BGH zu § 434 BGB
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BGH zu § 434 BGB
LMK Anmerkungen LMK 2009, 290985 BGH: Nachlackierte Teile als Mangel bei Gebrauchtwagen BGB §§ 275 I, 295, 320, 323, 326 V, 433 II, 434 I 1. 2. Bei Gebrauchtfahrzeugen gehört es nicht ohne Weiteres zur üblichen Beschaffenheit i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, dass sich alle Fahrzeugteile noch im Originalzustand befinden. Die übliche Beschaffenheit ist deshalb grundsätzlich nicht in Frage gestellt, wenn einzelne (wesentliche) Fahrzeugteile in technisch einwandfreier Weise erneuert wurden. Das gilt auch, wenn das Fahrzeug mit einer neuen Lackierung versehen worden ist, um es technisch und optisch wieder in einen tadellosen Zustand zu versetzen. Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstands ein Käufer anhand der Art der Sache i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung. Diese orientiert sich im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen. Dagegen ist nicht entscheidend, welche Beschaffenheit der Käufer tatsächlich erwartet und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiert. BGH, Urteil vom 20.05.2009 - VIII ZR 191/07 (OLG München), NJW 2009, 2807 Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking 1. Problembeschreibung Die amtlichen Leitsätze beschreiben selbsterklärend die einfach gelagerte Problemkonstellation des Falles. Es ging darum, dass ein etwa vier Jahre altes Gebrauchtfahrzeug, das der Käufer zum Zwecke der Weiterveräußerung vom Händler erworben hatte, vor Übergabe auf dem Betriebsgelände des Händlers zusammen mit anderen Fahrzeugen durch Vandalismus am Lack zerkratzt worden war. Der Käufer hatte daraufhin ohne vorherige Fristsetzung den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil das Fahrzeug nicht mehr mit der bei Vertragsabschluss vorhandenen Original-Werkslackierung geliefert werden konnte. Mit seiner Klage verlangte er unter anderem die von ihm geleistete Anzahlung zurück. Der Händler bestand seinerseits auf Vertragserfüllung und machte widerklagend unter anderem die Zahlung des restlichen Kaufpreises geltend. 2. Rechtliche Wertung Das BGH-Urteil, mit dem das der Klage stattgebende Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde, fügt sich in eine aktuelle Serie höchstrichterlicher Entscheidungen ein, die sich mit der Problematik des § 434 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB befassen. Der erste Fall betraf ein Pferd mit einem von der physiologischen Norm abweichenden Röntgenbefund (NJW 2007,1351). Es folgten die Entscheidungen zur längeren Standzeit eines Gebrauchtwagens (NJW 2009, 1588 = LMK 2009, 281556 Anm. Reinking) und zur Erforderlichkeit von Regenerationsfahrten bei Kraftfahrzeugen mit Dieselpartikelfilter (NJW 2009, 2056). a) In seiner jetzigen Entscheidung stellt der BGH zu § 434 I 2 Nr. 2 BGB zutreffend fest, dass die gewöhnliche Eignung eines älteren Gebrauchtfahrzeugs zur Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr durch das Fehlen der Originallackierung und deren Ersetzung durch eine fachgerechte Neulackierung nicht berührt wird. Die weitere Aussage, durch eine solche Beschaffenheit werde auch eine vertraglich vorausgesetzte Eignung zur Weiterveräußerung i.S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB nicht tangiert, steht allerdings auf tönernen Füßen, denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass Kaufinteressenten gebrauchter Kraftfahrzeuge Teil- oder Komplettneulackierungen zum Anlass nehmen, den Kaufpreis herunterzuhandeln oder vom Kauf Abstand zu nehmen. Sie befürchten, dahinter könnte ein Unfallvorschaden – also ein Sachmangel – stecken. Dass die Lackierung einwandfrei durchgeführt wurde und qualitativ einer Originallackierung gleichsteht, interessiert sie wenig. Selbst wenn sie den auf einen möglichen Unfallvorschaden hinweisenden Verdacht im Falle des Weiterverkaufs ausräumen können, ändert dies nichts daran, dass die Weiterverkaufschancen schlechter sind als sie wären, wenn das Fahrzeug noch den Originallack hätte. Allein dieser Umstand rechtfertigt aus Sicht des BGH jedoch nicht die Bejahung einer Mangelhaftigkeit i.S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB. Eine Begründung hierfür liefert er allerdings nicht. Die Entscheidung weckt die Erinnerung an das eingangs erwähnte Urteil zum Pferdekauf (NJW 2007, 1351 [1353]), in dem sich der Senat auf den Standpunkt gestellt hat, dass der Käufer im Geltungsbereich von § 434 I 2 1 Nr. 2 BGB das Risiko eines Preisabschlags beim Weiterverkauf trägt, weil der Markt unter Umständen bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen der gleichen Art ausgeht. Da Abweichungen vom Idealzustand der Kaufsache nicht ungewöhnlich sind, kann der Käufer nicht erwarten, dass er die Sache im Idealzustand bekommt. Dieser für die Beurteilung der gewöhnlichen Verwendungseignung durchaus richtige Denkansatz lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf § 434 I 2 Nr. 1 BGB übertragen, der die Eignung der Kaufsache vor dem Hintergrund einer vertraglich vorausgesetzten Verwendung regelt und den Ermessensspielraum entsprechend einengt. b) Die übliche Beschaffenheit, mit der sich das Urteil schwerpunktmäßig befasst, besteht aus zwei Komponenten, die beide untrennbar miteinander verknüpft sind. Die eine betrifft den Vergleichsmaßstab, die andere die Erwartungshaltung des Käufers. Als Parameter für die Beurteilung der üblichen Beschaffenheit benennt § 434 I 2 Nr. 2 BGB Sachen der gleichen Art. Da das wegen des Vandalismus-Schadens neulackierte Fahrzeug rund vier alt war, kommen als Vergleichsobjekte „mehrere Jahre alte“ Gebrauchtwagen in Betracht. Weitergehende Differenzierungen, wie sie der Senat im Dieselpartikelfilter-Fall (NJW 2009,2056) vorgenommen hat, sind entbehrlich. Bei den in Frage kommenden Gebrauchtfahrzeugen muss nicht nach Modell, Typ, technischen Merkmalen usw. unterschieden werden, da diese Kriterien für die Frage der Lackierung bedeutungslos sind. Das Dieselpartikelfilter-Urteil hat deutlich gemacht, dass die Festlegung auf „Sachen der gleichen Art“ zum Problem werden kann. Richtigerweise hat der erkennende Senat nicht einfach Dieselautos mit Dieselautos verglichen sondern nur solche mit Partikelfilter. Bei entsprechendem Sachvortrag hätte er möglicherweise weitergehende technische Differenzierungen vornehmen müssen, da es zu der Zeit, als das streitgegenständliche Fahrzeug verkauft wurde, bereits für den Kurzstreckenbetrieb geeignete Dieselpartikelfilter gab, die Regenerationsfahrten entbehrlich machen, bei denen aber andere Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Funktionstauglichkeit nach einer gewissen Betriebsdauer erforderlich sind. Die Frage, wie weit man bei „Sachen der gleichen Art“ gegebenenfalls in die Technik einsteigen und nach technischen Kriterien differenzieren darf und muss, eröffnet eine spannende Diskussion und wird den BGH früher oder später erneut beschäftigen. c) Auf die im zweiten Leitsatz umfassend beschriebene Erwartungshaltung des Käufers hat sich der Senat bereits in seinen vorhergehenden Entscheidungen festgelegt. Entscheidend ist die objektiv berechtigte Käufererwartung und nicht, was der Käufer erwartet und wie er auf eine abweichende Beschaffenheit reagiert. Selbst wenn die tatsächliche Käufererwartung der durchschnittlichen Käufererwartung entspricht, ist sie nicht maßgebend, wenn sie objektiv nicht berechtigt ist, weil zum Beispiel der Stand der Technik dahinter zurückbleibt. 3. Praktische Folgen Das Urteil schafft weitere Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für den Gebrauchtwagenhandel. Die im ersten Leitsatz getroffenen Feststellungen gelten nicht für Neufahrzeuge und Fahrzeuge mit Tageszulassung. Sie sind wohl auch nicht ohne Weiteres auf junge Gebrauchtfahrzeuge, Jahreswagen und Vorführfahrzeuge übertragbar. Wenn der Käufer beim Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs auf das Vorhandensein der Original-Werkslackierung besonderen Wert legt, muss er mit dem Verkäufer eine entsprechende Fahrzeugbeschaffenheit vereinbaren. Hinweis des BGH [Tz. 16]: […] Bei einem Unfallfahrzeug kann auch dann, wenn der Unfallschaden vollständig und fachgerecht beseitigt wurde, wegen eines merkantilen Minderwerts noch ein Mangel bestehen bleiben, weil der Charakter eines Fahrzeugs als Unfallfahrzeug sich nicht durch Nachbesserung korrigieren lässt. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden und des Risikos höherer Schadensanfälligkeit in Folge nicht fachgerechter Reparatur, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht. 2 LMK Anmerkungen LMK 2009, 281556 BGH: Standzeit kein Sachmangel beim Verkauf älterer Gebrauchtwagen BGB § 434 I 2 Nr. 2 Für die Frage, ob ein verkaufter älterer Gebrauchtwagen wegen einer dem Verkauf vorausgegangenen längeren Standzeit i.S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln ist, ist – anders als bei der Standzeit eines Jahreswagens bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung (Senat, NJW 2006, 2694 Rdnr. 11) – grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufweisen. BGH, Urteil vom 10.03.2009 - VIII ZR 34/08 (LG Konstanz), NJW 2009, 1588 Anmerkung von Dr. Kurt Reinking 1. Problembeschreibung In der Vergangenheit war die Standzeitproblematik für die Praxis des Gebrauchtwagenhandels wenig bedeutsam, weil die Zeiträume zwischen dem An- und Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen in der Regel nur wenige Monate betrugen. Mit der Frage, ob allein die lange Standzeit eines Gebrauchtwagens einen Sachmangel darstellt, mussten sich deutsche Gerichte daher selten befassen (z.B. AG Rottweil, DAR 1999, 369; OLG Düsseldorf, NJOZ 2003, 1819 = DAR 2003, 318). Seit die Absatzzahlen des Gebrauchtwagenhandels infolge der Wirtschaftskrise eingebrochen sind, hat sich die Situation grundlegend geändert. Heutzutage stehen Gebrauchtfahrzeuge oftmals längere Zeit auf Halde, ehe sie verkauft werden. Das Urteil des BGH kommt somit genau zum richtigen Zeitpunkt. Für die Praxis schafft es Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. 2. Rechtliche Wertung Im konkreten Fall betrug die Standzeit und Stilllegungsdauer des vom Kl. erworbenen Gebrauchtfahrzeugs 19 Monate. Aus diesem Grunde war er vom Kaufvertrag zurückgetreten. Nachdem er das Fahrzeug weiterverkauft hatte, verlangte er vom Bekl. Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem An- und Verkaufspreis und der vorgerichtlichen Anwaltskosten. a) Zu Recht wurden die Vertragserklärungen der Parteien vom BGH nicht im Sinne einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung zur Standzeit ausgelegt. Eine andere Beurteilung ist aus Sicht des BGH (NJW 2006, 2694) beim Verkauf eines Jahreswagens angezeigt. Dort hat die Beschaffenheitsvereinbarung eines Gebrauchtfahrzeugs als Jahreswagen regelmäßig konkludent zum Inhalt, dass das verkaufte Fahrzeug bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung keine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist. Diese für Jahreswagen – und natürlich auch für Neufahrzeuge (BGH, NJW 2000, 2018 = LM H. 1/2001 § 459 BGB Nr. 139/140; NJW 2004, 160) – maßgebliche Höchststandzeit betrifft grundsätzlich nur die Zeit zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags. Instanzgerichte haben die Jahreswagenentscheidung des BGH bereitwillig aufgegriffen und die Zwölfmonatsfrist auch auf Vorführfahrzeuge (OLG Oldenburg, BeckRS 2006, 10197 = MittBl der Arge VerkR 2006, 25) und Gebrauchtfahrzeuge mit geringer Laufleistung übertragen (OLG Celle, BeckRS 2006, 09146 = OLG-Report 2006, 670; siehe auch OLG Karlsruhe, NJW 2004, 2456). Einer generellen Erstreckung des BGH-Urteils auf Gebrauchtwagengeschäfte ist das OLG Schleswig (BeckRS 2008, 25347 = OLG-Report 2009, 6) aber zu Recht entgegengetreten, weil es an einer solchen für Neu- und Jahreswagen typischen, konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung mit Bezug auch auf die Standzeit beim Verkauf sonstiger Gebrauchtwagen fehlt, welche die zeitliche Grenze eines Jahreswagens überschritten haben. b) Da Fahrzeugmängel weder festgestellt noch vom Kl. behauptet worden waren, konzentriert sich der BGH auf die Frage, ob allein die Standzeit von 19 Monaten einen Sachmangel i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB darstellt. Dabei geht er stillschweigend, aber durchaus zutreffend von der Vorstellung aus, dass die Standzeit eines Gebrauchtfahrzeugs ein Beschaffenheitsmerkmal darstellt, das in der Sache wurzelt und ihr auf eine gewisse Dauer anhaftet (dazu OLG Naumburg, DAR 2006, 327). Denn eine längerfristige Lagerhaltung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs wirkt sich auf dessen Zustand mehr oder weniger negativ aus, was insbesondere von 3 der Art der Aufbewahrung abhängt. Anders als etwa bei einem Möbelstück kann bei einem Gebrauchtwagen allein schon ein längere Zeit andauernder Nichtgebrauch zu Schäden und Mängeln führen. Der Senat stützt seine aus dem amtlichen Leitsatz abzulesende Entscheidung auf drei überzeugende Argumente, denen nichts hinzuzufügen ist: (1) Es gibt keine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welche Standzeit üblich ist und ab welcher Zeitspanne diese Grenze überschritten wird. (2) Eine Orientierung an Durchschnittswerten kommt nicht in Betracht, weil statistische Werte erhebliche Abweichungen nicht ausschließen und folglich auch die Grundlage für eine konkret bestimmbare Käufererwartung zur Standzeit fehlt. (3) Eine längerwährende Standzeit lässt nicht zwingend den Rückschluss auf das Vorhandensein von Mängeln zu, die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit nicht aufweisen. 3. Praktische Folgen Erfreulicherweise trägt das Urteil dem Umstand Rechnung, dass die Zeitspannen zwischen der Hereinnahme und dem Weiterverkauf von Gebrauchtfahrzeugen stark von der jeweiligen Marktlage abhängen. Von daher ist es zu begrüßen, dass sich der BGH – anders als bei der Zwölfmonatsfrist für Neu- und Jahreswagen – nicht auf einen bestimmten Zeitraum der üblichen und vom Käufer zu erwartenden Lagerhaltung festgelegt hat. Nicht nur längere Stand- und Stilllegungszeiten unmittelbar vor dem Verkauf, sondern auch solche aus früheren Zeiten führen nicht dazu, dass Gebrauchtfahrzeuge allein deswegen als mangelhaft einzustufen sind. Wer als Käufer kein Gebrauchtfahrzeug mit längerer Standzeit erwerben möchte, kann sich durch eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung absichern. Zeitliche Obergrenzen der Lagerhaltung hat der BGH nicht gezogen. Für extreme Standzeiten, die außerhalb jeder Käufererwartung liegen, belässt das Urteil Entscheidungsspielraum. Dies ergibt sich sowohl aus dem Tenor als auch aus den Gründen des Urteils. Eine nicht verifizierbare aber durchaus mögliche Schadensanfälligkeit infolge langer Standzeit entlastet weder den Verkäufer von der Sachmängelhaftung, wenn später tatsächlich Standzeitmängel auftreten, noch verhilft sie dem Käufer zu Sachmängelrechten, so lange keine Standzeitmängel aufgetreten sind. Besteht auf Grund längerer Standzeit des Fahrzeugs die Notwendigkeit zu bestimmten Vorsichtsmaßnahmen (schonender Umgang mit dem Motor, Nichtüberschreitung bestimmter Drehzahlbereiche, Ölwechsel nach einer bestimmten Laufleistung, Überprüfung des Reifendrucks), ist der Verkäufer verpflichtet, den Käufer darauf gezielt hinzuweisen. BGH: Zivilrecht – Kaufrecht JuS 2009, 960 Zivilrecht – Kaufrecht Begriff des Sachmangels BGB § 434 1. Für die Beurteilung, ob ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter deswegen i.S. des § 434I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft ist, weil der Partikelfilter von Zeit zu Zeit der Reinigung (Regenerierung) bedarf und dazu eine Abgastemperatur benötigt wird, die im reinen Kurzstreckenbetrieb regelmäßig nicht erreicht wird, kann nicht auf 4 die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung, die übliche Beschaffenheit oder die aus der Sicht des Käufers zu erwartende Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen ohne Dieselpartikelfilter abgestellt werden. 2. Der Umstand, dass ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet ist, weil die zur Reinigung des Partikelfilters erforderliche Abgastemperatur im reinen Kurzstreckenbetrieb regelmäßig nicht erreicht wird, so dass zur Filterreinigung von Zeit zu Zeit Überlandfahrten unternommen werden müssen, stellt keinen Sachmangel i.S. des § 434I 2 Nr. 2 BGB dar, wenn dies nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden ist und aus demselben Grund auch die Kurzstreckeneignung der Fahrzeuge anderer Hersteller, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet sind, in gleicher Weise beeinträchtigt ist. 3. Eine Sache, die dem Stand der Technik vergleichbarer Sachen entspricht, ist nicht deswegen i.S. des § 434I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der Käufererwartung zurückbleibt. BGH, Urteil vom 4. 3. 2009 - VIII ZR 160/08 NJW 2009, 2056, m. Anm. Höpfner Zum Sachverhalt Der Kl. kaufte von der Bekl. für 26470,01 Euro einen Opel Zafira 1.9 CTDI. Er erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrte dessen Rückabwicklung, weil es im Kurzstreckenbetrieb wegen Verstopfung des Dieselpartikelfilters mehrfach zu Störungen kam. Die Bekl. verwies demgegenüber darauf, das Fahrzeug entspreche dem Stand der Technik. Da der Kl. es überwiegend im Kurzstreckenverkehr einsetze, sei keine ausreichende Reinigung des Partikelfilters gewährleistet. Dieser müsse in bestimmten Intervallen freigebrannt werden, was die Einhaltung einer bestimmten Mindestgeschwindigkeit über mehrere Minuten erfordere, damit die dafür erforderliche Temperatur erreicht werde. Die Notwendigkeit des Reinigungsvorgangs werde durch eine Kontrollleuchte angezeigt. Ein Sachverständiger führte aus, Fahrzeuge mit Dieselpartikelfilter seien nach dem derzeitigen Stand der Technik für einen überwiegenden Kurzstreckeneinsatz nicht geeignet, weil für die Regeneration des Partikelfilters eine erhöhte Abgastemperatur erforderlich sei, die im reinen Kurzstreckenbetrieb nicht erreicht werde. Diese Technik komme auch bei Fahrzeugen anderer Hersteller zum Einsatz. Einführung in die Probleme Der Kl. hätte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 346I BGB, wenn er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten wäre. Ein Rücktrittsrecht konnte aus §§ 326V, 323, 437 Nr. 2 BGB folgen. Voraussetzung ist insbesondere, dass das verkaufte Auto bei Gefahrübergang mangelhaft war, und nur darum geht es in der Entscheidung des BGH. Wann ein Sachmangel vorliegt, regelt § 434 BGB. Er tut dies in Absatz 1 allerdings nicht, indem er den Mangel definiert, sondern indem er festlegt, wann die Sache mangelfrei ist. Daraus dürfen keine Schlüsse für die Beweislastverteilung gezogen werden; insofern gilt § 363 BGB: Vor Annahme als Erfüllung muss der Verkäufer beweisen, dass die Sache mangelfrei ist, etwa wenn er sich darauf beruft, dass der Käufer durch die NichtAnnahme der Sache in Annahmeverzug gekommen ist. Nach Annahme als Erfüllung trifft die Beweislast den Käufer, insbesondere wenn er Gewährleistungsrechte geltend machen will1. Bei Verbrauchsgüterkäufen und im Unternehmerregress sind die §§ 476, 478III BGB zu beachten. § 434I BGB statuiert eine „Stufenleiter” für die Prüfung der Mangelhaftigkeit. Entscheidend ist nach § 434I 1 BGB zunächst die vereinbarte Beschaffenheit. Entspricht die Sache dieser nicht, ist sie mangelhaft. Entspricht sie ihr, ist sie mangelfrei, soweit die Beschaffenheitsvereinbarung reicht. Soweit keine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde, kommt es nach § 434I 2 BGB primär darauf an, ob die Sache sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sekundär darauf, ob sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Das Wort „sonst” deutet dabei darauf hin, dass auf die Nr. 2 nur dann zurückgegriffen werden kann, wenn die Sache nicht nach der Nr. 1 mangelfrei ist, dass also Sachen, die sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignen, immer mangelfrei sind. Es ist jedoch – genau wie bei der Beschaffenheitsvereinbarung i.S. von § 434I 1 BGB – auf die Reichweite der vertraglichen Regelung2 abzustellen: Falls sie besagt, dass die Sache sich nur für diese Verwendung eignen muss, ist der Rückgriff auf 5 Nr. 2 gesperrt. In der Regel wird der Parteiwille aber darauf gerichtet sein, dass die Sache die übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweisen und sich für die gewöhnliche sowie außerdem für die besonders vereinbarte Verwendung eignen muss. Dann muss die Sache auch den Anforderungen der Nr. 2 genügen, soweit diese nicht mit der Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung unvereinbar sind3. Darstellung und Analyse 1. Der BGH ging davon aus, dass weder eine Beschaffenheit vereinbart noch eine besondere Verwendung vorausgesetzt worden war, und beurteilte die Mangelhaftigkeit daher nach § 434I 2 Nr. 2 BGB. Es kam also darauf an, ob das Fahrzeug für die gewöhnliche Verwendung geeignet war und die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich war und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten konnte. Das OLG Stuttgart4 als BerGer. hatte das verneint. Vergleichsmaßstab seien nämlich nicht nur Fahrzeuge, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet seien, sondern alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotor. Ein durchschnittlicher Käufer könne ohne weitere Hinweise des Herstellers oder Händlers davon ausgehen, dass ein Fahrzeug mit Dieselmotor grundsätzlich ohne technische Probleme im Kurzstreckenbetrieb uneingeschränkt verwendbar sei und ein Dieselpartikelfilter lediglich den Schadstoffausstoß reduziere. Die schwerwiegende Einschränkung, dass ein bestimmtes Fahrverhalten, welches mit der herkömmlichen Dieselmotortechnik ohne Weiteres möglich war, aus technischen Gründen nicht mehr praktiziert werden könne, stelle einen Sachmangel dar. Der BGH war dagegen der Auffassung, Vergleichsmaßstab seien nur Fahrzeuge, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet seien, da § 434I 2 Nr. 2 BGB auf die „Art” der Sache abstelle: „(9) Wenn Ursache des geltend gemachten Mangels der fehlenden Eignung für einen überwiegenden Kurzstreckenbetrieb … gerade der Dieselpartikelfilter ist, so können als ‚Sachen der gleichen Art’ nicht Dieselfahrzeuge herangezogen werden, die nicht mit einem Partikelfilter ausgestattet sind und bei denen die hier in Rede stehende Störungsursache daher von vornherein nicht vorliegen kann”. Das Auto sei mangelfrei, weil sämtliche Autos mit Dieselpartikelfilter für einen überwiegenden Kurzstreckenbetrieb nicht geeignet seien. Daran änderten auch entgegenstehende Erwartungen eines durchschnittlich informierten Käufers nichts: „(11) Für die Sollbeschaffenheit nach § 434I 2 Nr. 2 BGB kommt es weder auf die konkret vorhandene Vorstellung des jeweiligen Käufers noch auf einen durchschnittlichen technischen Informationsstand … der Käuferseite, sondern allein darauf an, welche Beschaffenheit der Käufer ‚nach der Art der Sache’ erwarten kann. Maßstab ist danach die objektiv berechtigte Käufererwartung, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert… Als übliche Beschaffenheit kann der Käufer in technischer Hinsicht aber grundsätzlich nicht mehr erwarten, als dass die Kaufsache dem jeweiligen Stand der Technik entspricht… Eine Kaufsache, die dem Stand der Technik gleichartiger Sachen entspricht, ist nicht deswegen nach § 434I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der tatsächlichen oder durchschnittlichen Käufererwartung zurückbleibt”. Es fehle auch nicht an der Eignung für die gewöhnliche Verwendung, da sich das Fahrzeug selbst für einen reinen Kurzstreckenbetrieb eigne, sofern der Dieselpartikelfilter nach den Vorgaben der Bedienungsanleitung bei Bedarf gereinigt werde. Dass die Durchführung dieser Filterreinigung für den Käufer unter Umständen mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden sei, berühre die Eignung des Fahrzeugs für die gewöhnliche Verwendung nicht. 2. Das Urteil begegnet erheblichen Bedenken und schöpft die Problematik nicht aus. Fahrzeuge mit Dieselpartikelfilter können nur dann i.R. von § 434I 2 Nr. 2 BGB als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, wenn feststeht, dass nicht schon die Ausrüstung des Fahrzeugs mit einem solchen Filter einen Mangel darstellt. Doch genau das wäre als Erstes zu fragen gewesen. Ob die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen hatten (§ 434I 1 BGB), geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Falls nicht, ist § 434I 2 Nr. 2 BGB einschlägig. Im Rahmen der Frage, ob der Einbau eines Dieselpartikelfilters selbst einen Mangel darstellt, können Vergleichsmaßstab logischerweise nicht nur Fahrzeuge mit einem solchen Filter sein. Entscheidend ist also, ob der Einbau eines solchen Filters der üblichen Beschaffenheit eines Dieselfahrzeugs entspricht. Das ist wohl zu verneinen, da es sich um eine neue Technik handelt. Allerdings verbietet § 434I 2 Nr. 6 2 BGB selbstverständlich nicht technischen Fortschritt; die Norm ist so zu lesen, dass die Kaufsache die übliche oder eine bessere Beschaffenheit aufweisen muss. Es kommt somit darauf an, ob die Ausrüstung mit dem Filter eine bessere als die übliche Beschaffenheit eines Dieselfahrzeugs darstellt, obwohl dieser außer ökologischen Vorteilen und – im Fall der Einrichtung von Umweltzonen oder des Erlasses beschränkter Fahrverbote – auch Nutzungsvorteilen eine nur eingeschränkte Tauglichkeit des Fahrzeugs für den Kurzstreckenbetrieb zur Folge hat. Eine Saldierung von Vor- und Nachteilen ist i.R. von § 434I 2 Nr. 2 BGB bedenklich, weil sich der Käufer darauf verlassen können muss, dass die Sache mangels anderweitiger Vereinbarung in jeder Hinsicht mindestens die übliche Beschaffenheit aufweist. Zumindest wenn der Nachteil nicht unerheblich ist, führt er daher dazu, dass die Sache hinter der üblichen Beschaffenheit zurückbleibt, mag sie auch in anderer Hinsicht besser sein. Technischer Fortschritt, der mit gewissen Nachteilen verbunden ist, wird dadurch nicht verhindert. Der Verkäufer muss lediglich den Käufer auf die Nachteile der neuen Technik hinweisen, um gem. § 434I 1 BGB oder § 442I 1 BGB seine Haftung abzuwenden. Auch die Ansicht des BGH, das Fahrzeug eigne sich für die gewöhnliche Verwendung, ist fragwürdig. Zur gewöhnlichen Verwendung zählt nicht nur, dass sich das Auto für den Kurzstreckenbetrieb eignet, sondern auch, dass es dies ohne unübliche Bedienungs- und Wartungsmaßnahmen tut. So entschied der V. Zivilsenat, dass sich ein Wohnhaus dann nicht für die gewöhnliche Verwendung eigne, wenn es zwar zum Wohnen tauglich sei, übliche Umgestaltungsmaßnahmen (wie das Anbringen einer Außenlampe) aber von Laien nicht ohne erhebliche Gesundheitsgefahren vorgenommen werden könnten5. Nicht geprüft hat der BGH eine Rückabwicklung des Vertrags im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 280I, 311II, 241II BGB (culpa in contrahendo). Es liegt hier nahe, dass die Bekl. eine Aufklärungspflicht verletzt hat: Sie hätte den Kl. darüber informieren müssen, dass der Dieselpartikelfilter neben Vorteilen auch Einschränkungen der Benutzbarkeit zur Folge hat. Probleme bereitet eine Haftung aus culpa in contrahendo allerdings in zweierlei Hinsicht: Erstens fragt sich, ob sie am Vorrang des Gewährleistungsrechts scheitert. Der V. Zivilsenat hat jüngst im Einklang mit der h.M. entschieden, dass das Gewährleistungsrecht – außer im Fall arglistiger Täuschung – die Haftung aus culpa in contrahendo verdrängt6. Er hat allerdings offengelassen, ob das auch dann gilt, wenn im konkreten Fall mangels einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung kein Mangel vorliegt7; in der Literatur wird das bezweifelt8. Dies wäre hier die entscheidende Frage gewesen. Zweitens verlangt der BGH für die Rückabwicklung eines Vertrags im Rahmen der Haftung aus culpa in contrahendo das Vorliegen eines Vermögensschadens9. Das wäre hier zweifelhaft. Der BGH stellt allerdings insofern äußerst geringe Anforderungen; so nimmt er an, dass ein Vermögensschaden auch dann vorliegt, wenn die Kaufsache objektiv den Kaufpreis wert ist, aber der Käufer in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt wird10. Ohnehin ist das Erfordernis eines Vermögensschadens, mit dem der BGH die Haftung aus culpa in contrahendo von der – die Entscheidungsfreiheit schützenden – Anfechtung nach § 123 BGB abgrenzen will, dogmatisch fragwürdig, da die Rückabwicklung eines infolge einer Aufklärungspflichtverletzung geschlossenen Vertrags einen Fall der Naturalrestitution i.S. von § 249I BGB darstellt, nach § 253I BGB aber nur der Schadensersatz in Geld (§§ 250, 251 BGB) prinzipiell das Vorliegen eines Vermögensschadens voraussetzt11. Folgen für Ausbildung, Prüfung und Praxis Die Entscheidung ist wichtig, weil sie präzisiert, was i.R. von § 434I 2 Nr. 2 BGB die relevante Vergleichsgruppe ist. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es nicht um Fabrikationsfehler einzelner Stücke oder später eingetretene Beschädigungen geht, sondern sämtliche Stücke des betreffenden Typs konstruktionsbedingte nachteilige Eigenschaften aufweisen. Bedauerlich ist, dass das Urteil die einschlägigen Probleme nicht umfassend behandelt. In einer Klausur dürfte man sich hier keinesfalls auf eine Prüfung der Gewährleistungsrechte beschränken, sondern müsste unbedingt die Haftung aus culpa in contrahendo erörtern. Zum Überblick: Oetker/Maultzsch, Vertragl. Schuldverhältnisse, 3. Aufl. (2007), § 2 Rdnrn. 46ff. Zur Vertiefung: Grigoleit/Herresthal, Die Beschaffenheitsvereinbarung und ihre Typisierungen in § 434I BGB, JZ 2003, 233. Zur Übung: Tröger, Grundfälle zum Sachmangel nach neuem KaufR, JuS 2005, 503. Florian Faust 1 BT-Dr 14/6040, S. 217. § 434I 2 Nr. 1 BGB spricht nicht von der vertraglich vereinbarten, sondern von der vertraglich vorausgesetzten Verwendung. Durch diese Formulierung sollte offengelassen werden, ob eine vertragliche Vereinbarung 2 7 vorliegen muss oder Vorstellungen der Parteien im Vorfeld des Vertrags genügen (BT-Dr 14/6040, S. 213). Die Frage ist nur bei formgebundenen Verträgen praktisch relevant. S. Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2007), § 434 Rdnr. 50. 3 Faust, in: Bamberger/Roth (o. Fußn. 2), § 434 Rdnr. 49; Reinicke/Tiedtke, KaufR, 8. Aufl. (2009), Rdnr. 325; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 434 Rdnr. 67. 4 OLG Stuttgart, NJW-RR 2008, 1077. 5 BGH, NJW 2009, 2120 (Rdnrn. 9f.) = NZM 2009, 523 = NZBau 2009, 510 = JuS 2009, 757 (Faust), m. Anm. Lorenz, LMK 2009, 282362. 6 BGH, NJW 2009, 2120 (Rdnrn. 19ff.) = NZM 2009, 523 = NZBau 2009, 510 = JuS 2009, 757 (Faust), m. Anm. Lorenz, LMK 2009, 282362. 7 Vgl. BGH, NJW 2009, 2120 (Rdnr. 18) = NZM 2009, 523 = NZBau 2009, 510 = JuS 2009, 757 (Faust), m. Anm. Lorenz, LMK 2009, 282362. 8 Gegen einen Ausschluss: OLG Hamm, BeckRS 2005, 5915 (unter B II); Canaris, Karlsruher Forum 2002, S. 5ff. (87ff.); Westermann, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. (2008), § 437 Rdnrn. 58f.; Oetker/Maultzsch, Vertragl. Schuldverhältnisse, 3. Aufl. (2007), § 2 Rdnrn. 326ff. 9 BGH, NJW 1998, 302 (303f.); NJOZ 2007, 2044 (Rdnr. 8). 10 BGH, NJW 1998, 302 (304); NJOZ 2007, 2044 (Rdnr. 8). 11 Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (111ff.); Grigoleit, NJW 1999, 900 (901f.). BGH: Kaufrecht JuS 2007, 684 Kaufrecht Begriff des Sachmangels BGB § 434I 2 Nrn. 1 und 2 1. Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd wird nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass auf Grund von Abweichungen von der „physiologischen Norm” eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. 2. Abweichungen eines verkauften Pferdes von der „physiologischen Norm”, die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, sind nicht deswegen als Mangel einzustufen, weil „der Markt” auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert. Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass „der Markt” bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausgeht, begründen keinen Mangel. BGH, Urteil vom 7. 2. 2007 - VIII ZR 266/06 NJW 2007, 1351 Zum Sachverhalt Die Kl. kaufte von der Bekl. eine vier Jahre alte Stute für 7000 Euro. Bei dem Pferd war im Bereich der hinteren Sattellage der Raum zwischen zwei Dornfortsätzen verschmälert ausgeprägt. Nach dem von der Bundestierärztekammer entwickelten „Röntgenleitfaden”, der Empfehlungen zur ärztlichen Beratungspflicht bei Untersuchungen von Tieren enthält, war dieser Befund in die Röntgenklasse II-III einzuordnen. Die Röntgenklasse II ist dabei definiert als „Befunde, die gering von der Norm abweichen, bei denen klinische Erscheinungen unwahrscheinlich sind”, die Röntgenklasse III als „Befunde, die deutlich von der Norm abweichen, bei denen klinische Erscheinungen wenig wahrscheinlich sind”. Nach den Empfehlungen im Röntgenleitfaden ist dem Tierarzt eine Erwähnung von Befunden der Klasse II freigestellt, während Befunde der Klasse III bei der Befundbeschreibung mitzuteilen sind. Die Kl. verlangt Rückzahlung des Kaufpreises. Auch wenn das Pferd derzeit noch keine klinischen Symptome aufweise, sei es mangelhaft, weil eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es später zu klinischen Symptomen kommen werde, die eine Verwendung des Pferdes zu dem vertraglich vereinbarten Zweck - nämlich als Reitpferd - hinderten. Der Markt reagiere auf einen derartigen Befund mit Preisabschlägen von 20 bis 25%. 8 Einführung in die Probleme Wenn man die BGH-Urteile zum neuen Kaufrecht verfolgt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das deutsche Wirtschaftsleben außer um Kraftfahrzeuge vor allem um Hunde und Pferde kreist. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist der Begriff des Sachmangels, der - in Umsetzung von Art. 2 VerbrGüterKRiL - in § 434 BGB definiert ist. § 434II und III BGB behandeln dabei Sonderfälle - nämlich Montagemängel, Mängel einer Montageanleitung und Falsch- und Minderlieferungen -, während der „normale” Sachmangel in § 434I BGB definiert ist. Die Norm, die nach § 90a BGB auf Tiere entsprechend anzuwenden ist, sieht drei Fälle der Mangelhaftigkeit vor, die - wie sich aus dem „soweit” und dem „sonst” in S. 2 ergibt - in einem Stufenverhältnis stehen. Wenn eine Beschaffenheit vereinbart ist, kommt es ausschließlich darauf an, ob die Sache diese Beschaffenheit aufweist (§ 434I 1 BGB). Tut sie das, ist sie mangelfrei, sonst mangelhaft; § 434I 2 BGB braucht nicht geprüft zu werden. Ist keine Beschaffenheit vereinbart, aber eine bestimmte Verwendung vertraglich vorausgesetzt, entscheidet einzig die Eignung zu dieser Verwendung über die Mangelfreiheit oder Mangelhaftigkeit (§ 434I 2 Nr. 1 BGB). Die h.M.1 verlangt dabei trotz des missverständlichen Wortlauts, dass die Verwendung nicht nur Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags ist, sondern vertraglich vereinbart wurde; der Unterschied ist bei formbedürftigen Verträgen relevant. Ist weder eine bestimmte Beschaffenheit noch eine bestimmte Verwendung vereinbart, hängt die Mangelfreiheit davon ab, ob die Sache sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434I 2 Nr. 2 BGB). Das Stufenverhältnis gilt dabei nur, soweit jeweils die höhere Stufe eingreift2: § 434I 1 BGB schließt § 434I 2 BGB nur aus, soweit eine Beschaffenheit vereinbart ist, und § 434I 2 Nr. 1 BGB schließt Nr. 2 nur aus, soweit eine Verwendung vereinbart ist. Wenn also bezüglich eines Gebrauchtwagens lediglich vereinbart ist, dass er ein Schiebedach hat, heißt das nicht etwa, dass § 434I 2 Nr. 2 BGBüberhaupt nicht zur Anwendung kommt und deshalb die Bremsen defekt sein dürfen - das ist offensichtlich. Im Einzelfall können sich hier aber schwierige Auslegungsprobleme stellen: Bedeutet etwa die Vereinbarung, dass sich ein Pkw für Rallyes eignet, dass er sich nur dafür eignen muss oder dass er sich dafür und für die gewöhnliche Verwendung eignen sowie die übliche und zu erwartende Beschaffenheit aufweisen muss? In der Regel ist wohl Letzteres anzunehmen. Darstellung und Analyse Der Kl. stand ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 346I BGB zu, wenn sie wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten war. Ein Rücktrittsrecht konnte hier aus §§ 326V, 323, 437 Nr. 2 BGB folgen, wenn die Stute bei Gefahrübergang einen - nicht unerheblichen (§ 323V 2 BGB) - Mangel aufwies. Die Kl. musste dabei keine Frist zur Nacherfüllung setzen, denn weil der Zustand des Pferdes weder behoben werden noch das Pferd durch ein anderes ersetzt werden konnte3, war die Nacherfüllung von Anfang an unmöglich, so dass eine Nachfristsetzung nach § 326V BGB (und nicht, wie das OLG Karlsruhe als BerGer. gemeint hatte, nach § 323II Nr. 3 BGB) entbehrlich war. Eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S. von § 434I 1 BGB lag nicht vor. Vereinbart war aber, dass sich die Stute als Reitpferd für Freizeitsport und Distanzritte eignen müsse. Diese Eignung war im Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben. Ein Mangel i.S. von § 434I 2 Nr. 1 BGB hätte daher nur vorgelegen, wenn die Möglichkeit, dass auf Grund einer Verschlechterung des gegenwärtigen Zustands später klinische Symptome auftreten werden, schon die gegenwärtige Eignung als Reitpferd ausgeschlossen hätte. Der BGH wies dies knapp zurück: „Eine nur geringe Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Fortschreiten der so genannten Röntgenveränderung ‚Rückenprobleme’ auftreten, die zu den von der Klägerin behaupteten … klinischen Reaktionen … führen können, ist nicht geeignet, für den maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Eignung der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung in Frage zu stellen”. Es kam daher nur ein Mangel nach § 434I 2 Nr. 2 BGB in Betracht, der vorgelegen hätte, wenn das Pferd sich nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet und/oder nicht diejenige Beschaffenheit aufgewiesen hätte, die bei solchen Pferden üblich ist und die die Kl. erwarten konnte. An der Eignung für die gewöhnliche Verwendung, die hier der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (Reitpferd) entsprach, fehlte es nicht. Der BGH musste daher entscheiden, ob ein von der physiologischen Norm abweichender Röntgenbefund bei einem Tier schon dann eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit darstellt, wenn damit (noch) keine klinischen Erscheinungen verbunden sind. „Zur ‚üblichen’ Beschaffenheit eines Tieres gehört nicht, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen ‚Idealnorm’ entspricht. Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die - anders als Sachen - mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken 9 behaftet sind… Gewisse - erworbene oder genetisch bedingte - Abweichungen vom physiologischen Idealzustand kommen bei Lebewesen erfahrungsgemäß häufig vor. Der Käufer eines Reitpferdes kann deshalb redlicherweise nicht erwarten, dass er auch ohne besondere Vereinbarung ein Tier mit ‚idealen’ Anlagen erhält, sondern er muss im Regelfall damit rechnen, dass das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind. Auch die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tieres haftet nicht für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands”. Ob die Stute die übliche Beschaffenheit aufwies, hing deshalb davon ab, wie häufig ein derartiger Röntgenbefund bei Pferden dieser Altersgruppe und Preiskategorie vorkommt. Dazu hatte das BerGer. keine Feststellungen getroffen. Das Verhältnis der „Beschaffenheit, die … der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann”, zur üblichen Beschaffenheit ist in der Literatur umstritten. Während eine Ansicht die Sache nur dann für mangelfrei hält, wenn sie sowohl die übliche als auch die zu erwartende Beschaffenheit aufweist4, nimmt die wohl h.M. an, die Sache müsse nur entweder die übliche oder die zu erwartende Beschaffenheit aufweisen5. Nach der ersten Auffassung kann also die zu erwartende Beschaffenheit die geschuldete Qualität gegenüber der üblichen nur anheben, nach der zweiten Auffassung kann sie die geschuldete im Verhältnis zur üblichen Qualität nur absenken. Der BGH musste auf die Frage nicht eingehen, da seiner Ansicht nach die zu erwartende Beschaffenheit hier nicht von der üblichen abwich: „Der … Umstand, dass … ‚der Markt’ auf Röntgenbefunde der Klasse II-III mit einem Preisabschlag reagiert, rechtfertigt für sich genommen die Annahme eines Sachmangels nicht. Entscheidend ist nicht, welche Beschaffenheit der Käufer (oder der Markt) tatsächlich erwartet … und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiert. § 434I 2 Nr. 2 BGB stellt vielmehr darauf ab, welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, das heißt auf die objektiv berechtigte Käufererwartung, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert… Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass ‚der Markt’ bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen der gleichen Art ausgeht, vermögen daher keinen Mangel i.S. des § 434I 2 Nr. 2 BGB zu begründen”. Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen verwies der BGH die Sache an das BerGer. zurück. Folgen für Ausbildung, Prüfung und Praxis Die Feststellung des BGH, Lebewesen seien nicht an Idealnormen zu messen, ist sympathisch - auch wenn dies nicht der Maßstab ist, an dem Gerichtsentscheidungen zu messen sind. Doch auch vom Ergebnis her überzeugt das Urteil, führt es doch zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer: Übliche Abweichungen vom Idealzustand sind unschädlich, sofern sie im Zeitpunkt des Gefahrübergangs die gewöhnliche oder vereinbarte Verwendung nicht beeinträchtigen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie das zukünftig tun werden, gering ist. Will der Käufer dieses Risiko nicht tragen, muss er sich absichern, indem er entweder das Tier vor Vertragsschluss untersuchen lässt oder vertraglich eine dem Idealzustand entsprechende Beschaffenheit vereinbart (§ 434I 1 BGB). Da die zu erwartende Beschaffenheit in § 434I 2 Nr. 2 BGB - wie der BGH völlig zu Recht und im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut betont - normativ zu bestimmen ist, kommt ihr keine große Bedeutung zu, denn im Allgemeinen wird der Käufer die übliche Beschaffenheit zu erwarten haben. Ausnahmen sind nur denkbar, wenn der Käufer über Sonderwissen verfügt, etwa wenn er weiß, dass ein Gebrauchtwagen unter extremen klimatischen Verhältnissen benutzt wurde. Zum Überblick: Tröger, Grundfälle zum Sachmangel nach neuem KaufR, JuS 2005, 503. Zur Vertiefung: Grigoleit/Herresthal, Die Beschaffenheitsvereinbarung und ihre Typisierungen in § 434I BGB, JZ 2003, 233. Florian Faust 10 1 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. (2007), § 434 Rdnr. 50; Canaris, in: Karlsruher Forum 2002, S. 5ff. (58); Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233 (239); Graf v. Westphalen, in: Henssler/Graf v. Westphalen, Praxis d. Schuldrechtsreform, 2. Aufl. (2003), § 434 Rdnr. 26; Reinicke/Tiedtke, KaufR, 7. Aufl. (2004), Rdnr. 323; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 434 Rdnrn. 61, 64. A. A. Büdenbender, in: AnwKomm-BGB, 2005, § 434 Rdnr. 21; Ball, ZGS 2002, 49; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. (2007), § 434 Rdnrn. 20ff.; Schinkels, ZGS 2004, 226 (228). Offengelassen vom RegE, BT-Dr 14/6040, S. 213. 2 S. auch Faust, in: Bamberger/Roth (o. Fußn. 1), § 434 Rdnrn. 47ff. 3 Umstritten ist, ob insofern entscheidend ist, dass eine Stückschuld vorlag oder dass das Pferd keine vertretbare Sache (§ 91 BGB) war oder dass es - da die Kl. das Pferd vor dem Kauf probegeritten hatte - nach dem Parteiwillen nicht ersetzbar war. Der BGH hält Letzteres für entscheidend, s. BGH, NJW 2006, 2839 Rdnrn. 18ff. = JuS 2006, 1015 (Emmerich), mit abl. Anm. Faust, JZ 2007, 101. 4 Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl. (2004), § 434 Rdnr. 21; Staudinger/Matusche-Beckmann (o. Fußn. 1), § 434 Rdnrn. 66, 77f. 5 Faust, in: Bamberger/Roth (o. Fußn. 1), § 434 Rdnr. 54; P. Huber, in: Festschr. f. Henrich, 2000, S. 297ff. (299); Graf v. Westphalen, in: Henssler/Graf v. Westphalen (o. Fußn. 1), § 434 Rdnr. 29; Reinicke/Tiedtke (o. Fußn. 1), Rdnr. 329. 11