Typografische Animationen – Schrift in Bewegung: Analyse der
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Typografische Animationen – Schrift in Bewegung: Analyse der
Typografische Animationen – Schrift in Bewegung: Analyse der durch Kinetik hervorgerufenen Veränderungen im Vergleich zu statischer Typografie Sabine Ehrenhauser DIPLOMARBEIT 05/1/0305/004 eingereicht am Fachhochschul-Masterstudiengang Digitale Medien in Hagenberg im September 2007 c Copyright 2007 Sabine Ehrenhauser Alle Rechte vorbehalten ii Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Hagenberg, am 4. September 2007 Sabine Ehrenhauser iii Inhaltsverzeichnis Erklärung iii Danksagung vi Kurzfassung vii Abstract viii 1 Einleitung 1 2 Entwicklung der Bewegung von Schrift 2.1 Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Stummfilm . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Tonfilm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Experimentalfilm . . . . . . . . . . . . . 2.5 Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Aktueller Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 5 8 9 11 3 Wahrnehmung und Bewegung 3.1 Bewegungsarten . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Reale Bewegungen . . . . . . . . 3.1.2 Scheinbewegungen . . . . . . . . 3.2 Leistungen der Bewegungswahrnehmung 3.3 Figur-Grund-Beziehung . . . . . . . . . 3.3.1 Gestaltfaktoren . . . . . . . . . . 3.3.2 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 14 14 15 18 19 20 21 . . . . . . 23 24 24 24 25 25 26 4 Kategorisierung 4.1 Zweck der typografischen Zeichen 4.1.1 Experiment . . . . . . . . 4.1.2 Narration . . . . . . . . . 4.2 Rolle der Typografie . . . . . . . 4.2.1 Visuelle Symbole . . . . . 4.2.2 Emotionaler Träger . . . iv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . INHALTSVERZEICHNIS 4.3 4.4 4.5 4.6 v Ziel der Animation . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Unterhaltung . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Information . . . . . . . . . . . . . Rolle des Betrachters . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Beobachter . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Interakteur . . . . . . . . . . . . . Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Reine Typografie-Animation . . . 4.5.2 Kombination von Bild und Schrift Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.1 Realfilm . . . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Analoger Trickfilm . . . . . . . . . 4.6.3 Computergenerierte Animation . . 4.6.4 Collage . . . . . . . . . . . . . . . 5 Veränderungen durch Bewegung 5.1 Warum Bewegung . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Aufmerksamkeit erregen . . . . . . 5.1.2 Zusätzliche Information vermitteln 5.1.3 Leseverhalten beeinflussen . . . . . 5.2 Gestaltungsregeln . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Statische Typografie . . . . . . . . 5.2.2 Bewegte Schrift . . . . . . . . . . . 5.3 Lesbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Lesearten . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Schriftarten . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Auszeichnungen . . . . . . . . . . . 5.3.4 Bewegungsgeschwindigkeit . . . . . 5.3.5 Bildbereiche . . . . . . . . . . . . . 6 Einsatzgebiete 6.1 Film & Fernsehen . . . . . 6.2 Internet . . . . . . . . . . 6.3 Installationen . . . . . . . 6.4 Bildschirmpräsentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 28 28 29 29 29 30 30 30 32 35 35 36 36 37 . . . . . . . . . . . . . 38 38 38 42 44 49 49 54 58 58 60 60 61 61 . . . . 63 63 67 69 71 7 Schlussbetrachtungen 72 A Inhalt der CD-ROM 75 Literaturverzeichnis 76 Danksagung An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich bei einigen Personen bedanken, die zum Gelingen dieser Arbeit einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Mein ausdrücklicher Dank gilt natürlich Mag. Roland Keil für die inspirierende und gewissenhafte Betreuung während des letzten Semesters, meinem Freund Michi für’s Korrekturlesen, meiner Mutter und meinem Vater, die mich all die Jahre sowohl seelisch als auch finanziell unterstützt haben, meinen Großeltern, die mir immer die Daumen drücken und stolz auf mich sind aber leider viel zu selten von mir besucht werden, Traudi für die exzellente Verköstigung an den Wochenenden und meinen Studienkollegen und Freunden für die zahlreichen interessanten Gespräche und positiven Erlebnisse während der letzten fünf Jahre. vi Kurzfassung Im Zentrum der vorliegenden Diplomarbeit stehen die Veränderungen, die durch Bewegung typografischer Zeichen im Vergleich zu statischer Schrift auftreten. Während die Rolle der Zeit im Printbereich vollständig der Kontrolle des Lesers unterliegt, wechselt sie im Bewegtbild in die Hände des Designers. Damit geht zwar einerseits für den Betrachter der Verlust der gewohnten Beständigkeit einher, andererseits wird so die Bewegung von Typografie ermöglicht. In weiterer Folge eröffnen sich für den Gestalter neue Möglichkeiten, wie das Erregen von Aufmerksamkeit, das Vermitteln zusätzlicher Information und die Manipulation des Leseverhaltens. Unter Berücksichtigung der menschlichen Bewegungswahrnehmung werden diese neu gewonnenen Optionen anhand von passenden Beispielen analysiert. Durch die Integration der zeitlichen Komponente ändern sich die Ansprüche an die typografische Gestaltung. Die altbewährten Regeln bedürfen einer Überarbeitung und so entsteht, basierend auf Richtlinien des Printbereichs, ein Regelwerk für die Gestaltung bewegter Typografie. Um dem ständig wachsenden Angebot an typografischen Animationen einen geordneten Rahmen zu verleihen wird ein Kategorisierungssystem erarbeitet, das auf der Analyse bereits existierender Arbeiten, sowohl bekannter als auch unbekannter Künstler, basiert. Bestehend aus sechs Klassifizierungen strebt diese Kategorisierung danach, die verschiedenen TypografieAnimationen einteilbar zu machen. vii Abstract This diploma thesis focuses on the changes, caused by the animation of typographical characters compared to statical lettering. While in printed media the readers themselves are responsible for their time management, it becomes the designer’s business in time-based media. On the one hand this leads to the viewer’s loss of constancy, but on the other hand it allows the animation of typography. Thus new opportunities are offered to the designer, for example attracting attention, transferring additional information, and manipulating the reading behavior. Considering the human perception of motion, these new design elements are analysed by using representative examples. By integrating the aspect of time, the demands on typographical design are changed. Thus the proven rules of type setting need to be revised, resulting in a new rule set for animated typography. Based on an in-depth analysis of existing case studies, a categorization system is developed in order to enable the classification of the steadily increasing number of typographic animations. viii Kapitel 1 Einleitung Durch Kombination der beiden Komponenten Typografie und Zeit entfaltet sich ein bedeutendes Potential an Gestaltungsmöglichkeiten, deren Ausmaß erst seit der Digitalisierung des Filmbereichs sichtbar wird. Die Gründe für die Bewegung von Typografie sind so vielfältig wie ihre Einsatzmöglichkeiten. Mit der Übergabe der zeitlichen Kontrolle vom Leser zum Gestalter erhält dieser die Befähigung, einerseits das Leseverhalten des Betrachters zu manipulieren und andererseits typografische Elemente auf unterschiedliche Arten in Szene zu setzen. Im Gegensatz zum Printbereich können Schriften im Bewegtbild kinetische Eigenschaften aufweisen, Verhaltensweisen zeigen und menschliche Züge annehmen. Das Ausmaß an transportierbarer Information steigt enorm, da sie nicht nur durch die Semantik und die Form eines Wortes, sondern überdies durch die zahlreichen Bewegungsoptionen vermittelt werden kann. Mit dem Angebot an Software-Tools mit vorgefertigten Animationsvorlagen für die Bewegung von Schrift, steigt auch die Anzahl der typografischen Animationen, die sich mittlerweile nicht mehr nur auf filmische Eröffnungssequenzen beschränken, sondern vermehrt in den Bereichen Werbung und Broadcast zum Einsatz kommen. Das Erforschen des enormen Potentials, das sich durch den Einsatz von Typografie im zeitbasierten Medium entfaltet, stellt zusammen mit der Entwicklung einer Kategorisierung, die einen geordneten Rahmen für die zahlreichen typografischen Animationen bilden soll, die Motivation und das Zentrum der vorliegenden Diplomarbeit dar. Sämtliche personenbezogene Bezeichnungen in dieser Arbeit sind geschlechtsneutral zu verstehen. Sie wurden allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur in maskuliner Form verwendet und drücken absolut keine Präferenz aus. 1 KAPITEL 1. EINLEITUNG 2 Struktur der Arbeit Nach einem Streifzug durch die historische Entwicklung der Bewegung von Schrift in Kapitel 2, beginnend mit den Anfängen im Titeldesign für Stummfilme bis hin zum aktuellen Stand, gewährt Kapitel 3 einen Einblick in die wahrnehmungspsychologischen Grundlagen, die für das Verständnis des menschlichen Bewegungssehens unverzichtbar sind. Basierend auf der Analyse bereits bestehender Schriftanimationen erfolgt in Kapitel 4 die Erarbeitung eines Klassifizierungssystems mit sechs Kategorien, das sich darum bemüht, die zahlreich existierenden TypografieAnimationen einordbar zu machen. Die Einteilungskriterien umfassen dabei sowohl überwiegend funktionale, im Detail der Zweck der typografischen Zeichen, die Rolle der Typografie, das Ziel der Animation und die Rolle des Betrachters, als auch großteils formale Aspekte, wie die Gestaltung und die Umsetzung. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus den vorangegangenen Abschnitten werden in Kapitel 5 als Kern der vorliegenden Arbeit die Veränderungen beleuchtet, die durch Bewegung von typografischen Zeichen entstehen. Dazu gehören sowohl die zusätzlichen Möglichkeiten, die sich für den Designer ergeben und gleichzeitig die Gründe für den Einsatz bewegter Schrift darstellen, als auch die Beeinträchtigung der Lesbarkeit und die erforderliche Adaption der Gestaltungsregeln aus dem Printbereich. Das vorletzte Kapitel bietet mit einer Auswahl anschaulicher Beispiele einen Querschnitt durch die unterschiedlichen Bereiche, in denen animierte Typografie aktuell zum Einsatz kommt, bevor zu guter Letzt die im Laufe der Arbeit gewonnenen Eindrücke und Gedanken zur Thematik in Kapitel 7 zusammengefasst werden. Kapitel 2 Entwicklung der Bewegung von Schrift Da die Bewegung von Schrift stark mit der Bewegung von Bildern zusammenhängt, ist auch die Geschichte der bewegten Typografie eng verknüpft mit der Geschichte des Films. Ohne die Erfindung des Films wäre keine Aufzeichnung von bewegter Schrift denkbar. Schrift war immer schon ein Teil der Filmgestaltung, sei es in Form von Titelkarten für Start-, End- und Zwischentitel, als Inserts, als Untertitel, als abstrakter Zeichencode oder als einzelnes Zeichen, als eigenständiges Thema, als Bild oder Kalligraphie oder als Ornament. Das vorliegende Kapitel beschreibt den Einsatz von Typografie von den Anfängen im Stummfilm bis hin zur aktuellen Situation. 2.1 Anfänge Thomas Alva Edison erfand 1874 den Phonographen, ein Gerät mit dem es erstmals möglich war, Töne jeglicher Art aufzunehmen und wiederzugeben. Basierend auf dem Prinzip dieses Apparates entwickelte er im Jahr 1891 das Kinetoscope. Dank des von George Eastman entwickelten Zelluloidfilms konnten von nun an erste Filme gedreht werden. In der Black Maria, dem ersten Filmstudio, produzierte Thomas Edison kurze Filmstreifen mit Mitarbeitern und Varietékünstlern [17]. Am ersten November 1895 führten die Brüder Skladanowsky im Berliner Wintergarten die ersten Filme mit einem von ihnen gebauten Apparat, dem Bioskop, vor. Damit konnten sie bereits kurze Filme sowohl vorwärts als auch rückwärts abspielen und dadurch die Illusion einer sich aus Trümmern wieder aufbauenden Mauer schaffen. Auch die Gebrüder Lumière entwickelten ein Gerät zum Aufnehmen und Vorführen von Filmen, den Kinematographen, mit dem sie wenig später (am 28. Dezember 1895) eine der ersten öffentlichen Filmvorführungen im Pariser Grand Café veranstalteten. Dabei projizierten sie elf kurze Filme von ca. einer Minute Länge, die in einer fixen 3 KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 4 Kameraeinstellung Aufnahmen aus der Realität zeigten. Der bekannteste dieser Filme ist Die Ankunft des Zuges in La Ciotat 1 [1]. Diese ersten Gehversuche im Filmbereich sind die wenigen Beispiele, die noch ohne den Einsatz von Schrift auskommen. 2.2 Stummfilm In Anbetracht des amerikanischen Eigentumsrechts fügte Thomas Edison bereits 1896 seinen Filmen eine Tafel mit Titel, Firmennamen und Copyrighthinweis hinzu und integriert damit erstmals Text in den Film [5]. Mit zunehmender Filmlänge und Relevanz der narrativen Handlung erhielt die Verwendung von Schrift als wesentlicher Bestandteil der Informationsvermittlung ihren fixen Platz im Medium Film. Gerade in der Stummfilmzeit war die Verwendung von Schriftinserts als Titel oder Überleitung zwischen zwei Szenen üblich. Zu dieser Zeit hatte Schrift im Film einen illustrierenden oder erklärenden Charakter und war aus Gründen der Narration aus den Stummfilmen bald kaum noch wegzudenken. 1897 drehte Edison den knapp einminütigen Werbefilm Admiral Cigarette. In dieser Produktion wurden zum Transport der wesentlichen Informationen keine Zwischentitel verwendet, sondern Text innerhalb der Szene selbst platziert. Beispielsweise steht der Markenname Admiral Cigarette in großen Lettern hinter den Hauptfiguren an die Wand geschrieben und auch eine Box im Vordergrund trägt den auffälligen Schriftzug. Um die Aussage der Protagonisten zu übermitteln verwendet Edison keine Titelkarten, sondern lässt die Figuren ein Transparent entfalten auf dem steht: We all ” smoke“ und mit dem Finger auf den an die Wand gemalten Markennamen zeigen. Für die damalige Zeit, in der es durch fehlende Klebetechnik noch nicht möglich war, Großaufnahmen von Gesichtern einzuschneiden oder die Position der Kamera zu verändern, war der Einsatz des Schriftzuges direkt im Bild ein gelungener Weg die Werbeaussage für das Produkt zu übermitteln [17]. In einer Szene des 1912 von Oskar Messter in Deutschland produzierten Stummfilms Des Pfarrers Töchterlein wurde der Dialog zwischen zwei Personen auf besonders interessante Weise visualisiert. Die Szene zeigt ein Telefongespräch zwischen einer jungen Dame und ihrem Liebhaber. Während sich die beiden am Gespräch beteiligten Personen in einer Amerikanischen im Vordergrund befinden, ist im Hintergrund der Vater der Dame zu sehen, der sich in einer Totalen auf die Kamera zu bewegt. Im oberen Bildteil verlaufen drei Telegraphendrähte zwischen der Frau und ihrem Liebhaber, die die beiden äußeren Teile des Bildes verbinden (siehe Abb. 2.1). Im weiteren Verlauf der Szene werden an den Telegraphendrähten nacheinander Buchstaben eingeblendet, die in ihrer Gesamtheit das Gespräch zwischen den bei1 im Original: L’Arrivée d’un train à la Ciotat KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 5 Abbildung 2.1: Skizzenhafte Szene aus Des Pfarrers Töchterlein (1912), Regisseur / Produzent: Oskar Messter. den ergeben. Da die Frau im Dialog den Großteil des Sprechens übernimmt und sich am linken Bildrand befindet, läuft die Schrift in Leserichtung von links nach rechts über den Telegraphendraht zum Kopf des Mannes2 . Durch die Aufteilung des Bildes wird auf interessante Weise vermittelt, dass sich die Tochter über den Kopf ihres Vaters hinwegsetzt und verbotenerweise eine Verabredung mit ihrem Freund trifft. Für die Umsetzung dieser Szene wurde der Text mit Schreibmaschine geschrieben, die einzelnen Buchstaben ausgeschnitten, nacheinander auf die Drähte gelegt und dann aufgenommen. Oskar Messter hat mit dieser Visualisierung eines Dialoges einen eleganten Weg gefunden, die damals üblichen Zwischentitel zu umgehen [17]. Neben Filmtitel, Credits und Dialogen wurden in Stummfilmen auch Informationen über Zeit, Ort und Handlung mit Hilfe von Titelkarten vermittelt. 2.3 Tonfilm Durch die Umstellung vom Stummfilm zum Tonfilm zwischen 1929 und 1932 kommt es zu einem tiefgreifenden technischen und ökonomischen Wandel. Während in dieser Zeit die Zwischentitel weitgehend verschwinden, dezimiert 2 Sie sagt: Vater ist in die Sitzung des Vereins Vaterländische Goldsammlung gegangen, ” wollen wir ins Kino gehen?“ Er antwortet: Einverstanden“ ” KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 6 sich auch die Zahl der Lettering Artists3 . Anders als in der Stummfilmzeit, in der jedes größere Filmstudio über eigene Lettering Artists verfügte, wird deren Tätigkeit – das Erstellen der Titelkarten – teilweise an externe Firmen ausgelagert [14]. Neue Formen der Verwendung von Sprache im Film werden entwickelt und die Einführung von Erzählern und Dialogen drängt das geschriebene Wort stark zurück. In dieser Zeit wird Schrift vorwiegend realitätsnah als Informationsvermittler inszeniert, etwa in Form von Zeitungsüberschriften und Briefen. Einer der kreativsten Filmschaffenden der 1920er und 1930er-Jahre in Deutschland war Oskar Fischinger. Von den Experimenten mit abstrakten Filmen der Filmkünstler Viking Eggeling, Hans Richter und Walter Ruttmann beeindruckt, produzierte er eine Reihe von Studien, die als Vorfilme in Kinos liefen und großen Erfolg verzeichneten. Für den fast zweiminütigen Werbefilm Kreise malte Oskar Fischinger 1933 jedes Einzelbild auf Papier, bevor es dann unter der Trickkamera aufgenommen wurde. Er kombinierte Musik mit animierten Kreisen und im Rhythmus blinkenden Wörtern, die er gezielt einsetzt um die Aufmerksamkeit der Zuseher zu lenken. Aufgrund seiner abstrakten Gestaltung hob sich dieser Film von der Vielzahl herkömmlicher Werbefilme ab und war ein sensationeller Erfolg. Er wurde insgesamt mit 18 verschiedenen Schlussteilen produziert, sodass damit für unterschiedliche Produkte geworben werden konnte [17]. Ab Ende der 1950er-Jahre entwickelten namhafte Künstler wie Saul Bass, Pablo Ferro und später Richard und Robert Greenberg die Titelsequenzen von Spielfilmen zu einer eigenständigen künstlerischen Form. Der Filmpionier Saul Bass schuf, teilweise in Zusammenarbeit mit seiner Frau Elaine, eine Vielzahl an dynamischen Titelsequenzen. Er machte aus den Filmtiteln vollständige, kleine Erzählungen, die sowohl die Stimmung als auch den visuellen Charakter des Films mit Hilfe von Metaphern gestalteten. Durch das modernistische Prinzip der Reduktion erzeugte Bass in seinen Sequenzen eine starke Konzentration auf Tempo, Rhythmus und Details. Er schuf Opener für mehrere Filme von Otto Preminger, unter ihnen Carmen Jones (1954), The Man With The Golden Arm (1956) und Anatomy Of A Murder (1959). Unter der Regie von Alfred Hitchcock zauberte Bass Titelsequenzen für dessen Klassiker Vertigo (1958), North by Northwest (1959) und Psycho (1960). Im Opener von Vertigo kombiniert der Designer Filmhandlung, Typografie und raffinierte optische Effekte, die sich mit den Möglichkeiten moderner Computertechnologie messen können [3]. Ein sehr spannendes Zeugnis für den Einsatz bewegter Typografie stellt die Eröffnungssequenz von North by Northwest dar, in der Bass den Titel und die Credits über eine perspektivisch verzerrte Fassade eines Hochhauses gleiten lässt. Die Schrift selbst wird dabei wie die Hausfassade verzerrt, sodass die 3 Berufsbezeichnung für die Künstler, die für die Gestaltung der typografischen Elemente im Film zuständig waren KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 7 Abbildung 2.2: North by Northwest (1959), Regie: Alfred Hitchcock, Titeldesign: Saul Bass. vertikale Bewegung zur Hauswand in der Perspektive wie umherfahrende Aufzüge wirkt (siehe Abb. 2.2). Weniger bekannte, jedoch die Typografie betreffend nicht minder interessante Werke sind die Titelsequenzen zu Alcoa Premiere und zur Fernsehserie Playhouse 90. Während in der ersten der beiden zu Beginn der Titel gut lesbar ist und sich später herausstellt, dass die Buchstaben die Oberseiten von aus der Vogelperspektive gesehenen Wolkenkratzern sind, arbeitet Bass in der zweiten mit einem Muster aus Lichtern, aus dem sich in weiterer Folge der Titel Playhouse 90 zusammensetzt. Der Designer Pablo Ferro produzierte in den 1960er-Jahren vorwiegend Werbefilme. Er wurde bekannt durch seine kreative Art des Filmschnitts, den so genannten Quick Cut, den 20 Jahre später der Musikkanal MTV als Markenzeichen übernahm um damit den schnellen Lebensstil der Zielgruppe auszudrücken. In seinen Werken setzte er verschiedene Techniken und Spezialeffekte ein. Er kratzte Buchstaben in die Filmoberfläche oder verwendete ein Wort in einer Vielzahl verschiedener Schriften, geschnitten mit seiner Quick-Cut-Technik wie in der Eröffnungssequenz für Channel 18, die 1962 entstand. Die bekannteste seiner Arbeiten ist die für den Film Dr. Strangelove or: How I learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1963) von Stanley Kubrick, für den er beauftragt wurde nicht nur die Titelsequenz zu produzieren, sondern zudem noch einen dreiminütigen Trailer für das Kino, eine einminütige Fernsehvorschau, drei Teaser für das amerikanische Fernsehen von je 20 Sekunden und zwei verschieden lange Varianten des Trailers für die britischen Sender [3]. Ende der 1970er-Jahre wurden die Brüder Richard und Robert Greenberg als Design-Innovatoren der zweiten Generation bekannt, die in die metaphorischen Fußstapfen von Saul und Elaine Bass traten. Durch Kombination von neuen Technologien mit nicht-technischen Materialien schufen die beiden Designer Umgebungen, in denen Typografie atmen, sich bewegen und verwandeln konnte [3]. Zu den bekanntesten Werken zählen die Titelsequenz zu Alien (1979) vom Regisseur Ridley Scott und der Eröffnungstitel für Altered States (1980) von Ken Russell. Mitte der 1990er-Jahre schafft der Designer Kyle Cooper den fesselnden Vorspann zu dem Psychothriller Sieben (1995). Die Schrift scheint als wäre sie in das Filmmaterial eingekratzt und erinnert an die Arbeiten von Pablo KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 8 Abbildung 2.3: Drei der Optischen Scheiben aus Anémic Cinéma (1926), Künstler: Marcel Duchamp, Man Ray und Marc Allegret. Grafiken aus [23], c 2001 Succession Marcel Duchamp, ARS, N.Y. / ADAGP, Paris. Ferro. Mit seinen Werken leistete Cooper einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Titelsequenzen und der Verwendung von Schrift im Bewegtbild. 2.4 Experimentalfilm Bereits in den Avantgardefilmen der 1920er-Jahre entdeckten und entwickelten Künstler das bewegte Filmbild und die Schrift als eigenständige Ausdrucksform. Der Dada-Künstler Marcel Duchamp drehte zusammen mit Man Ray und Marc Allegret 1926 den französischen Kurzfilm Anémic Cinéma, in dem sie mit visuellen Effekten experimentierten [17]. Auf sich drehenden Optischen Scheiben, ordneten die Künstler Wortspiele an, die sich mit abstrakten Reliefs abwechselten (siehe Abb. 2.3). Trotz des fehlenden narrativen Inhalts ist dieser Film mit Aussage, Herausforderung und Aufgabe für den Zuseher behaftet und stellt in seiner Gesamtheit ein Pionierwerk für den Experimental-, Avantgarde- und Effektfilm dar4 . Auch der Neuseeländer Len Lye und der in Schottland geborene Norman McLaren setzten in ihren Filmen immer wieder Schriftanimationen ein. Beide wurden bekannt durch die ungewöhnliche Art Filme zu schaffen, indem sie das Filmmaterial direkt bearbeiteten und so handgemalte, kamerafreie Filmanimationen schufen. Durch Bemalen, Zerkratzen, Einfärben und chemisches Behandeln des Zelluloids entstanden außergewöhnliche Werke. Norman McLaren war zudem bekannt für die Anfang der 1940erJahre entwickelte Idee des direkten synthetischen Tons, der auf die Tonspur gezeichnet wird. Bei vielen seiner Filme stehen Bild und Ton in unmittelbarer Beziehung. Das Bild generiert den Ton und umgekehrt, sodass der Zuseher das Bild hört und den Ton sieht [7]. Neben Experimentalfilmen produzierte McLaren auch Titelsequenzen und Nachspanne, wie beispielsweise 1959 für die Jubiläumssendung der Fernsehtalkshow The Wonderful World of Jack Paar. In dieser Titelsequenz vereinen sich McLarens visuel4 http://www.mitternachtskino.de/anemic%20cinema.htm KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 9 les Einfühlungsvermögen und sein humorvoller Umgang mit Typografie zu einem erfrischenden Zeugnis der vordigitalen Schriftanimation [3]. In der Nachkriegszeit produzierten im deutschsprachigen Raum unter anderem der Wiener Marc Adrian und der deutsche Künstler Diter Rot Experimentalfilme mit bewegter Schrift. Diter Rot war in der Fluxus-Bewegung aktiv und nutzte Techniken des handmade-Films. Für seinen Film Flip ritzte er Bild für Bild einen Buchstaben pro Kader ein. Da der Film jedoch mit 25 Kadern pro Sekunde abgespielt wird ist die Buchstabenfolge bei normaler Projektion für den Zuseher nicht lesbar. Eine ähnliche Idee setzte der Amerikaner Paul Sharits 1966 in seinem knapp vierminütigen Film Word Movie um. Der Künstler setzte in jedem Bildkader ein neues Wort, wobei er einzelne Buchstaben, die in aufeinander folgenden Wörtern gleichermaßen vorkamen, fixierte. Dennoch ist es für den Zuseher fast unmöglich, die Worte zu entziffern. Zusätzlich erschwert wird die Lesbarkeit durch den Einsatz unterschiedlich färbiger Hintergründe, was beim Abspielen zu einem starken Flimmern führt [17]. Die in experimentalen Avantgardefilmen und Titelsequenzen verwendeten frühen filmischen Techniken wurden wenig später in den BroadcastBereich übernommen, während das Fernsehen ein neues Medium für Animationen darstellte. 2.5 Fernsehen Gegen Ende der 1960er-Jahre war Farbfernsehen weitgehend verbreitet. Der Amerikaner Harry Marks, der für den Fernsehsender ABC arbeitete, suchte nach einer Möglichkeit das Senderlogo so zu präsentieren, dass es sich von denen der anderen Sender abhebt. Dabei entwickelte er die Idee der bewegten Senderkennung. Ermöglicht wurde die Umsetzung dieser revolutionären Idee durch die von Douglas Trumbull erfundene Slit Scan Camera, die eine Erweiterung der Arbeit von John Whitney darstellte. Bei der gesamten Apparatur handelte es sich um einen Tisch, auf dem die gewünschte Illustration beleuchtet wurde, und eine Kamera, die sich darüber an einer Schiene befestigt in Richtung des Tisches bewegte. Vor der Illustration beschränkte eine lichtundurchlässige Blende mit einem dünnen vertikalen Schlitz das effektive Bildfeld der Kamera zu einem schmalen horizontalen Blickwinkel. Obwohl diese Methode mühselig und kostenintensiv war, eröffnete sie dem Broadcast-Bereich viele grafische Möglichkeiten [13]. Die Slit Scan Camera wurde unter anderem 1968 im Film 2001: Odyssee im Weltraum unter der Regie von Stanley Kubrick eingesetzt. Pionierarbeit leistete auch der Bostoner Sender WGBH durch die gekonnte Verbindung von Fernsehen und typografischen Experimenten. Das von Chris Pullman und Gene Mackles designte 3d-Logo des Senders, das seit 1976 in Gebrauch ist, wurde mit Hilfe rückwärtig beleuchteter Filmanimati- KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 10 onstechnik erstellt. Dadurch wird das Brennen einer Zündschnur simuliert, die das Senderlogo nach und nach einbrennt [13]. In den 1970er-Jahren führten die Entwicklungen von Mikroprozessoren, Apple Computer und Microsoft zu bedeutenden Fortschritten in der Computergrafik-Industrie. Rasterbasierte Programme wie SuperPaint von Silicon Beach Software ermöglichten die Einführung der Computergrafik ins Fernsehen. Um das Digitalisieren und Verändern von Bildern zu gewährleisten entwickelte die Computer Image Corporation komplexe Systeme wie Animac, Scanimate und Caesar. Mit dem Einsatz von Mikroprozessoren kamen digitale Videoprodukte auf den Markt. Die Einführung der digitalen Technologie und teuren Workstations führte zu innovativeren und grafikintensiven Senderkennungen. Durch die Entwicklung schnellerer und günstigerer Systeme wurden Animationen bald auch für lokale und regionale Sender leistbar [13]. Anfang der 1980er-Jahre stellte IBM der Geschäftswelt den ersten PC vor, was einen Imagewechsel des Computers mit sich brachte. Die Menschen änderten ihre Einstellung und sahen den Computer von nun an nicht mehr als ganze Räume füllendes Gerät, dessen Bedienung und Verwendung einer Hand voll Spezialisten vorbehalten war. Firmen wie Industrial Light and Magic und die Non-Profit-Organisation ACM SIGGRAPH traten ihren Höhenflug an. Durch hochperformante Computer der Firma Silicon Graphics entstanden anspruchsvolle, hochentwickelte 3d-Imaging-Applikationen und Apple brachte 1984 den ersten Macintosh Personal Computer auf den Markt. Während sich viele Computergrafikstudios auf das Medium Film beschränkten, gab es auch solche, die sich darauf konzentrierten, Senderkennungen zu schaffen, da die Anzahl der Sendekanäle ständig anstieg [13]. Eine dieser Firmen war Pacific Data Images in Sunnyvale, Californien, die im Jahr 2000 zum Großteil von DreamWorks gekauft wurde und seither den Namen PDI/DreamWorks trägt. Der international anerkannte Grafikdesigner und Art Director Martin Lambie-Nairn fertigte 1982 zum ersten Mal in der Geschichte des britischen Fernsehens ein Senderlogo mit Hilfe reiner Computeranimationstechnik an (siehe Abb. 2.4). Mit der 3d-Animation, in der sich verschiedene Teile zu einer bunten Vier zusammensetzen, nutzte Lambie-Nairn das Medium Fernsehen maximal aus und schuf ein wirkungsvolles Markenzeichen für den Sender Channel Four [3]. Der Musiksender MTV wurde Mitte der 1980er-Jahre zu einer Plattform, wo junge Designer die Möglichkeit bekamen, hauseigene Animationen mit totaler künstlerischer Freiheit zu erstellen. Diese Generation der Designer brach mit dem konventionellen Fernsehen indem sie digitale Technologie mit den Ideen der experimentellen Animationsdesigner der 1960erJahre kombinierte, um die Anforderungen der Zielgruppe zu erfüllen. Im Gegensatz zu NBC und CBS scheute MTV nicht davor mit Logo und Bumper-Animationen zu experimentieren um neue grafische Techniken zu erforschen [13]. KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 11 Abbildung 2.4: Channel Four Brand Identity (1982), Creative Director: Martin Lambie-Nairn, Produzent: Sarah Davies, Computeranimation: Tony c Pritchett and Information International Inc., Einzelbilder 1982 LambieNairn. Im Laufe der 1990er-Jahre wurden nach und nach ältere, teure Workstations durch PCs mit Desktop-Bearbeitungs- und Compositing-Applikationen ersetzt. Dadurch erhielten Designer die Möglichkeit, innerhalb der Macintosh-Umgebung unter Verwendung von einfacheren Tools, Broadcast-Animationen zu erstellen. Durch den Einfluss der Digitaltechnologie auf den Broadcast-Bereich wurden wiederum neue Designmöglichkeiten für TV-Senderkennungen eröffnet [13]. 2.6 Aktueller Stand Schrift in Bewegung ist längst nicht mehr nur auf Titelsequenzen im Film beschränkt. Während sich zwar auch dieser Bereich ständig weiterentwickelt, steht im Filmvorspann eher die Integration der Schrift im Vordergrund. Reine Textanimationen ohne die Verwendung von Bildmaterial sind eher die Ausnahme. Aktuell findet Typografie im Bewegtbild vermehrt Einsatz im BroadcastBereich. Viele Sender haben ihre Senderidentität mit starker Gewichtung auf animierte Typografie umgestellt und lassen ihre Logos bei den Zusehern über den Fernseher fliegen“. Auch bei TV-Serien wird inzwischen großer Wert auf ” die Eröffnungssequenzen gelegt und dabei auf kreative Weise bewegte Schrift eingesetzt. Seit 1997 wird sogar ein spezieller Primetime Emmy Award for Main Title Design für die beste Titelsequenz eines TV-Programms vergeben. Besonders im Bereich Werbung wird immer häufiger auf bewegte Schrift gesetzt. Seit dem Internet-Boom Ende der 1990er-Jahre, hervorgerufen durch die seit 1990 frei verfügbare WWW-Software und die Verbreitung des World Wide Web innerhalb der nächsten Jahre, gewann nicht nur die Präsenz der Firmen durch die eigene Homepage, sondern auch das Werben auf anderen Webseiten, z. B. mittels Werbebanner, an Bedeutung. Gerade für Werbezwecke spielt die Bewegung von Typografie eine wichtige Rolle, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu erregen. Die Animation von Schrift in Werbebannern hat sich bedeutend entwickelt, von einfachen Laufschriften KAPITEL 2. ENTWICKLUNG DER BEWEGUNG VON SCHRIFT 12 oder panikartig flackernden Buchstaben zu durchaus anspruchsvollen Animationen, hinter denen im Optimalfall ein gut durchdachtes Konzept steckt. Technisch gesehen verläuft die Umsetzung typografischer Animationen heutzutage vollständig auf digitaler Ebene mit Hilfe von Desktop-Computern. Unterstützt werden Designer im digitalen Schaffensprozess von zahlreichen Tools, die über eine Vielzahl an vorgefertigten Effekten zur Animation von Schrift verfügen. Da typografische Animationen in letzter Zeit verstärkt im Bereich Motion Graphics eingesetzt werden, haben sich für Schriftanimationen spezialisierte Programme für Motion Design und Compositing am Markt durchgesetzt. Dazu zählen After Effects von Adobe, Motion und Shake von Apple, Digital Fusion von Eyeon und Combustion, Flint, Inferno und Flame von Autodesk. Im 3d-Bereich werden häufig Softwaretools wie Maya und 3ds Max von Autodesk, Cinema 4D von Maxon und XSI von Softimage eingesetzt. Im Webbereich spielt für einfachere Textanimationen oder Werbebanner das vektorbasierte Softwaretool Flash von Adobe eine bedeutende Rolle. Kapitel 3 Wahrnehmung und Bewegung Bewegung ist im Alltag des Menschen allgegenwärtig. Die Wahrnehmung von Bewegung ist keine bewusst erbrachte Leistung, sondern geht einher mit den täglichen Abläufen, von denen viele erst durch sie ermöglicht werden. Auffällig wird die Leistung der Bewegungswahrnehmung, wenn Defizite auftreten, wie die seltene Bewegungsagnosie. Bei diesem schweren Fall von Wahrnehmungsstörung können die Betroffenen beispielsweise das Steigen eines Flüssigkeitspegels nicht richtig sehen. Dadurch wird das Befüllen eines Glases zu einer schwierigen Aufgabe, die nicht ohne Schütten bewältigt werden kann. An Bewegungsagnosie Leidende können nicht ohne Hilfe eine Straße überqueren, weil sie ein herannahendes Fahrzeug oft erst wahrnehmen, wenn es sich unmittelbar vor ihnen befindet. Zudem erschwert das fehlende Erkennen von Mimik und Gestik Unterhaltungen mit Mitmenschen. Während diese Erkrankung den Alltag der Betroffenen erheblich erschwert, würde eine Störung der Bewegungswahrnehmung im Tierreich über Tod und Leben entscheiden. Raubtiere, die ihre Beute anhand ihrer Bewegung erkennen, können diese jagen und erlegen. Andererseits haben Beutetiere, die ihre Feinde durch deren Bewegung ausmachen können, durch fliehen oder Sichtot-Stellen eine höhere Überlebenschance [8]. Neben der Bewegungsagnosie, die zur visuellen Agnosie gehört, gibt es noch weitere Formen, die auditorische und die taktile Angosie. Der Begriff Agnosie selbst wurde von Freud geprägt und bedeutet Unfähigkeit, sensorische Reize wahrzunehmen. In allen Fällen arbeiten die entsprechenden Sinnesorgane völlig normal, die Bedeutung der sensorischen Signale ist jedoch verloren gegangen, sodass Objekte nicht mehr erkannt werden können. Die Betroffenen sehen zwar den Gegenstand, sind aber nicht in der Lage, ihn als solchen zu identifizieren. Agnosien treten auf, wenn Bereiche im Gehirn geschädigt sind und dadurch Objektwissen nicht mehr mit der Objekterkennung verknüpft werden kann [11]. Der Neurologe Oliver Sacks beschreibt in 13 KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 14 seinem Buch Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte [19] den wohl bekanntesten Fall von visueller Agnosie. In unserer Umwelt spielt Bewegung eine wichtige Rolle. Bewegung erregt Aufmerksamkeit und übermittelt Informationen. Steht man beispielsweise in einer Menge von Menschen und möchte eine weiter entfernte Person auf sich aufmerksam machen, so schwenkt man die Arme und zieht dadurch die Aufmerksamkeit auf sich. Durch die Bewegung in der Gesichtsfeldperipherie wird gewöhnlich eine Augenbewegung ausgelöst, die den Beobachter zum Fixieren des sich bewegenden Objektes bringt [8]. Dabei wird unterschieden zwischen Bewegungen in der Gesichtsfeldperipherie, bei denen man zwar die Bewegungsrichtung erkennen kann, nicht aber den Gegenstand, der zudem unsichtbar wird sobald die Bewegung aufhört, und Bewegungen am äußeren Rand der Netzhaut, bei denen Objekte nicht bemerkt werden, jedoch reflektorisch eine Blickbewegung auslösen, die den bewegten Gegenstand in den Bereich des zentralen Sehens rückt. Beiden Bewegungen ist gleich, dass sie den Blick und damit die Aufmerksamkeit des Beobachters auf das bewegte Objekt lenken [11]. 3.1 Bewegungsarten In der Wahrnehmungspsychologie wird zwischen realen Bewegungen und Scheinbewegungen unterschieden. 3.1.1 Reale Bewegungen Die Mehrheit der im Alltag vorkommenden Bewegungen sind reale Bewegungen. Die folgenden Situationen liefern Beispiele dafür [8]: • eine Person oder ein Tier kreuzt das Blickfeld • mehrere Objekte bewegen sich in unterschiedliche Richtungen • Eigenbewegung und stillstehende Objekte • ein mit dem Auge fixiertes Objekt bewegt sich Eine Person oder ein Tier kreuzt das Blickfeld Person A sitzt auf einer Bank und blickt geradeaus. Ohne den Kopf zu bewegen kreuzt ein Mensch oder ein Tier ihr Blickfeld (siehe Abb. 3.1(a)). Wahrgenommen wird hier nicht nur das sich vorbeibewegende Lebewesen, sondern zudem noch die Bewegung der Gliedmaßen und des Rumpfes relativ zueinander. KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 15 Mehrere Objekte bewegen sich in unterschiedliche Richtungen Person B steht auf einer belebten Einkaufsstraße. In ihrem Blickfeld befinden sich Fußgänger, Radfahrer und Autos, die sich in verschiedene Richtungen bewegen (siehe Abb. 3.1(b)). Neben den einzelnen Objekten werden sowohl die unterschiedlichen Richtungen als auch die Geschwindigkeiten, mit denen sie sich bewegen wahrgenommen. Eigenbewegung und stillstehende Objekte Person C fährt auf einem Fahrrad durch die Landschaft und blickt geradeaus (siehe Abb. 3.1(c)). Zwar sieht sie, wie sich die Objekte der Umwelt durch ihr Blickfeld bewegen, wahrgenommen wird jedoch die eigene Fortbewegung. Dem Radfahrer ist bewusst, dass er sich bewegt während die Objekte um ihn herum stillstehen. Ein mit dem Auge fixiertes Objekt bewegt sich Person D blickt aus dem Fenster auf den Himmel und sieht in der Ferne ein Flugzeug (siehe Abb. 3.1(d)). Fixiert sie dieses nun mit den Augen und bewegt den Kopf mit dem Flugzeug mit, so bleibt das Abbild auf der Retina1 annähernd stationär. Trotzdem nimmt die Person die Bewegung des Flugzeuges wahr. Gesehene Bewegung setzt also nicht zwingend eine Bewegung im Netzhautabbild voraus. 3.1.2 Scheinbewegungen Bei Scheinbewegungen handelt es sich im Grunde um Wahrnehmungstäuschungen. Während das menschliche Gehirn die oben beschriebene Scheinbewegung der Umwelt, die bei Eigenbewegung entsteht, als Bewegung des eigenen Körpers und Stillstand der Umwelt begreift, gibt es Scheinbewegungen, die unser Gehirn nicht richtigstellen kann. Die wichtigsten dieser Scheinbewegungen sind die stroboskopische Bewegung, der Bewegungsnacheffekt und die induzierte Bewegung [8]. Stroboskopische Bewegung Die stroboskopische Bewegung ist die für die Filmwelt bedeutendste Scheinbewegung. 1875 entdeckte Siegmund Exner eine interessante Begebenheit: erzeugt man in unmittelbarer zeitlicher Folge zwei dicht beieinander liegende elektrische Funken, so sieht man eine Bewegung des Funken von der ersten zur zweiten Position. Diese visuelle Wahrnehmung einer Bewegung, die eigentlich aus zwei Einzelbildern besteht, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in der Erfindung des Films praktisch umgesetzt. Dasselbe Prinzip findet 1 Netzhaut KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG (a) (b) (c) (d) 16 Abbildung 3.1: Beispielsituationen, in denen reale Bewegungen vorkommen, aus der Sicht des Betrachters: eine Person oder ein Tier kreuzt das Blickfeld (a), mehrere Objekte bewegen sich in unterschiedliche Richtungen (b), Eigenbewegung und stillstehende Objekte (c) und ein mit dem Auge fixiertes Objekt bewegt sich (d). man in Neonreklamen wieder. Dabei leuchtet eine Reihe von Lampen rasch aufeinander folgend auf und erzeugt so eine stroboskopische Bewegung [8]. Wie Max Wertheimer [24] herausfand, ist die Wahrnehmung einer Scheinbewegung abhängig von dem zeitlichen Abstand zwischen der Darbietung der beiden Lichtpunkte, dem Reizzwischenintervall (siehe Abb. 3.2). Bei einem Intervall von weniger als 30 ms, scheinen die Lichter gleichzeitig aufzuleuchten. Erhöht man es auf bis zu 60 ms wird eine Teilbewegung zwischen ihnen wahrgenommen, die ab einem Reizzwischenintervall von mehr als 60 ms auf den Betrachter als kontinuierliche Hin- und Herbewegung wirkt. Bei Intervallen zwischen 200 und 300 ms wird schließlich keine Be- KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 17 Abbildung 3.2: Die Wahrnehmung einer Scheinbewegung ist abhängig vom Zeitintervall zwischen der Darbietung der beiden Lichtpunkte. Mit der Verlängerung des Zeitintervalls durchläuft die Wahrnehmung des Betrachters die abgebildeten Stadien von oben nach unten (nach [8]). wegung mehr wahrgenommen und die Lichtpunkte leuchten für den Beobachter einzeln nacheinander auf. Neben dem zeitlichen Abstand beeinflusst auch der räumliche Abstand zwischen den beiden Lichtpunkten die Wahrnehmung einer Scheinbewegung. Wird die Entfernung größer, muss entweder die Intensität der Lichtpunkte oder das Reizzwischenintervall erhöht werden um denselben Effekt zu erzielen [10]. Bewegungsnacheffekt Auch unter dem Begriff Wasserfall-Effekt 2 bekannt, handelt es sich bei dieser Scheinbewegung um ein interessantes Phänomen, das entsteht, wenn man zuerst einen Wasserfall beobachtet (wahlweise auch einen Fluss von einer darüber befindlichen Brücke aus) und dann auf eine ruhende Fläche blickt. Für kurze Zeit scheint sich diese Fläche nun in die entgegengesetzte Richtung des Wassers zu bewegen. Dieses Phänomen lässt sich durch jede kontinuierliche Bewegung, einschließlich Kontraktion oder Expansion, auslösen, wobei der Nacheffekt stets in Gegenrichtung zum induzierenden Reiz erfolgt. Entscheidend ist, dass dieser Effekt nur auftritt, wenn die fließende Bewegung über die Retina erfolgt während der Blick des Beobachters an derselben Stelle bleibt. Folgt man der Bewegung mit dem Auge, ist der Bewegungsnacheffekt sehr viel schwächer oder bleibt ganz aus [11]. 2 Der Wasserfall-Effekt wurde bereits von Aristoteles beschrieben, nachdem er einen Wasserfall beobachtet hatte und sich das Flussufer daraufhin scheinbar bewegte. Dadurch erhielt das Phänomen die Bezeichnung Wasserfall-Effekt. KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 18 Induzierte Bewegung Induzierte Bewegungen gehören zur Gruppe der Scheinbewegungen, weil dabei die Bewegung eines Objekts die Wahrnehmung einer Bewegung eines anderen Objekts induziert. Dies kommt beispielsweise vor, wenn eine Person im Zug sitzt, während dieser noch im Bahnhof steht. Ein am Nebengleis befindlicher Zug rollt langsam in den Bahnhof. Für die im anderen Waggon sitzende Person hat es den Anschein, als bewege sich der eigene Zug fort, obwohl dieser immer noch still im Bahnhof steht. Ein weiteres Beispiel für induzierte Bewegungen sind vorbeilaufende Tauben, deren Kopf wirkt, als bewege er sich vor und zurück, während er sich nur vorwärts bewegt und die Rückwärtsbewegung durch das Nachziehen des restlichen Körpers als solche erscheint. Generell neigt das menschliche Gehirn bei ausschließlich visuell erfassten Bewegungen dazu, die größten Objekte als statisch und die kleineren Gegenstände als bewegt anzunehmen, deshalb scheint beispielsweise der kleine Mond über den Himmel zu jagen, während tatsächlich die großen Wolken an ihm vorbeiziehen [8]. 3.2 Leistungen der Bewegungswahrnehmung Nach E. Bruce Goldstein ist die Sinnesqualität der wahrgenommenen Bewegung, egal welcher Art, eine Erlebniskategorie mit Primärcharakter, vergleichbar mit der Farbwahrnehmung Rot oder der Temperaturwahrnehmung Warm. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Beobachter, wenn er seine Aufmerksamkeit darauf richtet, konsistent zwischen visueller Ruhe und Bewegung unterscheiden kann. Bewegungswahrnehmung lässt sich ausschließlich durch Hinweise auf Situationen, in denen Bewegungen wahrgenommen werden, mitteilen. Abbildung 3.3 zeigt die unterschiedlichen Leistungen der Bewegungswahrnehmung des Menschen und ihre Klassifikation [8]. Visuelle Bewegung kann grundsätzlich in zwei Bereiche geteilt werden, je nachdem ob es sich um eine Bewegung des gesamten Gesichtsfeldes oder um eine lokale Bewegung innerhalb des Gesichtsfeldes handelt. Bewegungen des gesamten Gesichtsfeldes treten bei allen Fortbewegungsarten und bei Kopfbewegungen (z. B. Drehen des Kopfes um 90◦ nach rechts) auf. Lokale Bewegungen innerhalb des Gesichtsfeldes können unterteilt werden in • Bewegungen anderer Personen und von Tieren (bedeutend für das soziale Leben mit Kommunikation und Interaktion zwischen Personen), • Bewegungen eigener Körpergliedmaßen inklusive Werkzeuggebrauch (Kontrolle manipulativer Bewegungen) und • Objektbewegungen und Bewegungen von Oberflächen (Wahrnehmung von Bewegungsbahnen und Geschwindigkeiten starrer Körper, deren Translations-, Rotations- und Pendelbewegung, aber auch ihrer Zusammenstöße) [8]. KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 19 Abbildung 3.3: Klassifikation der Leistungen der Bewegungswahrnehmung des Menschen (nach [8]). 3.3 Figur-Grund-Beziehung Um Objektbewegung wahrnehmen zu können ist es vorerst notwendig, das Objekt selbst zu erkennen. Entscheidend für die Wahrnehmung von Objekten ist die Fähigkeit, einen Gegenstand von seinem Hintergrund klar differenzieren zu können. Zur Untersuchung der Trennung von Figur und Grund wurden von Gestaltpsychologen Muster, wie das des dänischen Psychologen Edgar Rubin 1915 eingeführte Bild der Vase (siehe Abb. 3.4), verwendet. In dieser Kippfigur können entweder eine weiße Vase vor schwarzem Hintergrund oder zwei schwarze, einander zugewandte Gesichter vor weißem Hintergrund gesehen werden. Zu den Eigenschaften von Figur und Hintergrund gehören [8]: • Die Figur wird als vor dem Hintergrund stehend gesehen. • Die Figur wirkt dinghafter und ist dadurch leichter im Gedächtnis zu behalten als der Hintergrund. • Die Konturen, die die Figur vom Hintergrund trennen, scheinen zur Figur zu gehören. • Der Hintergrund wird als formloses Material gesehen und erstreckt sich hinter der Figur. Während, wie bereits erwähnt, in der Rubin’schen Vase entweder die Vase oder die beiden Gesichter gesehen werden können, ist es sehr schwie- KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG (a) 20 (b) Abbildung 3.4: Zwei Versionen der Rubin’schen Vase. Im linken Kippbild (a) kann entweder eine Vase oder zwei Gesichter gesehen werden (nach [8]). Das rechte Bild (b) zeigt eine dreidimensionale Version, die 1977 anlässlich der Silberhochzeit von Queen Elisabeth II. und Philip, Herzog von Edinburgh, angefertigt wurde. Die erkennbaren Silhouetten bilden die Profile von c Braut und Bräutigam (Bild www.grand-illusions.com). rig, oder gar unmöglich, die Vase und die Gesichter gleichzeitig wahrzunehmen. Grund dafür ist, dass der Hintergrund als formloses Material gesehen wird. Sobald man die Vase als Form sieht, wird die schwarze Fläche zum ungeformten Material und umgekehrt. Auf Grund von Experimenten der Gestaltpsychologen konnte gezeigt werden, dass bestimmte Eigenschaften von Formen dazu führen, dass diese eher als Figur wahrgenommen werden. Demnach werden symmetrisch geformte Bereiche, konvexe3 Formen, kleinere Flächen, dunkle Bereiche, bedeutungshaltige Gegenstände und Formen mit vertikaler oder horizontaler Orientierung mit größerer Wahrscheinlichkeit als Figuren wahrgenommen [8]. Da in unserer Umwelt kaum Bilder vorkommen, bei denen der Hintergrund aus einer einfärbigen, glatten Fläche besteht, während der Vordergrund von einer einzelnen Figur dargestellt wird, ist es für das menschliche Wahrnehmungssystem unumgänglich aus elementaren Einheiten größere Reizmuster zu bilden um die Umwelt korrekt wahrzunehmen. 3.3.1 Gestaltfaktoren Gestaltfaktoren, auch Gestaltgesetze genannt, sind Faustregeln zur Auswertung, die das Wahrnehmungssystem als beste Vermutungen zur Gruppierung von Einheiten anwendet. Die sechs wichtigsten Gestaltfaktoren nach Max Wertheimer sind folgende (nach [25] und [26]): 3 nach außen gewölbte KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG 21 • Faktor der Nähe • Faktor der Ähnlichkeit • Faktor der Prägnanz oder der guten Gestalt • Faktor der gestaltgerechten Linienfortsetzung • Faktor des gemeinsamen Schicksals • Faktor der Bedeutung oder Vertrautheit Gestaltfaktoren können durch evolutionäre Anpassung, individuelles Lernen oder eine Kombination von beidem entstanden sein und reflektieren in der Umwelt bestehende Regelmäßigkeiten. Zu den klassischen Gestaltfaktoren haben Stephen Palmer und Irvin Rock drei weitere, neuere Faktoren der Wahrnehmungsorganisation hinzugefügt [8]: • den Faktor der gemeinsamen Region, • den Faktor der Verbundenheit und • den Faktor der zeitlichen Synchronizität; 3.3.2 Hintergrund Die Wahrnehmung einer Bewegung ist den Untersuchungen von Hermann Aubert [2] zufolge abhängig vom Hintergrund des Reizmusters. Für diese Untersuchungen wurden reale Bewegungen in Form von kontinuierlich bewegten Reizmustern in einem Feld dargeboten. Weist der Hintergrund keine Musterung auf, so liegt die Schwelle für die Bewegungswahrnehmung bei einer Geschwindigkeit von ca. 1/6 bis 1/3 Sehwinkelgrad pro Sekunde. Fügt man jedoch senkrechte Linien in den Hintergrund ein, so kann der Punkt sogar bei einer Geschwindigkeit von 1/16 Sehwinkelgrad pro Sekunde als bewegt wahrgenommen werden. Abbildung 3.5 zeigt einen Punkt, der sich von A nach B bewegt, links im homogenen Feld und rechts auf gemustertem Hintergrund. Ohne Musterung des Feldes würde man eine Bewegung des Punktes gerade eben wahrnehmen, wenn er für den Weg von A nach B ca. 14 Sekunden bräuchte und aus einer Entfernung von 30 cm betrachtet würde. Wird der Hintergrund durch ein gemustertes Feld ausgetauscht, so kann eine Bewegung des Punktes sogar bei einer Bewegungsdauer von 280 Sekunden von A nach B wahrgenommen werden. Die Bewegungswahrnehmung hängt somit nicht nur vom Reizmuster, sondern auch von dessen Hintergrund ab [8]. Nach Richard L. Gregory [11] sind im Gegensatz zum menschlichen Sehapparat die Augen niederer Tiere nicht in der Lage, beim Fehlen von bewegten Objekten Signale zu produzieren. Objekte, die gut durch ihre Umgebung KAPITEL 3. WAHRNEHMUNG UND BEWEGUNG (a) 22 (b) Abbildung 3.5: Bewegung wird leichter erkannt wenn sie vor gemustertem Hintergrund erfolgt (b) als vor einem homogenen Feld (a) (nach [8]). getarnt sind, kann auch das menschliche Auge oft nicht als Figur erfassen. Erst die Bewegung des Objekts führt dazu, dass der Mensch die Figur vom Hintergrund getrennt wahrnimmt. Während einerseits die Beziehung zwischen Figur und Grund eine wichtige Rolle für die Bewegungswahrnehmung einnimmt, ist andererseits die Wahrnehmung von Bewegung bedeutend für die Figur-Grund-Beziehung. Kapitel 4 Kategorisierung Um den zahlreichen bereits bestehenden typografischen Animationen einen Rahmen zu verleihen und ihre Einteilung zu ermöglichen, beschäftigt sich das vorliegende Kapitel mit einer Kategorisierung für bewegte Schrift (siehe Abb. 4.1). Abbildung 4.1: Die Grafik zeigt eine Übersicht des Klassifizierungssystems mit den einzelnen Einteilungskriterien. 23 KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 24 Abbildung 4.2: Class Assignment (1996), Dozent: Jeff Bellantoni, Designer: Evan White, Schule: Wanganui Polytechnic School of Art and Design. 4.1 Zweck der typografischen Zeichen Typografische Animationen lassen sich nach dem Zweck der verwendeten Buchstaben und Wörter in zwei Kategorien einteilen. Zum einen können die Zeichen experimentell angeordnet und bewegt werden, zum anderen lässt sich Schrift auch narrativ einsetzen. 4.1.1 Experiment Wie bereits in den frühen Experimentalfilmen der 1920er-Jahre wird auch heute noch mit bewegter Schrift experimentiert (vergleiche hierzu Abschnitt 2.4). Aus verschiedensten Beweggründen stellen Künstler Versuche mit der Bewegung von Typografie an und lassen sich dabei oft von ihrer Intuition leiten um mit den bestehenden Normen zu brechen. Ein ästhetisches Beispiel für experimentelle, typografische Animationen liefert ein 1996 an der Wanganui Polytechnic School of Art and Design entstandenes Animationsprojekt, bei dem durch direktes Kratzen und Zeichnen auf das Filmmaterial ein wunderbarer typografischer Tanz aus Buchstaben und Strukturmustern entstanden ist (siehe Abb. 4.2). 4.1.2 Narration Schrift kann ebenso eingesetzt werden, um narrative Handlungen zu transportieren. Dafür stehen dem Designer unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Häufig am Beginn eines Filmes eingesetzt kann ein Text dazu dienen, den Betrachter in die Handlung einzuführen indem beispielsweise ein Rolltext wichtige Informationen zur Vorgeschichte preisgibt, wie in Star Wars von George Lucas. Vergleichbar mit statischer Typografie besteht hier die Intention der Schrift darin, gelesen zu werden um Informationen zu vermitteln. Mit dieser Strategie arbeiten auch Textanimationen, bei denen Narration durch zeitlich versetztes Ein- und Ausblenden oder beliebiges Arrangieren einzelner Satzteile transportiert wird, die aneinandergereiht eine Handlung visualisieren. In dem amerikanischen Kurzfilm The Wiles Of Our Minds lässt der Designer Joyce Yu zusammengehörige Textzeilen nacheinander im Wasser treiben. Die Animation der Schrift passiert nicht nur durch KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 25 die Bewegung der Textkörper in der Flüssigkeit, sondern zudem durch das langsame Auflösen und Wegwaschen der Buchstaben. Durch das Verflüssigen der Wörter wird der Eindruck der typografisch erzählten Erinnerungen verstärkt, die wie der Text mit zunehmender Zeit verschwimmen. Eine weitere Möglichkeit bieten reine Schriftfilme, in denen den einzelnen Buchstaben und Wörtern häufig bestimmte Charaktere zugeschrieben werden. Ganz gleich ob diese Schriftfiguren aufregende Abenteuer erleben oder gelangweilt auf der Bildfläche liegen, sie können ganze Geschichten erzählen, ohne ein Wort zu sprechen. In der digitalen Animation Alphabet spielen ein A und ein Z mit einem schwarzen Knäuel, bestehend aus den restlichen Buchstaben des Alphabets. Die beiden passen einander den Buchstabenball zu, während immer wieder einzelne Zeichen aus dem Knäuel fallen. Das Spiel wird zunehmend aggressiver bis das Z den Ball direkt auf den Zuseher befördert, woraufhin dieser in alle noch übrigen Buchstaben zerfällt. Evan Cotter zeigt damit anschaulich wie typografische Zeichen zu Charakteren werden können, sowie die Möglichkeit eine Geschichte durch bewegte Typografie mit nur wenigen Buchstaben zu erzählen. 4.2 Rolle der Typografie Ein weiteres Einteilungskriterium für typografische Animationen stellt die Rolle der bewegten Schrift im Gesamtwerk dar. Wörter können als visuelle Symbole oder als Träger von Emotionen eingesetzt werden. 4.2.1 Visuelle Symbole Entscheidet sich der Designer dafür, typografische Zeichen als visuelle Symbole einzusetzen, stehen ihm dazu mehrere Optionen offen. Eine davon ist das Aneinanderreihen einzelner Buchstaben aufgrund ihrer formalen Eigenschaften, sodass sich daraus z. B. ein Tier oder ein Gegenstand bildet. Dabei kann unterschieden werden, ob die einzelnen Bestandteile, also die Buchstaben, aus rein formalen Gründen gewählt wurden, z. B. ein O für ein Auge oder ein B als Flügel eines Vogels, oder zusätzlich als Wortbestandteil eine Bedeutung finden. Im zweiten Fall würde dies beispielsweise bedeuten, der Designer reiht die Buchstaben V, O, G, E und L so aneinander, dass sie in ihrer Gesamtheit das Bild eines Vogels ergeben. Durch die Einschränkung der zur Verfügung stehenden Zeichen erfordert diese Methode ein erhöhtes Maß an Kreativität, um dennoch ein als solches erkennbares Tier oder anderes Objekt zu bilden. Besonders kreativ zeigte sich der Brasilianer Roberto de Vicq de Cumptich beim designen der verschiedenen Tiere, die zusammen in Bembo’s Zoo leben. Auf der Website1 kann der Besucher anhand des 1 http://www.bemboszoo.com/ KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 26 Abbildung 4.3: Bembo’s Zoo (2000), Designer: Roberto de Vicq de Cumptich. Anfangsbuchstabens ein Tier auswählen, das sich dann in einer kleinen Animation aus den Buchstaben seines Namens zusammensetzt (siehe Abb. 4.3). Da die verwendete Schriftart bei allen Tieren dieselbe ist, dient die Website indirekt zur Bewerbung der Schrift Bembo sowie des gleichnamigen Kinderbuches. Weiters können Buchstaben in Form von ganzen Wörtern als visuelle Symbole verwendet werden. Durch die Wahl von angemessener Schrift und Form lässt der Text auf das darzustellende Objekt schließen, wobei die Form selten aufgrund der Buchstabenform entsteht, sondern meist durch Skalieren und Verzerren der einzelnen Zeichen. Auch hier stehen dem Designer zwei Möglichkeiten offen. Einerseits können beliebige Wörter verwendet werden um ein Objekt darzustellen, z. B. das Wort Wasserflasche zu einem Fisch geformt, wobei die Wörter oft dazu genutzt werden, zusätzliche Information zu vermitteln. Andererseits besteht auch die Option, die Information doppelt zu visualisieren, z. B. die Buchstabenfolge Forelle wiederum in Form eines Fisches. Letzteres gehört zum Bereich der semantischen Typografie. Die Semantik wird auch als visuelle Rhetorik bezeichnet und ist als Bedeutungslehre ein Teilgebiet der Semiotik, der Lehre von den Zeichen [18]. Bei semantischer Typografie handelt es sich um Wörter, die aufgrund ihrer Form, Farbe oder Struktur dieselbe Information übermitteln, die die Bedeutung des Wortes bereits transportiert. 4.2.2 Emotionaler Träger Neben dem Einsatz der Buchstaben als visuelle Symbole können typografische Zeichen auch als emotionale Träger dienen. Allein durch die Wahl der Schriftart werden dem Text bereits Charaktereigenschaften verliehen. Nach Claudia Runk können Schriften Eigenschaften aufweisen und beim Leser eine Wirkung hervorrufen. Eine Schriftart kann elegant oder plump, aufdringlich und laut, bescheiden und leise, dezent, nüchtern, verspielt, dynamisch oder träge sein und bietet die Möglichkeit, Emotionen auszudrücken oder beim Leser hervorzurufen [18]. Nach Claudia Runk gibt es für Schriftgruppen, -schnitte und deren Wirkung die folgenden Faustregeln. KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 27 Abbildung 4.4: Say What Again (2007), Designer: Jarratt Moody. Schriftgruppe / -schnitt Wirkung Renaissance-Antiqua würdig, in sich ruhend Barock-Antiqua spannungsreich, aufbauend, variabel klassizistische Antiqua klar, edel, gediegen serifenbetonte Antiqua kraftvoll, konstruktiv, linienbetont serifenlose Antiqua sachlich, ruhig, konstruktiv Schreibschriften verspielt, dynamisch Variationen in den Strichstärken elegant gebrochene Schriften alt fette Schriften dominant, laut, schwer, träge leichte Schriften dezent, zurückhaltend kursive Schriften dynamisch Neben den genannten Schriftgruppen bietet auch semantische Typografie eine Möglichkeit, Emotionen auszudrücken beziehungsweise beim Leser hervorzurufen. Zudem können durch die Bewegung von Schrift Emotionen vermittelt werden, einerseits auf der Ebene der semantischen Typografie, z. B. durch über den Bildbereich fliegen lassen des Wortes Fliege, andererseits wie in Say What Again von Jarratt Moody durch den Einsatz von geeigneten Schriftgrößen, einer geschickten Farbwahl und dem perfekten Timing. Das Werk ist die typografische Visualisierung eines Dialoges aus einer Kultszene des Filmes Pulp Fiction. Die Konversation findet zwischen zwei Männern statt, von denen einer im Auftrag seines Chefs den anderen verbal attackiert und ihm schließlich in dessen Knie schießt. Auf herausragende Weise bringt Jarratt Moody es in dieser rein typografischen Animation fertig, einen derart emotionsgeladenen Dialog durch bewegte Schrift zu visualisieren und die einzelnen Zeichen dabei auf ihre typografischen Charakteristika zu beschränken (siehe Abb. 4.4). KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 28 Abbildung 4.5: BBC2 Brand Identity (1993), Creative Director / Desic gner: Martin Lambie-Nairn, Produzent: Celia Chapman, Einzelbilder 1993 Lambie-Nairn. 4.3 Ziel der Animation Während es unzählige Gründe gibt, die einen Designer dazu veranlassen eine typografische Animation zu kreieren, lässt sich bewegte Schrift ihrem Ziel nach in genau zwei Kategorien unterteilen. Animierter Text kann entweder zur Unterhaltung des Publikums dienen oder zur Informationsverbreitung eingesetzt werden. 4.3.1 Unterhaltung Ähnlich wie der Großteil der Blockbuster aus Hollywood werden auch einige typografische Animationen rein zur Unterhaltung des Zusehers erstellt. Oft werden dafür den Buchstaben Charaktereigenschaften zugeschrieben und so typografische Figuren geschaffen, die Abenteuer bestehen oder eine Geschichte erzählen. In unterhaltenden Schriftanimationen spielt folglich Narration eine große Rolle. Für den Sender BBC2 designte Martin LambieNairn 1991 eine unterhaltsame animierte Senderkennung, in der eine mit Rennreifen und Antenne ausgestattete motorisierte Ziffer 2 auf einer feurig orange-gelben Landschaft umherdüst (siehe Abb. 4.5). Die gesamte Sequenz ist als dreidimensionale Computeranimation umgesetzt. Die typografischen Animationen in Brain Opera, einem Projekt, das am MIT Media Laboratory unter der Leitung von Tod Machover geschaffen wurde, dienen ebenfalls der Unterhaltung des Betrachters. Während der zweite Satz der Oper, der von den Gedanken Marvin Minsky’s über Musik und Gehirn handelt, gesungen wird, tanzen die dazugehörigen Worte auf einer Leinwand hinter den Musikern. Dadurch wird gewährleistet, dass der Besucher auch den allegro gesungenen Text erfassen kann [3]. 4.3.2 Information Zur Informationsvermittlung wird bewegte Typografie häufig dann eingesetzt, wenn der für die schriftliche Information vorgesehene Bildraum beschränkt ist. Durch die Bewegung kann auf kleinem Raum ein größeres Maß an Text dargeboten werden. Zu den Information vermittelnden typo- KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 29 grafischen Animationen zählen horizontale Laufschriften, wie sie gerne als Nachrichtenticker eingesetzt werden, aber auch vertikale Rolltexte. Letztere finden vorrangig im Filmabspann Anwendung, wo in vorgegebener, relativ kurzer Zeit auf eingeschränktem Raum alle vorgeschriebenen, an der Produktion beteiligten Personen genannt werden müssen. Auch animierte Wörter in Titelsequenzen vermitteln Information, beispielsweise über die im Film mitwirkenden Schauspieler, den Produzenten, den Titel, und manchmal auch längere Texte, die für das Verständnis des Filmes von Bedeutung sind und den Zuseher in die Handlung einführen. 4.4 Rolle des Betrachters Durch die zahlreichen Möglichkeiten für den Einsatz von bewegter Typografie entstehen verschiedene Anforderungen an den Betrachter. Typografische Animationen lassen sich nach der Rolle des Betrachters in die folgenden drei Kategorien einteilen. 4.4.1 Beobachter Ähnlich wie der Zuseher beim herkömmlichen Film schlüpft der Betrachter von Schriftfilmen, vor allem von solchen, die zu seiner Unterhaltung dienen, in die Rolle des vorwiegend stillen Beobachters. Von ihm wird keinerlei Interaktion mit der bewegten Schrift erwartet und sowohl Ablauf als auch Dauer der typografischen Animation sind festgelegt. Die Anforderungen an den Betrachter liegen allein im Beobachten und Verfolgen der dargebotenen Handlung. Die in Abschnitt 4.1.2 beschriebene Animation Alphabet verlangt vom Zuseher weder Lesetätigkeit noch Interaktion. Hier fungiert der Betrachter ausschließlich als Beobachter, denn es ist für die Narration völlig unerheblich ob die Buchstaben als solche erkannt werden, oder lediglich als zwei Figuren, die mit einem Ball spielen. 4.4.2 Leser Wie im Printbereich zielt auch bewegter Text in den meisten Fällen darauf ab, gelesen zu werden. Sobald alle Buchstaben eines Wortes mit geringem räumlichen Abstand zueinander dargeboten werden, versucht der Betrachter das Wort zu lesen. Selbst wenn die Reihenfolge der einzelnen Zeichen noch nicht die richtige ist, kann er die Bedeutung bereits erfassen, sofern der erste und letzte Buchstabe ihren Platz korrekt eingenommen haben. Wann immer bewegter Text zu Informationszwecken eingesetzt wird, fungiert der Betrachter als Leser. Aber auch wenn Schrift zu Unterhaltungszwecken eingesetzt wird, kann der Zuseher in die Rolle des Lesers versetzt werden. In der Animation Foosball visualisiert Tim Fife einen Monolog, indem er typografische Zeichen Wortweise in Szene setzt und über die Bildfläche bewegt. KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 30 Obwohl die Sequenz zweifellos das Ziel der Unterhaltung verfolgt, indem sie eine Geschichte erzählt, wird vom Betrachter erwartet, den dargestellten Text zu lesen. Bei reiner Beobachtung der typografischen Zeichen würde er die Semantik der Wörter nicht erkennen und die Narration könnte nicht transportiert werden. 4.4.3 Interakteur Bewegte Schrift findet mittlerweile vermehrt Einsatz im Internet-Bereich. Dort können typografische Animationen so konzipiert sein, dass der dargestellte Text in ruhendem Zustand die gewohnten Navigationselemente der Website darstellt, sobald der Betrachter jedoch den Mauszeiger auf eines dieser Elemente bewegt, werden die zuvor statischen Buchstaben animiert. In die Rolle des Interakteurs schlüpft der Betrachter sobald die Animation der Schrift abhängig von der Bewegung des Mauszeigers passiert. Der Interakteur bestimmt so den Fortgang der Animation, kann jedoch andererseits auch von der Bewegung der Buchstaben geleitet werden, wenn diese z. B. zu einem anderen Navigationselement hinfliegen“, oder ein solches durch ” Bewegung auf sich aufmerksam macht. Ein Beispiel, in dem der Betrachter in die Rolle des Interakteurs schlüpft, stellt die Installation The Legible City von Jeffrey Shaw und Dirk Groeneveld dar. Bei dieser Vorrichtung sitzt die betreffende Person auf einem Fahrrad, vor dem sich eine große Projektionsfläche befindet. Auf dieser wird eine Stadt dargestellt, die ausschließlich aus dreidimensionalen typografischen Zeichen besteht (mehr dazu in Abschnitt 6.3). Der Radfahrer hat die Möglichkeit sowohl die Geschwindigkeit, mit der er sich durch die Stadt bewegt, als auch die Fahrtrichtung selbst zu steuern. Allgemein gesprochen nimmt der Betrachter den Platz des Interakteurs ein, sobald die typografische Animation, egal in welcher Form sie stattfindet, abhängig vom Verhalten dieser Person geschieht. 4.5 Gestaltung Die Gestaltung betreffend können Schiftanimationen grundsätzlich in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden, in reine Typografie-Animationen und in Kombinationen aus Bild und Schrift. 4.5.1 Reine Typografie-Animation Bei reinen Typografie-Animationen handelt es sich um Schriftfilme, in denen ausschließlich typografische Zeichen zum Einsatz kommen. Unter der Regie von Antoine Bardou-Jacquet entstand beispielsweise das Musikvideo zu Alex Gopher’s The Child. In dieser typografischen Animation, die von einer Entbindung handelt, bei der ein Paar im Taxi quer durch Manhattan zur KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 31 Entbindungsstation jagt, ist eine ganze Stadt mitsamt der darin lebenden Personen aus Buchstaben gestaltet. Für die Umsetzung von Schrift im Film stehen nach Michael Schaudig [20] vier idealtypische raumzeitliche Visualisierungsmodi zur Verfügung, die durch die drei frei kombinierbaren Variablen Kontinuiertheit, Körperlichkeit und Bewegtheit geprägt sind. Schrift als Typogramm Wird Schrift als Typogramm eingesetzt, sind ähnlich wie im Printbereich die typografischen Zeichen durch ihre klare Kontur gekennzeichnet. Dabei erscheint der Text im filmischen Bildraum auf einer zweidimensionalen Abbildungsfläche, und zwar als nicht-räumliche Schrifttafeln oder in Form von Inserts. Die einfachste typografische Gestaltungsgrundlage hat Schrift im Wechselspiel von Schwarz und Weiß, wie sie im klassischen Filmvorspann mit weißen Buchstaben auf schwarzem Hintergrund zum Einsatz kommt. Reine Schriftanimationen bestehen nur selten aus Typogrammen, da deren statischer Charakter die Bewegungsmöglichkeiten auf Ein- und Ausblenden beschränkt. Beispiele dazu finden sich vorwiegend im Filmbereich in Form von Eröffnungssequenzen oder Zwischentiteln. Schrift als Typokinetogramm Im Unterschied zum Typogramm werden beim Typokinetogramm die typografischen Zeichen auf der zweidimensionalen Abbildungsfläche in Bewegung präsentiert. Die Darstellung der Schrift kann dabei sowohl durch die Textpräsentation als Rolltitel, also eine vertikale Translation, oder als Kriechtitel in Form von horizontaler Bewegung der Schrift über den Bildbereich, passieren, als auch durch den sukzessiven Aufbau der einzelnen Zeichen oder Zeichenkomplexe oder alle weiteren Animationen des flächigen Schriftbildes. Im Typokinetogramm bezieht sich die Bewegung einerseits auf die Schrift selbst, andererseits auf das Verhältnis einzelner Schriftelemente, also Buchstaben, Wörter oder Sinneinheiten, zueinander [20]. Sprachliche Informationen werden dabei nicht nur als Schrift visualisiert, sondern zugleich inszeniert und ermöglichen es dem Designer dadurch, ein erhöhtes Maß an Information zu vermitteln. Als Werbefilm für sein 1961 in New York eröffnetes Studio Ferro, Mogubgub & Schwartz schuf Pablo Ferro eine typografische Animation mit rein analogen Mitteln, in der er Schrift ausschließlich als Typokinetogramm eingesetzt hat. Im Werbefilm entsteht aus dem Wort Films“ nach und nach ” die Buchstabenkombination FMS“, die Anfangsbuchstaben der drei Part” ner, danach wird jeder von ihnen einzeln in Szene gesetzt um anschließend wieder im Schriftzug FMS“ vereint zu werden. Im Finale bildet sich daraus ” wiederum das Wort Films“, das bereits den Ausgangspunkt für die Anima” tion darstellte (siehe Abb. 4.6). KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 32 Abbildung 4.6: FMS: opening titles for sample reel (1961), Designer: Jon Aron, Fred Mogubgub, Pablo Ferro. Schrift als Ikonogramm Anders als bei Typogrammen wird beim Ikonogramm ein dreidimensionaler Schriftraum anstelle einer zweidimensionalen Schriftfläche gezeigt. Die typografischen Zeichen werden als Schriftkörper dargestellt und sind auf diese Weise im filmischen Bildraum ikonisiert [20]. Wie beim Typogramm beschränken sich die Bewegungsmöglichkeiten auch beim Ikonogramm auf Ein- und Ausblenden des Textes. Der Einsatzbereich liegt hier ebenfalls in den filmischen Titelsequenzen. Schrift als Ikonokinetogramm Als Ikonokinetogramm bewegen sich die typografischen Zeichen in einem dreidimensionalen Schriftraum. Dabei wird die Typografie zum zentralen raumzeitlichen Gestaltungselement und generiert eine ikonisierte Typosphäre, die vorwiegend in Form von Computeranimationen als simulierter Realitätseindruck umgesetzt wird [20]. Dieser Visualisierungsmodus von Schrift wird in den letzten Jahren verstärkt im Broadcast-Bereich für animierte Sendegrafiken, so genannte Flying Logos, eingesetzt. Die Design-Studentin Franceca Bautista verwendet die Buchstaben in ihrem Projekt zum Thema Typespace: Navigation Space“ als Ikonogramme, um die Wandelbarkeit ” von Typografie im dreidimensionalen Raum zu zeigen. Je nach Position der Schrift bzw. Kamera ändert sich die Bedeutung des dargestellten Textes. 4.5.2 Kombination von Bild und Schrift Die genannten Visualisierungsmodi kommen nicht nur in reinen Schriftanimationen zum Einsatz, sondern gelten auch für die Kombination von Typografie und Bild. Dabei kann der filmische Bildraum entweder als interaktionsloser Hintergrund für die bewegte Schrift dienen, oder auf verschiedene Arten mit dem Text in Verbindung stehen. Bild als interaktionsloser Hintergrund Findet das typografische Material in Form von Titelkarten Verwendung, so werden dabei die Buchstaben meist vor einem monotonen, einfärbigen KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 33 Hintergrund platziert. Auch bei Werbebannern und anderen informierenden Schriftanimationen wird oft eine derartige Farbfläche eingesetzt, um den Fokus des Betrachters auf den Text zu fixieren und jegliche Ablenkung davon zu vermeiden. Besonders im Filmbereich wird Typografie im Opener zudem häufig als überlagerndes Element verwendet. Im Hintergrund befindet sich dann anstelle der monotonen Farbfläche filmisches Bildmaterial, fallweise in Bewegung oder auch als statisches Hintergrundbild. Zwischen dem Bildmaterial im Hintergrund und der im Vordergrund abgebildeten Schrift findet bei Überlagerungen keinerlei erkennbare Interaktion statt [12]. Das typografische Material kann vom Bild losgelöst beliebig positioniert und bewegt werden. In der Eröffnungssequenz zur TV-Serie Hysterical Blindness weist das Bildmaterial im Hintergrund keine starken Kontraste auf. Unabhängig von ihrer Position kommen dadurch die überlagernden Credits trotz der eher gering gewählten Schriftgröße gut zur Geltung. Bild als grafisches, mit Schrift interagierendes Element Die einfachste Form von Interaktion zwischen Bild und Schrift manifestiert sich in Zwischentiteln. Dabei wird das visuelle Filmmaterial von Titelkarten unterbrochen und erst nach einer angemessenen Lesedauer wieder fortgesetzt. Weil dadurch der Zuseher immer wieder erheblich aus dem filmischen Geschehen herausgerissen wird, finden Zwischentitel selbst im Filmbereich nur noch selten Anwendung, und zwar wenn genau dieser Effekt gewünscht ist. In typografischen Animationen wird Schrift meist unter Berücksichtigung des dahinter liegenden Bildmaterials positioniert. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Eine davon ist die Platzierung der Buchstaben, sodass sich diese an im Bild befindlichen Elementen orientieren. Oft wird dabei das Bild- oder Filmmaterial so gewählt, dass sich das geschriebene Wort noch deutlich davon abhebt und dessen Lesbarkeit so wenig wie möglich beeinträchtigt. Während sich die Schrift in Farbgebung, Positionierung und / oder Bewegung am Bild orientiert bleiben sowohl Bild als auch Text zwei eigenständige Darstellungsebenen. In der von Saul Bass gestalteten Eröffnungssequenz zu Alfred Hitchcock’s North by Northwest ist die Orientierung der Credits am Bildmaterial besonders stark. Die typografischen Elemente sind perspektivisch verzerrt und scheinen wie Aufzüge über die im Hintergrund befindliche Fassade eines Hochhauses zu gleiten (siehe Abb. 2.2, S. 7). Besonders im Filmvorspann wird Schrift immer häufiger als integratives Element eingesetzt. Die Interaktion zwischen Bild und Text geht dabei so weit, dass dieser in die Bildebene tritt und eine klare Unterscheidung zwischen den beiden Ebenen, Bild im Hintergrund und Schrift im Vordergrund, nicht weiter getroffen werden kann. Zwar wird die Schrift dadurch Teil der Handlungsebene, sie ist jedoch als nachträglich hinzugefügtes, extradiege- KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 34 Abbildung 4.7: links: Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn (2005–2007), Regie: diverse Regisseure (darunter Brian Dannelly und Craig Zisk) Titeldesign: unbenannt; rechts: Six Feet Under – Gestorben wird immer (2001–2005), Regie: Alan Ball, Titeldesign: unbenannt. tisches und damit weiterhin eigenständiges Element identifizierbar [12]. Im Vorspann zur TV-Serie Weeds steht beispielsweise ein Teil der Credits auf der Straße einer amerikanischen Vorstadtsiedlung. Wenig später überquert eine Joggerin die besagte Straße und löscht im Vorbeilaufen die Schrift aus dem Bild (siehe Abb. 4.7). Auch in der Titelsequenz der Serie Six Feet Under, die dafür 2002 einen Emmy erhielt, passieren derartige Interaktionen zwischen Bild und Text. In einer Einstellung befindet sich ein Wasserglas im Bild, dessen Pegel langsam sinkt. Der im Wasserglas platzierte Text orientiert sich an diesem Pegel durch eine vertikale Translation, die mit dem Sinken einhergeht (siehe ebenfalls Abb. 4.7). Allein die Animation der typografischen Zeichen ermöglicht diese Interaktion zwischen Bild und Text. Die höchste Steigerung dieser Interaktion stellt die Integration der Schrift direkt in das Bild dar. Dabei wird der Text nicht im Nachhinein über die Bildebene gelegt und passend animiert, sondern ist im Realfilm bereits während der Produktion Bestandteil des Bildes. In einer Szene der soeben erwähnten Eröffnungssequenz zu Six Feet Under geht der Designer so weit, dass er den Namen des Produzenten in einen Grabstein gemeißelt zeigt. Die Bewegung der Schrift passiert großteils durch Bewegen der Gegenstände, auf denen sie sich befindet, oder durch Kamerafahrten. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die Buchstaben aus diversen Elementen zusammenzusetzen, wie beispielsweise aus Menschen oder Blättern. Häufig wird intradiegetischer Schrifteinsatz auch in Form von Filmaufnahmen einer schreibenden Hand umgesetzt. Die typografische Animation besteht dann im Erscheinen der handschriftlichen Buchstaben. In rein computergenerierten Schriftanimationen kommt Text zum größten Teil intradiegetisch zum Einsatz. Da das gesamte Bildmaterial keine Realfilmaufnahmen beinhaltet, sondern generiert ist, lässt sich das typografische Material leicht in die Bildebene integrieren, wodurch die beiden Ebenen zu einer verschmelzen und Interaktionen zwischen Schrift und Bild erleichtern. Die computeranimierte Senderkennung des deutschen Privatsenders Sat1 kombiniert die typografischen Zeichen des Sendernamens mit dem Ball als Markenzeichen in Form einer dreidimensionalen Lichtkugel (siehe Abb. 6.3(a), S. 67). In räumlichen Computeranima- KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 35 Abbildung 4.8: The Pillow Book (1996), Kalligrafie: Brody Neuenschwander, Regisseur: Peter Greenaway. tionen wird das typografische Material entweder dreidimensional modelliert und entsprechend bewegt oder als Textur auf ein anderes Objekt gelegt. Im zweiten Fall erfolgt die Bewegung der Schrift durch Positionsänderung des zugehörigen Gegenstandes. 4.6 Umsetzung Die Animation von Typografie lässt sich auf unterschiedliche Weise realisieren. Je nach Art ihrer Umsetzung sind diese in vier teils digitale teils nicht-digitale Kategorien einteilbar. 4.6.1 Realfilm Besonders naheliegend ist die Umsetzung von Schriftanimationen in Form von Realfilmaufnahmen, wenn es sich um die Entstehung von handgeschriebenen Texten, z. B. Briefen oder Nachrichten, handelt. Dabei werden für gewöhnlich das Schreibgerät, die Hand, die es hält, und der Schriftträger oder zumindest der Teilbereich, in dem aktuell das geschriebene Wort entsteht, in Nahaufnahme gezeigt. Brody Neuenschwander schuf unter der Regie von Peter Greenaway in den beiden Filmen Prospero’s Books und The Pillow Book besonders ästhetische typografische Animationen. In Prospero’s Books zeigt er die textschaffende Hand des Protagonisten Prospero, der ein Schauspiel schreibt, in dem er selbst spielt und lebt. Die handschriftlichen Texte sind entweder deckender Bestandteil des Filmbildes oder halbtransparent über eine dahinter liegende Filmszene platziert. In The Pillow Book übertrug der Grafik-Designer typografische Zeichen direkt auf die Haut der Schauspieler. Jede Bewegung der Darsteller verursachte dann eine Animation der Schrift in Form von Drehungen und Dehnungen (siehe Abb. 4.8). Häufig eingesetzt werden Realfilmaufnahmen in Verbindung mit bewegter Typografie in Titelsequenzen für Filme und Fersehserien. Hier kann Schrift entweder direkt in der Szene platziert oder in der Postproduction nachträglich integriert werden. Die Animation der Buchstaben erfolgt dann beim intradiegetischen Schrifteinsatz wie bereits erwähnt wahlweise durch Bewegung der entsprechenden Objekte oder indirekt durch Kameraschwenks KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 36 und -fahrten. Wird das geschriebene Wort erst im Anschluss an das Bildmaterial erstellt und auf einer eigenen Ebene darüber positioniert und animiert, so fällt die Bewegung der Schrift genau genommen in den Bereich der computergenerierten Animation. 4.6.2 Analoger Trickfilm Typografische Animationen, die dieser Kategorie angehören, stammen entweder aus der Zeit vor der digitalen Revolution, oder der Designer beabsichtigt dadurch einen historischen Bezug herzustellen. Zudem dient der analoge Trickfilm fallweise dazu, einen spezifischen Stil umzusetzen, der mittels Computeranimation nicht zufriedenstellend erreicht werden kann. Bezeichnend für die Erstellung von analogen Trickfilmen ist die Bild für Bild passierende Animation der einzelnen Objekte, die durch verschiedene StopMotion-Techniken realisiert werden kann. Dazu zählen neben den klassischen, handgezeichneten Trickfilmen sowohl Cutout- als auch Clay-Animationen. Bei Coutout-Animationen werden Wörter, Buchstaben oder Teile davon z. B. aus Papier ausgeschnitten und nacheinander aufgelegt oder deren Positionen fortlaufend verändert, wodurch die Bewegung der Typografie entsteht. Bei Clay-Animationen werden die typografischen Zeichen dreidimensional aus Clay-Masse modelliert und dann verformt oder im Raum umpositioniert. Allen Techniken gemeinsam ist jedoch, dass sie grundsätzlich ohne den Einsatz digitaler Computertechnik auskommen. Computer werden dabei lediglich zum Zusammenfügen der Einzelbilder und für Bildoptimierungen in der Postproduction verwendet. Beispiele für Textanimationen in Form von analogen Trickfilmen sind vorwiegend in Titelsequenzen älterer Filme zu finden, z. B. die Schriftspielereien von Norman McLaren in der Eröffnungssequenz von The Wonderful World Of Jack Paar, oder der berühmte Opener zu The Pink Panther. 4.6.3 Computergenerierte Animation In vollständig digitaler Form eröffnet die Computergrafik eine Vielzahl neuer Möglichkeiten um Schrift zu bewegen. Nicht nur die Interaktion von Bildelementen und Text wird dadurch erleichtert, sondern generell jede nur erdenkliche Idee kann mit Hilfe geeigneter Computersoftware realisiert werden. Die digitale Computeranimation ermöglicht sowohl die Umsetzung vieler analoger Animationstechniken auf digitaler Ebene, wie z. B. Handzeichnungen mittels Zeichentablett, als auch die Kreation völlig neuer visueller Stile. In der narrativen Animation On The Road lässt der Designer Jim Kenney zweidimensionale Satzteile über den Bildbereich fliegen“ und schafft ” durch Manipulation von Schärfe und Deckkraft, sowie Verzerren und Skalieren der Schrift eine Art Tiefe in einer eigentlich flächigen Darbietung. Im dreidimensionalen Raum nehmen typografische Zeichen durch die, im KAPITEL 4. KATEGORISIERUNG 37 Abbildung 4.9: Class Assignment, Designerin: Franceca Bautista, Schule: California College of Arts and Crafts. Gegensatz zur 2d-Animation hinzukommende, Tiefeninformation eine neue Gestalt an. Die dritte Dimension verändert die Bewegungsmöglichkeiten der Buchstaben erheblich. Von der flächigen 2d-Animation, die auf horizontale und vertikale Translation und Skalierung beschränkt ist, erweitert sie die Bewegungsoptionen auf alle im dreidimensionalen Raum denkbaren Positionsänderungen. Hinzu kommen die freie Bewegungsoption der Kamera, die neue Blickwinkel und Animationsmöglichkeiten zulässt, sowie das Spiel mit Licht und Schatten. Franceca Bautista, Design-Studentin am California College of Arts and Crafts, setzt in ihrer Animation computergenierierte dreidimensionale Buchstaben-Charaktere ein, um die Geschichte eines Bösewichts namens the shadow“ zu visualisieren. Durch den gezielten Einsatz von Lichtquellen, ” durch die die Figuren markante Schatten auf den Boden werfen, entsteht die gewünschte bedrohliche Stimmung (siehe Abb. 4.9). Auch die typografischen Animationen in Eröffnungssequenzen im Filmbereich werden meist digital am Computer erstellt. In der Titelsequenz zum Kurzfilm Scout’s Honor lässt Lauren DeNapoli eine Gruppe Basketball spielende 3d-Buchstaben über einen Parkettboden hüpfen. Durch die sich ständig ändernde Aneinanderreihung der Buchstaben werden die Credits gebildet. Die gesamte Szene ist dreidimensional modelliert und stellt ein interessantes Beispiel für computergenerierte Typografie-Animation dar. 4.6.4 Collage Collagen können sowohl digital als auch analog erstellt werden. Die Bewegung von Schrift erfolgt entweder durch zeitlich versetztes Erscheinen der einzelnen Bestandteile, die im Gesamten die Collage bilden, oder induziert durch die Bewegung der Kamera. Zudem besteht die Möglichkeit bei Realfilmaufnahmen den Text im Nachhinein über die Bildebene zu legen und so eine Collage aus Bild und Schrift zu gestalten. Kapitel 5 Veränderungen durch Bewegung Mit der Integration des Faktors Zeit in die Gestaltung von Typografie erschloss sich den Designern eine neue Welt voll ungeahnter Möglichkeiten. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit den Veränderungen, die bewegte Schrift im Gegensatz zu statischer Typografie mit sich bringt. 5.1 Warum Bewegung Die drei wichtigsten Beweggründe für die Bewegung typografischer Zeichen liegen in der Erregung von Aufmerksamkeit, im Vermitteln zusätzlicher Informationen und in der Möglichkeit der Manipulation des Leseverhaltens. 5.1.1 Aufmerksamkeit erregen Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben erregt jede Bewegung in der Gesichtsfeldperipherie für gewöhnlich die Aufmerksamkeit des Betrachters. Die Erklärung dafür kann ein Relikt aus der Zeit sein, in der der Mensch noch in Höhlen lebte und das rechtzeitige Erkennen von Bewegung nicht selten über Leben und Tod entschied. Einerseits zeigte sich dies bei der Jagt, da der Erfolg wesentlich war um die eigene Familie ernähren zu können. Dabei war das rasche Ausmachen von potentieller Beute anhand deren Bewegungen ebenso bedeutend, wie das eigene, möglichst bewegungslose Verharren, um die Aufmerksamkeit des zu erlegenden Tieres nicht auf sich zu ziehen und es nicht in die Flucht zu schlagen. Andererseits war die Fähigkeit, gefährliche Lebewesen rechtzeitig zu erkennen, überlebenswichtig, da sich der Mensch dadurch in Sicherheit bringen oder verstecken konnte. Während Bewegungswahrnehmung im Tierreich immer noch vorrangig dieser Funktion des Jagens und Gejagt-werdens dient, hat sich die Bedeutung für den Menschen in viele Bereiche des Alltags verlagert. Zum einen spielt diese auch heute noch eine 38 KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 39 Rolle beim Erkennen von gefährlichen Objekten, wie z. B. herannahenden Autos, zum anderen wird im Informationsdesign gezielt damit gearbeitet. Aufmerksamkeitsgesetze Um die Aufmerksamkeit des Menschen zu erregen existieren nach Thomas Wirth, Professor für Digitale Medien an der Berufsakademie Mosbach, unter anderem folgende Gesetze [27]: • Intensitätsgesetz • Farbgesetze • Ausnahmegesetz • Dissonanzgesetz Da das Ziel vieler typografischer Animationen in der Verbreitung von Information liegt und dazu der Blick des Betrachters erst einmal angezogen werden muss, ist die Berücksichtigung dieser Gesetze für deren Gestaltung von großer Bedeutung. Das Intensitätsgesetz besagt, dass der Mensch bei gleichzeitiger Wahrnehmung eines intensiven und eines weniger intensiven Reizes in der Regel auf den intensiveren reagiert. Beispiele dafür sind die Reaktion auf Objekte mit folgenden Attributen: hoher vor geringer Kontrast, groß vor klein, komplex vor einfach und scharfe vor unscharfe Konturen. Nach Thomas Wirth gilt das Gesetz auch für den sprachlichen Ausdruck, also für die Beschreibung von Dingen, die eine Vorstellung beim Leser hervorruft. Die Intensität dieser Vorstellung entscheidet über die Reaktion des Betrachters, je intensiver sie ausfällt, desto interessanter und attraktiver ist das Wort oder der Ausdruck für die Aufmerksamkeit [27]. Weiters spielt die Intensität der Bewegung eine Rolle, da z. B. mit höherer Geschwindigkeit bewegte Objekte die Vigilanz eher erregen als langsame. Auch Farbe zieht die Blicke auf sich, da den Farbgesetzen nach die Aufmerksamkeitswirkung von Farben höher ist als von Grauwerten. Ebenso verhält es sich bei reinen Farben und Mischtönen, bei hoher und geringer Sättigung, bei bunt und monochrom, sowie bei warmen und kalten Farben. Die genannten Intensitäts- und Farbgesetze sind nur isoliert betrachtet uneingeschränkt gültig. Werden mehr als ein Gestaltungsmittel eingesetzt, wodurch mehrere Aufmerksamkeitsgesetze gleichzeitig wirken, so können sich die Einzelwirkungen addieren oder subtrahieren, aufheben oder sogar ins Gegenteil wenden. Sind z. B. fünf grau gefüllte Kreise zu sehen und wird einer davon mit stark gesättigter Farbe versehen, sein Durchmesser vergrößert und bewegt er sich dazu noch auf und ab, addieren sich die Wirkungen der einzelnen Hervorhebungsarten auf und er erregt ein größeres Maß an Aufmerksamkeit als ein zweiter Kreis, auf den nur eines der Gesetze zutrifft (siehe Abb. 5.1). KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 40 Abbildung 5.1: Addition der Aufmerksamkeitsgesetze: Der blaue Kreis erregt die Aufmerksamkeit des Betrachters am stärksten, da sich die Wirkungen der Hervorhebungen aufaddieren. An zweiter Stelle steht der Kreis, der sich durch seinen größeren Radius von den übrigen drei Kreisen abhebt. Das Ausnahmegesetz beschreibt ein sehr mächtiges Prinzip, das viele der zuvor genannten Gesetze außer Kraft setzen kann. Es besagt, dass Reize, die anders sind als die anderen in ihrer Umgebung, über den höchsten Aufmerksamkeitswert verfügen. Demnach fällt in einer Menge von grauen Punkten, wie bereits bei den Farbgesetzen besprochen, der blaue auf, aber auch umgekehrt ein grauer Punkt umgeben von blauen. Nach den Farbgesetzen müsste der Betrachter auf die blauen Punkte reagieren, durch das Ausnahmegesetz jedoch zieht der einzige graue Punkt die Aufmerksamkeit auf sich. Dasselbe gilt für Bewegungen. In einer bewegten Umgebung ist das Statische auffällig, selbst wenn Bewegung grundsätzlich die höchste Priorität für die menschliche Aufmerksamkeit besitzt. Beim Ausnahmegesetz handelt es sich nicht um absolute Größen oder Wirkungsverhältnisse, sondern sozusagen um Figur und Grund (siehe Abschnitt 3.3). Die menschliche Wahrnehmung funktioniert dabei nach der Regel Das Seltenere ist das Wichtigere“ [27]. ” Ein ähnliches Prinzip vertritt das Dissonanzgesetz, das darauf beruht, dass alles, was nicht der Erwartung des Menschen entspricht, dessen Aufmerksamkeit erregt. Dabei geht es mehr um Inhalte als um formale Reizmerkmale. Um Ressourcen zu sparen erwartet er, dass sich alles wie gewohnt verhält. Treffen die Hypothesen nicht ein, reagiert er mit Verwunderung und wird aufmerksam. Unerwartetes ist interessant und verfügt über einen hohen Aufmerksamkeitswert, es erzeugt eine Dissonanz und fordert das Gehirn dadurch heraus. Dissonante Informationen werden nicht mühelos verstanden und erfordern daher ein erhöhtes Maß an mentaler Anstrengung als das Alltägliche. Dadurch werden sie tiefer verarbeitet und besser erinnert [27]. Das Dissonanzgesetz funktioniert sowohl auf Bildebene als auch auf Sprachebene. Werbebanner Ein besonders prägnantes Beispiel für den Einsatz von bewegter Typografie mit der Absicht, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, bieten Werbebanner im Internet. Bei ausschließlicher Betrachtung von Websites, ohne Interaktion des Besuchers wie Klicken oder Scrollen, weisen diese mit KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 41 Ausnahme der Werbeflächen meist keine Bewegungen auf. Richtet der Betrachter seinen Blick auf eine beliebige Stelle der Website, so befindet sich die gesamte Darstellungsfläche des Computerbildschirms in seiner Gesichtsfeldperipherie. Wie in Kapitel 3 beschrieben, löst eine Bewegung in diesem Bereich eine Augenbewegung hin zum bewegten Objekt aus. Das bedeutet, egal an welcher Stelle der Website der Werbebanner platziert ist, er zieht in jedem Fall durch die Bewegung im sonst statischen Bereich den Blick des Betrachters auf sich. Hier kommt sozusagen das im vorangegangenen Abschnitt erwähnte Ausnahmegesetz zu tragen. Während der Großteil der Werbebanner die Bewegung als Aufmerksamkeitsfaktor einsetzen, weisen sie doch Unterschiede in der restlichen Gestaltung auf. Nicht selten meinen es die Gestalter von derartigen Werbeflächen zu gut und kombinieren so viele Hervorhebungsarten wie möglich, die zwar geradezu nach Aufmerksamkeit schreien“, aber keinen Hauch von Ästhetik mehr besitzen. ” Untertitel Neben der Nutzung von bewegter Schrift zur Erregung von Aufmerksamkeit wird Typografie im Bewegtbild auch so eingesetzt, dass die Bewegung lediglich im Ein- und Ausblenden der Buchstaben und Wörter besteht, wie es z. B. bei einigen Titelsequenzen und generell bei Untertiteln der Fall ist. Untertitel als Übersetzungsmittel können nach Henrik Gottlieb [9] definiert werden als Übertragung in eine andere Sprache von verbalen Nachrichten ” im filmischen Medium in Form ein- oder mehrzeiligen Schrifttextes, die auf der Leinwand erscheinen, und zwar gleichzeitig mit der originalen gesprochenen Nachricht.“ Demnach werden ein- oder mehrzeilige Texte für die Dauer des dazugehörigen, im Film dargestellten, Dialogs in das Filmbild integriert. Auch Inserts wie Zeitungsschlagzeilen und Verkehrsschilder, die von der Kamera erfasst werden, und Titel werden als Untertitel übersetzt. Untertitel ziehen bereits durch das plötzliche Einblenden des Textes in den Bildbereich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Dies ist vermutlich auf die in Kapitel 3 näher beschriebene Reaktion des Sehapparats auf Bewegungen in der Gesichtsfeldperipherie zurück zu führen. Üblicherweise sind Untertitel statische Texte, deren einzige Bewegung im Ein- und Ausblenden besteht. Aufgrund der zahlreichen Bewegungen im Filmbild selbst müsste der Blick des Betrachters jedoch rasch wieder weg von der unbewegten Schrift auf das Bildmaterial gelenkt werden. Allerdings werden in der synoptischen Wahrnehmung Schriftinformationen gegenüber den Bildinformationen favorisiert, sodass die Semantik der geschriebenen Verbalisation die Bildsemantik überlagert und eine bedeutungsstrukturierende Funktion übernimmt. Besonders KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 42 im Film als dominant bildgestütztes Medium erregt Schrift als fremde Medientechnologie ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit beim Betrachter [20]. Schrift zieht somit bereits in unbewegtem Zustand den Blick des Zusehers auf sich. Warum werden Untertitel im Film nicht in bewegter Form z. B. als Laufschriften dargestellt, wenn sie dadurch noch mehr Aufmerksamkeit erregen könnten als in statischer Form? Ein Grund dafür kann sein, dass Untertitel selbst als unbewegter Text bereits ausreichend Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dabei spielt vermutlich der Kontrast im Gesamtbild eine große Rolle. Dieser entsteht bei Untertiteln nicht nur durch die Gestaltung als meist helle Schrift mit dunkler Umrandung oder Schlagschatten, sondern überdies durch die Unbewegtheit der typografischen Zeichen im Vergleich zum Bildmaterial. Befände sich die Schrift zudem ständig in Bewegung, würde sie den Blick des Betrachters nicht nur auf sich lenken, sondern fesseln. Infolge dessen wäre das Verfolgen der filmischen Handlung durch Betrachten der Bildinformationen nicht mehr möglich, da sich der Großteil der Aufmerksamkeit auf das geschriebene Wort konzentrieren würde. Außerdem besteht die Gefahr, dass ein Übermaß an Bewegung Unruhe vermittelt und dadurch das ungestörte Betrachten des Filmes beeinträchtigt. Weiters könnten Untertitel als Crawler nur einzeilig dargestellt werden und würden das Leseverhalten stark beeinflussen (mehr dazu in Abschnitt 5.1.3). Ein weiterer Grund für die unbewegte Form der Untertitel kann in der genauen zeitlichen Platzierung des Textes zum filmischen Dialog liegen. Wären diese als Laufschriften umgesetzt, so müsste in vielen Fällen die Laufgeschwindigkeit, die für gewöhnlich gleichmäßig ist, ständig an den Textumfang angepasst werden. Da zweizeilige Texte in Laufschriften nicht zielführend umgesetzt werden können, liegt in der Variation der Laufgeschwindigkeit die einzige Möglichkeit ein sich ständig änderndes Maß an schriftlicher Information passend zum Bildmaterial darzubieten. 5.1.2 Zusätzliche Information vermitteln Das Vermitteln zusätzlicher Information durch bewegte Schrift kann auf zwei Arten erfolgen, entweder durch zeitversetztes Darbieten unterschiedlicher Wörter im selben Darstellungsbereich, oder durch Inszenierung der typografischen Zeichen. Platz sparen Im Printbereich hat der Leser gewisse Erwartungen an den Text [3]: • beständige Abfolge von Wörtern • feste Seitenfolge • tragbar KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 43 • körperliche Existenz • von Dauer Im Bewegtbild wird keine dieser Erwartungen erfüllt. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen in den beiden Bereichen, die bei typografischen Animationen in der Unterhaltungskategorie eher denen an einen Film gleichen, stellt dies jedoch kein Problem dar. Da es sich bei gedrucktem Text um eine zeitunabhängige Kommunikationsform handelt, bleibt die Rolle der Zeit in den Händen des Lesers. Für die Designer von bewegter Typografie stellt der Faktor Zeit ein Gestaltungsmittel dar, das es ermöglicht im begrenzten Darstellungsbereich ein ungleich höheres Maß an Schrift darzubieten als auf einem Blatt Papier mit denselben Abmessungen im Printbereich. Dies kann einerseits im Ein- und Ausblenden von typografischem Material umgesetzt werden und andererseits durch Rolltexte. Bei der zweiten Möglichkeit handelt es sich um Typokinetogramme (siehe Abschnitt 4.5.1), die eingesetzt werden, wenn ein zusammenhängender Text als zu lang empfunden wird und dennoch in angemessener Schriftgröße gezeigt werden soll. Unterschieden wird dabei im zweidimensionalen Raum zwischen horizontaler und vertikaler Translation des typografischen Materials durch den Bildbereich. Die horizontal bewegten Texte werden auch Crawl-Texte, Crawler oder Kriechtexte genannt, während vertikal translierte Schrift als Rolltext, Rolltitel oder Roller bezeichnet wird. Das wohl berühmteste Beispiel für einen solchen Rolltitel bildet der Eröffnungstext von George Lucas in Star Wars, der dem Publikum am Beginn die nötige Hintergrundinformation liefert. Eine weitere Option, mehr schriftliche Information im Darstellungsbereich unterzubringen, bietet die Kamerabewegung. Durch Kameraschwenks und -fahrten wird es sowohl im zweidimensionalen, besonders wirkungsvoll jedoch im dreidimensionalen Raum möglich, ein großes Areal voll typografischer Information auf der beschränkten Darstellungsfläche darzubieten. Informationsvisualisierung Durch den zeitlichen Faktor und die Bewegungsmöglichkeiten lassen sich typografische Zeichen beliebig in Szene setzen. Nicht nur verschiedene Stimmungen, sondern auch Charaktereigenschaften können so transportiert werden. Neben den Optionen für statische Typografie, die in Abschnitt 4.2.2 näher beschrieben sind, erschließen sich durch die Bewegung der einzelnen Zeichen neue Optionen zur Vermittlung von Emotionen. So können Schrift z. B. menschliche Züge verliehen und dadurch verschiedene Charaktere geschaffen werden. Spielt Narration in der typografischen Animation eine Rolle, so können durch die Bewegung Informationen vermittelt werden, die sonst durch reinen Text, also durch die Semantik des Textes, beschrieben werden müssten. Durch bewegte Typografie wird die Möglichkeit geschaffen, zwei grund- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 44 Abbildung 5.2: The Child (1999), Regie: Antoine Bardou-Jacquet, Interpret: Alex Gopher. legende Gestaltungselemente, und zwar Bild und Schrift, auf interessante Weise zu kombinieren. Wie die bekannte Redensart Ein Bild sagt mehr als ” 1000 Worte.“ andeutet, können mit Hilfe eines Bildes Informationen dargestellt werden, deren textuelle Erklärung sehr viele Wörter umfassen würde. Andererseits ruft ein und dasselbe Wort bei verschiedenen Betrachtern die Vorstellung unterschiedlicher Bilder hervor. Wird das Wort zum formalen Inhalt des Bildes, entsteht die interessante Kombination. Während die Handlung und die grobe Struktur des Bildmaterials mitsamt der Stimmung und den Emotionen durch den Designer vorgegeben sind, hat der lesende Betrachter die Möglichkeit, über die Details der Wahrnehmung selbst zu entscheiden. Die typografische Animation ist dabei, ähnlich wie die Verfilmung eines Buches, die bildhafte Darstellung eines Textes mit der Besonderheit, dass die gestalterischen Details der Fantasie des Betrachters überlassen sind. In dem Musikvideo zu Alex Gopher’s The Child, in dem Regisseur Antoine Bardou-Jacquet eine ganze Stadt ausschließlich aus Buchstaben erstellen ließ, werden die beiden Hauptfiguren aus Wörtern gebildet, die deren Eigenschaften und Zustände beschreiben. So besteht die Frau aus den Wörtern brown hair, pretty face, woman, pregnant, red dress und sneakers, wodurch der der englischen Sprache mächtige Zuseher weiß, dass es sich um eine braunhaarige, schwangere Frau mit hübschem Gesicht handelt, die ein rotes Kleid und Turnschuhe trägt (siehe Abb. 5.2). Die wichtigste Information, nämlich der Zustand schwanger ist durch fette Schrift hervorgehoben und pulsiert. Zwar ist dies schon eine relativ genaue Beschreibung, dennoch bleiben viele Details dem Betrachter überlassen, wie z. B. der Haarschnitt, die Farbe der Turnschuhe, die Körpergröße, die Augenfarbe und ob das Kleid ärmellos ist oder einen tiefen Ausschnitt aufweist. 5.1.3 Leseverhalten beeinflussen Bereits statische Typografie sorgt für Bewegung, indem der Blick beim Lesevorgang entlang der Schrift wandern muss, um das nächste Wort erfassen zu können. Während die Leserichtung von der verwendeten Sprache abhängt, ist allen Kulturen gemeinsam, dass das Auge durch das geschriebene Wort in rhythmische Bewegung versetzt wird. Der Leserhythmus wird dabei großteils KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 45 von den verwendeten Satzzeichen geprägt. In Zeitschriften wird der Blick des Lesers nicht nur durch die Leserichtung und den Rhythmus gelenkt, sondern maßgeblich durch die Verwendung von größeren Schriften als Schlagzeilen und den Einsatz von Auszeichnungen, die dem Querlesen dienen. Während die Augenbewegung durch typografische Gestaltung gelenkt werden kann, besteht im Printdesign keinerlei Möglichkeit, den zeitlichen Faktor zu beeinflussen. Das Tempo, mit dem der Leser ein Buch oder einen Artikel liest, liegt allein im Ermessen der lesenden Person. Im Unterschied zu den Printmedien bietet die bewegte Schrift die Chance, die Lesegeschwindigkeit zu manipulieren. Im zeitbasierten Medium ist der Betrachter so lange dem Text ausgesetzt, wie es der Designer vorbestimmt hat. Mit Ausnahme des Schließens der Augen und des Beendens der Animation hat der Leser kaum eine Möglichkeit sich der Worte zu entziehen. Da diese beiden Optionen in den Printmedien ähnlich gegeben sind (Augen schließen, Buch / Zeitschrift zuschlagen und zur Seite legen) können sie im Vergleich der beiden Medien vernachlässigt werden. Titelkarten und Untertitel Die einfachste Art, die Lesegeschwindigkeit zu steuern, findet sich bereits im Stummfilm in Form der Titelkarten. Da sich die Wahrnehmung der Schrift im Bewegtbild über die beiden Variablen Verweildauer und Lesesteuerung bestimmt [20] und beim statischen Text der Titelkarten keine Veränderung oder Animation der Schrift passiert, kann die Manipulation des Leseverhaltens lediglich über die Verweildauer erfolgen. Diese Variable ermöglicht es dem Gestalter, den Lesevorgang auf die vorgegebene Zeit zu begrenzen. Eine erweiterte Form der Titelkarten stellt der Einsatz von Untertiteln zur Übersetzung z. B. filmischer Dialoge dar (siehe Abschnitt 5.1.1). Ähnlich wie bei Titelkarten können auch bei Untertiteln die Zuseher nicht über ihren eigenen Leserhythmus entscheiden, sie müssen sich darauf verlassen, dass der Untertiteler diese Arbeit für sie passend erledigt. Wichtig dabei ist, dass das Publikum nicht nur in der Lage ist, die Untertitel zu lesen, sondern zudem den Film genießen kann. Um zu gewährleisten, dass die Zuseher die Gesichtsausdrücke und Bewegungen auf der Leinwand erfassen können, sollte die Zeit für das lesefreie Betrachten der Bilder in etwa der Lesezeit entsprechen. Für diese gilt ein normierter Richtwert von zehn Buchstaben pro Sekunde, bei dessen Einhaltung die meisten Zuseher in der Lage sind, eine Balance zwischen dem Betrachten des Bildmaterials und dem Lesen der Untertitel zu halten. Grundsätzlich ist das Ziel des Untertitelers die gesprochenen Worte in literarischer Form darzustellen, und zwar synchron mit dem filmischen Dialog. Dazu wird nicht selten der Textumfang auf die wesentlichen Informationen reduziert. Um nicht gegen den Rhythmus des Originals zu arbeiten und dadurch den Wahrnehmungsprozess zu verzögern erfordert die Platzierung der Untertitel neben der Synchronizität mit den KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 46 hörbaren Signalen auch eine solche mit den sichtbaren Signalen des Films. Oft werden Schnitte auch auf Kosten der Lesezeit respektiert, das bedeutet ein Untertitel wird ausgeblendet wenn der filmische Dialog durch einen Schnitt beendet wird, selbst wenn die Verweildauer viel zu kurz war, um den Text mit durchschnittlicher Lesegeschwindigkeit zu erfassen. In der Filmindustrie wird offensichtlich mehr Wert auf Ästhetik gelegt, als auf die Lesezeit von Untertiteln [9]. Durch die Fähigkeit im Bewegtbild zu bestimmen, wann der Zuseher welche Buchstaben zu Gesicht bekommt, ist dem Designer stets bekannt, welche Information der Leser zu jedem Zeitpunkt der Animation bereits erhalten hat. Im Gegensatz zu statischem Text ist der Wissensstand bei jedem Zuseher gleich, solange die Geschwindigkeit so gewählt wird, dass auch langsamere Leser die Informationen aufnehmen können. Während sich schnelle Leser bei ruhendem Text in derselben Zeit ein größeres Maß an Wissen aneignen können als solche mit durchschnittlicher Geschwindigkeit, ist es ihnen bei bewegter Typografie nicht möglich schneller zu Lesen als die Wörter dargeboten werden. Besonders bei Untertiteln spielt dies eine wesentliche Rolle. Wird innerhalb eines Dialoges oder sogar innerhalb eines einzelnen Satzes eine Sprechpause getätigt, die der dramatischen Dynamik einer Sequenz dient, würden zu früh eingeblendete Satzteile diese Dynamik zerstören. Der Zuseher würde die Sprechpause mit hoher Wahrscheinlichkeit überlesen und die folgenden Informationen zu bald erhalten. Laufschriften Eine im Alltag häufig anzutreffende Anwendung dieses Vorteils sind Laufschriften. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen die Informationsleisten im Bereich Leuchtreklame und die Werbebanner im Internet. Bei dieser Form der bewegten Typografie werden mehrere Wörter oder Sätze, meist mit Informationsgehalt, auf einer einzeiligen Werbefläche dargeboten. Da sich in einer statischen Zeile nicht ausreichend Text platzieren lässt, wird die Schrift horizontal mit gleich bleibender Geschwindigkeit bewegt. Im Europäischen Raum erscheinen die Buchstaben am rechten Rand der Werbefläche und laufen dann nach links bis sie am gegenüberliegenden Rand wieder verschwinden. Würde sich die Schrift von links nach rechts, also in Leserichtung, bewegen, würden die Wörter vor dem Betrachter davonlaufen. Um dies zu vermeiden werden Laufschriften immer gegen die Leserichtung transliert. Der Vorteil dieser Textanimation liegt nicht nur in der Beeinflussbarkeit der Lesegeschwindigkeit, sondern auch in der Platzersparnis. Auf der Anzeigetafel oder dem Werbebanner kann durch die Laufschrift wesentlich mehr Information dargeboten werden, als bei der Verwendung von statischem Text. Um zu gewährleisten, dass alle Betrachter die gesamte Information erhalten, wird bei Laufschriften nach Ende eines Durchgangs der gezeigte Text in einer Endlosschleife wiederholt. Gekennzeichnet ist dieses Ende bei Leucht- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 47 reklamen oft durch Leerraum und auffällige Zeichen wie z. B. Sterne oder Punkte. Im Broadcast-Bereich finden Laufschriften Anwendung als Crawler, auch Kriechtitel genannt. Dabei wird Informationstext meist am unteren Rand des Fernsehbildes eingeblendet, der sich horizontal, entgegen der Leserichtung, über den Bildschirm bewegt. Häufig eingesetzt werden Kriechtitel bei Nachrichtensendern um während des laufenden Programmes aktuelle Nachrichten in das Bild zu integrieren. Handelt es sich bei dem eingeblendeten Text um besonders wichtige Informationen, so werden diese Kriechtitel auf mehreren Sendern gleichzeitig in die planmäßigen Sendungen eingebunden, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Weiters werden Laufschriften für Aktienkurse, Eigenwerbungen für nachfolgende Sendungen oder für Hinweise auf Programmänderungen verwendet und nicht selten wird auch der Abspann einer Sendung auf diese Weise umgesetzt. Im Grunde basiert das Konzept der Kriechtitel auf der in Kapitel 3 beschriebenen Leistung des Sehapparats, auf Bewegungen innerhalb der Gesichtsfeldperipherie mit einer Augenbewegung hin zum bewegten Objekt zu reagieren. Mit dem Durchlaufen des Bildes zieht der Informationstext die Blicke der Zuseher auf sich und erzielt dadurch den gewünschten Effekt, er wird gelesen. Aufgrund des beim Lesen von statischem Text erlernten Verhaltens, den Blick in Leserichtung wandern zu lassen, um die Worte zu erfassen, müsste auch bei den als Laufschrift verwendeten Sätzen eine derartige horizontale Augenbewegung ausgelöst werden. Sofern die Laufgeschwindigkeit passend gewählt wird, simuliert die Translation der Buchstaben gegen die Leserichtung die erwartete Augenbewegung und der Blick des Lesers bleibt annähernd statisch. Laufen die Wörter zu langsam am Auge des Betrachters vorbei, so wird dieser versuchen, die Geschwindigkeit seinem Lesetempo anzupassen, indem er zusätzlich eine Augenbewegung in Leserichtung durchführt. Durch die horizontale Beschränkung der Laufschrift wird genau bei solchen schnelleren Lesern die Lesegeschwindigkeit gedämpft. Schreibmaschinenstil Eine weitere Möglichkeit, die Lesegeschwindigkeit des Betrachters durch bewegte Schrift zu beeinflussen, bietet die Animation des Textes im Schreibmaschinenstil. Dabei werden die Wörter buchstabenweise in unterschiedlichem Tempo dargeboten, sodass der Eindruck entsteht, sie würden von Menschenhand getippt. Im Gegensatz zur Laufschrift wird hier jeder bereits geschriebene Buchstabe fixiert, während die Animation lediglich aus dem Erscheinen neuer Zeichen besteht. Wie bereits in Kapitel 3 beschrieben zieht die Bewegung eines Objektes den Blick des Beobachters auf sich, welcher ihm daraufhin folgt, solange die Bewegung ungestört fortgesetzt wird. Bei der schreibmaschinartigen Animation konzentriert sich die Bewegung auf das Textende und lenkt den Blick des Betrachters, wodurch eine ste- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 48 tige Augenbewegung in Leserichtung passiert. Erschienen die Buchstaben nicht in, sondern gegen die Leserichtung, so würde der Blick des Lesers zwar ebenso der Bewegung folgen, nach jedem abgeschlossenen Wort jedoch kurz anhalten, in Leserichtung wandern um eben dieses Wort zu lesen und dann die Verfolgung der Bewegung wieder aufnehmen. Aufgrund der gewohnten Leserichtung wäre der Betrachter versucht, nach Darbietung des vollständigen Satzes, diesen als Gesamtheit in die erlernte Richtung zu lesen. Für den Betrachter würde dieser Vorgang einen dauernden sprunghaften Richtungswechsel der Augenbewegung bedeuten, was zum Textverständnis vor allem ein erhöhtes Maß an Konzentration erfordert. Die Animation des Textes im Schreibmaschinenstil findet häufig Anwendung als Inserts in Serien und Filmen, die Auskunft über den Ort und die Zeit geben, in der sich die darauffolgende Szene abspielt. Oft wird dafür eine Schriftart gewählt, die den Schreibmaschinenstil unterstützt und passende Assoziationen zulässt. Dies sind vorwiegend dicktengleiche Schriften, auch Monospaced Fonts oder Nichtproportionale Schriften genannt, bei denen jedes Zeichen die gleiche Dickte bzw. die gleiche Schriftzeichenbreite aufweist, z. B. Courier, Letter Gothic, Lucida Sans Typewriter und Orator. Besonders wirkungsvoll um die Lesegeschwindigkeit zu beeinflussen ist das Einblenden einzelner Wörter, die aneinander gereiht einen gesamten Satz ergeben. Durch die Anwendung verschiedener Effekte auf ausgewählte Wörter können solche passend in Szene gesetzt werden. In diesem Animationsstil kann der Vorteil der Laufschrift als platzsparende Informationsdarbietung mit dem des Schreibmaschinenstils als Manipulationsmöglichkeit der Augenbewegung vereint werden. Die einfachste Anwendung ist die Adaption des Schreibmaschinenstils, indem ein Satz horizontal in Leserichtung Wort für Wort eingeblendet wird. Interessante Möglichkeiten ergeben sich, wenn die Wörter nicht wie im Printbereich aneinander gereiht werden, sondern deren Position unvorhersehbar variiert oder gleich bleibt. Dabei können sie beispielsweise platzsparend auf annähernd derselben Stelle zeitlich versetzt eingeblendet werden und so einen Satz bilden. Wie lange die einzelnen Worte am Bildschirm verweilen, bevor sie vom folgenden abgelöst oder überdeckt werden, bestimmt der Designer, der damit die Lesegeschwindigkeit steuert. Eine weitere Möglichkeit bietet die Verteilung der Buchstabengruppen über verschiedene Bereiche des gesamten Bildes. Sobald die Verweildauer des aktuellen Wortes erreicht ist, erscheint an einer beliebigen Stelle das im Satz folgende. Unabhängig davon, ob die bereits eingeblendeten Satzteile weiter bestehen bleiben oder nach ihrem Auftritt wieder verschwinden, erfasst das menschliche Gehirn zwei kurz nacheinander eingeblendete Worte als zusammengehörig. Grund dafür kann das in Abschnitt 3.3.1 erwähnte Gesetz der Nähe sein, das besagt, dass Elemente mit geringen Abständen zueinander als zusammengehörig wahrgenommen werden. Zwar handelt es sich bei diesem von Max Wertheimer um 1923 festgelegten Gestaltgesetz um die räumliche Nähe, adaptiert man dieses jedoch auf den zeitlichen Be- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 49 reich, kann man sagen, dass Elemente mit geringen zeitlichen Abständen zueinander als zusammengehörig wahrgenommen werden. Eine weitere Erklärung für diese Wahrnehmung mag das im Printbereich erlernte Wissen des Lesers sein, dass Worte meist Teil eines Satzes sind. Der Betrachter weiß also, dass ein Wort selten alleine steht und versucht deshalb, in Kombination mit den kurz zuvor oder danach eingeblendeten Wörtern, einen Satz zu bilden. Durch die unterschiedlichen Positionen der aufeinanderfolgenden Worte kann die Augenbewegung des Lesers kreuz und quer über den Bildbereich gesteuert werden. 5.2 Gestaltungsregeln Für typografische Gestaltung in Printmedien existieren zahlreiche Regelwerke. Durch die Integration der Zeit als vierte Dimension1 in die Arbeit mit Typografie, müssen einige dieser Richtlinien überdacht werden. Welche der Regeln aus dem Printbereich auch für Schrift im Bewegtbild zutreffen können und welche einer Überarbeitung bedürfen wird in diesem Abschnitt erarbeitet. Dabei wird klar unterschieden zwischen dem Bereich Screen-Design, der grundsätzlich statische Typografie am Bildschirm dargestellt betrifft, und Schrift im Bewegtbild. Abbildung 5.3 zeigt eine Übersicht der Gestaltungsregeln für statische und bewegte Typografie. 5.2.1 Statische Typografie Die im Folgenden aufgelisteten Gestaltungsgrundsätze betreffen den Bereich Makrotypografie, also das Gesamtkonzept, und stellen großteils eine abgewandelte Form der schwarzen Liste von Claudia Runk [18] dar. Vorbereitung Vor der Gestaltung des Druckerzeugnisses mittels geeigneter Software ist es hilfreich eine Handskizze auf Papier anzufertigen, in der der Designer eine grobe Raumaufteilung vornimmt. Früher unerlässlich war die von Hand gezeichnete Feinskizze, die heute kaum noch zum Einsatz kommt. Dabei wurden bereits die richtigen Schriften, Textlängen, Zeilenabstände, Linien und Bildmotive berücksichtigt und eingebaut. Randbereiche Im Printbereich beinhaltet das Seitenlayout nicht nur Texte, Bilder, Linien und schmückende Elemente, sondern für gewöhnlich auch einen Rand unterschiedlicher Breite, der eben diese Seitenelemente umgibt. Grund dafür ist 1 als dritte Dimension können im Printbereich bei mehrseitigen Werken die Seiten gesehen werden KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG Abbildung 5.3: Übersicht der Gestaltungsregeln für statische und bewegte Typografie. 50 KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 51 einerseits der Beschnitt, der zwischen einem und fünf Millimetern liegt und fallweise zum Anschneiden des Textes führen könnte wenn die Seite keinen Rand aufweist. Andererseits ermöglicht ein wohl proportionierter Randbereich eine erhöhte Lesefreundlichkeit des Textes und sorgt für ein ästhetisches Gesamtbild. Zur Berechnung der Randproportionen werden mathematische Verhältnisse, wie z. B. der goldene Schnitt, verwendet [22]. Weiße Löcher und zu viel Weite Ein Weißraum an der falschen Stelle dient nicht der Auflockerung, sondern hinterlässt ein optisches Loch im Gesamtwerk. Vorsichtig eingesetzt werden sollen Tabulatorsprünge, Einzüge, Spalten- und Zeilenabstände. Werden sie zu groß gewählt, so wirken die Texte als fielen sie dadurch auseinander und verlieren ihren Zusammenhalt. Gliederungen Bei der Gestaltung im Printbereich ist es von Bedeutung darauf zu achten, die Seite nicht vollständig mit Elementen zu befüllen. Durch ein Übermaß an verschiedenen Objekten kann das Gesamtbild schnell überladen wirken. Um zur Geltung zu kommen benötigen Bilder sowie Texte Luft zum Atmen“. ” Um Gedränge und Einheitsbrei zu vermeiden helfen deutliche Abstände zwischen den Texten. Diese gliedern das Druckerzeugnis und unterstützen den Leser beim Bewahren des Überblicks. Auch durch setzen von Kontrasten, z. B. durch verschiedene Schriftgrößen oder Zwischenüberschriften, kann das Druckerzeugnis gegliedert werden. Spaltenabstand Zu geringer Spaltenabstand bewirkt, dass dieser übersehen wird und der Blick des Lesers die Zeile horizontal weiterverfolgt, anstatt in die nächste Zeile der aktuellen Spalte zu springen. Bei zu groß gewähltem Abstand wirken die Spalten nicht mehr zusammengehörig. Schmückende Elemente Werden zu viele Linien, Kästen und andere schmückende Elemente eingesetzt, so wird das Gesamtbild unübersichtlich und die Seite wirkt je nach Art des Elements steif oder überladen. Auch mit dem Rotieren von Textblöcken sollte sparsam umgegangen werden. Gleichmäßige Abstände Bei wiederkehrenden Elementen soll auf gleichmäßige Abstände geachtet werden, beispielsweise zwischen Bild und Bildunterschrift oder zwischen den Bildern oder Textblöcken untereinander. KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 52 Linien und Achsen Durch den Einsatz von Linien und Achsen erhält das Auge des Betrachters die Möglichkeit, sich zu orientieren. Fehlen diese, so entsteht rasch eine unübersichtliche Mischung aus Text und anderen Elementen. Unterschiedliche Schriftgrößen und Schriftarten Werden in einem Druckwerk zu viele verschiedene Schriftgrößen eingesetzt, wirkt dies unruhig und unübersichtlich. Die empfohlene Anzahl liegt bei zwei bist drei Schriftgrößen. Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von unterschiedlichen Schriftarten. Meist reichen ein oder zwei verschiedene Schriftarten völlig aus, mehr als drei sollten auch hiervon nicht verwendet werden. Schriftmischung Beim Mischen von verschiedenen Schriftarten spielt der Schriftcharakter eine wichtige Rolle. Die zu mischenden Schriften sollten einerseits nicht zu ähnlich sein, andererseits jedoch einen ähnlichen Charakter aufweisen. Der sicherste Weg ist die Mischung innerhalb einer Schriftfamilie, wobei hier ebenfalls darauf zu achten ist, dass sich die Schnitte nicht zu sehr ähneln. Außerdem sind Schriften mischbar, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Struktur z. B. in ihrer Strichstärke aufweisen. Auf das Mischen von Schriften mit großen Unterschieden in den Mittellängen sollte verzichtet werden. Auszeichnungen Optische Auszeichnungen, dazu zählen halbfette und fette Schriften, Sperrungen und Unterstreichungen sowie farbiger Text, sollen nur äußerst sparsam und sehr gezielt eingesetzt werden. Besonders das Sperren von Text soll grundsätzlich vermieden werden, da es den Lesefluss erheblich stört. Für die optische Hervorhebung wichtiger Textpassagen empfehlen sich ästhetische Auszeichnungen, zu denen der kursive Schnitt, Kapitälchen und Versalien gehören. Versaltext ist jedoch ebenfalls schwer lesbar und sollte daher nur im Ausnahmefall verwendet werden. Um eine bessere Lesbarkeit zu erreichen hilft es, den Text leicht zu sperren. In keinem Fall in Versalbuchstaben gesetzt werden sollten Schreibschriften oder gebrochene Schriften. Laufweiten Ein optimaler Abstand zwischen den Buchstaben fördert die Lesbarkeit. Wird dieser Zeichenabstand zu klein gewählt, lässt dies die beiden Zeichen optisch miteinander verschmelzen. Zu große Abstände hingegen zerreißen die Wörter und hindern den Leser beim Erkennen der Sakkaden. Zudem geht dabei der Grauwert verloren. Als optimaler Wert gilt für serifenlose Schriften die Stärke eines Grundstrichs und für Serifenschriften der Buchstabeninnenraum des n“. ” KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 53 Zeilen Bei der Wahl der Zeilenlänge ist es wichtig, diese nicht zu groß zu wählen, denn bei zu langen Zeilen verliert sich das Auge des Lesers beim Sprung in die nächste Zeile schnell und rutscht in die falsche. Neben den Laufweiten, also den horizontalen Abständen zwischen den Zeichen, sind auch die vertikalen Leerräume, also die Zeilenabstände, bedeutend. Durch einen zu großen Zeilenabstand fällt der Textblock auseinander. Als optimaler Wert in einer Grundschriftgröße gilt 120 Prozent. Einzeln stehende Zeilen am Spaltenanfang oder -ende bzw. am Seitenanfang oder -ende sind zu vermeiden. Mindestens zwei bis drei Zeilen sollten immer zusammengehalten werden. Trennungen Die Anzahl der untereinander liegenden Trennungen sollte zwei oder drei nicht überschreiten. Dies lässt sich entweder in den Programmen begrenzen oder man verzichtet auf automatische Silbentrennung und führt die Trennung manuell durch. Ausrichtungen Die Ausrichtungsarten Mittelachse und rechtsbündig lassen sich aufgrund der fehlenden linken Achse nur schwer lesen. Sie eignen sich eher für Texte, die aus wenigen Zeilen bestehen, wie Einladungen, Gedichte und Zitate. Der sparsame und gezielte Einsatz steht bei diesen Ausrichtungen im Vordergrund. Der Blocksatz hingegen eignet sich hervorragend für lange Texte, speziell bei schmalen Spalten kann ein Flattersatz jedoch sehr viel schöner wirken. In einem Druckwerk sollten insgesamt maximal zwei Ausrichtungsarten miteinander gemischt werden. Verzerren Das Verzerren von Schriften soll grundsätzlich unterlassen werden. Gezielt eingesetzt sollten Schriften auch in Ausnahmefällen nur bis maximal 20 Prozent verzerrt werden. Linienstärken Da die Standardstärke von einem Punkt für die meisten Einsätze von Linien zu dick ist, ist es ratsam die Linienstärke an die Schriftart sowie die Schriftgröße anzupassen. Spielereien Auch wenn die meisten Programme eine Vielzahl an Effekten für Schriftgestaltung zu bieten haben, trägt das meiste davon leider nicht zur typogra- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 54 fischen Aufwertung bei. Besonders bei kleinen Schriftgraden und AntiquaSchriften sollten Effekte wie Schatten, Outlines, Tranzparenzen oder Farbverläufe äußerst sparsam eingesetzt werden. 5.2.2 Bewegte Schrift Typografie im Printbereich ist grundsätzlich räumlich begrenzt auf die Größe der Seite. Zwar besteht in mehrseitigen Druckwerken die Option, auf der folgenden Seite mit dem Text fortzufahren, innerhalb einer Seite müssen dennoch die räumlichen Grenzen eingehalten werden. Durch Hinzuziehen des zeitlichen Faktors wird dieser Raum für bewegte Schrift stark vergrößert. Besonders die Regeln, die sich mit diesen räumlichen Grenzen beschäftigen, müssen im Bewegtbild überdacht werden. Vorbereitung Um den Ablauf einer Typografie-Animation zu planen, empfehlen sich die im Film üblichen Vorarbeiten, wie Exposée, Treatment, Drehbuch und Storyboard. Selbst wenn es sich um kurze Animationen handelt, ist zumindest die Anfertigung eines Storyboards ratsam, um den zeitlichen Ablauf schriftlich festzuhalten. Zudem können auf diesem Weg unter anderem Kameraeinstellungen und Bewegungen skizziert werden, was dem Designer hilft, ein genaues Konzept seiner Idee zu erstellen. Ein gutes Konzept nimmt zwar etwas Zeit in Anspruch, unterstützt jedoch später bei einer raschen Umsetzung. Randbereiche Im Broadcast-Bereich nimmt das Fernsehbild je nach Ausgabegerät eine unterschiedlich große Fläche des gesamten Bildes ein, folglich werden fallweise die Ränder abgeschnitten. Es ist ratsam diese Einschränkung des Darstellungsraumes bereits bei der Konzeption, auf jeden Fall jedoch beim Platzieren und Bewegen von Schrift, zu berücksichtigen. Den Darstellungsbereich betreffend existieren zwei Beschränkungen, eine auf den Title-Safe-Bereich und eine auf den Action-Safe-Bereich. Genauere Ausführungen dazu sind in Abschnitt 5.3.5 zu finden. Weiße Löcher und zu viel Weite Das Problem, welches bei statischer Typografie durch zu groß gewählte Tabulatorsprünge, Einzüge, Spalten- und Zeilenabstände entsteht, ist im Bewegtbild vernachlässigbar, sofern der Text nicht auf einmal, sondern zeitlich versetzt, Wort für Wort dargestellt wird. Werden die zeitlichen Abstände eher gering gewählt, ist es dem Menschen möglich, die Wörter aufgrund ihrer zeitlichen Nähe als zusammengehörig wahrzunehmen (vgl. hierzu Abschnitt 5.1.3). KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 55 Gliederungen Wie im Printbereich ist es auch im Bereich bewegter Typografie wichtig, den einzelnen Elementen genügend Freiraum zu geben, damit diese zur Geltung kommen. Zusätzlich zu den Gliederungsmöglichkeiten im statischen Bereich, wie deutliche Abstände oder Kontraste setzen, hat der Designer im Bewegtbild die Option, den Text in zeitliche Abschnitte zu unterteilen. Dadurch wird es möglich, eine größere Menge an geschriebenen Worten auf derselben Fläche unterzubringen ohne den Darstellungsbereich zu überladen. Spaltenabstand Spalten werden für statische Typografie wesentlich häufiger verwendet als im Bewegtbild. Kommen sie dennoch zum Einsatz, sollte der Spaltenabstand wie im Printbereich zwar grundsätzlich passend gewählt werden, die Gefahr des horizontalen Weiterlesens bei zu schmalen Abständen zwischen den Spalten kann jedoch durch Bewegung kompensiert werden. Hierzu kann das Leseverhalten z. B. durch buchstaben- oder wortweises Einblenden des Textes, wie in Abschnitt 5.1.3 beschrieben, gesteuert werden. Das Problem der verlorenen Zusammengehörigkeit bei zu großem Spaltenabstand lässt sich durch zeitliche Nähe lösen. Schmückende Elemente Da bewegte Typografie häufig einen narrativen Zweck verfolgt, muss mit schmückenden Elementen nicht grundsätzlich gespart werden. Ihr Einsatz soll gut durchdacht und in die Animation passend sein. Gleichmäßige Abstände Bei bewegter Schrift ist es nicht notwendig auf gleichmäßige Abstände bei wiederkehrenden Elementen zu achten, da sich deren Positionen, und damit auch ihre Abstände zu einander, durch die Bewegung ständig ändern können. Linien und Achsen Linien und Achsen sind auch im Bewegtbild von enormer Bedeutung. Während sie im Printbereich eingesetzt werden, um dem Leser die Orientierung innerhalb einer Seite zu erleichtern, helfen sie besonders bei dreidimensionalen Textanimationen, um dem Betrachter die Tiefe des Raumes näher zu bringen und um sich im dreidimensionalen Raum orientieren zu können. Unterschiedliche Schriftgrößen und Schriftarten Die für statische Typografie empfohlene Grenze von zwei bis drei Schriftgrößen je Druckwerk ist für bewegte Schrift nicht von Bedeutung. Durch Skalie- KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 56 rung der Buchstaben oder Translation entlang der z-Achse bei dreidimensionalen Animationen ändert sich die Größe der einzelnen Buchstaben mit der Bewegung. Während im Printbereich mehr als drei verwendete Schriftgrößen unruhig wirken und deshalb vermieden werden sollen, ist diese entstehende Unruhe“ in Form von Bewegung ein wichtiges Merkmal typografischer Ani” mationen. Für manche Einsatzgebiete sollte die empfohlene Anzahl unterschiedlicher Schriftgrößen dennoch eingehalten werden, und zwar für solche, bei denen Text vorrangig der Informationsvermittlung dient und weniger der kreativen Entfaltung, wie z. B. Nachrichtenticker und Filmabspänne. Mit dem Einsatz verschiedener Schriftarten verhält es sich ähnlich, auch hiervon sollten nicht mehr als zwei bis drei verwendet werden wenn es sich um Animationen handelt, bei denen Wörter aufgrund ihrer Bedeutung Informationen vermitteln. Steht jedoch die Gestaltung im Vordergrund, können innerhalb einer Animation so viele Schriftarten eingesetzt werden, wie dem Designer als passend erscheinen um die Emotionen und zusätzlichen Informationen durch den Schriftcharakter zu transportieren. Schriftmischung Auch für das Mischen verschiedener Schriftarten gelten weniger strenge Regeln als im Printbereich. Da die Schriftarten in Textanimationen meist so eingesetzt werden, dass deren Eigenschaften bereits wichtige Informationen übermitteln, kann für die Mischung von Schriften weder eine zahlenmäßige Beschränkung gemacht werden, noch eine Eingrenzung der Schriftarten, die innerhalb einer Animation miteinander gemischt werden dürfen. Zudem sind nicht zwingend alle verwendeten Schriftarten gleichzeitig sichtbar, sondern können zeitlich versetzt über die Dauer der gesamten Arbeit gezeigt werden. Auszeichnungen Ähnlich wie bei Schriftarten gilt auch für Auszeichnungen, dass sie beliebig eingesetzt werden können, solange es sich nicht um reinen Informationstext handelt. Da bei animierter Typografie meist weniger Text zur selben Zeit dargestellt wird als im Printbereich, ist die Gefahr, den Leser durch Auszeichnungen in seinem Fluss zu stören, ungleich geringer. Sowohl optische als auch ästhetische Auszeichnungen können verwendet werden, sofern ihr Einsatz gut durchdacht ist. Durch die zeitliche Komponente erschließen sich dem Designer eine Vielzahl neuer Möglichkeiten zur Hervorhebung von Textpassagen, wie z. B. Einblenden, Ausblenden, Blinken, Beleuchten, Pulsieren, Skalieren, Translieren, uvm. Laufweiten Bei Animationen in denen Typografie rein formal zum Einsatz kommt, können die Abstände zwischen den Buchstaben beliebig gewählt werden. Häufig KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 57 werden dabei die Abstände verringert, sodass eine durchgehende Form entsteht. Steht bei der typografischen Animation jedoch die Lesbarkeit im Vordergrund, ist es sinnvoll einen optimalen Zeichenabstand anzustreben um diese zu fördern. Zeilen In typografischen Animationen werden selten lange Texte auf einmal dargestellt, deshalb kommt es nicht oft zu Bildern mit vielen Zeilen. Im Gegensatz zum Printbereich stellt hier die Zeilenlänge ein geringeres Problem dar, weil selbst bei langen Zeilen nicht die Gefahr besteht, dass das Auge des Betrachters in die falsche Zeile springt, wenn der gesamte Text Wort für Wort oder Zeile für Zeile eingeblendet wird. Ebenso kann der vertikale Abstand zwischen den Zeilen größer gewählt werden, wenn durch die zeitliche Nähe Zusammengehörigkeit wahrnehmbar ist. Anders als bei statischer Typografie sind einzelne Textzeilen im Bewegtbild keine Seltenheit und werden gezielt eingesetzt um Informationen zu übermitteln und Textpassagen besonders zu betonen. Zudem erhalten sie dadurch den nötigen Freiraum um zur Geltung zu kommen. Trennungen Da es sich bei bewegter Schrift meist um kürzere Texte handelt, können Trennungen grundsätzlich vermieden werden, mit Ausnahme des gezielten Einsatzes als Ausdrucksmittel. Bei längeren Texten gelten dieselben Regeln wie bei statischer Typografie. Ausrichtungen Da typografische Animationen häufig nur aus wenigen Zeilen gleichzeitig bestehen, können auch Ausrichtungsarten mit fehlender linker Achse, wie Mittelachse und rechtsbündig, verwendet werden. Kommt es doch zu umfangreicheren Texten, eignen sich wie im Printbereich Blocksatz und Flattersatz als Ausrichtungen. Im Bewegtbild kann sich die Ausrichtung des typografischen Materials durch dessen Bewegung permanent ändern, deshalb kann es keine strikte Obergrenze für die Anzahl der Ausrichtungen, die miteinander gemischt werden dürfen, geben. Verzerren Wird das Verzerren von Buchstaben oder Wörtern gezielt eingesetzt, so ist nichts dagegen einzuwenden. Soll die Lesbarkeit des betroffenen Textes jedoch gewährleistet werden, empfiehlt es sich die Verzerrung geringer als 20 Prozent zu halten. KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 58 Linienstärken Für bewegte Typografie werden, bedingt durch die geringere Auflösung des Darstellungsmediums, meist größere Schriften verwendet als im Printbereich, deshalb stellt die Standardstärke von einem Punkt für Linien kein Problem dar. Es empfiehlt sich dennoch auch im Bewegtbild die Linienstärke an die Schriftart und Schriftgröße anzupassen. Spielereien Der Einsatz von vorgefertigten Effekten zur Schriftgestaltung, über die viele Compositing-Programme bereits verfügen, ist im Bereich der bewegten Typografie weniger kritisch. Zwar gilt auch hier meist der Leitsatz Weniger ” ist mehr.“, es liegt jedoch im Ermessen des Designers, die zu verwendenden Effekte auszuwählen. Wichtig ist dabei, dass sie gezielt eingesetzt werden und dadurch die gewünschte Information vermitteln und das Gesamtwerk aufwerten. 5.3 Lesbarkeit In den meisten Fällen, in denen bewegte Typografie eingesetzt wird, fungiert der Betrachter wenigstens partiell als Leser. Selbst wenn es sich bei dem Text nur um einzelne Wörter oder Buchstaben handelt, ist es für das Verständnis der transportierten Botschaft unumgänglich, dass dieser vom Betrachter gelesen wird. Um im Bewegtbild die Lesbarkeit des typografischen Materials nicht zu gefährden, sind einige Punkte zu beachten, wie z. B. wo die Zeichen in welcher Schrift mit welcher Geschwindigkeit bewegt werden. 5.3.1 Lesearten Bevor mit der Gestaltung typografischer Werke begonnen wird sollte klar sein, welchen Zweck die Typografie in Hinsicht auf den Leser verfolgt. Nach der Leseart, mit der der Text vom Betrachter erfasst wird, teilt Schriftsetzerin Claudia Runk Typografie im Printbereich in fünf Kategorien ein [18]: 1. Typografie für lineares Lesen 2. Typografie für informierendes Lesen 3. Typografie für konsultierendes Lesen 4. Typografie für differenzierendes Lesen 5. Typografie für inszenierendes Lesen KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 59 Typografie für lineares Lesen Lineares Lesen kommt für gewöhnlich bei Werken in Prosa zum Einsatz. Bei dieser Form des Lesens erschließt sich der Text satzweise. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Fall der Grauwert, durch den der Leser den Eindruck eines ruhigen, gleichmäßigen und harmonischen Textes erhalten soll. Deshalb ist es wichtig, für Hervorhebungen ästhetische Auszeichnungen einzusetzen. Die Zeilenlänge in derartigen Texten beträgt 60 bis 70 Zeichen. Typografie für informierendes Lesen Auch als antizipierendes Lesen bezeichnet findet informierendes Lesen vorwiegend bei der Lektüre von Sachbüchern und Zeitungen statt. Für diese Leseart, zu der auch das Querlesen zählt, sind eine gute Gliederung, kurze Abschnitte und kurze Zeilen besonders geeignet. Auszeichnungen spielen beim Querlesen eine große Rolle, da der Blick des Lesers dadurch Anhaltspunkte zum Springen erhält. Da ein gleichmäßiger Grauwert in Druckerzeugnissen dieser Art von geringer Relevanz ist, können auch optische Auszeichnungen verwendet werden. Typografie für konsultierendes Lesen Konsultierendes Lesen kommt bei Nachschlagwerken oder Lexika zum Einsatz, wobei der Leser gezielt auf Informationssuche geht. Um ein Maximum an Wissen auf die einzelnen Seiten zu packen, werden vorwiegend kleine Schriftgrade und enge Zeilenabstände gewählt. In der Regel ist der Text in Spalten unterteilt, wobei die Stichwörter deutlich hervorgehoben werden, z. B. durch optische Auszeichnungen wie fette Schriften. Typografie für differenzierendes Lesen Beim differenzierenden Lesen, das bei Lehrbüchern und wissenschaftlichen Werken eingesetzt wird, sind auch längere Zeilen mit einer Vielzahl an Auszeichnungen erlaubt. Von großer Bedeutung ist in solchen Texten eine klare Struktur, die dem Leser den Überblick erleichtert. Typografie für inszenierendes Lesen Bei inszenierender Typografie steigert der Designer die Wirkung des Textes, indem er den Inhalt interpretiert und dies in die Gestaltung miteinbringt. Dabei wird Schrift zum Bild, jedoch immer noch mit dem Ziel, gelesen zu werden. Hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten gibt es so gut wie keine Grenzen, erlaubt ist, was gelingt. Schlüpft der Beobachter einer typografischen Animation in die Rolle des Lesers, so fällt seine Tätigkeit in den Bereich des inszenierenden Lesens. Der Designer entscheidet, wie die Buchstaben und Wörter in Szene gesetzt KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 60 werden um dem Betrachter die gewünschte Botschaft zu übermitteln. Auch wenn zur Gestaltung unzählige Möglichkeiten offen stehen ist für eine erfolgreiche Animation bedeutend, dass auf Schriften und Auszeichnungen, die die Lesbarkeit des Textes gefährden, verzichtet wird. 5.3.2 Schriftarten Die Wahl der eingesetzten Schrift kann genau wie die verwendeten Auszeichnungen die Lesbarkeit eines Textes stark beeinträchtigen. Durch die wesentlich geringere Auflösung des Darstellungsmediums bei typografischen Animationen im Vergleich zum Printbereich wird von Serifenschriften eher abgeraten. Im Printdesign werden Serifen eingesetzt um das Auge des Lesers zu führen und weniger rasch ermüden zu lassen. Da im Bewegtbild, mit Ausnahme der Rolltexte im filmischen Abspann, vorwiegend kürzere Texte, oft sogar nur einzelne Worte oder Buchstaben, dargeboten werden, verlieren Serifen hier an Bedeutung. Werden die typografischen Zeichen außerdem in dunkler Schriftfarbe vor hellem Hintergrund platziert, kann es bei feinen Serifen kleinerer Schriftgrade zu deren Überstrahlung kommen. Aufgrund der geringen Auflösung bei der Darstellung der Buchstaben sollten kleine Schriftgrade mit feinen Serifen besser nicht eingesetzt werden, da die dünnen Linien oft nicht sauber abgebildet werden können und dadurch unscharf wirken, was wiederum die Lesbarkeit beeinträchtigt. Dies gilt ebenso für serifenlose Schriften, die Feinheiten aufweisen, wie viele kursive Schnitte und Schreibschriften. Da sich das eben geschilderte Problem auf kleine Schriftgrößen beschränkt kann jede Schriftart im Bewegtbild eingesetzt werden, sofern dies in ausreichender Größe passiert. Wie im Printbereich bedarf es auch bei bewegter Typografie bei größeren Schriften fallweise einer Anpassung der Laufweite, damit die Buchstaben nicht ungewollt miteinander verschmelzen. Wird ein erhöhtes Maß an Text gleichzeitig in Bewegung dargestellt, sodass die Schrift kleiner gewählt werden muss, bieten sich dafür ähnlich wie im Web-Bereich einfache, klare, offene Schriften mit eher großen X-Höhen, gleichmäßiger Strichstärke und leicht erhöhter Laufweite an. Beispiele für solche Schriften sind die Verdana, Arial, Monaco, Minon, Trebuchet MS, Comic Sans MS, Georgia, Chicago, Geneva, New York und die Courier [18]. 5.3.3 Auszeichnungen Hervorhebende Effekte für zweidimensionale Typografie, wie das Umranden oder mit Schlagschatten versehen der Zeichen, können die Lesbarkeit sowohl im positiven als auch im negativen Sinn beeinträchtigen. Kleine Schriftgrößen laufen durch derartige Effekte wegen der bereits erwähnten geringeren Auflösung des Darstellungsmediums Gefahr, unscharf zu wirken. Während dies bereits bei Texten vorkommen kann, deren Bewegung lediglich im Einbzw. Ausblenden besteht, verstärkt sich die negative Beeinträchtigung der KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG 61 Lesbarkeit wenn die typografischen Zeichen transliert oder rotiert werden. Die Farben für Umrandungen und Schlagschatten werden häufig in starkem Kontrast zur Schriftfarbe gewählt, um den Text vom Hintergrund abzuheben, z. B. gelbe Schrift mit schwarzem Schatten auf weißem Hintergrund oder dunkelblaue Schrift mit hellgrauer Umrandung vor einer schwarzen Fläche. Diese Vorgehensweise verbessert die Lesbarkeit und wird gerne für Untertitel im Filmbereich eingesetzt. Wird der Text durch Translation in Bewegung versetzt, entsteht aufgrund der Trägheit des menschlichen Auges Bewegungsunschärfe, die den Kontrast zwischen Buchstabenfarbe und Kontur verringert und dadurch die Lesbarkeit erschwert. Mitunter kann dies eine weitere Erklärung für den in Abschnitt 5.1.1 diskutierten statischen Charakter von Untertiteln liefern. Bei einer Umsetzung in Form von Laufschriften könnte der geringere Kontrast auch hier die Lesbarkeit der Wörter erschweren und das Verständnis der Texte gefährden. Wird Schrift als Ikonokinetogramm eingesetzt, dienen durch Lichtquellen verursachte Schatten typografischer Zeichen nicht als hervorhebender Effekt, sondern vorwiegend zur Orientierung im dreidimensionalen Bildraum. Bei der Platzierung von Buchstaben und Wörtern mit räumlicher Tiefe ist darauf zu achten, dass der Text trotz perspektivischer Verzerrung lesbar bleibt. 5.3.4 Bewegungsgeschwindigkeit Bedingt durch die Trägheit des menschlichen Sehapparats führt Bewegung in Form von Translation oder Rotation zu Unschärfe, die relativ zur Bewegungsgeschwindigkeit zunimmt. Um die Lesbarkeit des animierten Textes dennoch zu erhalten, ist es notwendig die Geschwindigkeit nicht zu hoch zu wählen. Für vertikale Rolltitel im Filmabspann existiert ein Richtwert von sieben bis zehn Sekunden [4], wonach zwischen dem Eintritt einer Zeile in den Bildbereich, der für gewöhnlich am unteren Rand passiert, und dem Austritt am gegenüberliegenden Bildrand eine Zeitspanne von sieben bis zehn Sekunden liegen soll, um dem Betrachter ein stressfreies Erfassen der Information zu ermöglichen und die Lesbarkeit nicht zu gefährden. Dies gilt sowohl für digitale als auch analoge Rolltitel. 5.3.5 Bildbereiche Durch die unterschiedlichen Ausgabegeräte im Broadcast-Bereich kann es abhängig vom Gerät dazu kommen, dass Ränder des Bildes abgeschnitten werden. Um sicherstellen zu können, dass der Informationsgehalt der Textteile dadurch nicht gefährdet wird, gibt es zwei beschränkte Bildbereiche, den Title-Safe- und den Action-Safe-Bereich (siehe Abb. 5.4). Als title-safe wird jener Bereich bezeichnet, der auf allen Ausgabegeräten garantiert dargestellt wird. Darin wird Text platziert, der nicht angeschnitten werden darf und dessen Lesbarkeit unbedingt gewährleistet sein soll. Dieser Bereich nimmt, KAPITEL 5. VERÄNDERUNGEN DURCH BEWEGUNG / / / 62 / / / Abbildung 5.4: Bildbereiche: Title-Safe-Bereich (gelb), Action-Safe-Bereich (blau), gesamter Bildbereich (grau). abhängig von der verwendeten Software, in etwa 80 Prozent der Höhe und Breite Gesamtbildes ein. Als action-safe wird ein Bereich mit einer Höhe und Breite von ca. 90 Prozent der Maße des gesamten Bildes bezeichnet, der zwar auf den meisten Geräten noch angezeigt wird, dessen vollständige Darstellung jedoch nicht garantiert werden kann. Hier werden bewegte Elemente platziert, deren uneingeschränkte Lesbarkeit nicht zwingend erforderlich ist. Kapitel 6 Einsatzgebiete Das vorliegende Kapitel gibt einen kurzen Einblick in die Bereiche, in denen bewegte Typografie zum Einsatz kommt. 6.1 Film & Fernsehen Im Bereich Film und Fernsehen wird bewegte Schrift vorwiegend zur Informationsvermittlung verwendet. Die Einsatzgebiete reichen dabei von Eröffnungssequenzen, Untertiteln und Rolltexten im Film über Werbungen bis hin zu Kriechtexten und On-Air-Design im Fernsehen. Eröffnungssequenzen In filmischen Titelsequenzen kann bewegte Schrift einerseits auf den Inhalt des Filmes deuten, oder sich andererseits auf die Produktionsebene beziehen. Zum ersten Fall zählen handlungsrelevante Einführungen, Zitate, Angaben zu Zeit und Ort und etwaige Kommentare [15], wobei durch die Inszenierung der Schrift auch Stimmungen vermittelt werden können, die auf die filmische Handlung anspielen. Die Credits stellen die produktionsorientierten Texte dar, die sich nicht nur an den Zuschauer, sondern auch an die eigene Branche wenden, wobei deren Umfang von Film zu Film variiert. In Amerika setzen sich Gewerkschaften für die Nennung von verschiedenen, an einem Film mitwirkenden Personen ein, dazu zählen z. B. die Writers Guild of America 1 (WGA) und die Directors Guild of America 2 (DGA). Zu den Opening Credits zählen nach Florian Hausberger [12]: Vertriebsstudio, Produktionsstudio, Investoren / Sponsoren, Erwähnung eines populären Regisseurs oder Produzenten, populäre Hauptdarsteller, Filmtitel, andere Hauptdarsteller und wichtige Nebendarsteller, Casting, etwaige Sonderfunktionen, Filmmusik, Kostüme, Schnitt, Produktionsdesign, Kamera, 1 2 http://www.wga.org/ bzw. http://www.wgaeast.org/ http://www.dga.org/ 63 KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 64 ausführender Produzent, Produzenten, besondere Berater oder Originalautoren, Writing Credits und Regisseur. Neben filmischen Titelsequenzen werden auch die Eröffnungssequenzen für Serien und andere Sendungen im Broadcast-Bereich immer aufwändiger gestaltet. Untertitel Bei Untertiteln besteht die Bewegung ausschließlich aus Ein- und Ausblenden der Schrift. Diese Einsatzmöglichkeit von typografischen Zeichen im Bewegtbild dient meist zur Übersetzung in eine andere Sprache und wird zusätzlich zum Originalton über das Filmbild eingeblendet. Oberste Priorität hat dabei die Lesbarkeit (siehe Abschnitt 5.3), weshalb die Wahl der Schriftfarbe eine große Rolle spielt. Gleichgültig welche Farbe eingesetzt wird, sie sollte auf jeden Fall einen hohen Kontrast zum Hintergrund aufweisen, damit der Betrachter den Text klar erkennen und gut lesen kann. Aus diesem Grund wird für Untertitel häufig weiße Schrift verwendet, die entweder vor einem schwarzen Querbalken eingeblendet wird, oder über schwarze Outlines3 verfügt. Letzteres hat den Vorteil, dass vom Filmbild nur so wenig als möglich durch die Schrift verdeckt wird und sich diese sowohl von hellem als auch von dunklem Hintergrund abgrenzt. Wird der Text über eine schwarze Farbfläche gelegt, so wird zwar ein Teil des Bildes verdeckt, auf monotonen Flächen ist die Lesbarkeit der Schrift durch den maximalen Kontrast zum Hintergrund jedoch ungleich weniger gefährdet, als auf bunten, bewegten Bildern. Vergleichbar mit Untertiteln im Film ist auch die Darbietung des Textes bei Karaoke-Programmen. Dabei werden meist mehrere Zeilen des Liedtextes gleichzeitig eingeblendet, während der Fortschritt der Musik dadurch signalisiert wird, dass die Wörter ihre Farbe ändern sobald sie im Lied erwähnt werden sollen. Zusätzlich zum Ein- und Ausblenden der typografischen Zeichen besteht deren Animation in der Änderung der Schriftfarbe. Beispielsweise wird der noch nicht gesungene Text weiß dargestellt, während bereits in der Vergangenheit liegende Passagen gelb angezeigt werden. Die Grenze zwischen gelben und weißen Wörtern markiert die aktuelle Position im Liedtext. Roller / Crawler Als Roller, auch Rolltitel oder Rolltexte genannt, wird die vertikale Translation eines Textes durch den Darstellungsbereich bezeichnet. Für gewöhnlich erfolgt die Bewegung von unten nach oben, das bedeutet die Schrift tritt am unteren Rand in die Bildfläche ein, bewegt sich dann mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vertikal durch das Bild, bis sie dieses am oberen Bildrand 3 Umrandungen KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 65 wieder verlässt. Anwendung findet diese Form von bewegter Typografie vorwiegend im Filmabspann. Dabei werden unter anderem die an der Entstehung des Filmes beteiligten Personen namentlich erwähnt, und zwar meist in heller Schrift vor dunklem Hintergrund. Crawler, auch Crawltitel oder Kriechtexte genannt, bezeichnen die horizontale Einblendung eines Textes in das Fernsehbild, genau gesagt als Laufschrift, die sich gegen die Leserichtung, also von rechts nach links, bewegt. Bei TV-Serien und anderen Sendungen wird der Abspann häufig auf diese Weise umgesetzt. Weitere Einsatzmöglichkeiten sind z. B.: • die Integration von aktuellen Nachrichten oder Börsenkursen in das laufende Programm (z. B. bei Nachrichtensendern), • Hinweise auf Änderungen im Programm und • Telefonnummern oder Preisinformationen bei Verkaufssendungen; Ähnlich wie bei Untertiteln ist auch bei Roll- und Kriechtexten eine klare Abgrenzung der Schrift vom Hintergrund wünschenswert. Durch die große Menge an Information, die sich z. B. bei der Einblendung von Aktienkursen in kurzer Zeit über den Darstellungsbereich bewegt, werden häufig Auszeichnungen eingesetzt, um dem Betrachter das selektive Lesen zu ermöglichen. Bei beiden Anwendungen ist eine angemessene Geschwindigkeit wichtig, um einerseits die Lesbarkeit des Textes nicht zu gefährden und andererseits so viel Information wie möglich unterzubringen. Im Gegensatz zum Film wird bei TV-Serien und anderen Sendungen der Abspann oft so schnell abgespielt, dass auch besonders flinke Leser keine Möglichkeit haben, den Text zu erfassen. Da die Credits im Fernsehen ohnehin bei vielen Zusehern keine große Beachtung finden wird hier oft an Sendezeit eingespart. Werbung Auch in Werbungen kommt bewegte Schrift zum Einsatz. Während sie in den meisten Fällen auf einer eigenen Ebene über dem Bildmaterial liegt, wo sie auf unterschiedliche Weise inszeniert wird und Informationen zum beworbenen Produkt vermittelt, gibt es mittlerweile auch Werbungen, die als reine Schriftanimationen umgesetzt sind. Diese typografischen Werbefilme erregen die Aufmerksamkeit des Betrachters durch ihre Individualität im Vergleich zu den herkömmlichen Werbespots. So wirbt z. B. das Internet-Portal audible.de für seine Hörbücher und Audiomagazine, indem es zwei statische, zueinander gerichtete Kopfhörer zeigt, aus denen Buchstaben in Richtung Bildmitte strömen. Gleichzeitig ertönt die Stimme eines Erzählers, die mit den Worten Es war ein Kampf gegen ” die Zeit...“ die Geschichte beginnt. Während der gesprochene Text anfangs noch mit den dargestellten typografischen Zeichen übereinstimmt, bildet sich KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 66 Abbildung 6.1: Lebendige Worte (2006), TV-Werbung des Internetportals audible.de – hörbücher und audiomagazine zum download. Abbildung 6.2: Superzins (2006), TV-Werbung der Bank Cortal Consors. kurz darauf im Zentrum der Darstellungsfläche ein dichtes Buchstabengewirr. Wenig später entsteht daraus ein dreidimensionaler, ausschließlich aus Buchstaben geformter Drache, der schließlich mit weit geöffnetem Maul auf den Betrachter stürzt als würde er ihn verschlingen (siehe Abb. 6.1). In diesem Werbespot wird durch die Animation der typografischen Zeichen gekonnt vermittelt, dass sich durch die Wahrnehmung der gesprochenen Worte lebendige Bilder im Kopf des Zuhörers formen. Auch die Bank Cortal Consors 4 bedient sich für die Bewerbung ihres Sparproduktes Superzins einer rein typografischen Animation. In dem Werbespot bilden zahlreiche, golden leuchtende Zahlenreihen aus der Ferne betrachtet den Zinssatz, der beworben werden soll (siehe Abb. 6.2). Da dieser eine deutlich höhere Zahl zeigt, als all die anderen dargestellten Glieder der Zahlenketten, wird dem Zuseher der neue Zinssatz als besonders ertragreich vermittelt. On-Air-Design Im On-Air-Design wird animierte Schrift vorwiegend für die unterschiedlichen Arten der Eigenwerbung eines Senders eingesetzt. Vor allem für Privatsender bieten Senderkennungen und Werbungen für das eigene Programm die Möglichkeit, sich von der Masse abzuheben. Durch ansprechende Inszenierung des Logos, meist als Ikonokinetogramm, wird ebenso wie mit auffallenden Programmvorschauen versucht, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen und ihn so als längerfristigen Zuschauer zu gewinnen (Abb. 6.3(a)). Da viele Menschen relativ rasch durch die verfügbaren Kanäle 4 http://www.cortalconsors.de/ KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE (a) 67 (b) (c) Abbildung 6.3: Typografische Animationen im On-Air-Design: animierte Senderkennung des deutschen Privatsenders Sat1 (a), Insert mit Hinweis auf eine andere Sendung des deutschen Privatsenders Pro7 (b), Bauchbinde der Nachrichtensendung RTL Aktuell im Programm des deutschen Privatsenders RTL (c). zappen, bleibt nur wenig Zeit um den Blick des Zusehers zu fesseln und dessen Interesse für das eigene Programm zu wecken. Bewegte Typografie kommt auch in Inserts zum Einsatz. Dabei werden beispielsweise Informationen zur laufenden Sendung, Telefonnummern für Gewinnspiele, Hinweise auf Teletextseiten oder Werbung für andere Sendungen meist am oberen Bildrand horizontal eingeblendet (Abb. 6.3(b)). Da die Gestaltung solcher Inserts häufig eher dezent ausfällt, um das Bildmaterial nicht negativ zu beeinträchtigen, geht mit dem Erscheinen der Einblendung oft ein akustisches Signal einher, das zusammen mit der bewegten Schrift die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen soll. Vergleichbar mit filmischen Untertiteln ist auch bei Bauchbinden die Bewegung der typografischen Zeichen auf das Ein- und Ausblenden beschränkt. Dieser Einsatz von Schrift im Bewegtbild wird vorrangig für Informationen zu im Bild befindlichen Personen verwendet, z. B. bei Nachrichtenbeiträgen oder in Talkshows (Abb. 6.3(c)). Bei Musiksendern fungieren Bauchbinden zur Einblendung von Songtitel, Interpret und Album. Das Aussehen dient nicht zur Identifikation des Fernsehsenders, sondern kann von Sendung zu Sendung variieren und wird meist auf deren gesamtes Design, inklusive Eröffnungssequenz und anderer Einblendungen, abgestimmt. Allen Bauchbinden gemeinsam ist jedoch ihre Position im unteren Drittel des Bildes. 6.2 Internet Im Internet wird bewegte Schrift vorwiegend zu Werbezwecken eingesetzt. Während dies meist in Form von Werbebannern geschieht, gibt es auch interaktive Websites, die dafür geschaffen wurden. Diese Applikationen müssen aber nicht zwanghaft der Werbung dienen, sondern können auch einfache Spielereien sein. KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 68 Abbildung 6.4: Shift: Cover (2001), Interaktive Applikation für den Titel des Onlinemagazins Shift, Designer: Yugo Nakamura. Werbebanner Bei dieser Werbeform werden typografische Zeichen eingesetzt, um Informationen zu vermitteln. Im Gegensatz zu statischer Werbung im Internet erregen hier die in Szene gesetzten Buchstaben die Aufmerksamkeit des Betrachters durch ihre Bewegung und lenken dessen Blick auf die Werbefläche (siehe Abschnitt 5.1.1). Werbebanner bestehen in der Regel aus einer oder mehreren kurzen Sequenzen, die in einer Endlosschleife ablaufen. Dadurch wird gewährleistet, dass der Betrachter die gesamte Werbung erfassen kann, gleichgültig zu welcher Zeit sie seinen Blick auf sich zieht. Zur Gestaltung lässt sich sagen, dass Werbebanner nur äußerst selten ausschließlich aus typografischen Elementen bestehen. Üblicherweise wird Bildmaterial mit informierendem Text kombiniert und beides durch Bewegung passend in Szene gesetzt. Interaktive Applikationen Bei herkömmlichen Websites beschränkt sich die Interaktivität auf die Navigation zwischen den verschiedenen Seiten, die vorwiegend durch Links realisiert wird. Typografie kommt dabei meist nur in statischer Form vor, als Menübezeichnungen oder Linktexte, die durch Klicken eventuell ihre Farbe ändern. Einige Websites beinhalten jedoch interaktive Applikationen, die überwiegend oder gänzlich aus bewegten typografischen Elementen bestehen. Dabei schlüpft der Besucher in die Rolle des Interakteurs (siehe Abschnitt 4.4.3) und bestimmt den Fortgang der Animation. Die Homepage des Designers Yugo Nakamura5 hält für interessierte Besucher einige solcher interaktiver Animationen bereit. Eine davon ist Shift: Cover die für das Cover des Onlinemagazins Shift gestaltet wurde. Bei dieser Applikation schweben aus schwarzen Buchstaben gebildete Knäuel durch einen dreidimensional wirkenden, weißen Raum. Durch Klicken auf eines dieser typografischen Nester bewegt es sich in den Vordergrund. Befindet es sich bereits ganz vorne, zerfällt dieses und bildet eine von vielen provokanten Phrasen aus den Bereichen Design, Musik, Bildung oder Entdeckung (siehe Abb. 6.4). 5 http://www.yugop.com/ KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 69 Abbildung 6.5: Words at Play (2004), Interaktive Website, künstlerische Leitung: Roberto de Vicq de Cumptich und Matteo Bologna, Design von Website und Animation: Steve Holmes. Eine weitere Arbeit desselben Designers ist die interaktive Animation Rigid Body 01 bei der die drei Worte one“, two“ und three“ von schweren ” ” ” weißen Buchstaben gebildet vor einem schwarzen Hintergrund stehen. Klickt der Besucher auf eines der Worte und zieht es mit gedrückter Maustaste in eine beliebige Richtung um es schließlich wieder loszulassen, so wird es quer durch den Raum geschleudert. Wirft der Betrachter das Wort aus dem Darstellungsbereich kommt es bei einem horizontalen Austritt auf der gegenüberliegenden Seite wieder ins Bild, fliegt es über den oberen oder unteren Rand hinaus, so bleibt es dort bis die Applikation durch Klicken auf den Reset-Link zurückgesetzt wird. Die Animation der typografischen Zeichen wird vom Interakteur gesteuert und umfasst Rotationen und Translationen im zweidimensionalen Raum. Als zweierlei Werbung fungiert die interaktive Website Words at Play von den Designern Roberto de Vicq de Cumptich und Matteo Bologna. Von Adobe gesponsert bewirbt sie einerseits das gleichnamige Buch und andererseits die 25 OpenType Schriften der Adobe Type Library, die für die typografischen Portraits von renommierten Schriftstellern eingesetzt werden. Während die einzelnen Portraits in der gedruckten Version lediglich im finalen Zustand zu sehen sind, kann der Besucher der Website dabei zusehen, wie sich aus den im Namen des Schriftstellers befindlichen Buchstaben nacheinander dessen Portrait zusammensetzt (siehe Abb. 6.5). Die typografischen Zeichen werden dabei als visuelle Symbole eingesetzt (siehe Abschnitt 4.2.1, S. 25). Bereits auf der ersten Seite der Homepage wird vom Betrachter Interaktion gefordert, indem er nur weiter kommt, wenn er die Buchstaben des Schriftzugs Words at Play“ aneinander hängt, indem er das jeweilige Zeichen ” mit dem Mauscursor aufnimmt. Nach erfolgreichem Absolvieren dieser Aufgabe kann der Besucher aus fünf Schriftstellern auswählen, deren Portraits als typografische Animationen erscheinen. 6.3 Installationen Typografische Animationen finden auch in interessanten Installationen Anwendung und begeistern die Zuseher, wie z. B. in The Legible City von Jeffrey KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 70 Shaw und Dirk Groeneveld (siehe Abb. 6.6). Bei dieser Anlage, die aus den Jahren 1988–1991 stammt, sitzt der Betrachter auf einem fest montierten Fahrrad, mit dem Blick auf eine vor ihm befindliche Projektionsfläche gerichtet. Auf der drei mal vier Meter großen Darstellungsfläche wird eine computergenerierte, dreidimensionale Stadt gezeigt, die zur Gänze aus typografischen Zeichen besteht. Durch Simulation der Bewegungen des gesamten Gesichtsfeldes wird dem Besucher die eigene Fortbewegung vorgetäuscht, es kommt zu einer induzierten Scheinbewegung (mehr dazu in den Abschnitten 3.2 und 3.1.2, ab S. 15). Insgesamt stehen dem Besucher drei Städte zur Auswahl: New York City (Manhattan), Amsterdam und Karlsruhe. In der Manhattan-Version ist der verwendete Text in acht fiktive Monologe unterschiedlicher Farbe unterteilt, die alle einen Bezug zum jeweiligen Ort der virtuellen Radtour haben. In den beiden anderen Städten werden historische Episoden typografisch dargestellt, während neben den vollständigen Sätzen auch einzelne Wörter und Abkürzungen verwendet werden, die plötzlich erscheinen und wie Signale wahrgenommen werden [28]. Für die Navigation innerhalb der Stadt ist der Radfahrer selbst zuständig. Während er die Geschwindigkeit mit den Tritten in die Pedale und die Fahrtrichtung mit der Lenkstange steuert, kann er sich auf seiner Fahrt interessantes Wissen über die jeweilige Stadt aneignen. Um nicht in der Buchstabenstadt verloren zu gehen ist vor dem Fahrrad eine kleine Orientierungshilfe in Form eines Bildschirms angebracht, auf dem sich ein Stadtplan mit der Position des Radfahrers befindet [21]. Die typografischen Zeichen wirken in der Installation einerseits formal als Bauteile der Stadt und andererseits durch die Semantik der Wörter, die historische Informationen vermitteln. Legible City wurde zum ersten Mal auf der Ars Electronica Linz 1989 6 in Österreich und auf der World Design Expo Artec’89 in Japan gezeigt. Als jüngste Weiterentwicklung zählt die interaktive Netzwerk-Installation The Distributed Legible City (1998 / 1999), die von denselben Machern für mehrere Radfahrer gleichzeitig geschaffen wurde. Ein aktuelles Beispiel, bei dem der Betrachter lediglich als Beobachter fungiert, ist die Installation Bitfall von Julius Popp (siehe Abb. 6.6). Dabei handelt es sich um einen in der Höhe variierbaren Informationsvorhang mit 128 Düsen, die vor dem Auge des Betrachters aus Wassertropfen geformte Wörter entstehen lassen. Nach statistischen Regeln selektiert ein Computerprogramm aktuelle Schlagwörter von Nachrichtenwebsites im Internet und liefert so den darzustellenden Text für den transparenten Informationsvorhang. Die zu Boden fallenden Tropfen sammeln sich in einem Auffangbecken und werden über eine Pumpe wieder nach oben zu den Ventilen geführt, wodurch ein geschlossener Kreislauf entsteht. Julius Popp entwickelte den flüchtigen Informationsvorhang als eine Metapher für die ständige Informationsflut, der der Mensch ausgesetzt ist und aus dem er seine sich konti6 http://www.aec.at/ KAPITEL 6. EINSATZGEBIETE 71 Abbildung 6.6: links: The Legible City (1988–1991), Installation von Jeffrey Shaw, Typografie: Dirk Groeneveld, Bilder aus [21]; rechts: Bitfall (2002– c 2004), Installation von Julius Popp, Bilder Julius Popp. nuierlich verändernde Realität ableitet. Bitfall verweist mit Ironie auf das unaufhörliche Bestreben der Informationsgesellschaft, durch technologische Errungenschaften ein allgemein gültiges Abbild von Realität zu schaffen [16]. Mit dieser Installation wird zudem die Vergänglichkeit bewegter Typografie im Vergleich zur beständigen Schrift im Printbereich gezeigt. 6.4 Bildschirmpräsentationen Eher ungern gesehen ist die Verwendung von animierten Buchstaben in Bildschirmpräsentationen. In der Präsentationssoftware Powerpoint 2002 der Firma Microsoft existieren 183 Animationsvorlagen, zu denen Effekte für das Ein- und Ausblenden und zum Hervorheben von typografischen Zeichen ebenso zählen, wie vorgefertigte Animationspfade, die allesamt beliebig angepasst werden können. Da Bildschirmpräsentationen grundsätzlich zweitrangig nach der vortragenden Person sind, sollten die Textanimationen so dezent gehalten werden, dass sie gut lesbar sind und den Blick des Zusehers nur kurz auf sich ziehen. Die Aufmerksamkeit des Betrachters soll in erster Linie dem Redner gelten und nicht den Präsentationsfolien. Zudem werden Präsentationen mit auffällig herumhüpfenden Buchstaben oder aufwändigen Ein- und Ausblendungen der Texte nicht unbedingt als professionell angesehen, sondern möglicherweise als Versuch, von einer weniger guten Rede abzulenken. Kapitel 7 Schlussbetrachtungen Abschließend werden die Erkenntnisse zusammengefasst, die im Laufe der Erstellung der vorliegenden Diplomarbeit gesammelt werden konnten. Im Zentrum der Arbeit stand eine Analyse der Änderungen, die sich durch Bewegung von typografischen Zeichen im Vergleich zu statischer Schrift ergeben. Sie umfasste sowohl die Suche nach Gründen für Bewegung als auch ein Überdenken der bestehenden Regeln für die Erstellung von typografischen Druckerzeugnissen und Änderungen, die im Bereich der Lesbarkeit auftreten. Das als Rahmen für die Vielzahl an mannigfaltigen, bereits existierenden Typografie-Animationen entwickelte Klassifizierungssystem ermöglicht eine Einteilung nach sechs Kategorien. Diese Einteilungskriterien umfassen sowohl vorwiegend funktionale, die Bedeutung der Zeichen betreffende, als auch eher formale Aspekte. Neben ihrem eigentlichen Zweck dient die Kategorisierung dazu, die Vielseitigkeit der typgografischen Animation aufzuzeigen. Da das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit auf den funktionalen, durch Bewegung von Schrift entstehenden Veränderungen liegt, nehmen die formalen Kriterien nur ein Drittel des gesamten Systems ein. Im Bedarfsfall können diese jedoch beliebig erweitert werden, z. B. um einen die akustische Ebene betreffenden Aspekt. Die Antwort auf die Frage nach dem Beweggrund für die Animation typografischer Zeichen hängt ab von dem Bereich, in dem diese zum Einsatz kommt. Werden Schriftanimationen für Werbezwecke gestaltet, so stellt die Erregung der Aufmerksamkeit durch Bewegung den Hauptgrund dar. Da eine Bewegung innerhalb der Gesichtsfeldperipherie eine Augenbewegung hin zum entsprechenden Objekt auslöst, können animierte Werbetexte beliebig im Rahmen des Darstellungsbereiches platziert werden. Sowohl als Inserts im Fernsehbild zur Bewerbung des eigenen Programmes eines Senders als auch in Form von Werbebannern auf Internetseiten, das Prinzip ist dasselbe. Im Bereich Werbung gibt es neben den Inserts und Werbebannern auch Werbespots, die die gesamte Bildfläche einnehmen. Auch hier wird 72 KAPITEL 7. SCHLUSSBETRACHTUNGEN 73 die Aufmerksamkeit des Betrachters durch die Bewegung der typografischen Zeichen erregt, jedoch auf unterschiedliche Weise. Bei solchen bildschirmfüllenden Werbespots muss der Blick des Zusehers nicht erst auf sich gezogen werden, seine Aufmerksamkeit soll dennoch erregt werden, um die Werbebotschaft übermitteln zu können. Dies erfolgt häufig durch reine Schriftanimationen, die nach dem Ausnahmegesetz arbeiten. Da Werbefilme, die ausschließlich aus typografischen Zeichen bestehen, im gesamten Angebot an Werbespots sehr selten anzutreffen sind, erwecken sie das Interesse des Betrachters. Diese Wirkung besteht jedoch nur, solange rein typografische Animationen in der Werbewelt eine Seltenheit darstellen. Nehmen derartige Spots zu, so gewöhnt sich der Zuseher daran und reagiert nicht mehr mit erhöhter Aufmerksamkeit. Bildschirmfüllende Werbungen werden meist dann als reine Schriftanimationen realisiert, wenn die transportierte Botschaft selbst mit großem Informationsfluss in Zusammenhang steht, wie z. B. ein Spot für den Informationstext eines Fernsehsenders. Wird Typografie in erster Linie zur Informationsvermittlung eingesetzt, liegt der Grund für die Bewegung wohl im zusätzlichen Informationsgehalt, den die Animation beinhalten kann. Ein alltägliches Beispiel dafür sind Abspänne im Film, bei denen durch vertikale Translation ein Vielfaches an schriftlicher Information auf derselben Bildfläche dargestellt werden kann, als es ohne Bewegung möglich wäre. Weitaus interessanter ist hingegen der Einsatz von typografischen Zeichen, die durch ihre Bewegung zusätzlichen Informationsgehalt vermitteln. In Folge der Integration des zeitlichen Faktors in die typografische Gestaltung kann Schrift durch Bewegung in Szene gesetzt werden, sodass die einzelnen Zeichen Verhaltensweisen zeigen oder kinetische Eigenschaften aufweisen können. In typografischen Animationen wird die Semantik mit den Informationsparametern der Bewegung kombiniert, so entsteht aus dem Verständnissystem der statischen Schrift ein Informationssystem mit signifikant erhöhtem Informationsgehalt. Während im Printbereich als zeitunabhängige Kommunikationsform die Kontrolle der zeitlichen Komponente vollständig dem Leser unterliegt, wechselt sie im Bewegtbild in die Hände des Gestalters. Dies ermöglicht ihm nicht nur die Animation der Zeichen, sondern in weiterer Folge auch die Manipulation des Leseverhaltens. Genauer gesagt wird bei bewegter Typografie vorherbestimmt, welche Informationen der Betrachter zu welchem Zeitpunkt erhält. So kann der Informationsstand aller Zuseher, sowohl schneller als auch langsamer Leser, auf gleichem Level gehalten werden. Ein Bereich, in dem dies zum Einsatz kommt, ist die Verwendung von Schrift als Untertitel. Bislang findet die Bewegung dabei zum Großteil durch Ein- und Ausblenden des Textes statt. Weitere Animationsmöglichkeiten, wie farbliche Änderungen sobald das Wort im filmischen Dialog gesprochen wird, sind zwar denkbar, haben sich jedoch vermutlich durch die damit auftretende Unruhe im Text und den auf diese Weise erschwerten Lesefluss noch nicht durchgesetzt. Durch die zeitliche Komponente wurde nicht nur die Bewegung von Schrift ermöglicht und zahlreiche neue Gestaltungsoptionen eröffnet, son- KAPITEL 7. SCHLUSSBETRACHTUNGEN 74 dern zudem ein Überdenken der altbewährten Regeln für typografische Gestaltung notwendig. Basierend auf wichtigen Richtlinien zur Schriftgestaltung für Druckerzeugnisse entstand durch passende Adaption ein Regelwerk für bewegte Typografie. Grobe Änderungen betrafen die Anzahl von Schriftarten, Schriftgrößen und Auszeichnungen, die innerhalb eines Werkes eingesetzt werden dürfen, sowie Richtlinien, die sich mit Leerräumen zwischen den Elementen beschäftigen. Bedingt durch die zeitliche Kontrolle des Gestalters kann im Bewegtbild eine höhere Zahl an unterschiedlichen Schriftarten, -größen und Auszeichnungen kombiniert werden. Im Gegensatz zum typografischen Druckerzeugnis besteht die Möglichkeit, den Text über die Zeitachse verteilt zu präsentieren, wodurch z. B. die Kombination von Schriften, die im Printbereich nicht gemischt werden sollten, kein Problem darstellt sofern diese zeitlich versetzt gezeigt werden. Auch die Problematik, die durch zu groß gewählte Abstände zwischen den Elementen entsteht, verliert im Bewegtbild an Bedeutung, da diese einzelnen Teile durch zeitliche Nähe als zusammengehörig wahrgenommen werden. Die räumliche Entfernung kann somit durch zeitliche Nähe überbrückt werden. Für gleichzeitig dargestellte und längere Texte gelten allgemein gesprochen auch im Bewegtbild ähnliche Regeln wie für statische Typografie. Eine Verbesserung des Regelwerks könnte die Ergänzung um filmspezifische Richtlinien zu Bereichen wie z. B. Beleuchtung und Kameraführung darstellen. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen wurden diese Themen bewusst vernachlässigt. Parallel zum Angebot an Software-Tools mit vorgefertigten Animationsvorlagen für die Bewegung von Schrift, steigt auch die Anzahl der typografischen Animationen. Mittlerweile beschränken sich diese längst nicht mehr auf filmische Eröffnungssequenzen, sondern kommen vermehrt in den Bereichen Werbung und Broadcast zum Einsatz. Besonders im Fernsehen nimmt die Bewegung von typografischen Zeichen immer stärker zu, wie unter anderem an den oft aufwändigen Animationen der Senderlogos sichtbar wird. Weiters kommen typografische Animationen im Internetbereich, sowohl als Werbebanner als auch in Form von interaktiven Websites, und in interessanten Installationen zu tragen. Doch nicht immer gewinnt Schrift durch Bewegung an Bedeutung. Einen Bereich, in dem es ratsam ist, Typografie so wenig wie möglich zu animieren, stellt die Bildschirmpräsentation dar. Effektvolle Bewegungen der typografischen Zeichen lassen die gesamte Präsentation rasch hektisch und von niedriger Qualität wirken und lenken vom Redner ab, dem eigentlich die Aufmerksamkeit des Betrachters gelten soll. Während laut Aussage von Ralf Lobeck, Artdirector bei RTL Creation in Köln, eine Zeit lang für Typografie im Bewegtbilddesign der Leitsatz More is more zu gelten schien [6], ist bei aufmerksamer Betrachtung zeitgemäßer Werke eine Tendenz zu eher reduzierter und emotionaler Typografie feststellbar. Ganz gleich in welcher Form animierte Typografie zum Einsatz kommt, essentiell ist, dass sie die Botschaft nicht überschattet, sondern mit ihr zusammenspielt. Anhang A Inhalt der CD-ROM File System: Joliet Mode: Single-Session (CD-ROM) Diplomarbeit Pfad: / dm05004 ehrenhauser sabine da.dvi Diplomarbeit (DVI-File) dm05004 ehrenhauser sabine da.pdf Diplomarbeit (PDF-File) dm05004 ehrenhauser sabine da.ps Diplomarbeit (PostScript-File) Elektronische Quellen Pfad: /quellen/ allary07.pdf . . boehnke02.pdf fdk07.pdf . . . mccort02.pdf . popp04.pdf . . shaw07.pdf . . thierry01.pdf . zkm07.pdf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . siehe siehe siehe siehe siehe siehe siehe siehe [1] [5] [7] [14] [16] [21] [23] [28] Sonstiges Pfad: / images/ . . . . . . . . . Bilder und Grafiken 75 Literaturverzeichnis [1] Allary Film, T. und Media: Anfänge. URL, www.movie-college. de/filmschule/filmtheorie/anfaenge.htm, 1999-2007. Kopie auf CD-ROM (allary07.pdf). [2] Aubert, H.: Die Bewegungsempfindung. Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere, 39:347–370, 1886. 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