Die Erinnerung an die Maueropfer wach halten
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Die Erinnerung an die Maueropfer wach halten
UN S E R E BU 17 N D E S TA G S A B G E O R D N E T E N Die Erinnerung an die Maueropfer wach halten von Arnold Vaatz MdB S eit Jahren tobt der Streit um eine angemessene Gedenkstätte für die Opfer, die an der innerdeutschen Grenze verstarben. Eine nüchterne Bauzaun-Galerie am legendären Checkpoint Charlie soll es nun zum 45-Jahrestag der Berliner Mauer sein. Diese „Bildergalerie zur Mauergeschichte“ sei emotionslos, provisorisch und streckenweise langweilig, kritisieren ehemalige Betroffene. Sie empfinden diese Bretterschau als Hohn. Die Grausamkeit der Teilung mit all ihrem menschlichen Leid würde nicht deutlich und die Verantwortung der SEDDiktatur für das Grenzregime verniedlicht. Im vergangenen Jahr standen an gleicher Stelle noch 1065 schwarze Holzkreuze, die an die Maueropfer erinnerten, aber wieder abgebaut werden mussten. Warum fällt es den Verantwortlichen in Berlin, die in Geschichts- und Kunstfragen als kompetent gelten wollen, so schwer, den Mauertoten würdig zu gedenken? Liegt es daran, dass wir als Deutsche immer noch erhebliche Probleme mit dem Gedenken an die eigenen Opfer des 20. Jahrhunderts haben? Oder daran, dass der Berliner Wissenschaftssenator von der PDS lieber alte Stasioffiziere als Zeitzeugen agieren lässt als sich mit den Opfern der DDR-Diktatur zu beschäftigen? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es mehr als anderthalb Jahrzehnte nach Mauerfall und Einheit immer noch keine genauen Zahlen über die Toten an dieser absurden Grenze gibt. Je nachdem, welche Definition des Begriffs „Republikflucht mit Todesfolge“ gewählt wird, gehen die Zahlen weit auseinander. So rechnet die AG „13. August“ nicht nur Maueropfer sondern auch etwa 200 DDRGrenzsoldaten, die durch Selbstmord und Schusswaffenunfälle im Grenzdienst starben, unbekannte Wasserleichen im Grenzbereich der Spree, der Elbe und der Ostsee sowie DDR-Bürger, die an außerdeutschen Grenzen ums Leben kamen mit ein und nennt 1 135 Todesopfer. Die zentrale Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität kommt auf 421 Todesopfer, ohne diejenigen mit einzubeziehen, die während der Flucht durch Unfälle verstarben, etwa abstürzten, ertranken oder erstickten. Die Berliner Staatsanwaltschaft recherchierte mindestens 270 Todesopfer, Den Autor erreichen Sie unter: [email protected] die an der Berliner Mauer durch Schusswaffen oder Minen getötet wurden. Über 71 000 kamen aufgrund von Fluchtversuchen ins Gefängnis. ihrer Flucht verhaftet und dafür lange Gefängnisstrafen verbüßten. Die Statistik der DDR-Generalstaatsanwaltschaft listet ca. 110 000 Verfahren wegen Republikflucht Dem gegenüber stehen bisher 125 wissenschaftlich dokumentierte Todesopfer an der Berliner Mauer. Über 80 Fälle müssen noch geprüft werden. Unter diesen Opfern waren acht Frauen und 80 % der Toten waren jünger als 30 Jahre. 70 DDR-Bürger wurden direkt beim Fluchtversuch gezielt erschossen, 21 verunglückten tödlich. 14 Menschen aus dem Westen wurden an der Mauer erschossen, fünf verunglückten. Darunter waren auch Fluchthelfer und zwei Menschen, die versehentlich mit einem Boot auf dem Teltow-Kanal auf DDR-Gebiet gerieten. Vier DDR-Bürger wurden versehentlich erschossen, ein Bundesbürger starb bei Kontrollen. Auch die Frage nach dem ersten und dem letzten Berliner Maueropfer scheint geklärt. Viele kennen Chris Gueffroy, der am ‚ 5. Februar 89 an der Berliner Mauer durch Grenzsoldaten der NVA erschossen wurde. Wohl kaum jemand aber Winfried Freuden‚ berg, der vier Wochen später am 8. März 89 mit einem selbst gebastelten Ballon über Westberlin als wohl letztes Maueropfer zu Tode stürzte. auf. Auch die Zwangsausgesiedelten, die aufgrund der innerdeutschen Grenzziehung ihrer Heimat beraubt wurden, sollten nicht in Vergessenheit geraten. Wenn die Mauer in diesem Monat ihren 45-jährigen Jahrestag hat, sollte nicht das Bauwerk, sondern die Opfer im Mittelpunkt stehen. Das bleibt leider auch 17 Jahre nach dem Sturz der Berliner Mauer eine Notwendigkeit. Im Dezember wollen ehemalige DDR-Grenzsoldaten den 60. Jahrestag der Grenztruppen der DDR feierlich begehen. Nach ihrer Logik hätten all jene, die wegen ihres Wunsches nach Freiheit und Demokratie ihr Leben verloren doch gewusst, dass das Eindringen in den Grenzbereich illegal war. Illegal aber waren Gesetze, die unter Aufhebung der Demokratie entstanden sind. Das wichtigste an solch einem Jahrestag bleibt jedoch das stete Gedenken an die Opfer, die von Berlin nach Berlin wollten und dafür mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit bezahlen mussten. Das Gedenken an jene, die bereits bei der Vorbereitung Die Opfer der SED-Diktatur brauchen deshalb die Gewissheit, dass die CDU sich für sie einsetzt. Ganz gleich, ob es sich dabei um die Forderung einer verbesserten Aufarbeitung im Geschichtsunterreicht sowie einer besseren Rente durch Einführung der SED-Opferpension handelt. Wir als Union sind dazu verpflichtet, dem Geschichtsrevisionismus der Linken entschieden entgegen zu treten. Die DRESDNER UNION · September 2006