur Zusammenstellung der mannigfachen Abhängigkeitsformen des Einwohners von den verschiedenen Herrschaften, der damit verbundenen Abgaben und Lasten sowie den politischen, gesetzlichen und finanziellen Modalitäten ihrer Ablösung reicht. In den diese Fakten konkretisierenden Tabellen, die aus einer immensen Fülle von Archivalien erarbeitet wurden, wird wichtigstes Material, in Datenform aufbereitet, leicht greifbar und benutzbar angeboten als Ausgangsbasis und Quellenreservoir für weitere Untersuchungen auf dem Gebiet der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstrukturierung im 19. Jahrhundert. Hier erfährt man anhand von Zahlenbelegen endlich Konkretes über das Ausmaß der finanziellen Belastungen der pflichtigen Gemeinden durch die Ablösungssummen und über den Kapitalzuwachs in der Hand der Berechtigten. Letzterer wurde von der durch fideikommissarische Gesetzgebung behinderten fürstlichen Hofkammer in Sigmaringen nicht in Industrieunternehmen investiert, sondern lediglich wiederum in Grund und Boden angelegt und dies sogar größtenteils außerhalb des Landes. Daher entfiel nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung Hohenzollerns, die durch das von seinen Einwohnern aufgebrachte Kapital möglich gewesen wäre, vielmehr wurde dieses Geld dem Land sogar weitgehend entzogen. Diese Arbeit zeigt einmal mehr, wie grundlegend wichtig und für die Forschung entscheidend weiterführend regionalgeschichtliche Spezialuntersuchungen auf landeshistorischer Ebene sind. Maren Kuhn-Rehfus WALTHER FRICK Als noch das Holz im O f e n krachte Noch in den dreißiger Jahren gab der Hausmeister im Landeshaus, dem Sitz der hohenzollerischen Kommunalverwaltung, zu bestimmten Zeiten Buchenasche aus. Die Abnehmer waren Sigmaringer Hausfrauen, die daraus noch Waschlauge herstellten, als es schon lange Persil gab. Um dieselbe Zeit auch sah man im Frühjahr die ganze Karlstraße entlang endlose Holzbeigen stehen, alle bestimmt, den zahlreichen Behörden dort „einzuheizen". Gar nicht zu reden von den privaten Haushaltungen. Scherzweise sagt man noch heute in Sigmaringen, nur d e r sei ein wirklich alter Sigmaringer, dessen Vater noch das Bürgerholz bezog; es wurde 1935 oder 36 abgeschafft. Nicht aber die Holzfeuerung. Noch bis in die 50er Jahre kamen die Fuhrleute von Schmeien oder Laiz, von Jungnau und Krauchenwies mit Holz angefahren, nach Lichtmeß beginnend, und sowie es ein bißchen wärmer wurde, ratterten die Holzsägen. Bis in dieses Jahrhundert gab es aber auch noch Männer, die ihren Lebensunterhalt mit Holzsägen verdienten und die tagaus tagein mit ihrem galgenförmigen Sägeapparat hantierten, bei dem ein Gegengewicht die Arbeit des Hinund Herstoßens etwas erleichterte. - Selbst die Kohlen zogen allgemein und in größerer Menge erst mit der Eisenbahn ein. Im Zeitalter vollautomatischer ö l - oder Gasheizungen und wohl bald auch der Wärmepumpen und Sonnenkollektoren gerät die dominierende Rolle des Holzes als Brennstoff fast in Vergessenheit. Holz wird heute zwar wieder häufiger verbrannt, aber in offenen Kaminen; weniger zum Heizen, als um eine unterschwellige Sehnsucht nach der einstigen Gemütlichkeit zu befriedi- gen. Holzrechte, Holzfrevel, Streit um Nutzungen, Sorge vor dem Abtrieb von Wäldern durch zuviel Entnahme, das füllt nicht nur Bände in den Archiven, sondern hat auch in den zahlreichen Märchen sich niedergeschlagen, in denen arme Leute Holz sammeln und wo Hänsel und Gretel der Hexe das Feuer schüren müssen. Holz war aber auch eine regelmäßige Einkommensquelle für die vielen Kleinbauern, zumal im waldreichen Hohenzollern. Ein hartes Brot, bei dem sogar der, der die Härte mildern wollte, gelegentlich verspottet wurde: der aus Melchingen stammende, vieljährige Sigmaringer Forstamtmann Franz Faigle efzählte, daß er als erster Hütten kaufte, mit einem Ofen drin, damit die Holzfäller sich aufwärmen und ihr Mittagessen genießen konnten. Das wollten sie zunächst nicht, sie waren an das offene Feuer gewöhnt. Heute haben diese Hütten sogar Räder, und ohne sie würde wahrscheinlich keiner mehr zum Holzmachen gehen. Selbst die Akustik beim Holzmachen hat sich geändert. Früher hörte man da Axtschläge und das gleichmäßige Rätsch-rätsch der Zweimannsägen. Heute werden sogar die dünnsten Äste, nicht zu reden von den Stämmen, nur noch mit der Motorsäge geschnitten. Ein Holzarbeiter leistet das Vielfache dessen, was noch sein Vater in den kurzen Tagen zwischen Allerheiligen und Lichtmeß zustande brachte. Denn das ist die Zeit des Holzmachens gewesen, nach „Fabian und Sebastian aber fangen die Bäume zu saften an" (20. Januar), und da wurde das Sägen mühsamer. Die Motorsäge kümmert das nicht mehr, die Holzarbeit geht, Durchforstungen eingeschlossen, fast durch das ganze Jahr. War das Holz dann vor dem Haus angekommen, mußte es 47 aber erst ofenfertig gemacht werden, und das war auf dem Land eine rechte Großvaterarbeit. Der hatte Zeit dazu, auf dem Feld schafften die Jüngeren, und er hatte Monate vor sich, bis er fertig sein mußte. Erst wenn alles im „Holzstall" sauber aufgestapelt war, durfte der Winter kommen. Der Spruch, daß „Brennholz dreimal warm macht" hatte seine Gültigkeit: erst beim Schlagen im Wald, dann beim Zerkleinern und Aufbeigen - und das zweimal: zum Trocknen und dann im Holzstall - und schließlich im Ofen. Holz wuchs immer, und man darf wohl sagen, daß auch in Zeiten, wo Mißwachs den Schmalhans an den Herd stellte, doch wenigstens niemand frieren mußte. Der Sigmaringer Leibarzt Dr. Franz Xaver Mezler wetterte zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht schlecht über die Untertanen, die fast das ganze Jahr über ihre Stuben seiner Meinung nach unsinnig heizten. Aber der Ofen mußte nicht nur heizen, er trocknete auch Wäsche an den umlaufenden Stangen in der Stube, zumal wenn man Kleinkinder hatte und Windeln zum Trocknen (man roch es wohl auch). Daneben hingen Handtücher und Socken, und das Ganze gab manchmal schon einen elenden Mief. In Bauernhäusern wurden nur Küche und Stube geheizt, oft genug mit dem Herd allein, dessen Hitze man in den Kachelofen auf der anderen Mauerseite leitete. Die Heizweise hat sogar die Sprache aufbewahrt: was geheizt werden kann, nennt man Stube, vom lateinischen stufa für Ofen. Die ungeheizten Räume waren die Kammern, schwäbisch richtiger ausgesprochen, die Kahmern. Holz heizte allerdings auch das Back- und wo vorhanden das Waschhäusle, mindestens aber die transportablen Waschöfen im Freien, die man auch nicht mehr sieht. Nur der Bruder dieses Waschofens, der für das Schweinefutter, den gibt es noch, wo er nicht durch den eleganten „Kartoffeldämpfer" mit Elektroheizung verdrängt wurde. Und nicht zu vergessen die Zweitfunktion, die hochwichtige: der Rauch beizte den Speck, nachdem die Kartoffeln „durch die Sau gejagt" waren. Um solchermaßen das Feuer zu nützen, waren nicht einmal die Rathäuser zu schade, wie man an dem gewaltigen Rauchkamin im Veringenstädter Rathaus noch sieht. Wärme mußte man sich mit Schweiß erst verdienen, wir sagten es schon. Dafür aber kam dem Feuer im Herd und im Ofen auch eine Bedeutung über das Materielle hinaus zu, die es gleich hinter das Brot stellte. Wer „eigenen Rauch" hatte, galt als Bürger, das heißt, wer ein Haus oder doch eine Wohnung bewohnte. Man berechnete eine Einwohnerschaft nach „Seelen" und zugleich nach den Feuerstellen. Und weil man meist nur einen Raum heizte, mußte sich Familie und Gesinde dort auch HOHENZOLLERISCHE HEIMAT herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern. Verlag: H o h e n z o l l e rischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstr. 3. D r u c k : M. Liehners H o f b u c h druckerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstr. 10. D i e Zeitschrift „ H o b e n z o l l e r i s c h e Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern mit der Geschichte ihrer H e i m a t vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentl. bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden können. Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen Heimat": 802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart Die Autoren dieser aufhalten, trocken gesagt. In Wahrheit wuchs und wucherte am Ofen oder am Herd die ganze Großmutter-, Gespenstergeschichten- und Spinnstuben-Poesie. Man kann sich unschwer vorstellen, daß es beim Heimweg durch stockdunkle Gassen, ohne Peitschenmasten und Autos denen elend gruselte, die kurz zuvor noch Geschichten von schwarzen Hunden ohne Köpfe gehört hatten, vom wilden Heer und von Ungeheuerlichkeiten auf Kreuzwegen. - Wenn auf dem Land auch heute noch viel mit Holz geheizt wird wie seit je, dann allerdings nicht um der Poesie wegen, sondern aus praktischer Erwägung: viele haben noch Allmend-Anteile am Holz, viele eigenen Wald oder doch die Möglichkeit, Holz selber zu schlagen und heimzuführen. Es gibt noch viele Nebenher- oder Garnichtmehr-Bauern, die dennoch ihren „Bulldog" und einen Wagen behalten haben, nur um Holz holen zu können. Es gibt ja gelegentlich auch Ölkrisen, wie wir inzwischen wissen. Museen in Baden-Württemberg Nachdem in knapp einem Jahr dieser Museumsführer vergriffen war, erschien nun die zweite, ergänzte und erweiterte Auflage ( 1 9 7 7 ) . Während die erste Auflage 346 Museen enthält, stellt die Neuauflage schon 397 Museen aller Art vor. Es sind nicht nur Kunst- und Heimatmuseen, sondern eine Vielzahl technischer und Spezialmuseen. Wer z. B. einen bestimmten Künstler sucht, kann sich im Namenregister leicht informieren, wo er dessen Werke findet. Wünschenswert wäre auch ein Sachregister, denn die Übersicht über die Thematik der Museen im Anhang genügt nicht. So gibt es z. B. Uhren nicht nur im Uhrenmuseum in Furtwangen, sondern auch in Villingen-Schwenningen, Triberg usw. Oder wer würde z. B. einen dendrochronologischen Kalender mit Originalhölzern ausgerechnet im Franziskanermuseum Villingen suchen. Das handliche Büchlein in Plastikeinband ist mit zahlreichen Bildern ausgestattet. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen. Preis DM 22 - Aus fremdem Besitz Von Stephan Wiest, Hechingen, erschien im Badenia Verlag ein kleines Büchlein: Übereinstimmende, vergleichende, gegensätzliche Aussprüche und Meinungen zu Schule, sowie Unterricht, Bildung und Beruf. Der Verfasser hat viele hundert Zitate zu den verschiedensten Themen gesammelt. Eine anregende Lektüre für besinnliche Stunden. Nummer: Dr. Gregor Richter, Staatsarchivdirektor Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Redaktionsausschuß : Walther Frick, Journalist H o h e Tannen 4, 7480 Sigmaringen Hubert Deck, Konrektor 745 Hechingen. Tübinger Straße 28 Telefon (07471) 2937 Fritz Scheerer, Rektor i. R. A m Heuberg 42, 7460 Balingen Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, H o h e Tannen Telefon (07571) 8341 Hubert Deuringer, Kapellmeister Brunnenstraße 7, 7246 Empfingen Die mit N a m e n versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt Stephan Wiest, O.-Studiendirektor i. R. der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen Ludwig-Egler-Straße 12, 7450 Hechingen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet. Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R. Manuskripte und Besprechungsexemplare Badstraße 2, 7800 Freiburg/Br. werden an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten. Dr. Maren Kuhn-Rehfus, Staatsarchivrätin Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische H e i m a t " weiter zu empfehlen. Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen W 3828 F HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT * * Herauegegeben o o m Hohenzolleritchen Gefchichteoerein 27. J a h r g a n g Nr. 4 / D e z e m b e r 1977 * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Die Anbetung der Hirten in Burladingen-Melchingen * im Stall von Bethlehem - Deckenfresko - von Franz Ferdinand Dent, 1769. im Chor der St. Stephans-Kirche Foto: M. Hermann ^ * Eine gesegnete Weihnacht und, ein gutes Neues Jahr * wünscht ihren Lesern die „Hohenzollerische Heimat" * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * GREGOR RICHTER Sigmaringen im Mittelalter - Ein Beitrag z u m Verhältnis Stadtherr u n d Stadt Die 900-Jahrfeier der Stadt Sigmaringen im Jahr 1977 gab Anlaß, sich mit der Geschichte der Stadt im Mittelalter zu beschäftigen. Dabei war auch auf das Verhältnis Stadtherrschaft und Stadt einzugehen. Die Erstnennung zum Jahr 1077 1 erwähnt lediglich das Castellum Sigimaringin, gibt jedoch über dessen Anlage und Ausdehnung keinerlei Hinweis. Möglicherweise gruppierten sich schon 1077 um die Burg einige Hütten oder Häuser, die sich nach und nach zu einem regelrechten Burgflecken und schließlich zu einer stadtgerechten Siedlung vermehrten. In Sigmaringen ist aber auf jeden Fall mit einer längeren Periode langsamen Wachstums zu rechnen, da es sich ja nicht um eine planmäßige Stadtgründung handelte, wie man sie etwa für die sogenannten Zähringerstädte annimmt. Freiburg i. Br., Rottweil oder Villingen werden zu ihnen gezählt. Als übereinstimmendes Merkmal nimmt man bei diesen den Stadtgrundriß mit planmäßig angelegten Straßen an einem Achsenkreuz an 2. So geometrisch planmäßig ging es in Sigmaringen ohne Zweifel nicht zu. Es bot sich dafür auch gar kein Anlaß, weil zunächst überhaupt nur ein kleiner Bereich nördlich der heutigen Fürst-Wilhelm-Straße vorhanden war und eine Erweiterung bis zur Antonstraße erst im 15. Jahrhundert nötig wurde. Die nach heutigen Begriffen kleine Siedlung erlangte dennoch den Rang einer Stadt. Zwar ist sowohl unbekannt, welcher Ortsherr die Stadterhebung erwirkte als auch wann dies eigentlich geschah, doch lassen einige Anzeichen den Schluß zu, es müßte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewesen sein. Viel Glaubwürdigkeit besitzt die Annahme, es hätten die Grafen v. Hirschberg die Stadterhebung bewirkt und ihr eigenes Wappentier ihrer Stadt zum Wahrzeichen verliehen 3 . Wäre dies auch eine einleuchtende Erklärung für die Aufnahme des Hirschs im Sigmaringer Stadtwappen und Stadtsiegel, so muß doch wiederholt werden, daß es Beweise dafür nicht gibt und etwa die Vermutung nicht zu widerlegen ist, die im 13. Jahrhundert tatsächlich als Herrschaftsinhaber begegnenden Grafen von Helfenstein hätten die Stadterhebung vorgenommen. Fehlen darüber Quellen, so lassen sich immerhin Vermutungen anstellen, weshalb eine von der Größe her so unbedeutende Siedlung in die Gelegenheit gesetzt worden ist, Stadt zu werden. Es ist dazu ein Wort zur Rolle der Stadt im Mittelalter zu sagen. Gemeinhin läßt sich die Stadt des Mittelalters als eine Siedlung bezeichnen, die eine gewisse Befestigung, später regelmäßig in Form einer Stadtmauer, aufweist, Marktbefugnis besitzt und nach städtischem Sonderrecht verwaltet wird. Oft dürfen in der Stadt nur in Zünften organisierte Gewerbe betrieben werden, und der städtische Bürger genießt im Regelfall Freiheit von der Leibeigenschaft, was den allgemein bekannten Satz entstehen ließ: Stadtluft macht frei. Damit konnte es für den Stadtbürger von Belang sein, welche Rechtsnormen in seiner Stadt galten, und überhaupt Wichtigkeit erlangen, ob man in einer Stadt oder in einem Dorf wohnte. Wer städtisches zunftmäßiges Gewerbe treiben wollte, mußte sich eben in einer Stadt niederlassen. Das in Sigmaringen geltende, wenigstens seit dem 14. Jahrhundert faßbare Stadtrecht ist seinem 50 Inhalt nach bekannt, wir brauchen darauf nur zu verweisen 4. Es ist nicht ohne Reiz, zu lesen, wie sich aus der Gesamtheit der männlichen Bürger ein Stadtrat entwickelte, der Verwaltungs- und Rechtsprechungsfunktionen ausübte. Daß der Schultheiß nach dem erneuerten Stadtrecht von 1460 von der Gemeinde gewählt wurde, ist im Vergleich mit anderen Städten durchaus erwähnenswert, hatte doch beispielsweise die Gemeinde der Stadt Haigerloch nach dem Stadtbuch von 1457 kein Wahlrecht für den Schultheißen, den dort der Stadtherr ernannte. Die rechtliche und wirtschaftliche Sonderstellung der Stadt gegenüber dem flachen Land brachte nicht nur den Stadtbürgern, sondern nicht minder den Stadtherren Vorteile. Nicht umsonst haben die Staufer beim Ausbau ihrer Herrschaft im Reich zahlreiche Städte gegründet bzw. unter ihre Herrschaft gebracht 5, wovon sich mit Mengen, Pfullendorf und Saulgau drei Beispiele ganz aus der Nähe von Sigmaringen finden lassen. Als befestigter Ort bot die Stadt den Inhabern der Herrschaft und deren bewaffneten Kräften in Kriegszeiten Schutz und Rückhalt, zumindest die Möglichkeit der Verteidigung. Handel und Gewerbe kamen der Herrschaft wie dem Umland zu Gute, und nicht selten bildete die Stadt das Verwaltungszentrum der Landesherrschaft, die ihren diesbezüglichen materiellen und unterkunftsmäßigen Bedarf allein in einer Burg nicht mehr zu befriedigen vermochte. Oft entwickelten sich daraus Residenzen, wie es ja wenigstens zeitweise in Sigmaringen bereits im Mittelalter der Fall war. Solche Rücksichten mögen in Sigmaringen bei der Erhebung zur Stadt ihre Rolle gespielt haben. Interessant ist dann auch der Zeitpunkt, zu dem die Stadterhebung erfolgte. Man darf wohl als sicher gelten lassen, daß dies um die Mitte oder am Beginn der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschah 6 . Das aber fällt in die Zeit, in der das Geschlecht der Staufer erlosch und das Herzogtum Schwaben verwaiste. Aus vielen Beispielen ist bekannt, wie das Fehlen einer Herzogsgewalt die zahlreichen Grafen und Herren ermunterte und es ihnen schließlich auch ermöglichte, ihre Herrschaft auszubauen und die volle Landeshoheit zu erlangen, die in Herzogtümern der Herzog beanspruchte. Beim Ausbau einer Landesherrschaft konnte der Rückhalt in Städten durchaus von Vorteil sein. So möchte man in der Absicht, die Herrschaft zu stärken und auszubauen, einen Grund sehen dafür, daß die in Anlehnung an die Burg entstandene, bis dahin aber nur bescheiden gewachsene Siedlung Sigmaringen um die Mitte des 13. Jahrhunderts in den Rang einer Stadt erhoben worden ist. Wie weit die Stadt Sigmaringen solche vermutete Erwartungen erfüllt hat, läßt sich nicht nachprüfen. Zieht man Rückschlüsse aus der späteren Entwicklung und bedenkt man, wie langsam auch später sich das Wachstum vollzog, so möchte man keinen durchschlagenden Erfolg annehmen. Die Gründe dürften auf mehreren Gebieten zu suchen sein. Zunächst mußte sich auswirken, daß sich in der Nachbarschaft die Rivalen um die Macht behaupteten, ob dies Sigmaringen. Schloß und Stadt vom Mühlberg aus. Ölbild, Mitte nun die Herren von Zimmern in Meßkirch oder die Truchsessen von Waldburg in Scheer und Friedberg oder die Habsburger waren. Bei der Langlebigkeit dieser Familien bot sich noch nicht einmal die Möglichkeit, größere Herrschaften im Erbgang oder durch Kauf zu erwerben, wie es etwa Württemberg nach dem Erlöschen der Grafen v. Calw nach 1260 und später immer wieder gelang. Zum anderen wirkte sich in Sigmaringen der häufige Besitzerwechsel aus. Nachdem seit dem 12. Jahrhundert die Inhaber genauer zu fassen sind, lassen sich die Grafen von Spitzenberg und Helfenstein sicher, die von Hirschberg vermutlich, dann wieder mit Sicherheit die Grafen von Montfort zwischen dem Ausgang des 12. Jahrhunderts und 1290 als Stadtherren verfolgen. 1290 erwarb das Haus Habsburg Stadt und Herrschaft Sigmaringen, die es aber schon 1325 an Württemberg verpfändete. 1399 verpfändete Württemberg diesen Pfandbesitz seinerseits an die Grafen von Werdenberg, die 1459 daran das Eigentum erlangten und bis zum Erlöschen der Herrschaftsfamilie der Werdenberger 1534 Stadtherren blieben. Neben der Tatsache des häufigen Besitzwechsels mußte sich für die Weiterentwicklung der Stadt Sigmaringen nachteilig auswirken, daß sie sich seit dem Übergang an Habsburg 1290 lange in einer Art Randlage, nie eigentlich im Zentrum der Territorialherrschaft befand. Für Habsburg mit seinen vielen Herrschaftstiteln vom Elsaß bis Vorarlberg besaß Sigmaringen keineswegs eine das Wachstum und die Position fördernde Zentralfunktion. Nicht anders für Württemberg, das bis zur Weitergabe der Pfandherrschaft immerhin drei Generationen bestimmend war. Und selbst unter den Werdenbergern war Sigmaringen keineswegs stets die einzige begünstigte Residenz, fand es doch in Trochtelfingen und Heiligenberg Konkurrenten. Immerhin fällt in die Herrschaftszeit der Grafen von Werdenberg die schon erwähnte Stadterweiterung bis zur Antonstraße, dazu noch die erneute bzw. erweiterte Ummauerung unter Einschluß der Neuanlage bis zur Antonstraße, wovon der Runde Turm noch als sichtbares 18. Jh. F. Bibliothek Sigmaringen Zeichen steht. Die Grafen von Werdenberg ließen ferner das Rathaus errichten, dessen eine Hälfte zunächst ihnen gehörte, die sie aber 1454 der Stadt schenkten, die nun Eigentümerin des ganzen Rathauses war. Offenbar konnte man es sich damals leisten und herrschte eine gewisse Baufreudigkeit vor, denn es fällt noch die Schloßerweiterung in die Herrschaftszeit der Werdenberger, die außerdem eine neue Johanneskapelle bauen ließen neben dem Schloß, wohl am Platz der heutigen Johanneskirche. Damals muß nach allem die Stadt einen großen Aufschwung genommen haben, sie befand sich eben jetzt nicht mehr in der Randlage des Territoriums und erhielt unter den Werdenbergern mehr den Charakter einer Residenz. Diesen verlor sie zunächst wieder nach dem Anfall im Jahr 1535 an Hohenzollern, nachdem 1534 das Geschlecht der Werdenberger erloschen war. Erst nach der Landesteilung von 1576 wurde Sigmaringen wieder zum Sitz eines Herrschergeschlechtes. War es also nicht gleichgültig, in welcher geographischen und politischen Position sich eine Stadt innerhalb des übrigen Machtbereichs ihres Herrn befand, so darf man dem Verhältnis Stadt und Stadtherrschaft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines solchen Gemeinwesens zusprechen. Bei Sigmaringen begegnete schon der Ausdruck Stadt und Herrschaft. Sigmaringen bildete nämlich für einen Umlandbereich den Verwaltungsmittelpunkt. Noch im 12. Jahrhundert kam die Bezeichnung Grafschaft Sigmaringen auf. Ihrer Ausdehnung nach handelte es sich jedoch um ein unbedeutendes Gebiet. Zwischen Inzigkofen und Sigmaringendorf einerseits und Bingen und Hedingen andererseits lag der eigentliche Schwerpunkt. Krauchenwies wurde beispielsweise erst 1595 durch Graf Karl von Hohenzollern erworben. Die Grafschaft Veringen gehörte zwar im Spätmittelalter immer dem gleichen Herrscherhaus, rechtlich und verwaltungsmäßig war sie aber ein eigenes Gebilde, das nicht zur Grafschaft Sigmaringen gehörte. 51 Städte, Herrschaften und Grafschaften konnten nun geradezu zu Handelsobjekten ihrer Herren werden. Bei Sigmaringen traf dies seit dem 13. Jahrhundert zu, wie die Verpfändungen von Habsburg an Württemberg und von diesem an die Grafen von Werdenberg eindeutig belegen. Erst der Eigentumsübergang an die Grafen von Werdenberg änderte dies 1459. Wenigstens in rechtlicher Hinsicht muß der öftere Herrschaftswechsel für eine Stadt nicht von Nachteil gewesen sein. Wie sich für Haigerloch feststellen läßt, das ebenfalls mehrmals als Pfand versetzt worden ist, gelang dabei sogar eine besondere Rechtsicherung, indem die Stadt sich von den Pfandherren immer wieder bestätigen lassen konnte, ihre alten Rechte seien zu wahren 7 . Ähnlich war es in Sigmaringen. In der Urkunde über die Verpfändung von Burg und Stadt Sigmaringen machte etwa 1399 8 Graf Eberhard von Württemberg dem Grafen Eberhard von Werdenberg als neuem Pfandherrn die Auflage, Leute und Güter über ihre gewöhnlichen Steuern, Zinse und Dienste nicht zu beschweren, was im Klartext heißt, die Untertanen durften weder höhere Abgaben noch vermehrte Fronleistungen auferlegt erhalten. Vielleicht sollten wir uns an diesem Beispiel einmal klar machen, daß mittelalterliche Untertanen keineswegs rechtlos und der Willkür der Herren ausgesetzt gewesen sind. Gerade das überlieferte Recht, das Herkommen, wie man es nannte, fand besonderen Schutz. Verstöße dagegen galten als Rechtsbruch. Mit der Errichtung des Reichskammergerichts am Ende des 15. Jahrhunderts und damit am Ausgang des Mittelalters schuf sich das Reich sogar eine Instanz, die bestimmungsgemäß auch Rechtsverstöße von Herrschaftsinhabern gegenüber ihren Untertanen zu behandeln hatte. Der Begriff vom finsteren Mittelalter ist, wenn nicht überhaupt falsch, zumindest einseitig, man braucht nicht nur an die angedeutenen Rechtsverhältnisse zu denken, sondern kann einbeziehen die Hochblüten der romanischen und gotischen Kunstepochen mit ihren monumentalen Baudenkmalen, den Figuren und Gemälden bis hin zu sakralen Gefäßen und Bedarfsgegenständen, wie sie etwa in der Stuttgarter Stauferausstellung zu sehen und zu bewundern waren. Dort erhielt man auch Einblicke in das hochstehend geistige Leben der Zeit, das sich in der äußeren Gestaltgebung, nicht minder aber in den Inhalten der imponierenden mittelalterlichen Bucherzeugnisse ablesen läßt. Allenfalls im Strafrecht mit seiner Grausamkeit, das sich zeigt im Blenden der Augen, dem Abhacken von Händen, dem Herausschneiden der Zunge und der Brandmarkung des Gesichtes, allenfalls darin und im Fehderecht, das das Raubrittertum begünstigte, treten Erscheinungen mittelalterlicher Wirklichkeit ins Blickfeld, die ohne Beschönigung mit finster zu beschreiben wären. Kehren wir zur Stadt Sigmaringen und dem Verhältnis zur Stadtherrschaft zurück, so ist neben der Rolle als Herrschaftssitz, als Verwaltungsmittelpunkt und als verpfänd- und verkaufbares Wertobjekt noch eine andere Seite anzusprechen, die den Nutzen der Stadt für den Stadtherrn erkennen läßt, es ist dies die Bürgschaftsfähigkeit. Wie wir sahen, brachte die werdenbergische Herrschaft im 15. Jahrhundert für Sigmaringen einen beachtlichen Aufschwung, der sich aus der regen Bautätigkeit ablesen läßt. Andererseits zogen die Grafen zwischen 1460 und 1522 wenigstens fünfmal die Stadt zu Bürgschaften heran». Wenn ein Privatmann Kredite aufnahm, konnte er seine Liegenschaften dafür als Sicherheit setzen. Der Territo52 rialherr hatte aber sogar ganze Herrschaften oder einzelne Orte anzubieten, nur geschah dies dann im Regelfall auf dem Wege der Pfandschaft, bei der es dem Pfandinhaber gestattet war, die Herrschaft auszuüben und alle Steuern, sonstige Abgaben und Dienstleistungen anzunehmen, was gewissermaßen die Verzinsung der überlassenen Summe ausmachte. Anders verfuhr man bei den Bürgschaften. In den fünf mit Quellen belegten Fällen liehen sich die Grafen von Werdenberg einen gewissen Betrag Geld. Da sie offensichtlich nicht ein Pfand zur Nutzung überlassen wollten, andererseits aber wohl den Gläubigern gegenüber für ihre Personen nicht genügend Sicherheit boten, ließen sie, „Schultheiß, Bürgermeister, Richter und alle Bürger der Stadt Sigmaringen" als Mitschuldner eintragen, was allem Anschein nach nötig war, um die Kreditfähigkeit zu beweisen. Ob es bei der bloßen Bürgschaftszusage blieb oder die Stadt auch die auf 5 °/o angesetzten Zinsen für die zwischen 300 fl und 1200 fl hohen Schuldbeträge mitzutragen hatte, läßt sich nicht genau feststellen. Als am Rande interessant sei erwähnt, daß unter den Gläubigern zweimal Adlige begegnen, nämlich Dietrich von Plieningen 1460 und Jörg von Werenwag 1501, dreimal aber Bürger aus Städten der Umgebung, und zwar 1467 Eberhard Mäsli aus Rottweil, 1473 Märcklin Toeschelmann aus Veringenstadt und 1522 Peter Mäßlin aus Konstanz. Es bleibt unklar, ob der Rottweiler Bürger Mäsli und der Konstanzer Peter Mäßlin der gleichen Familie angehörten, die zutreffendenfalls über mehrere Jahrzehnte Gläubiger der Grafen von Werdenberg gewesen wäre. Im ganzen bestand, so läßt sich folgern, eine Wechselbeziehung zwischen Stadt und Herrschaft: Der Herrschaft verdankte die Siedlung ihre Ausstattung mit Sonderrecht, von ihr konnte sie ihren Charakter als Verteidigungs-, Verwaltungs- oder Residenzart erhalten. Von ihr war sie aber auch abhängig bis hin zum meßbaren Pfand- und Verkaufsobjekt. Die Geschichte der Stadt Sigmaringen liefert dafür eindrucksvolle Beispiele. D i e Abbildung auf Seite 51 ist, mit freundlicher Genehmigung des Verlages, dem Band „Hohenzollern in alten Ansichten", Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, entnommen, ebenso die Abbildung auf Seite 57 dem Bildband „Hechingen". 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Vgl. G. Richter, Sigmaringen 1077. Ein Beitrag zur Problematik der Erstnennung v o n Ort, in: H H 3 / 1 9 7 7 . Zum Problem der Zähringer Städte vgl. die Beiträge von H.-W. Klewitz und B. Schwineköper in der Zeitschrift „Schau-ins-Land" 8 4 / 8 5 1 9 6 6 - 6 7 . So / . A. Kraus, Rätselraten um das Stadtwappen und die Grafen von Sigmaringen, in: H ö h . Jahreshefte 1 1 / 1 9 5 1 ; dagegen aber H.-M. Maurer, D i e hochadligen Herren von N e u f f e n und von Sperberseck im 12. Jahrhundert, in: Zeitschr. f. württ. Landesgeschichte 2 5 / 1 9 6 6 , besonders S. 108 f. Vgl. Bibliographie der hohenz. Geschichte, S. 77, ferner den Beitrag von Maren Kuhn-Rehfus in der Festschrift der Stadt Sigmaringen zur 900-Jahrfeier. Vgl. H.-M. Schwarzmaier, D i e H e i m a t der Staufer, Sigmaringen 1976, S. 54 ff. Vgl. Artikel „Sigmaringen" von E. Stemmler im „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands" Band V I BadenWürttemberg, Stuttgart 1965. Darüber wird eine eigene Untersuchung vorzulegen sein. Staatsarchiv Sigmaringen Bestand H o 80. Sämtliche Urkunden darüber Staatsarchiv Sigm., Dep. 1 Stadtarchiv. HANS PETER MÜLLER Die Einzugsliste des G e m e i n e n Pfennigs v o n 1497 im Landkapitel Haigerloch Auf dem Wormser Reichstag des Jahres 1495 ist ein „Ewiger Landfrieden" verkündet und die Einrichtung des Reichskammergerichts als obersters Reichsgericht beschlossen worden. Zur Deckung der Unkosten dieses Gerichts wurde von den Ständen eine Reichssteuer, der „Gemeine Pfennig", bewilligt. Diesen mußten, wie der Name sagt, alle Personen im Reich, ob geistlich oder weltlich, ob Mann oder Frau, sofern sie 15 Jahre alt waren, entrichten. Grundlage der Besteuerung war das Vermögen, wobei die Renten mit dem 2ofachen Betrag kapitalisiert wurden. Die Ausschreibung sah nur 4 Vermögensgrenzen vor: wer 1000 Gulden (fl) hatte, zahlte 1 fl, und wer 500 fl hatte, zahlte 1 h fl. Wer auf über 1000 fl kam, zahlte über 1 fl „soviel sein Andacht ist", und wer unter 500 fl blieb, brauchte nur '/24 fl zu zahlen. Der Gemeine Pfennig war zunächst auf 4 Jahre befristet, wurde aber aufgrund der fehlenden Reichsfinanzverwaltung und geringer Erträge nicht verlängert. Im Archiv der ehemaligen Reichsstadt Frankfurt a. M., die bis 1527 Sitz des Reichskammergerichts war, haben sich mehrere Einzugslisten des Gemeinen Pfennigs erhalten, darunter diejenigen über den Klerus des Bistums Konstanz. Im Folgenden soll nun die Liste über das Landkapitel Haigerloch aus dem Jahre 1497 wiedergegeben und erläutert werden 1 . Nach Auskunft eines guten Kenners der hohenzollerischen Kirchengeschichte, Johann Adam Kraus, füllt die Liste personengeschichtlich insofern eine Lücke, als die bischöflichen Investiturprotokolle und Annatenregister für diesen Zeitraum nicht vollständig sind. Sie bieten auch eine Ergänzung zu den bischöflichen Subsidienregistern, die für das Landkapitel Haigerloch aus den Jahren 1468 sowie 1485/86 und 1508 vorliegen. Diese Register über eine 5prozentige Einkommenssteuer sind bereits von F. X. Hodler in seiner Haigerlocher Oberamtsbeschreibung eingehend behandelt worden 2. Registrum subsidii regalis Capituli Haigerloch (1497) Balingen hat gibt Pleb. N. N. 100 fl u. m. 1 fl Kapl. Martinus Götz 35 1b 8 ß Kapl. Petrus Gäbelin 33 1b 8 ß Kapl. Hainricus Spiegel 33 1b 9 d Kapl. Michael Aichalder 31 lb 15 ß Kapl. Johannes Pflumer 31 lb 8 ß Kapl. Johannes Bretzing 31 lb u.m. 1 lb 8 ß Kapl. Eberhardus Rieber 28 lb 8 ß 28 lb Kapl. Johannes Ginther 8 ß Adj. Bartholomeus Höllstain 7 d Bergfelden Pleb. Johannes Malkast 50 lb 16 ß Kapl. Fabianus Hösch 34 1b 4 ß Prim. Anthonius Hagen 30 lb 3 ß Adj. Mag. Jacobus Kramer 7 d M. Bieringen Pleb. Rudolfus Rielin 50 lb 15 ß 8 h Kapl. Berchtoldus Kaltmaiger 35 lb 2 ß Bierlingen Pleb. Melchior Ower 801b Va fl = 15 ß 8 Bietenhausen Pleb. Johannes Ryser 56 lb u. m. 15 ß 8 h Kapl. Georius Judas 16 1b 2 ß Binsdorf Pleb. Oswaldus Kapl. Eberhardus Gresser Kan. Georius Klöwi Börstingen Kapl. Johannes Sidlin Bubenhofen Pleb. Johannes Dettensee Kapl. Mathias Scherer Empfingen Vik. Martinus Finsterbach Kapl. Johannes Cümanni Engstlatt Pleb. Johannes Molitoris Erzingen Vik. Conradus Maiger Felldorf Kapl. Johannes Egloff Fischingen Kapl. Andreas Bosch Geislingen Vik. Ludowicus Haugk Kapl. Conradus Erlar Kapl. Hainricus Gugel Kapl. Jacobus Brombis Kapl. Sebastianus Köner Gruol Vik. Udalricus Kutzenbach Ober-Gruol Kapl. Johannes Wechinger Ober-Haigerloch Kapl. Burckhardus Unter-Haigerloch Kapl. Udalricus Seuw Haigerloch-Schloß Kapl. Andreas Koler Heiligenzimmern Pleb. Johannes Rentz Höfendorf Kapl. Petrus Brenner Holzhausen Kapl. Conradus Schwiger Hospach Kapl. Conradus Zimmerman Imnau Kapl. Leonhardus Buman hingen Prim. Martinus Mühlheim a. B. Kapl. Wernherus Schmid Mühringen Kapl. Bernhardus Tischlin Nordstetten Pleb. Albertus Maiger Kapl. Johannes Lor Ostdorf Vik. Mag. Martinus Lew Kapl. Albertus Zymmerman Owingen Pleb. Mag. Petrus Flander Kapl. Caspar 50 lb u. m. 18 ß 8 ß 35 1b 8 ß 35 1b 35 1b 15 ß 8 h 50 lb u. m. 15 ß 30 1b 70 lb u. m. 30 lb 15 ß 8 h 1 fl 3 ß 36 1b 15 ß 8 h 501b 15 ß 35 1b 15 ß 8 h 40 lb 15 ß 401b 40 lb 371b 33 1b 20 lb 15 ß 8 h 10 ß 15'/ 2 fs. »/!• h 8d 8 dM. 40 lb 18 ß 501b 17 ß 20 lb 2ß 371b 15 ß 8 h 36 lb u. m. 15 ß 8 h 40 lb 16 ß 36 lb u. m. 15 ß 8 h 24 lb 2 ß 20 lb 2 ß 24 lb 2 ß 20 lb 8 d 35 1b 7 ß 24 lb 2 ß 501b 32 1b 20 lb 40 lb 15 ß 8 h 3 ß 8 d 9 d 50 lb u. m. 18 ß 20 lb 2 ß 53 Renfrizhausen Kapl. Cristianus Koch Rosenfeld Pleb. Georius Setzlin Kapl. Caspar Butz Prim. Petrus Sar Adj. Caspar Prb. Jacobus Wittendorff Stetten Pleb. Johannes Rych Sulz Kapl. Mag. Petrus Pflüger Kapl. Mag. Conradus Cüni Kapl. Fabianus Schwiger Adj. Conradus Welcker Trillfingen Pleb. Johannes Erwin Kapl. Bernhardus Adj. Georius Peter VÖhringen Pleb. Jodocus Fridel Kapl. Mauritius Schitz Kapl. Sigismundus Wachendorf Pleb. N. N., Kämmerer Weildorf Pleb. Udalricus Berger Kapl. Hainricus Findnutz Bernstein Franziskaner-Bruderhaus Kirchberg Dominikaner-Frauenkloster Klausen Balingen, obere Klause Balingen, untere Klause Bergfelden Binsdorf Engstlatt Erzingen Geislingen Gruol Haigerloch Heiligenzimmern Nordstetten Stetten Sul/ Weildorf 30 lb 3V2 ß 50 lb u. m. 15 ß 8 h 33 lb u. m. 15 ß 8 h 7 d M. = 8 d 25 lb 8d 8d 70 lb u.m. 1 fl 40 lb 14 ß M. = 15 ß 8 h 40 lb u. m. 15 ß 23 lb 2ß 8d 50 lb u. m. 28 lb 1 fl 3ß 8d 38 lb 38 1b 28 lb 16 ß 4 ß M. 3ß 50 lb 18 ß 60 lb u. m. 1 lb 28 lb u. m. 15 ß 8 h 18 ß M. = 1 lb gibt nichts 3ß 3h 15 ß 6 ß 5h 1 fl 3V2 ß M. =4 ß 1h 14 d M. 5 ß 15 ß 18 ß 7ß- 4h 15 ß 1 d 12 ß 1 lb 15 ß Erläuterungen Die Liste stammt, wie aus der Endabrechnung hervorgeht, von der Hand des Dekans und Pfarrers in Binsdorf Oswald Fabri (Schmid). Die Steuer ist an 5 Tagen zwischen dem 27. Februar und 6 März 1497 in den einzelnen Teilen des Kapitels von jeweils einem Geistlichen zusammen mit dem Pedell eingezogen worden. Erfaßt wurden, wie die Überschrift besagt, der Klerus und andere geistliche Personen, womit die Klosterinsassen gemeint sind. Insgesamt werden 75 Kleriker in 36 Orten aufgeführt und zwar 17 Plebane und 4 Vikare, 43 Kapläne und 3 Frühmesser (Primissarius), ferner 5 Adjutoren und 2 Presbister. Die meisten Geistlichen saßen in Balingen, wo es neben dem Pleban noch 8 Kapläne und einen Adjutor gab. Rosenfeld und Geislingen brachten es immerhin noch auf jeweils 5 Geistliche. In Haigerloch gab es dagegen nur 3 Kapläne, einen auf dem Schloß, in der Oberstadt und in der Unterstadt. Von den beiden 54 Klöstern im Kapitel, dem Dominikanerinnenkloster Kirchberg und dem benachbarten Franziskaner-Bruderhaus Bernstein war ersteres von der Steuer befreit. Am Schluß der Liste stehen die 14 Klausen, deren Insassenzahl wir aber nicht kennen, da die Klausnerinnen anscheinend nicht einzeln besteuert wurden. Unter jedem Geistlichen stehen zwei Einträge, einmal sein Einkommen und zum andern seine Abgabe. Was die Einkünfte betrifft, so stimmen diese zumeist mit den Summen überein, die in den eingangs erwähnten Subsidienregistern stehen. Auf die unterschiedliche Dotierung der einzelnen Pfründen ist bereits Hodler ausführlich eingegangen. Zu den reichsten Pfarreien zählten danach Balingen mit 100 fl oder 140 Pfund (lb) Heller, Bierlingen mit 80 lb sowie Empfingen und Stetten mit 70 lb. Die Kaplaneien brachten dagegen ihren Inhabern in der Regel nur zwischen 20 und 30 lb ein. Diese Einkünfte sind also mit dem 20fachen Betrag kapitalisiert worden. Bei den meisten war dies anscheinend das einzige was versteuert werden konnte, denn nur bei 17 Geistlichen wird besonders vermerkt, daß sie darüber hinaus noch andere Güter und Einkünfte hatten. Bevor wir die Abgaben näher betrachten, muß kurz auf die Münzverhältnisse eingegangen werden, da in verschiedenen Währungen gerechnet wurde. Nach der württembergischen Währung kamen auf den Gulden 28 Schilling (ß), was in der Liste mit „Müntz" (M.) gekennzeichnet wurde. Für die Abgabe von V* fl zog man demnach 14 ß ein und für V24 fl den Betrag von 7 Pfennig (d), was 14 Heller (h) entsprach. Nun sind die Angaben des Dekans aber in Haigerlocher Währung gemacht worden, wo auf einen Gulden 31 ß 3 h kamen. Für V2 fl wurde aufgerundet 15 ß 8 h und für 1/24 fl ebenfalls aufgerundet 8 d eingezogen. Wenn wir nun die Abgaben der einzelnen Geistlichen anschauen, so fällt auf, daß nicht überall die obengenannten Abgabesätze erscheinen, sondern mehrere Beträge dazwischen liegen. Man hat also annähernd eine prozentuale Vermögensabgabe von 1 Promille geleistet. Von den 75 Geistlichen zahlten nur 4 den Betrag von 1 fl, und zwar die Pfarrer von Balingen, Empfingen, Stetten und Tailfingen. Insgesamt 25 Geistliche zahlten den Betrag von V2 fl, während weitere 7 zwischen diesen beiden Beträgen lagen. Weniger als V2 fl zahlten also die übrigen 39 Geistlichen. Darunter waren wiederum 13, die den Mindestbetrag von V24 fl entrichteten. Eigenartig ist auch der Einziehungsmodus bei den Klausen, die insgesamt 8 lb weniger 1 d ablieferten. Im einzelnen bewegten sich die Beträge zwischen 1 fl und 14 d M. Das auffallende dabei ist, daß diese Abgaben genau mit denen des Subsidienregisters von 1468 übereinstimmen. Kommen wir nun noch auf die Endabrechnung der Einzugsliste. Der Dekan hat von den Klerikern und Klausnerinnen insgesamt 55 lb weniger 15 d Haigerlocher Währung eingenommen. Davon gingen erhebliche Auslagen für die 5 Kollektoren und den Pedell sowie für den Dekan selber ab. Unterm Strich blieben dann nur noch 33 lb 3 ß 9 h übrig, wofür der Dekan 20 Goldgulden und eine Krone ablieferte 3 . Interessant wäre ein Vergleich mit den Vermögensverhältnissen der weltlichen Personen, doch haben wir keine derartigen Listen für unsere Gegend. Es liegen lediglich summarische Verzeichnisse für die württembergischen Ämter und Klöster vor sowie eine Einzugsliste für die Dörfer des Klosters Bebenhausen 4 . Von den teilweise zum Haigerlocher Kapitel gehörenden Ämtern zahlte Balingen 146 lb 3 h, Rosenfeld 71 lb 13 ß 10 h und Sulz 40 fl. Von den Bewohnern der Bebenhäuser Dörfer zahl- te die überwiegende Mehrzahl den Mindestbetrag von 7 d, was auch für die Landbevölkerung im Haigerlocher Kapitel zugetroffen haben dürfte. 1 R S N 2449, V, 8, die Erhebung des archiv Frankfurt vereins der dt. S. 328 f f . fol. 91r-96r; vgl. R. Jung, D i e Akten über gemeinen Pfennigs von 1495 ff. im Stadta. M., in: Korrespondenzblatt des GesamtGeschichts- und Altertumsvereine 1909, 2 3 4 F. X . Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, hg. v o n N . Müller, Hechingen 1928, S. 203 f f . Mit „corana" ist wohl eine französische Krone gemeint, die demnach IV4 fl Wert gewesen wäre. P.-J. Schuler, D i e Einzugsliste der Gemeinen Pfennigs v o n 1497 im H e r z o g t u m Württemberg, in: Beiträge zur Süddt. Münzgeschichte, 1976, S. 101 f f . ; J. Sydow, Einzugslisten des Gemeine Pfennigs aus den D ö r f e r n des Klosters Bubenhausen, in: Der Sülchgau, Jg. 1969, S. 35 ff. J O H A N N ADAM KRAUS Die Seelsorger v o n O w i n g e n Vorbemerkungen: 1. Das auf einen Personennamen Owo zurückgehende, wohl im 5./6. Jahrhundert n. Chr. entstandene Dorf Owingen (früher Ober- u. Unterowingen) bei Haigerloch taucht erstmals 1094/95 mit dem Namen zweier Ritter auf: Swicker und Arnold von Owingen. Erster schenkte dem Kloster St. Georgen im Schwarzwald einen Hof zu (Heiligen-)Zimmern und der zweite war auf der Burg Haigerloch am 10. Januar 1095 Zeuge einer Schenkung. Das Pfingstfest (29. Mai) des Jahres 1132 sollte für unser Dorf von besonderer Bedeutung werden. Damals trat ein edelfreier Kriegsmann Heinrich von Stauphenberg, dessen Heimatburg wir nicht kennen, ins Benediktinerkloster des Hl. Georg im Schwarzwald als Mönch ein und schenkte bei diesem Anlaß über dem St. Georgsaltar daselbst u. a. in Owingen und Isingen 16 Bauerngüter (Gründungsbericht d. Kl.: Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 1858, 217 f.). Zweifellos verdankt Owingen diesem Kloster St. Georgen seinen Patron der Weilerkirche in Oberowingen und vermutlich auch diesen Kirchenbau selber, der nach dem Baustil in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurückreicht. 2. Der 1971 bei einem Besuch in Melchingen verstorbene, bis dato in Burladingen im Ruhestande lebende Pfarrer Josef Riegger von Schlatt, der 1919-60 in Owingen als Seelsorger wirkte, hat 1935 in „Heimatklänge" des „Zoller" eine Teilliste seiner Vorgänger in Owingen veröffentlicht. Dazu konnten im Laufe der Jahre noch Ergänzungen gefunden werden. So sei die bekannte Reihe hier dargeboten. Der namentlich unbekannte Leutpriester des Jahres 1275 hat laut eidlicher Aussage 55 Pfund Rottweiler Heller Einkommen gehabt und bezahlte den Kreuzzugszehnten zum Teil in Rottweiler, teils in Tübinger Währung. 1 Ca. 1300-03 Conradus N., Kammerer, war am 15. Mai 1303 Dekan (Kirchb. Urk. 797). 2 1303? Burkart von Rüthi, soll schon 10 Tage darauf, also am 25. Mai 1303, als Dekan zu Owingen genannt sein, was Zweifel erregt (Schmid, Urk. Hohenbergica N. 199). 3 1314 Jan. 12: Dietrich N. Kirchherr zu O. (Kirchb. U. 614). 4 1351 Juni 23: Dietrich N., Kirchherr, siegelt eine Urkunde des Klosters Alpirsbach wegen des Kalthofers Hof zu Owingen (Glatz, Alpirsbach 293). 5 1367 Feb. 14: Hans von Bregenz (Württ. Reg. 8222) 5a Ca. 1385 soll ein Owinger Pfarrer Konrad als Kümmerer gestorben sein (Haigerlocher Priesterbruderschaftsbuch). Riegger faßte den Beinamen Kammerer als Familiennamen auf. (Siehe Nr. 1). 6 1388 sei Pfarrer Johann Kirperger gestorben (Brudersch. Buch). 7 1399-1419 Berthold Holtschajt, verhandelt 1419 für seinen Nachfolger betr. 30 fl Erstfrüchte an den Bischof. 8 1419-42 Johann Heinrich Firer (Führer), Kirchrektor, soll am 18,1.20 die Erstfrüchte bezahlen, was dann für ihn Petrus Herrenberg mit 20 fl tut. 9 1442-67 Berthold Winstain (war 1433 Pfr. in Leinstetten) wurde am 15. 6. 42 von Gr. Sigismund von Hohenberg präsentiert, soll 80 fl Erstfrüchte zahlen, erhält jedoch Ermäßigung auf Bitten den Gr. v. Wirtembg. Am 25. 3. 1465 bestätigte die bischöflich Behörde zu Konstanz die Frühmesse, die in die Kapelle B. Maria Virg. et Stephani in Unterowingen gestiftet und durch Johann und Konrad von Bubenhofen, auch Vogt, Ortsrichter und Gemeinde Ober- und Unterowingen dotiert ist. Am 17. Okt. 1438 hatte nämlich Abt Heinrich und der Konvent von St. Georgen an Konrad von Bubenhofen all seine Besitzungen zu Owingen, Stetten (doch hier ohne den Kirchensatz-Pfarrbesetzungsrecht) und Weildorf um 1700 rh. fl verkauft (Zollerheimat 1940, 1-3). 10 1465-88 Konrad Eberler von Gruol (der seit 9. 7. 62 in Freiburg studierte) wird am 4. Mai 65 als Pfarrer für Owingen proklamiert da die Pfründe frei ist durch Rücktritt des Berthold Winstain, präsentiert von Gr. Sigismund v. Hohenberg. Investitur am 21. Mai. Da Eberler seinen Vorgänger verhalten muß, wird die Erstfrucht von 80 auf 15 fl ermäßigt. 10a 1466 Juni 17 wird der Akolyt Heinrich Hutter aus Geislingen auf die Marienkaplanei Unterowingen durch den genannten Grafen präsentiert. 11 1466 Dez. 17 Johann Grym wird auf dieselbe Pfründe eingesetzt, präs. durch den genannten Grafen. 12 Vor 1487 hat Johann Senff aus Grosselfingen auf die gen. Marienkaplanei in Unterowingen verzichtet. (An Pauli Bekehrung 1470 trat Gr. Sigismund v. Hohenberg an den Grafen Jos Nikiaus von Zollern seinen Kirchensatz sowie Korn und Heugilten zu Owingen und 10 Mit Korn und 5 Mit Haber jährl. vom Wessinger Zehnten mit allen Rechten ab (Kernler). 13 Um 1487 erhält die Marienkaplanei ein Magister Konrad Cuni. 14 1487 Nov. 27: Konrad Hainburger aus Grosselfingen wird auf die Marienkaplanei Unterowingen durch Johann Heinrich von Bubenhofen präsentiert. 15 1488-95 Lienhard Oettinger, wird, am 28. 8. 88 als Pfarrer präsentiert durch Kaspar von Klingenberg namens seiner Schwester Margarethe, verwitwete von Bubenhofen und der Edelknechte Johann Heinrich und Vitus von Bubenhofen. Er wird investiert am 23. September und soll am 30. d. M. als Erstfrüchte 55 16 17 18 19 20 21 22 23 24 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 56 80 fl bezahlen. Auf Bitten der Genannten werden ihm 40 nachgelassen. Der Unterowinger Frühmesser Konrad Hainburger geht von seiner Kapelle BMV, st. Stephani und Jakobi am 27. Okt. 88 als Pfarrer nach Grosselfingen. 1488 folgt als Kaplan für den Hainburger ein Sebastian Bucher, präs. durch Johann Heinrich von Bubenhofen. 1495-1500 Mg. Petrus Flander aus Gammertingen (stud. 1489 in Tübingen, wo er 1494 Magister der freien Künste wurde). 1503—? Hainrich Staymetz, soll am 18. 3. als Erstfrüchte 80 fl zahlen, erhielt jedoch die Hälfte ermäßigt. bis 1520 Eberhard Becht, plebanus in Owingen (unseres?) erhielt am 24. Juni 1520 Absenzerlaubnis. Der Nachfolger Mg. Thomas Ott (Nr. 24) zahlt 1521 als Erstfrüchte 40 fl. 1524 resignierte Vitus Walter auf die Marien- und Hainburger Kaplanei. 1524 April 13: Johannes Piscatoris (Fischer) folgt auf die Marien- u. Stephanskaplanei, präsentiert durch den Konstanzer Kanoniker Johann Heinrich von Bubenhofen, sowie Wolfgang und Johann Jakob von Bubenhofen. 1524 Juni 14: Kaspar Pflanzer wird auf die Kaplanei zu Owingen präsentiert, die zum Schloß Homburg (Hainbuerg) gestiftet ist, präsentiert durch Johann von Weitingen zu Homburg (Hainburg), investiert 2. 7. 24. c. 1528 stirbt Mg. Heinrich N. Pfarrer (Brudersch. Buch; Jahr unsicher!) 1521-43 Mg. Thomas Ott, tritt im letztgenannten Jahr zurück von der Pfarrei. 1544-50 t Jakob Müller aus Horb, wird am 1. Sept. proklamiert und investiert, stirbt nach 6 Jahren. 1551 Balthasar Ott wird am 3. Dezb. 51 als Leutpriester genannt. 1553 Johannes N. erhielt am 25. Mai auf 1 Jahr den Verwaltungsauftrag für die Pfarrei Owingen bei Haig. (Zeitschr. hohz. Gesch. 1966, 176 Nov. 30) Bis 1561 wirkt hier David Würt, und resigniert dann. 1561 f Joachim Stock, präs. durch Gr. Carl v. Zollern, invest. 2. 10. 1561. 1569 Antonius Braun ist in diesem Jahr präsentiert worden, zahlt im Jahr darauf die Erstfrüchte mit 40 fl. Sebastian Thum 1574 ebnso (beide sind jedoch für unser Owingen unsicher!) 1583-84 f Michael Dreitier (Trigler), war 1580-83 in Burladingen, schon 1560 Kaplan in Fridingen b. Riedl., seit 24. 6. 83 in Owingen Pfarrer, starb im Juli 1584 dahier. 1585-87 Sebastian Filier. 1587-90 Jakobus P f a f f . (Vgl. Hexenprozesse „Heimatklänge" 1935, 62). 1590-1605 f Martinus Rauch aus Pfullendorf, zunächst Verweser, als Pfarrer proklamiert 26. Mai 93; invest. erst. 3. April 1598 mit 47 Jahren. Er ließ die Pfarrkirche St. Georg in Oberowingen renovieren (Inschrift: M R 1598). In Unterowingen bestand ehemals eine Kreuzkapelle, erwähnt 1528 (am oberen Ortsrand gegenüber dem spät. Kinderhaus) und die Kapelle BMV und Jakobus, die Ende des 17. Jh. dann als Neubau wiedererstand. Im J. 1601 beschwert sich Pfr. Rauch, er sei in großer Sorge wegen der Kessler, Spengler und Gartenknechte (Gesindel!), 37 38 39 40 41 42 43 da er auf der Einöde wohnen und hausen müsse. Wenn er den fahrenden Leuten nicht gleich ihren Willen tue, würden sie aufdringlich, überrennen und schädigen ihn. Er bittet, falls der Heilige es vermöge, einen neuen Pfarrhof ins Dorf hinab bauen zu dürfen. Von Hechingen bedeutete man ihm, er soll sich von seiner geistlichen Obrigkeit die Erlaubnis geben lassen, den Pfarrhof von der Kirche weg zu verändern (Zollerheimat 1940, 10). Rauch starb am 20. April 1605 (Hohz. Heimat 1963, 13 rechts!) 1605-08 Mg. Melchior Seitz von Herbertshofen (b. Ebingen), studierte 1600 in Freiburg, ging nach 3 Jahren als Kanoniker nach Hechingen und wurde dort 1612 Stadtpfarrer (vgl. von hier an: „Heimatklänge 1935, 62.) 1608-12 Mg. Stephan Strobel aus Hechingen, war 1588-1605 in Hechingen Kanoniker gewesen, ging 1612 nach Grosselfingen. 1612—36 Johann Wanner aus Munderkingen, ging dann nach Oberhaigerloch, wo er als Pensionär noch 1671 lebte. 1636-39 Mg. Jakobus Knaus (nicht Kraus!) aus Veringendorf, bisher Pfr. in Benzingen, wurde 16. 4. 36 präsentiert. Nach Riegger sei er in der Kriegszeit nach Haigerloch geflüchtet, wo er 24. 3. 39 starb und bei der Unterstadtkirche sein Grab fand. 1639-40 half Pfr. Rudolf Fries von Stetten b. Haig. aus. 1640-42 Magnus Segesser aus Weildorf, blieb nur 2 Jahre und ging nach Grosselfingen. 1642-68 Mg. Johann Michael Herzog aus Rottenburg, war 1634 in Glatt, 1637 in Stetten b. Haig., starb am 28. 3. 68 und wurde in der Weilerkirche beigesetzt (Riegger). Bei der Visitation im J. 1651 gab der Pfarrer an: „Er sei 37 Jahre alt, Priester seit 9 Jahren, studierte in Würzburg und Ingolstadt, besitze auch die Frühmeßpfründe, die seit langem mit der Pfarrpfründe verbunden sei. Er habe 160 Kommunikanten (über 14 J) wozu noch etwa 100 Kinder kommen. Es sind hier 2 Kirchen: die Pfarrkirche außerhalb des Dorfes, gut im Stand und mit Paramenten versehen. Die Frühmeßkirche im Unter-Dorf ist gut im Bau, der seh Jungfrau Maria geweiht. Derzeit wird hier das Allerheiligste aufbewahrt; wegen der Andersgläubigen kann dieses und der Taufstein nicht in der Pfarrkirche sein. Im Bedarfsfall weiht der Pfarrer das Taufwasser, da auch im Dorf keines ist. Das Pfarrhaus steht bei der Pfarrkirche droben außerhalb des Dorfes, ist aber am Zusammenfallen. Dem Pfarrer ist unten ein Haus zugewiesen im Dorf, das obere steht leer. Ein Frühmeßhaus ist nicht mehr vorhanden. Nur im Sommer wird der Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen oben in der Pfarrkirche gehalten, sonst unten in der Frühmeßkirche. Christenlehre ist jeden Sonntag. Einen Schulmeister gibt es nicht, auch kein Ewiges Licht vor dem Tabernakel. Früher bestand im Dorf noch eine Hl. Kreuzkapelle, die längst zerstört ist. Spuren sieht man noch davon." Im J. 1665 erfahren wir vom gleichen Pfarrer: die Pfarrkirche sei dem hl. Georg, die Frühmeßkirche dem hl. Jakobus geweiht (Maria also nur Ehrenpatronin.). („H. Heimat" 1952, 46) 44 Bis 1661 t Aushelfer Hans Jörg Hoffmaister aus Rottenburg, war 1646 Pfr. in Boll, 1651 Verweser in Grosself ingen. Starb vor dem 20. 11. 61, wo über seinen Nachlaß verhandelt wird. 45 1668-75 Franziskus Bürg (Bürck), Beamtensohn aus Hechingen, präs. 5. April, prokl. 21.4., invest. Die Weilerkirche bei Owingen aus dem 12. Jahrhundert. 21. Juli 68. Seit 1668 sind die Standesbücher erhalten. 1671 wird ein Owinger Neupriester Michael Koch erwähnt. 46 1675-1718 f Johann Michael Salzhuber aus Weilheim, gb. 1644, bisher Burladingen, hier seit 3. 4. 75 bis zum Tod 7. Okt. 1718. (Sein Bruder Joh. Heinrich war 1687-94 Pfr. in Gruol, ein Jakobus S. 1683 Kaplan in Haigerloch.) Vom Bischof erhielt er die Erlaubnis zum Abbruch der Frühmeßkapelle und baute statt deren die neue Pfarrkirche St. Jakob 1697 (Vgl. H H 1952, 46). Im Anschluß an die Kirchweihe vom 26. Okt. 1707 gibt der Pfarrer an: „Die bisherige obere Kirche im Weiler hat 3 konsekrierte Altäre: Oberster Patron ist der hl. Märtyrer Georg. Kirchweih wird am Sonntag nach Georgi gefeiert. Der Hochaltar ist geweiht zur Ehre der allerseligsten Jungfrau Maria, des hl. Georg, des Evang. Johannes u. d. hl. Konrad. Der rechte Seitenaltar zur Ehre des hl. Kreuzes (offenbar wegen der ehem. Kreuzkapelle) und des hl. Sebastian und Barbara, der linke Altar hat als Patrone st. Katharina, Josef und Antonius von Padua." (Heimatkl. 1935, 63 und 1936, 17). 46a 1717 Vikar Jakob Bulach, geb. Hechingen 1690, später 1730-53 + Pfr. in Rißtissen. 47 1718-31 f Carl Anton Sartori, geb. auf Burg Hohenzollern 1693 als Sohn eines fürstl. Leutnants, bisher schon hier Vikar, präs. 15. Okt., invest. 4. Nov. 18. Er starb mit nur 38 Jahren am 8. Aug. 31, beerd. beim Marienaltar. Am 7. Nov. 1728 starb der Hüter der Weilerkirche: Eremit Johannes Essig aus Leidringen. 48 1731 Verw. Pater Wendelins aus dem Kl. St. Luzen, half dem kranken Pfarrer aus, der die Jahre zuvor 57 49 50 51 52 53 54 55 56 einen erbitterten Kampf mit der fürstl. Kanzlei um die Freiheit der Untertanen führte. 1731-42 t Franz Anton Berger, geb. Hechingen 1696. Hat die Weilerkirche renoviert 1739. Starb am 1. Juli 42; 1737 legte er einen neuen Friedhof bei der neuen Pfarrkirche im Dorf an. (Sein Bruder Markus war 1728-57 Pfr. in Stein, dann in Steinhofen.) 1742-63 t Josef Anton Bröchin aus Rheinfelden (Schweiz), geb. 1685, hatte 1745: 441 Kommunikanten, 60 Nichtkommunikanten, zus. 501 Seelen, in jenem Jahr 14 Taufen, 3 Tote, 2 Hochzeiten. 1753-79 Franz Ernst Kegele aus Straßburg, geb. 5. 9. 36; wurde entlassen. 1780-1805 t Bernhard Buochmüller aus Jungingen, geb. 24. 8. 44; gestorben 15. Mai 1805. 1805-08 Verw. Johann Nep. Schiroth aus Hechingen, 14. 5. 1764; vorher seit 1797 in Thanheim. 1808-09 Verw. Franz Anton Reiner aus Hechingen, geb. 4. 10. 1766, ord. 1791, war ab 1805 in Thanheim, 1809-48 Pfr. i. Steinhofen, f 18. 3. 48 dort. 1809-21 Sebastian Werner, geb. Hechingen 21. Nov. 1748, ord. 1773, hier seit 2. Juni 09, resigniert 1821, starb in Hechingen 10. 1. 23. 1821-22 | Anton Haid aus Hechingen, bisher in Hausen i. K., hier seit 26. Nov. 21, starb 13. April 1822. 57 1822-29 Ferdinand Wolf gang Funk aus Hechingen, geb. 21.8.1782, ord. 19.9.05 als Franziskaner in Hechingen an St. Luzen, hier seit 18. Juni 1822, 1814 Kanoniker in Hechingen, 1818 Pfr. in Thanheim, ging 1829 nach Burladingen, wo er 5. 12. 1845 starb (FDA 16,338). ose 58 1829-58 t J f Anton Reiner aus Hechingen, geb. 5.6.1795, ord. 1821; hier seit 19.5.29, gest. 14. 4. 58. Seit 1854 Aushilfe durch Jesuiten aus Gorheim. 59 1858-59 Verw. Johann Langheinz aus der Diöz. Rottenburg. 60 1859-72 Paul Kohler aus Jungingen, geb. 25. 3. 1800, ord. 1826, invest. 4. Aug. 59. War vorher 61 62 63 64 65 in Grosselfingen, war zuletzt Dekan, verzichtete auf die Pfarrei am 4. Aug. 72, zog nach Jungingen, wo er starb. 1872 Verw. Johann Nep. Kohler aus Haigerloch (lebte 1839-1901: FDA 1916,18). 1873-88 Johann Nep. Winter aus Jungingen, geb. 11. 3. 1831, ord. 1856, invest. 24. 6. 73, starb in Ostrach 1. Nov. 1911 (FDA 1916,16). 1888-1905 Franz Xav. Fecht aus Krauchenwies, geb. 11. Okt. 42, ord. 1869; invest. 30.7.88; war dann bis 1909 in Inneringen, wo er am 23.4. starb (FDA 1911,46). 1905-07 Karl Waldner aus Langenenslingen, geb. 4. 3. 74, ord. 4. 7. 99, vorher Kaplaneinverw. Gammertingen, in Owingen seit 19.1.05, kam 23.5.07 als Rektor ins Fidelishaus Sigmaringen, 1920 Studienrat am dortigen Gymnasium als Dr. theol.; starb 10. 6. 1932 (FDA 1936,31). 1907 Mai 23: Verw. Franz Pohl, bish. Pfv. in Sigmaringendorf, geb. 29.1.79, ord. 1902, kam am 28. Nov. nach Jungingen, 1926 nach Langenenslingen, wo er 8. 10. 37 starb (FDA 1941,13). 66 1907-19 Viktor Ant. Uher, geb. Sigmaringen 23.12.73, ord. 1897, invest. 12. Dez. 07; ging nach Magenbuch, resig. 1934, starb Ostrach 2. 8.40 (FDA 1941). 67 1919-60 Josef Riegger aus Schlatt, geb. 11.3.86, ord. 1911, invest. 24. Mai 1920; Ruhestand 1960 in Burladingen, starb in Melchingen anläßl. eines Besuches: 12. April 1971. Erfolgreicher Heimatforscher! 68 1960-61 Karl Schiehr aus B-Baden, geb. 9. 12. 27, ord. 1954; später Pfr. in Mundelfingen 1965, starb 21. 8. 73. 69 1961-74 Günter Langlotz aus Donaueschingen, geb. 13. 11. 04, ord. 1936 als Benediktiner in Beuron; invest. 1964. Ruhestand 1974 in Sasbachwalden. Baute die moderne Kirche. 70 1974, seit 13. Februar: Verw. Josef Kovacs, geb. 5. Okt. 1921 in Soroksar in Ungarn, ord. 1948. GEORG WALTER D a s ehemalige Kloster Kirchberg Seitwärts der Straße Renfrizhausen-Heiligenzimmern, wo sie an ihrer höchsten Stelle für ein kurzes Stück aus dem Walde austritt, liegt dicht geschlossen, einem mittelalterlichen Städtchen gleichend, das ehemalige Kloster Kirchberg. Schon lange vor der Gründung des Klosters Kirchberg war daselbst ein Rittergeschlecht ansässig. Vermutlich waren diese Ritter hohenbergische Dienstmannen und ihr Burgbesitz Eigentum der Grafen von Hohenberg. Denn Graf Albert II. von Hohenberg verkaufte im Jahre 1285 die Hälfte der Burg an seinen Schwager, den Kaiser Rudolf von Habsburg. Schon damals bestand in Kirchberg bereits eine Klosterstiftung und wahrscheinlich ist die Burg, die von 1285 an aus der Geschichte verschwindet, ganz in dem Kloster aufgegangen. Die ersten Nachrichten über das Kloster verdanken wir dem noch vorhandenen „Schwesternbuch" von Kirchberg. Nach diesen Aufschrieben gingen schon im Jahre 1230 einige fromme Personen mit dem Plane um, ein Kloster zu gründen, was auch teilweise zur Ausführung kam. 58 Im Jahre 1237 überließ Graf Burkhard III. von Hohenberg den frommen Frauen, von denen die Gründung ausging, seinen Kirchberger Besitz, den „Wandbühl" für 50 Mark Silber. Als Stifterin dieses Frauenklosters nennt das „Schwesternbuch" eine Frau Elisabetha Gräfin von Büren, außerdem werden die beiden leiblichen Schwestern Williburgis und Kunigundis Gräfinnen von Hohenberg benannt. Auf Bitten der Nonnen nahm Papst Jnnonanz IV. im Jahre 1245 das Kloster in seinen Schutz und unterstellte es in aller rechtlichen Form dem Dominikanerorden. Vom Konvent wurde die Gräfin Williburgis zur ersten Priorin gewählt. Neben den Vorteilen, welche die päpstliche Gunst dem Kloster verschaffte, ließen auch hervorragende Adelsgeschlechter demselben ihr Wohlwollen angedeihen, so daß es bald zu beträchtlichen Gütern, namhaften Einkünften und stattlichem Wohlstande gelangte und um das Jahr 1470 seine größte Ausdehnung erreichte. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts zählte das Kloster 80 Nonnen und es wehte nur adelige Luft in den Klosterräumen. Große Schenkungen an das Kloster Kirchberg machten die Grafen von Sulz, die Pfalzgrafen von Tübingen, die Herren von Weitingen u. v. m. auf Grund ihrer dort untergebrachten (nicht angebrachten) Töchter. Nach und nach sank das Kloster immer mehr zu einer Versorgungsanstalt für Töchter adeliger und vornehmer Familien herab und die klösterliche Zucht und Ordnung fiel immer mehr aus dem Rahmen. Der Bauernkrieg von 1525, der auch vor den Klostermauern Kirchbergs nicht halt machte, erbrachte den Nonnen wahrscheinlich keine Besserung ihres Lebenwandels. Erst im Herbst des Jahres 1564, als 39 Dominikanerinnen aus Pforzheim nach Kirchberg übersiedelten, blühte dort wieder Zucht und Ordnung und kehrte auch Achtung und Ansehen wieder ein. Schweres Leid hatte das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges zu erdulden. Räuberische Einfälle, Plünderungen und Verwüstungen waren an der Tagesordnung. Trotz der schweren Heimsuchungen erholte sich das Kloster rasch wieder und bereits 1688 konnte man an den Umbau sämtlicher Klostergebäude herangehen. Das mit einer Mauer umgebene ehemalige Kloster schließt einen geräumigen Hofraum ein. Den Zugang der ganzen Anlage ziert ein im Rokokostil ausgeführtes Portal, geziert mit dem Wappen und den Bildern der Gottesmutter. des hl. Dominikus und der hl. Katharina. Das aus drei Stockwerken bestehende Kloster bildet mit seiner Kirche ein regelmäßiges Viereck, das den ehemaligen Klostergarten umschließt, hinter dem sich der Friedhof befindet. Der Nonnenfriedhof, mit seinen schmiedeeisernen Kreuzen, geschmückt mit Rosen und Ranken, atmet noch heute tiefsten klösterlichen Frieden aus. Der Weg zum Nonnenfriedhof führt über die Stätte, wo einst der Süd- und der Ostflügel des Klosters standen. Davon ist nichts übriggeblieben, als die zarten frühgotischen Arkaden des Kreuzganges. Der vordere, gegen den Hofraum gekehrte langgestreckte Westflügel des eigentlichen Konventgebäudes ist, nach der Portalinschrift, im Jahre 1733 in einfachem Rokokostil erbaut worden. Ein großes Tor führt in die weite Hallenkirche, der zwei Kunststile ihre Siegel aufgedrückt haben. Während die Gotik bei ihrer Geburt Pate stand, verlieh ihr der Barock das Merkmal der Erneuerung und des Umbaues im Jahre 1688. Bildwerke von hohem Alter und künstlerischer Gestaltung zieren das Gotteshaus. Im Jahre 1805 ging Kirchberg den gleichen Weg wie das naheliegende Kloster Bernstein bei Heiligenzimmern und kam durch den Preßburger Frieden an Württemberg und wurde wie alle übrigen Klöster am 11. Oktober 1806 aufgehoben. 1851 wurde dort eine Ackerbauschule gegründet, wobei Jungmännern Gelegenheit gegeben war, sich als gründliche Landwirte auszubilden. Außer den landwirtschaftlich genutzten Gebäuden stand das Kloster über 150 Jahre leer, bis es 1958 zu einer Stätte für stille Einkehrtage, geistliche Wochen und Tagungen eingerichtet wurde. Seit dieser Zeit trägt das Kloster den Namen „Berneuchener Haus". Die ideale Lage in beruhigender Waldeinsamkeit war ausschlaggebend für die Wahl auf Kirchberg, das Ersatz bieten soll, für das im Krieg 1939-45 zerstörte Rittergut „Berneuchen" in der Neumark, von dem Anfang der zwanziger Jahre die „Berneuchener Bewegung" ausging, mit dem Ziel einer inneren Erneuerung der Kirche. So wie einst bei den Nonnen durch Jahrhunderte hindurch das Gebet zu den dafür vorgesehenen Tageszeiten nie verstummte, so wird auch heute wieder der Tagesrhythmus durch das Ora et labora (Bete und arbeite) bestimmt. K. W. STEIM W e c k e n m a n n : Bildhauer u n d O c h s e n w i r t in Haigerloch Der bekannte Künstler wurde vor 250 Jahren geboren. Zu den großen Künstlern des Barock in Hohenzollern zählt Johann Georg Weckenmann, der die meiste Zeit seines Lebens in Haigerloch verbrachte und somit als Haigerlocher gilt. Am 20. März 1727 wurde er in Uttenweiler geboren. Erstmals in Haigerloch genannt wird er im Jahre 1751. Seit 1752 war er als Fürstlicher Hofbildhauer dort tätig. „Seine Ornamentik ist von eigener Prägung, wobei naturalistische Bildungen das reine Rocaille weit überwuchern; der Ausdruck bei seinen figürlichen Plastiken reicht von zarter Anmut zu bewegter Dramatik; seine Puttos sind von bezaubernder Lieblichkeit", so schrieb Walter Genzmer vor Jahren in einem Buch über Weckenmann. Johann Georg Weckenmann wirkte besonders bei der künstlerischer Gestaltung der St.-Anna-Kirche in Haigerloch mit. Er schuf die vier großen Plastiken in der Kirche nebst den holzgeschnitzten Puttos und dem Portal; schließlich die zwölf Brustbilder auf der Umfassungsmauer. Dazu kommen zahlreiche Werke - vorwiegend in Hohenzollern. Zwar lebte Weckenmann gleichzeitig wie der Haigerlocher berühmte Baumeister Christian Großbayer und arbeitete auch häufig mit ihm zusammen - zum Beispiel in der St.-Anna-Kirche - , doch konnte er zu Lebzeiten finanziell keine großen Sprünge machen. Großbayer dagegen gehörte damals zu den reichsten Männern Haigerlochs. In seinen letzten Lebensjahrzehnten kaufte Großbayer mehrere Häuser, darunter die Stadtmühle, und eine Grundstück nach dem anderen. Im Jahre 1751 tauchte Weckenmann offenbar erstmals in Haigerloch auf. Er war damals 24 Jahre alt. Bereits im folgenden Jahr wird er Fürstlicher Hofbildhauer genannt. Wiederum ein Jahr später heiratete er Franziska Epple, die Tochter des Ochsenwirts Sebastian Epple (auch Eblin geschrieben). Der Ochsenwirt war damals offenbar verschuldet, da er in den Jahren zuvor zahlreiche Grundstücke verkauft hatte; auch die Stadt kaufte mehrere seiner Grundstücke. Im Hochzeitsjahr 1753 übernahm Johann Georg Weckenmann auch die Gaststätte „Goldener Ochsen", die heute als „Schwanen" noch eine Gastwirtschaft ist. Die am Gebäude angebrachte Sandsteinplastik mit Adam und Eva soll von Weckenmann stammen, deutet aber nicht unbedingt darauf hin, daß diese Wirtschaft früher einmal „Paradies" hieß, wie vermutet wurde; jedenfalls gibt es keinen Hinweis dafür. Die Auswertung aller Kaufprotokolle der Stadt Haigerloch zu Lebzeiten von Johann Georg Weckenmann hat 59 ergeben, daß dieser nie ein Grundstück kaufte oder verkaufte, also wohl auch keines besaß. Das war für die damaligen Verhältnisse außergewöhnlich, da praktisch jeder Bürger in Haigerloch auch „Nebenerwerbslandwirt" war. Schließlich war Weckenmann im Jahre 1780 allein bei Georg Bürkle mit 1605 Gulden für gelieferten Wein verschuldet und mußte einen Stock seines Hauses verpfänden. Er konnte die Wirtschaft aber doch halten und verkaufte sie erst im Jahre 1790 an den Gruoler Engelwirt Christian Eger für 1450 Gulden in bar, acht Klafter Holz und sechs Sägeklötze. Zum „Ochsen" gehörten damals eine Scheuer und auch ein Anbau auf dem Markt. Sieben Kinder hatte Weckenmann, vier Söhne und drei Töchter. Vier Kinder starben bald nach der Geburt. Als einziges Kind verheiratete sich Johann Baptist Ulrich, der ebenfalls „Kunstbildhauer" war. Er heiratete Josepha Elisabeth Lachenalle, die Tochter des französischen Mundkochs des Herzogs Karl von Württemberg. Johann Georg Weckenmann starb am 29. März 1795 in Haigerloch. Er wurde auf dem Friedhof der Unterstadtkirche beigesetzt. J O H A N N ADAM KRAUS N e u e s zur Junginger Annakapelle Im Heimatbuch zum 900jährigen Jubiläum der Gemeinde Jungingen hat Josef Schuler eingehend und warmherzig (S. 123-176) über Pfarrei, Kirche und die Kapellen auf der Lehr und im ehemaligen Weiler ob Schlatt berichtet. Letztere ist 1806 abgegangen. Das kleine Heiligtum der hl. Anna auf der Lehr (auch Lör, Leer, Lair, Layhr) taucht erstmals sicher in zwei Urkunden des Jahres 1500 auf, war jedoch damals zur Ehre Unserer Lieben Frau Maria errichtet. Die Flur Lehr geht wohl auf altes lewari zurück, einer Mehrzahlform von le = Grabhügel. Tatsächlich wurden an diesem Platz zweiundzwanzig interessante Alemannengräber aufgedeckt, wie Michael Lorch in Hohz. Heimat 1959, 54 und 1965, 23 mitgeteilt hat. Erstmals hat nun Schuler im genannten Bericht (S. 166 f.) von den zwei Urkunden des Sigmaringer Staatsarchivs (Ho 1; bzw. Fürstlichen Archivs daselbst) kurz Kunde gegeben. Da sie sehr aufschlußreich sind, sei hier ergänzend der volle Inhalt wiedergegeben. Es handelt sich zunächst um eine Urkunde aus Rom mit dem Datum 3. April 1500 und 100 Tage Ablaß für die Gläubigen aller Zukunft, die zur Reparation und Ausstattung der Kapelle beitragen. Ausgestellt ist sie von 2 Kardinalbischöfen Oliverius von Sabina und Jeronimus von Preneste, dann den Kardinalpriestern der sieben Titelkirchen Roms: Dominikus an St. Klemens, Laurentius an St. Cäcilia, Bernhardin an Hl. Kreuz von Jerusalem, Raymund an St. Vitalis, Guillerin an St. Pudentiana, Bartholomäus an St. Agnes und Johannes an St. Priska, sowie den vier Kardinälen Franziskus an St. Eustach, Raphael an St. Georg beim Goldenen Vlies, Friedrich an St. Theodor und Julian an St. Sergius und Bacchus. Sie gewähren den Ablaß für die Marienkapelle beim Dorfe Jungingen (Diöz. Konstanz), für welche der „Laie Johannes Schumacher senior" sich fromm einsetzte. Den Ablaß (Nachlaß von zeitlichen Sündenstrafen) sollen die Gläubigen erhalten, die zu den Baureparaturen mithelfen oder zur Beschaffung von Büchern, Kelchen, Lichtern, Schmuck oder anderm Notwendigem zum Gottesdienst beitragen, damit die Christgläubigen aus Andachtsgründen zahlreich die Kapelle besuchen und zur Erhaltung mithelfen. Die Kardinäle wollen damit den demütigen Bitten des genannten „Laien Johannes Schumacher senior" entsprechen und gewähren den Ablaß im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und die Fürbitte der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus allen wahrhaft Reumütigen beiderlei Geschlechts, die gebeichtet haben und das Heiligtum künftig jeweils an folgenden Tagen besuchen: Mariä Lichtmeß (Mariä Reinigung: 2. Februar), Apostel Johannes, Barbara und Anna und am Wei60 hetag, je von der ersten Vesper (16 Uhr des Vortages) bis zur zweiten Vesper einschließlich. Zum Zeugnis hierfür lassen die Aussteller ihre Siegel an das Schriftstück anbringen, das gegeben wurde im Jahr 1500 n. Chr. am 3. Tag des Monats April unter dem Pontifikat des Papstes Alexander VI. in dessen 8. Jahr (Kopie im Fürstl. Archiv Sigmaringen H 78, 198). Diese Urkunde wurde am 13. Juli 1501 durch den Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg bestätigt und für die Besucher, Wallfahrer und Wohltäter zur Kapellenpflege noch weitere 40 Tage Ablaß für alle Zeiten hinzugefügt (Fürstl. Arch. 78, 199). Die zweite Urkunde des Staatsarchivs vom 26. Juli 1500, also dem Tag der hl. Anna, besagt: Der Bischof Daniel Bellinensis hat heute im Dorf Jungingen zu der Ehre der Heiligen Maria, Anna, Johannes Apostel, Barbara, Margaretha, Othilia und Antonius in der renovierten Kapelle einen Altar geweiht auf Bitten des Johannes Sutor, und verleiht den Besuchern an den Patronstagen und Spendern kraft der Vollmacht des zuständigen Bischofs von Konstanz 40 Tage Ablaß. Es handelte sich bei den Weihenden um den sonst von 1473 bis 1498 nachweisbaren Konstanzer Hilfsbischof Daniel Zehender mit dem Titel „Bischof von Belluno", vielleicht der bei Venedig liegenden Bischofsstadt, die vermutlich damals nicht besetzt war oder durch einen Vertreter verwaltet wurde. In dem Schriftstück heißt er „Generalvikar in Pontifikalhandlungen des Bischofs Hugo von Konstanz". Da der lateinische Text kalligraphisch schön verschnörkelt ist, war bei der ersten Lesung Schulers ein Irrtum unterlaufen, indem er den Johannes Sutor als Pfarrer ansah, der jedoch in der Junginger Pfarrliste fehlt. Tatsächlich ist der obige Laie Johannes Schumacher gemeint, dessen Name eben hier latinisiert als „Sutor" erscheint, nicht etwa der Johannes Calceatoris (Schuhmacher!), der im J. 1489 auf die Pfarrei Bietenhausen verzichtete. Die Familie Schuhmacher blühte im 16. Jahrhundert in Jungingen kräftig fort. Ein Kaspar Sch., vielleicht ein Enkel obigen Seniors, ließ sich 1537 als Clericus (mit niederen Weihen!) an der Freiburger Universität einschreiben. Doch ist über ihn nichts weiter bekannt. Ein Johannes Sutor wurde 1501 Pfarrer in Pfrungen bei Saulgau (Krebs, Annaten Nr. 5876). Vielleicht wäre ebenfalls ein „Junior" aus Jungingen, hierherzuziehen, der sich für seinen Vater nach Rom gewandt hätte wegen der Kapelle auf der Lehr? Da diese im Jahr 1500 erneuert wurde, bezieht sich vermutlich die Nachricht vom 18. Juli 1480 darauf, wonach dem Dekan des Landkapitels Trochtelfingen, zu dem Jungingen gehörte, für die Kapelle dahier ein Tragaltar auf ein Jahr genehmigt wurde (Krebs, Invest. S. 429). Die eigentliche Kirche hieß schon 1483 vorausschauend „Pfarrkirche", obwohl dieser Titel erst seit 1488 rechtens war, wo man Jungingen von der Mutterkirche Killer trennte. Ums Jahr 1745 wurde dann die bisherige Marienkapelle auf der Lehr endgültig zu Annakapelle umbenannt. Die alte Annaselbdritt-Statue scheint nach obigem, entgegen meiner früheren Vermutung, tatsächlich ins 15. Jahrhundert zurückzugehen, und nicht umgearbeitet zu sein (H. H. 1960, 156), wie Schuler mit guten Gründen dartut. J O H A N N ADAM KRAUS D a s ehemalige Affelstetten a. d. Laudiert In einer Urkunde des Generallandesarchivs Karlsruhe vom 15. Juli 1333 findet sich ein adeliger „Kirchherr" der Kapelle zu Inneringen mit Namen Heinrich von Affelstetten l . Vermutlich handelte es sich um die schon 1275 erwähnte Kapelle ULFrau, die heute Kreuzkapelle (am Südrand des Dorfes) heißt, in deren unmittelbaren Umgebung viele Bodenbewegungen zu erkennen sind. Möglicherweise stand dort die Burg der früh abgegangenen Ortsherren. Der genannte Heinrich war wohl Geistlicher, obwohl in jener Zeit der Name Kirchherr auch gelegentlich einen weltlichen Herrn der Kirche bedeuten kann. Woher stammte nun seine Familie? Man hat irrtümlich auf das Albdörflein Apfelstetten bei Buttenhausen an der Lauter getippt, obwohl die Lösung des Rätsels ganz nahe liegt, und sie schon 1870 vom fleißigen Forscher Sebastian Locher gegeben wurde 2 mit den Worten: „Affelstetten war ein Oertchen zwischen Jungnau und Veringendorf, wo dieser Name noch als Flurname besteht". Im J. 1355 hieß Affelstetten noch Dorf, dann 1367 und 1418 „Weiler mit einer Brücke", 1444 ist von einem Hof die Rede. Gustav Hebeisen hat aus dem Jungnauer Lagerbuch vom Jahr 1536 3 eine Menge Grundstücke mitgeteilt, die zu Affelstetten lagen. Da ist zwar nicht mehr die Rede von der (Lauchert-)Brücke, aber vom Fischwasser daselbst, das anfängt oben zu Affelstetten am Brunnen (Quelle!) und hinabgeht bis zur Jungnauer Mühle. Dann sind genannt: Ein Plätzle zu A. zwischen Ludwig Fischers Hofstatt und der Gasse; 5 Hanfgärtie daselbst, eines zwischen der Gasse und Jakob Grom, eines am Bachacker; 1 Hof des Michel Zimmermann (ob bewohnt?), 1 Gütle der Katharina Hecklin; 2 Gärten; 5 Mannsmad Wiesen in Einzelstücken an der Lauchert, eine davon an der Gasse; 10 Jauchert einzelne Äcker zu Affelstetten, eine davon an der Halde; 27 einzelne J Äcker im Affelstetter Feld; 5 J in Stücken an dem Affelstetter Stig (d. i. Fußweg), eine davon am Veringer Weg; 2 J an oder auf der Staig (d. i. Fahrweg); Stockacher, Mittelbühl, Blättringer Rain usw. Nach Ed. Bercker 4 lag die abgegangene Siedlung etwa 1,5 km nordwestlich von Jungnau, also rechts der Lauchert. Von der zugehörigen Burg Affelstetten (auch Altes Schloß genannt) sieht man auf dem spitzen südlichen Ausläufer des Veringerdorfer Kirchberges (der wohl an anderer Stelle ehemals die älteste Pfarrkirche St. Michael von Veringen getragen haben dürfte) noch einige wenige Mauerreste auf dem ca. 45 m hohen Felsen zwischen der Straße Veringendorf-Jungnau und dem von Westen kommenden Fahrweg des sog. Tannentäles (Gemeinde Jungnau). Die Stelle liegt 800 m südlich von Veringendorf, darf aber nicht verwechselt werden mit der schon im Habsburger Urbar um 1312 genannten Altenburg (bzw. „Zerbrochene Burg", bzw. „Castrum destructum Veringen") 5 gegenüber, also östlich der Lauchert und Landesbahn, 200 m südlich der Kirche. Diese Altenburg war wohl um 1130 die ältere Veringerburg und Vorgängerin derjenigen über Veringenstadt. Zingeler beschrieb im J. 1906 6 die Burgstelle Affelstetten also: „Steigt man von Südwesten an, so trifft man auf den etwa 5 m tiefen Felsgraben. Der Felspfad steigt dann steil zur Höhe hinan zu den Resten eines viereckigen Turmes und anstoßenden Wehrgang oder Wachthaus auf dem nördlichen, dem Tal zugekehrten Felsgrat. Mauerreste aus äußerst hartem Gußmörtel hergestellt, sind auf der Nordostseite noch erkennbar. Der Wehrgang oder das Wachthaus lehnt sich südlich und westlich an die höher stehenden Felsen an. Auf der höchsten Stelle des Felsgrates über dem Felsgraben sind auch noch Spuren von Mauerwerk ersichtlich, das vielleicht einem Turm angehörte." Zingeler hält die Affelstetter Herren für Dienstmannen der Herren von Jungingen. Der Name Affelstetten hat trotz gelegentlicher Schreibart Apphelstetten wohl weder mit Apfel, noch weniger mit Affe etwas zu tun. Nach Michel Buck dürfte er vom althochdeutschen Wort affa = Wasser oder Fluß (vordeutsch apa, apula) herzuleiten sein, also „Hofstätten am Wasser" bedeuten. Über den Adel von Affelstetten (Apphelstetten) ist nur wenig und z. T. Strittiges überliefert. Am 30. Juli 1308 finden wir einen Hermann von Affelstetten als Zeugen einer Salemer Urkunde der Grafen Hugo von Werdenberg und Eberhard von Nellenburg betr. ein Gut zu Neufrach 7 . Ebenso zeugte Hermann v. A. am 6. Dezember 1313 für Berthold den Schiltauer betr. den Schiltauer Fronhof zu Inneringen und am 20. Juni 1316 für denselben bezüglich anderer Güter zu Inneringen 8 . Um 1332 muß Hermann gestorben sein. Denn am 15. Juli 1333 schenkte Guta, seine Witwe und beider Sohn, der eingangs genannte Heinrich von Affelstetten, als Kirchherr der Kapelle zu Inneringen, ihr Gesäß (d. i. Wohngebäude) zu Jungnau in dem Vorhof (also im Schutzgebiet der dortigen Burg!), an die Pfleger der Nikolauskirche zu Überlingen am Bodensee, als Leibgeding 9 . Das Siegel dieses Heinrich v. A. zeigt einen aufgerichteten Affen 1 0 , der offenbar als redendes Zeichen nach dem viel älteren Siedlungsnamen Affelstetten gewählt ist. Das fürstenbergische Urkundenbuch 1 nahm (nach einer Vierteldrehung des Siegels) einen auf allen Vieren kriechenden Affen an, dessen Schwanz gestutzt ist, wie das Bild bei Knobloch 10 zeigt. Andere Herren von Affelstetten (die urspr. Schreibung ist teils nicht mehr bekannt) wollte man, wie gesagt, auf das Dörflein Apfelstetten deuten. Die neue OA-Beschreibung Münsingen von 1912 kennt dort jedoch keinen Adel, sondern verweist die in Beziehung zu den Klöstern Blaubeuren, Reichenau und Zwiefalten vorkommenden Herren dieses Namens nach dem hohenzollerischen Affelstetten bei Jungnau. So haben im J. 1320 die Gebrüder Friedrich, Ulrich und Joß (Jodokus) von Apfelstetten einen Hof Winnenden bei Seißen (Blaubeuren) um 30 Pfund Heller ans Kloster Blaubeuren v e r ä u ß e r t u . Vier Jahre später, also 1324, verkauften die Brüder Johannes und Friedrich von Apfelstetten einen weiteren Hof zu Winnenden demselben Kloster 12. Ein Albertus 61 bzw. Albrecht von Apfelstetten sei nach Frischlin im Kloster Zwiefalten beerdigt und sein Wappen war in der Vorhalle seit 1505 gemalt 13 . Der Nekolog dieses Klosters verzeichnet denn auch unterm 6. März (14. Jh.) den Todestag des Laien Friedrich von Apphelstetten, ebenso am 16. August den eines anderen jüngeren Friedrich von Apphelstetten 14. Der Ottobeurer Abt Johannes von Affstetten (1399-1400) scheint aus Affstädt bei Herrenberg gestammt zu haben? Unter den Wohltätern des Klosters Reichenau verzeichnet Gallus Oheim um 1495 auch die Herren von Affelstetten mit ihrem (freilich apogryphen) Wappen und sagt dazu: „Sie sind Freie gewesen", also ursprünglich keine Vasallen 15 . Alberti zieht diese Stelle an 1 1 und sagt: „Nach Gabelkofer zeigte dieses Wappen 3 Äpfel 2. 1 gestellt, die oberen 2 rot, der untere silbern, was eine Schildteilung voraussetzen würde." Zweifellos handelt es sich jedoch hier um eine spätere Konstruktion und wir haben an dem Affensiegle von 1333 festzuhalten. K. v. Knobloch 10 kennt noch ältere Herren von Apphelstetten und schreibt: Hermann der Pfaffe führt im Siegel einen mit Kugeln (Äpfeln?) spielenden sitzenden Affen, während seine Brüder, die Ritter Heinrich und Friedrich die Dotzeler von Hagenau (Dotzeler-Witzling) im Jahre 1295 ihr Stammwappen führten. Somit handel- te es sich um Halbbrüder, offenbar aus dem Elsaß! Unsere Affelstetter hätten somit auch Beziehungen nach Westen über den Rhein gehabt. Die etwas andere Gestaltung des Affenwappens ist m. E. unerheblich. Als letztes Glied der Familie darf vielleicht der Converse (Klosterbruder) Johann Affenstetter gelten, der am 19. Dezember 1419 mit einem Priester bei der Allerheiligenkapelle auf dem Gehrenberg bei Markdorf nachzuweisen ist lc . I Fürstenbg. UB 5, S. 390. - Mitt. H o h z . 4,20. 3 Mitt. H o h z . 60,56 f. 4 Ed. Bercker, Kirchenpatrozinien i. Krs. Sigmaringen 1967, 80 und 149. 5 Ebenda 149. 6 Zingeler-Buck, Zollerische Burgen 1906, 167. 7 Wie N o t e 2. 8 H o h z . H e i m a t 1960, 56 f. 9 F U B wie N o t e 1. 10 K. v. Knoblocb, Oberbad. Geschl. Buch 1,4 mit Bild. II O. v. Alberti, Württb. Wappenbuch I, 22; Alte OA-Beschr. Blaubeuren 1830, 214. 12 Alte OA-Beschr. Münsingen 1825, 119. *3 König-Müller, Z w i e f . Chronik 1941, 45. 14 Mon. Germ. Necrol. S. 246 u. 258. 15 Brandi, Quellen Reichenau 1890, II, 155, w o auf Albertis Wappenbuch verwiesen wird. 18 F U B 6, S. 169. J O H A N N WANNENMACHER „Wanderpaß für den Schuhmachergesellen Konrad Strobel aus Rangendingen vom 12. April 1854 Ein alter Spruch lautet: „Wer das Jetzt verstehen will, muß das Einst wissen!" Diese geschichtliche Wahrheit, die auch heute wieder zur Geltung kommt, bestätigt auch der Wanderpaß, der dem Gesellen Konrad Strobel vom ehemaligen „Königlichen Oberamt Hechingen" ausgestellt worden ist. Welch strenge Bestimmungen damals der Inhaber einzuhalten hatte, sind folgenden Kapiteln des Passes zu entnehmen: I. Wanderzeit 1. Jeder, welcher ein Handwerk ordentlich erlernt hat, ist verpflichtet, wenigstens drei Jahre zu wandern, widrigenfalls er zu gewärtigen hat, daß er weder zum Meisterrecht noch zur Verheiratung zugelassen wird, wenn nicht ganz erhebliche Gründe für eine Dispensation nachgewiesen werden. (Landesordnung von 1698 Titel 73) seine Reise nur auf solche Städte und Ortschaften, wo Meister von seinem Handwerk sich befinden, zu richten, an Orten, wo er Arbeit sucht, sich, wenn er solche nicht erhält, nicht über einen Tag, an anderen Orten aber nicht über zwei Stunden des Tags, oder nicht länger, als über Nacht ohne besondere obrigkeitliche Genehmigung zu verweilen, und an jedem Ort, wo er einen Meister seines Handwerks trifft, ohne in Arbeit zu treten, durch den Orts- oder Handwerksvorsteher beurkunden zu lassen, ob er Arbeit gesucht und keine gefunden, oder ob und warum er gar nicht nachgefragt und keine Arbeit genommen habe; an Orten aber, wo er gearbeitet hat, bei seinem Austritt über die Dauer der Arbeitszeit und über sein Verhalten während derselben sowohl von dem Meister, dem er Gesellendienste geleistet hat, als von der Ortsobrigkeit ein Zeugnis in das Wanderbuch einzutragen zu lassen. 2. Bei der erstmaligen Ausstellung eines Wanderbuches, welche von dem Gesellen eines zünftigen Gewerbes nachgesucht, hat derselbe entweder einen Lehrbrief in Original oder beglaubigte Abschrift vorzulegen, oder aber durch glaubwürdiges Zeugnis nachzuweisen, daß und wie er auf unzünftige Weise (etwa durch den Unterricht im Auslande, oder in einer Fabrik, oder auch in einer hiezu eingerichteten öffentlichen Anstalt) die erforderliche Ausbildung in dem betreffenden Gewerbe sich verschafft oder die in einer zünftigen Lehre angefangene Ausbildung vollendet hat. (Gewerbeordnung v. 7. April 1842) Fälschungen der Einträge in das Wanderbuch würde auf das Strengste bestraft werden. - Fremde Handwerksgesellen haben ihre Wanderbücher, wenn sie in Arbeit treten, bei der Polizeibehörde für die Dauer ihres Aufenthalts zu hinterlegen. Jeder Geselle ist angewiesen, auf sein Wanderbuch wohl Acht zu haben, und solches bei jeder Obrigkeit zur Visierung vorzulegen. Kann ein Geselle glaubwürdig dartun, daß er sein Wanderbuch ohne Verschulden verloren habe, so soll ihm ein neues mit dem Beisatze der Veranlassung erteilt werden. 3. Jeder Wandernde hat sich vor allem zweckwidrigen Umherlaufen und besonders vor dem Betteln zu hüten, mit demjenigen, was er aus den Handwerksladen oder Ortskassen als Zehrpfennig erhält zu begnügen, Für das Wanderbuch nebst Stempel hat der Handwerksgeselle 26 Kreuzer, für die Ausfertigung aber 12 Kreuzer zu bezahlen. (Regierungsverordnung 14. Febr. 1843) 62 II. Besuch der Schule und des Religionsunterrichts 1. Die aus der gewöhnlichen Schule entlassenen Schüler sind verpflichtet, von ihrem vierzehnten bis zu ihrem gänzlich zurückgelegten zwanzigsten Jahre die Sonntags- oder Wiederholungsschule zu besuchen. Jünglinge, die aus eigenem Verschulden die Sonntagschule oder christliche Lehre leichtsinnig versäumen, haben die Strafe dafür selbst zu entrichten, und sind im Verweigerungsfalle solange mit Gefängnisstrafe zu belegen, bis solches geschehen ist. Auch ist ihnen von Seite der betreffenden Behörden der Betrieb eines öffentlichen Gewerbes oder die Erlaubnis zur Verehelichung so lange zu verweigern, bis sie zur Ordnung zurückgekehrt sind, und sich über den empfangenen Unterricht in Schule und Kirche durch Zeugnisse genügend ausgesprochen haben. (Schulordnung vom 1. Juni 1833) 2. Mit höchster Entschließung wird hiermit angeordnet, daß bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe von 1 Gulden 30 Kr. den Gesuchen um Dispensation von Vorschriften über Verehelichung künftig jedesmal die erforderlichen Zeugnisse über den Besuch der Schule und des Religionsunterrichtes und die darin enthaltenen Noten, sowie über das Alter, Vermögen und Leumund der Brautleute versiegelt beigelegt, und den Gesuchen um Dispensation von Vorschriften über die Zulassung zur Meisterprüfung ebenso die Zeugnisse über den Leumund und die Dauer der Wanderzeit der Bittsteller angeschlossen werden soll. (Bekanntmachung der Fürstl. Regierung vom 29. Sept. 1846) III. Unerlaubte Gesellen-Verbindungen etc. betreffend. (Verordnung vom 24. Dez. 1840 - bzw. Beschluß der deutschen Bundes-Versammlung v. 3. d. M.) Sämtliche Regierungen vereinigen sich, übereinstimmende Maßregeln hinsichtlich derjenigen HandwerksGesellen zu treffen, welche durch Teilnahme an unerlaubten Gesellen-Verbindungen, Gesellen-Gerichten, Verrufs-Erklärungen und dergleichen Mißbräuchen gegen die Landesgesetze sich vergangen haben, und zwar sollen: 1. den Handwerks-Gesellen, welche sich in einem Bundesstaate, dem sie nicht durch Heimat angehören, derlei Vergehen zu Schulden kommen lassen, nach deren Untersuchung und Bestrafung ihre Wanderbücher oder Reisepässe abgenommen, in denselben die genau zu bezeichnende Übertretung der Gesetze nebst den verhängten Strafen bemerkt und diese Wanderbücher oder Reisepässe an die Behörde der Heimat des betreffenden Gesellen gesendet werden. 2. Solche Handwerks-Gesellen sollen nach überstandener Strafe mit gebundener Reiseroute in den Staat, woselbst sie ihre Heimat haben, gewiesen und dort unter geeigneter Aufsicht gehalten, sonach in keinem anderen Bundesstaate zur Arbeit zugelassen werden. Ausnahmen von dieser Bestimmung werden nur dann stattfinden, wenn die Regierung der Heimat eines solchen Handwerks-Gesellen sich durch dauerndes Wohlverhalten desselben zur Erteilung eines neuen Wanderbuches oder Reisepasses nach anderen Bundesstatten veranlaßt finden sollte. 3. Die Regierungen behalten sich vor, Verzeichnisse der wegen jener Vergehen abgestraften und in die Heimat zurückgewiesenen, so der ausnahmsweise zur Wanderung wieder zugelassenen Gesellen sich gegenseitig mitzuteilen. IV. Wanderung in Frankreich betreffend Die Handwerker, welche in Frankreich wandern wollen, haben sich nebst einem tadelfreien Passe mit einem von der Regierung beurkundeten Heimatschein zu versehen. Die Heimatscheine werden den Inhabern an der französischen Grenze abgenommen und nach Paris geschickt. Die Ämter haben deshalb einen genauen Personalbeschrieb beizufügen." Zwischen dem „Einst" und „Jetzt" ist ein weiter Weg, auf dem viel Steine des Anstoßes lagen. Deren Beseitigung hat allen Beteiligten im Laufe der Jahre Kampf, viel Opfer und Mühe abverlangt. D e k a n Gluitz schrieb ein Heimatbuch Veringen, das Dorf" Dem Verfasser ist hohes Lob zu spenden. Der Dekan der Region Hohenzollern-Meßkirch hat unter dem Titel „Veringen, das Dorf" eine umfassende Darstellung der Geschichte und Gegenwart von Veringendorf geschrieben. Das Buch ist eine willkommene Bereicherung der von Jahrzehnt zu Jahrzehnt umfangreicher werdenden Reihe solcher Darstellungen. Im nächsten Umkreis sind hier außer diesem neuen Buch schon zwei zu nennen: Dr. Johannes Maiers Werk über Inneringen und Dr. Erwin Zillenbillers Arbeit über Veringenstadt. Franz Gluitz hat in vielen Nächten und in Ferienwochen dieses Buch geschrieben (das er auch noch selber finanziert) und sich damit ein bleibendes Verdienst gesichert. Das Werk enthält alles, was man von einem Autor verlangen muß, der sich mit einer solchen Arbeit an die Öffentlichkeit wagt, und es ist interessant gestaltet. Schon daß es zwei Seiten mit Faksimile-Wiedergaben aus der „Schwäbischen Zeitung", Ausgabe Sigmaringen-Meßkirch, enthält mit Schlagzeilen und Artikeln zu jüngsten Veringer Ereignissen, ist ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich ist die Ausstattung mit ausgezeichneten Farbbildern von Hugo Maier in Furtwangen. Neu ist auch die synchron-optische Zeittafel, aus der man zum Beispiel zum Jahr 1962 erfährt, daß damals das Konzil einberufen wurde, zugleich am Ort der langjährige Pfarrer starb und eine neue Brücke gebaut wurde. Das geht so rückwärts tausend Jahre weit bis zur Zeit von Kaiser Heinrich I., als es bereits einen Veringer Grafen als Bischof von Konstanz gab. Die Familienverhältnisse und die Geschichte der einzelnen Häuser, Handwerk und Gewerbe, örtliche Betriebe, Flurnamen und Pendler, die Bautätigkeit und die Ordensleute, die aus der Gemeinde hervorgingen, sind Faktoren, die man in einem solchen Buch zwar erwartet, die aber in diesem mit ganz besonderer Sorgfalt zusammengestellt wurden und sehr weit gefaßt sind, bis zu den Auswanderern und sogar zu denen, die wiedergekommen sind. Ein sehr großes Verdienst ist das Festhalten der alten Sprache, das der Autor mit Hilfe des jetzt 77jährigen Alban Frank geleistet hat. Da finden sich alte Ausdrükke, deren Bedeutung schon viele Angehörige der heutigen Generation nicht mehr wissen. So wird erklärt, warum man früher nicht sagte „Kaffeetrinken", sondern „Kaf63 feeessen", was ein „Auser" einst war oder ein „Dilscheit", ein „Kiek" oder ein „Lotter", und noch hundert andere solcher Begriffe tauchen auf. Auch die heimatlichen Dichter, deren Schöpfungen nie gedruckt wurden, aber doch auch ihren Beitrag zu einer vielleicht über tausendjährigen Dorfgeschichte geleistet haben, sind in dem Buch nicht vergessen worden. Schließlich wird daran erinnert, daß immerhin schon, bevor man die Zollern kannte, die Grafen von Altshausen-Veringen große Bedeutung in Südwestdeutschland hatten. Sie saßen mit aller Wahrscheinlichkeit auf einem Veringendorfer Edelhof und gründeten die Kirche, eine der ältesten im Land und die einzige zweitürmige Hohenzollerns. Von da an bis heute hat Franz Gluitz in einer auch äußerlich sehr ansprechenden Weise die Geschehnisse am Ort zusammengefaßt, wozu der Graphiker Siegfried Bregenzer aus Veringendorf zahlreiche instruktive und zum Teil heitere Zeichnungen beigesteuert hat. Walther Frick Wenn heute das Land Baden-Württemberg sein silbernes Jubiläum feiert, darf daran erinnert werden, daß schon vor 55 Jahren ein Sigmaringer von dieser Idee träumte. Im Hanfertal zu Sigmaringen wohnte 1922 Christian Daikeler; vorher besaß er eine Druckerei in Gammertingen und gab die Lauchert-Zeitung heraus. Früher wurde bei dem Nachfolger (Buchdruckerei Acker) die Hohenzollerische Heimat gedruckt. Als nach dem 1. Weltkrieg die Idee eines Großschwabens auftauchte, griff er diese Idee auf, und weil man sich damals schon um die Hauptstadt stritt, machte er den Vorschlag, Sigmaringen zur Hauptstadt zu machen. Wie jeder echte Schwabe war er aber auch begeisterter Albvereinler und so widmete er das Gedicht dem Schwäbischen Albverein. Großschwaben Melodie: „Wohlauf die Luft geht frisch und rein" 1. Ein Wort ist jetzt in aller Mund, Dies Wort es heißt: Groß-Schwaben! Im Süden deutscher Landesmark Woll'n sie ein Ganzes haben. Es lebt noch in Erinnerung süß Der Schwaben ferner Ahne, Der trug bei jedem großen Streit Voran die Reichssturmfahne. Valleri. . . HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. v o m H o h e n z . Die Autoren dieser 2. Jetzt wollen wieder Württemberg Und Zollerland und Baden Zusammentun sich als Verband Und nennen sich Groß-Schwaben. Doch fehlt's an inn'rer Einigkeit Bei allen ihren Gaben. Sie täten gern und können nicht Sich einen in Groß-Schwaben. 3. Soll Stuttgart an dem Nesenbach, Soll Karlsruh' nah am Rheine Die neue Landeshauptstadt sein, Die neue, feine, eine? Wir guten Sigmaringer sind Ob allem Streit erhaben: Ernenne man doch Sigmars Stadt Zur Hauptstadt von Groß-Schwaben. 4. In Württemberg, im Bayerland, In Zollern und in Baden, Da fußt der Schwäb'sche Albverein, Er blühet in Groß-Schwaben. Bei uns vom Schwäb'schen Albverein Ist längst der Streit begraben: Wir brauchens nicht! Wir haben schon, Wir haben schon Groß-Schwaben! Chr. Daikeler Zur Pfarrerliste v o n Steinhofen In der Hohenzollerischen Heimat 1972, S. 47 wurde die ältere Liste der Pfarrer von Steinhofen mitgeteilt. Der dort zum Jahr 1420 bis 1437 angegebene Pfarrer Heinrich Gunthart (den das Bisinger Heimatbuch irrig zu 1474 bringt) ist eines gewaltsamen Todes gestorben. Schon in den Urkunden des Klosters Stetten hatte ich Seite 128 als Anmerkung zur Urkunde 445 aus den Bischofsregesten von Konstanz mitgeteilt, aber bisher wieder übersehen: „Graf Eitelfriedrich von Zollern schrieb am 10. Oktober 1436 an den Bischof Heinrich von Konstanz: Der ältere Volk von Weitingen tut den Klosterfrauen von Stetten Unrecht und der junge Völzlin (von Weitingen) selig hat den Pfarrer und Kirchherrn von Steinhofen namens Heinrich freventlich wegen Kirchengütern totgeschlagen". Es handelt sich um obigen Heinrich Gunthart. Im Jahr 1437 erscheint als Pfarrer dann Conrad Zehender aus Freiburg. J. A. Kraus Nummer: Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen (Telefon 0 7 5 7 4 / 3 2 9 ) Geschichtsverein. Walther Frick, Journalist, Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsver- H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen Redaktionsausschuß: ein, 7480 Sigmaringen, Karlstr. 3. D r u c k : Walther Frick, Journalist, M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, Johann Adam Kraus, Erzb. Archivar i.R., H o h e Tannen, 7480 Sigmaringen Badstr. 2, 7800 Freiburg/Br. (Tel. 0 7 5 7 1 / 8 3 4 1 ) 7480 Sigmaringen, Karlstr. 10. Manfred Hermann, Pfarrer, Hans-Peter Müller, 7451 N e u f r a / H o h e n z . D i e Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" Weiherplatz 7, 7241 Empfingen (Tel. 0 7 5 7 4 / 4 4 2 ) ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n zollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer H e i m a t vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge. Dr. Gregor Richter, Staatsarchivdirektor, D i e mit N a m e n versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser Karlstr. 3, 7480 Sigmaringen wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der K. Werner Steim, Pressereferent beim Schriftleitung sind als solche gekennRegierungspräsidium, 7400 Tübingen zeichnet. Georg Walter, Manuskripte und Besprechungsexemplare Bezugspreis: 3,00 D M halbjährlich. werden an die Adresse des Schriftleiters Schanzgasse 243, 7241 Empfingen Konten der „Hohenzollerischen Heimat": oder Redaktionsausschusses erbeten. Johann Wannenmacher, Schulrat i. R., 802 507 H o h z . Landesbank Sigmaringen Wir bitten unsere Leser, die „ H o h e n z o l Goethestr., 7487 Gammertingen lerische H e i m a t " weiter zu empfehlen. 123 63 Postscheckamt Stuttgart 64