Herausforderungen für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen
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Herausforderungen für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen
PwC Financial Services* Banken . Fonds . Real Estate . Versicherungen Ausgabe 50, März 2009 Herausforderungen für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen *connectedthinking Herausforderungen für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen Wie Samuel Huntington schon in seinem „Kampf der Kulturen“ sagte: „...globalisierte Wirtschaftsführer, die nicht in Länder- und Staatsgrenzen denken, sondern weltweit und möglichst schrankenlos operieren wollen...“ Das Geschäft an der Börse/an der Wall Street ist nicht nur global, es ist vernetzt, es ist eine Kette, in der jeder profitiert(e), aber auch in der jeder Verantwortung trägt. Die Vielfältigkeit und Komplexität der Finanzinstrumente/-produkte alleine im Bereich der diversen Garantieprodukte oder der unterschiedlichen Fonds – bis hin zu den ABS- und CDS-Strukturen, haben den Finanzmarkt in den letzten Jahren sehr verändert. Dienstleistungen generell im Finanzsektor, vor allem auch die damit verbundenen Vertriebsschienen, innerhalb eines Landes oder grenzüberschreitend, sind stärker ausgebaut worden und haben die Struktur der Anbieter und deren Zusammenwirken neu geprägt. Anbieter, ob Banken, Wertpapierdienstleister, Fondsgesellschaften, Versicherungen, Makler, Broker, Vermittler, Berater, Intermediäre oder wie immer sie heißen mögen freu(t)en sich über diese Vielfältigkeit als Grundlage für stetig steigende Umsätze. Kunden, Investoren und Konsumenten freu(t)en sich – ohne oftmals die „Unterschiede der Variationen zu einem Thema“ zu verstehen, genauer zu hinterfragen oder ohne sich adäquat aufklären zu lassen – denn ihnen wurden Renditen versprochen, die viel besser klangen als zB Sparbuchzinsen. Wer fragt da schon nach? Wen interessieren dann noch Spesen und Gebühren, ganz zu schweigen von komplexen Provisionsstrukturen oder „Kick-backs“. Je komplexer ein Produkt ist oder je mehr Personen, Firmen – verstreut über die globale Welt – an einer Produktgestaltung zusammenarbeiten, je mehr Finanzmarktteilnehmer im Vertrieb darüber hinaus in der Folge dann mitwirken, ob offen gelegt oder auch nicht, desto weniger durchschaut jemand und schon gar nicht alle, auch wenn sie es sollten, welche Chancen und Risiken ein Finanzprodukt eigentlich verkörpert. „Die größte Weltklugheit besteht darin, den Preis der Dinge zu erkennen“ – Aussage von La Rouchefoucauld, 17. Jh. (Gouverneur Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny zitierte dies in seiner Rede „Aktuelle Perspektiven des internationalen Bankensystems“ am 24. September 20081. Diese Aussage gilt für jeden Bereich des Finanzsektors und darf nicht losgelöst oder in „camera“ gesehen werden. Internationale und nationale Gesetzgeber waren seit Jahrzehnten (schon 1993 wurde die WPDLRL/ISD verabschiedet) bemüht, die Stellung der Anleger, insbesondere der Privatanleger und hier wiederum der Konsumenten, zu stärken. Dies erfolgte in der Regel durch Verpflichtungen zu mehr Transparenz der Transaktionen, der involvierten Kosten und Spesen, aber auch zu mehr Aufklärung bei Finanzinstrumenten und -produkten. EU Richtlinien der letzten Jahre (wie MiFID und UCITS) forderten in der Umsetzung internationaler Empfehlungen abermals eine nach1) 2 vollziehbare Produktgestaltung von Finanzinstrumenten und -produkten, eine entsprechende verständliche Transparenz der Kosten sowie eine adäquate Risikoaufklärung und Beratung im Interesse des Anlegers. Die MiFID (als Nachfolgerin der WPDLRL/ISD) wurde in Österreich im WAG 2007 umgesetzt. Trotz hoher Kosten für die Umsetzung dieser Richtlinien bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen sind bisher die beabsichtigten Effekte für den Konsumenten nicht oder nicht immer eingetreten. In den meisten Fällen stand aber keineswegs eine böse Absicht dahinter – das heißt, wenn man bekannte und noch unbekannte Kriminalfälle bei Seite lässt – sondern nur das Bedürfnis nach Gewinnmaximierung. Durch die Praxis, sich eher an den Konkurrenten („friendly competitors“) zu orientieren, wurden komplexe Finanzprodukte auch von jenen Marktteilnehmern verkauft, die bisher für ihre konservative Geschäftstätigkeit bekannt waren. Dadurch konnten auch diese Marktteilnehmer den Ertrag auf das eingesetzte Kapital, und damit den „Stakeholder“ Wert erhöhen und nicht zuletzt auch den eigenen Bonus verbessern. In einigen Fällen hielten aber weder das Risikomanagement noch die Compliance Struktur noch das Wissen der Mitarbeiter noch jenes der Kunden der sich laufend ändernden Finanzmarktsituation Schritt. Dabei sind die Anbieter von Finanzdienstleitungen in einer schwierigen Situation: Einerseits sollen sie über den Kunden/Anleger möglichst viel/alles wissen, um den gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen zu entsprechen, das heißt um „compliant“ zu sein, anderseits wollen sie den Kunden/Anleger aber auch nicht durch intensives „Befragen“ verärgern, ganz im Gegenteil. Aber dies bringt auch die Anleger in eine schwierige Situation: Einerseits will man als Kunde/Anleger unter Umständen nicht eingestehen, dass man sich mit einem Finanzinstrument und -produkt vielleicht doch nicht so genau auskennt, und dies schon gar nicht der Bank, dem Vermittler oder dem Berater zeigen. Erst recht nicht wenn es um ein Produkt geht von dem jeder im Freundes- und Bekanntenkreis redet, oder diese vielleicht schon erworben hat und sich über die hohen Buchgewinne freut. Werbematerialien und Kundenunterlagen, die vielleicht auf Englisch abgefasst oder zu mindestens mit englischen Fachbegriffen gespickt sind, werden nicht gelesen/verstanden. Und andererseits möchte der Kunde/Anleger auch die gute Beziehung zum Mitarbeiter der Bank nicht gefährden. Noch dazu, wenn er vielleicht gerade auch mit der Bitte um einen Kredit an ihn herangetreten ist. In diesem Fall wird es dann besonders spannend, denn nun kann die Bank mit dem Kunden ein weiteres lukratives Geschäft abschließen. Das Wertpapierdepot wird zur Kreditbesicherung verwendet. Der Kunde hat den Vorteil keine weiteren Sicherheiten bieten zu müssen, und die Bank hat die Möglichkeit den Wert der Sicherheit für den Kredit gut zu überwachen und wenn nötig, zeitnah die Sicherheit zu realisieren. bei Generalversammlung der Bankwissenschaftlichen Gesellschaft in Wien, http://www.oenb.at/de/presse_pub/reden/nowotny/re_ 20080924_aktuelle_perspektiven_des_internationalen_bankensystems.jsp#tcm:14-89559 PwC Financial Services Newsletter Ausgabe 50, März 2009 Ein Sinken der Kurse von Finanzinstrumenten und -produkten, die von international tätigen Banken, Fonds oder anderen Kapitalmarktexperten entwickelt bzw. aufgelegt und auch an Anleger, die vorher nur ein Sparbuch hatten, verkauft wurden, konnte/wollte, im Ausmaß der letzten Monate, niemand vorhersehen/ in Betracht ziehen. Der Anleger am allerwenigsten. Als Kreditnehmer hatte man ihn über die Möglichkeit einer Deckungslücke in diesem Ausmaß – mit dem Ergebnis, dass dadurch sein Kredit am Ende der Laufzeit nicht mehr vollständig rückführbar ist – nicht deutlich genug aufgeklärt. Ebenso verstand der Kreditnehmer in vielen Fällen mögliche Maßnahmen der Bank bei Deckungslücken während der Laufzeit wie zB Anpassungen des Tilgungsträgers, Vereinbarungen von Annuitäten im Gegensatz zu reinen Zinszahlungen oder auch Konvertierungen nicht immer mit allen Auswirkungen. Damit haben nun auch die Banken ein Problem in doppelter Hinsicht. Einerseits will man dem ohnehin schon frustrierten Kunden den Kredit nicht fällig stellen, da dies in den meisten Fällen unmittelbar zu einem Wertberichtigungsbedarf führen würde. Andererseits hofft man, dass der Kunde keine Klage wegen fehlerhafter Anlageberatung oder mangelnder Aufklärung einbringt. Der Nutzen des Anbieters und der Vertriebspartner wäre wahrscheinlich bei einer etwas anderen Vorgangsweise, die weniger auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet ist, generell nachhaltiger („sustainable“) gewesen. Dies hätte sich auf die Kundenzufriedenheit und vor allem auch auf die Finanzmarktstabilität positiv und werthaltiger ausgewirkt. Aus Krisen – ob aus dem schon fast vergessenen „dot.com“ Sterben oder aus der jüngsten „sub prime” Krise – lernen wir, dass der Wert zählt: Der tatsächliche Wert der Finanzinstrumente/-produkte und nicht jener, der in einem Prospekt oder Werbematerialien steht, möge er auch von langjährigen Vorständen oder Aufsichtsräten „geschrieben“ oder von ehemaligen Spitzensportlern „gutgeheißen“ und von vielen unterschiedlichen Experten geprüft worden sein. Es zählt der Wert der Beratung, jener objektiv fairen Beratung mit entsprechender Offenlegung. Bei komplexen und damit schwierigen Fragestellungen wird aber eine deutlich intensivere Vorbereitung durch Schulungen und objektive Information der Kundenberater über Vor- und Nachteile eines bestimmten Produktes notwendig sein. Dazu gehört auch das ehrliche Bemühen, die gesetzlich geforderte (und an sich schon nach dem Maßstab der allgemeinen Sorgfalt selbstverständliche) Offenlegung von Risiken in Form von Risikohinweisen so zu gestalten, dass ein informierter Anleger in der Lage ist, seine Entscheidung für einen Mehrertrag bei größerem Risiko bestens informiert und damit bewusst treffen kann. Die Qualität einer nachgefragten und entsprechend bezahlten Finanzdienstleistung im Interesse des Kunden sollte im Vordergrund stehen, um eine beiden Partnern nützende und damit lang anhaltende Geschäftsbeziehung zu ermöglichen. PwC Financial Services Newsletter Ausgabe 50, März 2009 Die Probleme sind bekannt, die Richtlinien und Gesetze vorhanden. Es obliegt jedem einzelnen Marktteilnehmer kritisch zu analysieren, zu hinterfragen und Finanzinstrumente und -produkte in einer nachhaltigen Art und Weise zu entwickeln, einzusetzen bzw. anzubieten. Kunden und Anleger sind gefordert, die richtigen Fragen zu stellen. Anbieter (jeder in der Kette) sind aufgefordert, Fragen nicht nur zuzulassen, sondern auch aktiv zu fördern. Im Gegensatz dazu stand die Praxis von manchen Marktteilnehmern, dem Kunden vorgelegte Fragebögen für das Kundengespräch schon „vorzubereiten“ und nur noch zur Unterschrift vorzulegen. Dispute zwischen Kunden/Anlegern und Anbietern, wie Banken, Vermittlern und Beratern, oder Fondsgesellschaften, gibt es inzwischen genug. Bisher erfuhr die „Allgemeinheit“ davon in der Regel nicht, denn dies wurde „in camera“ (außergerichtlich) geregelt. Die Verschwiegenheit war Bestandteil der Einigung und Voraussetzung für eine Entschädigung. Obwohl Prozesse langwierig, kostspielig, manchmal auch peinlich und unangenehm sind (vor allem auch deshalb scheuen viele Kunden den Gerichtsweg), sind sie aber notwendig, um gewisse Mängel in Compliance- und Risikostrukturen aufzuzeigen. Was sollte sich in der Kette – international oder national – ändern? Es sollte nicht mehr um „Verpacken“, um „Nicht-Offenlegen“ oder „Schönreden“ gehen. Es sollte nicht mehr um kurzfristige Gewinnmaximierung und um „Risikoweiterverschieben“, sondern vielmehr um ein gesetzeskonformes und marktadäquates „Redesign“ der Geschäftsstrategien verbunden mit einem entsprechenden „Redesign“ der Risikostrategien gehen. Daneben sollte die Verantwortung für dieses „Redesign“ von allen Finanzmarktteilnehmern getragen und dann auch „gelebt“ werden, um sicherzustellen, dass Finanzdienstleistungen weiterhin auf die Bedürfnisse der Marktteilnehmer ausgerichtet werden können. Die europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörden und internationaler Gremien, (wie IOCSO, CESR, BIS, CEPS, IMF) arbeiten an einer Vielzahl von Berichten und Empfehlungen, die sich ua mit Rating Agenturen, Anlegerentschädigungssystemen, Risikomanagement bei komplexen Finanzinstrumenten auseinander setzen. Aber weder eines dieser neu überarbeiteten Gesetze noch alle „Regeln“ zusammen können ohne ernst genommene Corporate Governance, gestützt auf ein funktionsfähiges Risikomanagement und effiziente Compliance Strukturen, einen stabileren Finanzmarkt in der Zukunft gewährleisten. Anbieter von Finanzdienstleistungen werden nur dann in nachhaltige Dienstleistungen und verbesserte Compliance investieren, wenn diese letztendlich durch die Kunden honoriert und wertvolle Beratung auch bezahlt wird. Kunden können aber nur honorieren, wenn sie den Unterschied erkennen, dazu müssen sie sich aber mehr als bisher mit der Materie auseinandersetzen. 3 Zur Autorin Doris Wohlschlägl-Aschberger Dr. Doris Wohlschlägl-Aschberger ist seit dem Jahr 2006 als Principal Consultant bei PwC PricewaterhouseCoopers tätig. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Compliance, Corporate Governance und Risikomanagement. Besondere Erfahrung hat Doris Wohlschlägl-Aschberger im Bereich der öffentlichen Aufsicht über Finanzmärkte sowie Wertpapierrecht und Marktmechanismen (inklusive Markt-Missbrauchs-Bestimmungen), öffentliche Aufsicht über Wertpapiervermittler und Finanzinstitutionen, Aufbau der Finanzmarktaufsichtsbehörde, Reorganisation und Beratung von Finanzmarktaufsichtsbehörden und im Bereich der Finanzwirtschaft. Weitere Spezialgebiete ihrer Tätigkeit umfassen die Umsetzung von EU-Richtlinien sowie der Gestaltung, Implementierung und Aufrechterhaltung von rechtlichen Umsetzungsmechanismen und -abläufen, insbesondere im Bereich von Emerging Markets. Tipps Themenvorschau Nützliche Links Thema der nächsten Ausgabe Risikomanagement und internes Kontrollsystem bei Versicherungen CESR Information an vom Madoff-Betrug betroffene Investoren, 04.02.2009 http://www.fma.gv.at/cms/site//attachments/5/6/4/CH0513/ CMS1233906028324/cesr_madoff_statement_feb09_de.pdf High Level Committee on a new financial architecture, Interim Report, 23.02.2009 http://docufin.fgov.be/intersalgfr/thema/actueel/PDF/High_level_ committee_on_a_new_financial_architecture_interim_report_ 20090223.pdf Aktuelle Warnmeldungen, Homepage Finanzmarktaufsicht (FMA) http://www.fma.gv.at/cms/site/DE/warnmeldung_aktuell_liste. html?channel=CH0059 Aktuelle Perspektiven des österreichischen Bankensystems, Rede von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny, Gouverneur, 24.09.2008 http://www.oenb.at/de/presse_pub/reden/nowotny/re_20080924_ aktuelle_perspektiven_des_internationalen_bankensystems. jsp#tcm:14-89559 Versicherungen haben ein Risikomanagement und eine internes Kontrollsystem zu führen, das den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Um den Aufsichtsrat/Prüfungsausschuss bei der Überwachung der Wirksamkeit des unternehmensweiten Risikomanagements und der wesentlichen Kontrollen zu unterstützen, was seit dem Unternehmensrechts-Änderungsgesetz 2008 nun zu seinen expliziten Aufgaben zählt, sollte eine Dokumentation vom Unternehmen vorbereitet werden. In der nächsten Ausgabe geben wir Ihnen Hinweise zu Umfang und Form dieser Dokumentation. www.pwc.at Medieninhaber und Herausgeber: PwC PricewaterhouseCoopers, Erdbergstraße 200, 1030 Wien Für den Inhalt verantwortlich: Mag. Andrea Cerne-Stark, [email protected] Für Änderungen der Zustellung verantwortlich: Lucija Dzojic, [email protected], Tel.: 01/501 88-3602, Fax: 01/501 88-648 Der Inhalt dieses Newsletters wurde sorgfältig ausgearbeitet. Er enthält jedoch lediglich allgemeine Informationen und spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider, daher kann er eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. 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